Entscheid vom 24. September 2021 - Entscheidsuche

Die Seite wird erstellt Pascal Stock
 
WEITER LESEN
Kantonsgericht von Graubünden
             Dretgira chantunala dal Grischun
             Tribunale cantonale dei Grigioni

Entscheid vom 24. September 2021

Referenz          KSK 21 51

Instanz           Schuldbetreibungs- und Konkurskammer als Aufsichtsbehörde
                  über Schuldbetreibung und Konkurs

Besetzung         Cavegn, Vorsitzender
                  Bergamin und Michael Dürst
                  Brunner, Aktuar ad hoc

Parteien          A._____
                  Beschwerdeführer

                  gegen

                  B._____
                  Beschwerdegegnerin
                  vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Thomas Reimann
                  Forchstrasse 2, Postfach 1467, 8032 Zürich

Gegenstand        Nichtigkeit Pfändungsauftrag und Pfändungsankündigung

Anfechtungsobj.   Pfändungsauftrag des Betreibungsamts Bernina an das
                  Betreibungsamt Rapperswil-Jona vom 6. August 2021

Mitteilung        27. September 2021
Sachverhalt

A.      Mit Zahlungsbefehl Nr. C._____ des Betreibungsamts Zürich 9 vom 1.
Oktober 2019 betrieb B._____ A._____ für den Betrag von CHF 26'132.15
zuzüglich Zins von 4.12% seit 1. Oktober 2019, Zinsen von CHF 3'322.50 sowie
Kosten von CHF 103.30 für die Ausstellung des Zahlungsbefehls. Der dagegen
von A._____ erhobene Rechtsvorschlag wurde vom Bezirksgericht Zürich mit
Rechtsöffnungsentscheid vom 11. Juni 2020 beseitigt und es wurde die definitive
Rechtsöffnung für den Betrag von CHF 26'132.15 nebst Zins zu 4.12% seit 1.
Oktober 2019 sowie für CHF 3'322.50 erteilt. Eine dagegen erhobene Beschwerde
wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 14. Oktober 2020
abgewiesen. Dagegen gelangte A._____ mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde
an das Bundesgericht, welches nach Abweisung des Gesuchs um aufschiebende
Wirkung mit Urteil vom 11. Juni 2021 die subsidiäre Verfassungsbeschwerde
abwies, soweit es darauf eintrat. Bereits mit Urteil vom 2. März 2021 hatte das
Obergericht des Kantons Zürich ein Revisionsgesuch von A._____ gegen das
Urteil vom 14. Oktober 2020 abgewiesen.

B.    Am 19. Januar 2021 stellte B._____ beim Ufficio Esecuzioni Regione
Bernina (nachfolgend Betreibungsamt Bernina) das Fortsetzungsbegehren,
nachdem A._____ seinen Wohnsitz nach D._____ verlegt hatte. Daraufhin wurde
am 20. Januar 2021 die Pfändungsankündigung für den Betrag von CHF
32'767.15 ausgestellt.

C.    In der Folge ersuchte A._____ wiederholt um Terminverschiebungen und
machte geltend, verschiedene Verfahren seien in dieser Angelegenheit noch
hängig. Sodann reichte er am 1. März 2021 ein Gesuch um Sistierung des
Verfahrens ein.

D.    Am 26. März 2021 gelangte das Betreibungsamt Bernina rechtshilfeweise
an das Betreibungsamt Zürich 9 und beauftragte dieses mit der Pfändung. Dieses
Rechtshilfegesuch wurde am 30. April 2021 zurückgewiesen, da A._____ nicht in
E._____ angetroffen werden konnte.

E.     Am 6. August 2021 beauftragte das Betreibungsamt Bernina das
Betreibungsamt Rapperswil-Jona, bei A._____ die Pfändung zu vollziehen,
woraufhin das Betreibungsamt Rapperswil-Jona am 10. August 2021 eine
Pfändungsankündigung erliess. Einem am 16. August 2021 von A._____
eingereichten Sistierungsgesuch wurde nicht entsprochen, was das
Betreibungsamt Rapperswil-Jona ihm mit Schreiben vom 17. August 2021
mitteilte. Gleichzeitig wurde A._____ gebeten, bis spätestens am 27. August 2021
beim Betreibungsamt Rapperswil-Jona vorbeizukommen.

F.    Dagegen erhob A._____ (nachfolgend Beschwerdeführer) am 23. August
2021 beim Kantonsgericht von Graubünden Beschwerde mit folgenden Anträgen:
      1.   Der Pfändungsauftrag der Beschwerdegegnerin vom 06.08.2021 an
           das    Betreibungsamt  Rapperswil-Jona  betreffend  Betreibung
           Nr. F._____ sowie die erneute Anordnung des obgenannten
           Pfändungsauftrags vom 17.08.2021 seien beide als nichtig zu
           erklären.
      2.   Eventualantrag: Das Betreibungsamt Poschiavo sei anzuweisen, bis
           zum rechtskräftigen Ausgang der nachfolgend aufgeführten Straf- und
           Zivilverfahren bzw. Rechtsmittelverfahren, nämlich:
           2.1. Restitutionsklage an das Landgericht Traunstein vom 03.02.2021;
           2.2. Strafanzeige gegen 1. B._____ etc. an die Staatsanwaltschaft
           Zürich und Traunstein, je vom 28.01.2021 und
           2.3. Beschwerde an das Kantonsgericht Graubünden betr. Gesuch um
           einvernehmliche private Schuldenbereinigung vom 19.02.2021
           die gegen den Beschwerdeführer beabsichtigte Pfändung zu sistieren.
      3.   Es sei der vorliegenden Beschwerde aufschiebende Wirkung zu
           erteilen.

G.    Mit Eingabe vom 30. August 2021 beantragte B._____ (nachfolgend
Beschwerdegegnerin), es sei auf die Beschwerde wegen Litispendenz der
Beschwerde KSK 21 49 vor dem Kantonsgericht Graubünden nicht einzutreten.
Darüber hinaus seien dem Beschwerdeführer eine Busse von CHF 1'500.00 für
bös- oder mutwillige Prozessführung sowie alle Kosten und Gebühren
aufzuerlegen.

H.   Das Betreibungsamt Bernina beantragte mit Stellungnahme vom 3.
September 2021, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei diese
abzuweisen.

Auf die weiteren Ausführungen in den Rechtsschriften sowie auf die
Verfahrensakten wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen
eingegangen.

Erwägungen

1.1. Gemäss Art. 17 Abs. 1 und 2 SchKG kann mit Ausnahme der Fälle, in
denen das SchKG den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, gegen jede
Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes innert 10 Tagen wegen
Gesetzesverletzung    oder    Unangemessenheit     Beschwerde     bei  der
Aufsichtsbehörde geführt werden. Als einzige kantonale Beschwerdeinstanz ist
das Kantonsgericht für die Beurteilung solcher Beschwerden zuständig (Art. 13
EGzSchKG [BR 220.000]). Der Begriff "Gesetz" im Sinne von Art. 17 SchKG ist
dabei weit auszulegen, sodass auch Verordnungen, Reglemente und Weisungen
des Vollstreckungsrechts mitgemeint sind (Philippe Maier/Ivan Vagnato, in: Kren
Kostkiewicz/Vock [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, 4. Aufl., Zürich 2017, N 20 zu Art. 17 SchKG). In jedem Fall können
aber lediglich Verfahrensfehler gerügt werden; über materiell-rechtliche Fragen
wird im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht entschieden (vgl. BGer
7B.11/2002 v. 5.3.2002 E. 3a). Die Pfändungsankündigung vom 10. August 2021
ist dem Beschwerdeführer am 12. August 2021 zugestellt worden. Da der letzte
Tag der 10-tägigen Frist auf den Sonntag, 22. August 2021, fiel, endete sie am
folgenden Werktag, am Montag, 23. August 2021 (vgl. Art. 142 Abs. 3 ZPO i.V.m.
Art. 31 SchKG). Die Beschwerde erweist sich daher als frist- und formgerecht.

1.2. Das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde richtet sich prinzipiell nach den
kantonalen Verfahrensbestimmungen (Art. 20a Abs. 3 SchKG), wobei die
bundesrechtlichen Minimalvorschriften zu beachten sind (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 1-5
SchKG). Letztere geben unter anderem vor, dass die Aufsichtsbehörde den
Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen hat (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG).
Die damit gesetzlich festgeschriebene Untersuchungsmaxime verpflichtet die
kantonale Aufsichtsbehörde, das Verfahren zu leiten, die rechtserheblichen
Tatsachen und erforderlichen Beweismittel zu bezeichnen, die Beweise zu
erheben und sie zu würdigen. Sie hat die relevanten Tatsachen selbst
festzustellen. Die Beweise sind durch die Aufsichtsbehörde frei zu würdigen (Art.
20a Abs. 2 Ziff. 3 SchKG) und sie darf unter Vorbehalt der Nichtigkeit der
Verfügung nicht über die Anträge der Parteien hinausgehen (sog.
Dispositionsmaxime; vgl. Art. 20a Abs. 2 Ziff. 3, 2. Teilsatz SchKG). Der
Beschwerdeentscheid hat sodann begründet und mit einer Rechtsmittelbelehrung
zu erfolgen und ist den Parteien, dem betroffenen Amt sowie den allfällig weiteren
Beteiligten schriftlich zu eröffnen (Ziff. 4). Das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde
ist sodann grundsätzlich kostenlos (Ziff. 5). Ein Parteivortritt findet im Verfahren
vor      der    Aufsichtsbehörde          nicht    statt    (Art.    17     Abs.    3
EGzSchKG). Im Übrigen finden die Bestimmungen der Zivilprozessordnung auf
das aufsichtsrechtliche Beschwerdeverfahren – im Sinne kantonalen
Verfahrensrechts – sinngemässe Anwendung (Art. 17 Abs. 4 EGzSchKG).

2.1.   Anfechtbar sind Verfügungen oder Beschlüsse des Vollstreckungsorgans,
also   konkrete Anordnungen der zuständigen Behörde, welche das
Vollstreckungsverfahren weiterführen und dementsprechend gegen aussen in
Erscheinung treten. Es muss sich um eine individuell-konkrete Anordnung der
zuständigen Vollstreckungsbehörde handeln, welche einen bestimmten
Sachverhalt betrifft. Mit der Anordnung muss das Vollstreckungsverfahren
vorangetrieben oder gestoppt werden und die Rechtsstellung der vom Verfahren
betroffenen Person beeinträchtigt werden (Maier/Vagnato, a.a.O., N 14 zu Art. 17
SchKG). Blosse Bestätigungen oder Wiederholungen von bereits getroffenen
Anordnungen der Vollstreckungsbehörde sind nicht anfechtbar (Maier/Vagnato,
a.a.O., N 16 zu Art. 17 SchKG).

2.2. Der Pfändungsauftrag vom 6. August 2021 ist für sich alleine kein
taugliches Anfechtungsobjekt. Mit diesem Pfändungsauftrag wurde lediglich der
bereits mit rechtskräftiger Pfändungsankündigung vom 20. Januar 2021
angekündigte Vollzug der Pfändung rechtshilfeweise an das Betreibungsamt
Rapperswil-Jona übertragen. Die Rechtsstellung des Beschwerdeführers wurde
dadurch nicht beeinträchtigt, da es grundsätzlich für den Beschwerdeführer keine
Rolle spielt, ob die Pfändung durch das Betreibungsamt Bernina oder das
Betreibungsamt Rapperswil-Jona vollzogen wird. Im Gegenteil, mit Schreiben vom
6. Mai 2021 hat der Beschwerdeführer das Betreibungsamt Bernina sogar
ausdrücklich darum gebeten, das Betreibungsamt Rapperswil-Jona mit der
Pfändung zu beauftragen (BA act. 11). Dasselbe gilt für das Schreiben des
Betreibungsamts Rapperswil-Jona vom 17. August 2021. Darin bestätigte das
besagte Amt lediglich, an der Pfändungsankündigung vom 10. August 2021
festzuhalten. Eine anfechtbare Betreibungshandlung stellt somit lediglich die
Pfändungsankündigung vom 10. August 2021 des Betreibungsamts Rapperswil-
Jona dar. Diese ist – wie die Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme zu
Recht ausführt – bereits Gegenstand des Beschwerdeverfahrens KSK 21 49 vor
dem Kantonsgericht. Folglich hat die Beschwerdegegnerin zutreffend die Einrede
der Litispendenz erhoben. Auf die Beschwerde betreffend Rechtsfehlerhaftigkeit
bzw. Unangemessenheit der Pfändungsankündigung kann somit im vorliegenden
Verfahren KSK 21 51 nicht eingetreten werden (vgl. Art. 59 ZPO).

3.     Nur am Rande sei erwähnt, dass die vom Beschwerdeführer aufgeworfene
Frage der Nichtigkeit der Pfändung – und sonst alle damit verbundenen
Betreibungshandlungen – bereits im Verfahren KSK 21 49 behandelt wurden und
grundsätzlich auf die Ausführungen im fraglichen Entscheid verwiesen werden
kann. Die vorliegend umstrittene Pfändungsankündigung bzw. die Pfändung
beruhen auf einem Fortsetzungsbegehren der Beschwerdegegnerin, welches sich
auf einen rechtskräftigen Rechtsöffnungsentscheid des Bezirksgerichts Zürich
stützt, der vom Obergericht Zürich und vom Bundesgericht geschützt wurde. An
der Rechtskraft dieses Urteils vermögen die vom Beschwerdeführer auch im
Verfahren KSK 21 51 vorgebrachten hängigen Verfahren (Restitutionsklage am
Landgericht Traunstein, Beschwerdeverfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft
München) nichts zu ändern. Von einem klaren Vollstreckungshindernis, wie der
Beschwerdeführer es geltend macht, kann keine Rede sein. Die blosse
Einreichung von Revisions- bzw. Restitutionsbegehren oder von Beschwerden
gegen eingestellte Strafverfahren vermag an der Vollstreckbarkeit rechtskräftiger
Entscheide nichts zu ändern. Hinzu kommt, dass es sich bei der Restitutionsklage
um ein ausserordentliches Rechtsmittel handelt. Die vom Beschwerdeführer
angeführte Beschwerde ans Kantonsgericht gegen die Abweisung des Gesuchs
auf einvernehmliche private Schuldenbereinigung wurde mit Entscheid vom
13. September 2021 zudem abgewiesen (KGer GR KSK 21 44). Stützt sich das
Fortsetzungsbegehren der Beschwerdegegnerin aber auf einen rechtskräftigen
definitiven Rechtsöffnungsentscheid, kann im Vorgehen des Betreibungsamtes
Bernina keine nichtige Betreibungshandlung im Sinne von Art. 22 SchKG erkannt
werden. Die Aufsichtsbehörde sieht daher auch im vorliegenden Fall keinen
Anlass,     von   Amtes     wegen    eine   Nichtigkeit   der    angefochtenen
Betreibungshandlung festzustellen.

4.     Gemäss Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 Satz 1 SchKG und Art. 61 Abs. 2 lit. a GebV
ist das Beschwerdeverfahren vor der kantonalen Aufsichtsbehörde kostenlos. Von
der von der Beschwerdegegnerin beantragten Auferlegung einer Busse und der
Gebühren und Auslagen an den Beschwerdeführer infolge böswilliger oder
mutwilliger Prozessführung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Ziff. 5 SchKG wird
abgesehen, zumal kein erheblicher Verfahrensaufwand entstanden ist. Die – rein
intern zu verbuchenden – Verfahrenskosten von CHF 800.00 verbleiben demnach
beim Kanton Graubünden.

5.     Im Beschwerdeverfahren nach den Art. 17 ff. SchKG darf keine
Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).
Demnach wird erkannt:

1.   Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.   Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 800.00 verbleiben beim
     Kanton Graubünden und werden zu Lasten der Gerichtskasse verbucht.

3.   Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG
     Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht,
     1000 Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht
     schriftlich, innert 10 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der
     Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise
     einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren
     Vor-aussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff.,
     72 ff. und Art. 90 ff. BGG.

4.   Mitteilung an:
Sie können auch lesen