COVID-19: Notrechtliche Massnahmen und ihre Grenzen - Bär ...

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Briefing Update vom 6. April 2020

COVID-19: Notrechtliche Massnahmen
und ihre Grenzen

Die COVID-19 (Corona) Pandemie hat seitens der Behörden – nach anfänglich eher vorsichtigen
Reaktionen – vor allem auf Bundesebene, aber auch in den Kantonen in beispiellosem
Rhythmus zur Ergreifung verschiedener Massnahmen geführt. Diese gehen mit starken Eingriffen
für die Bevölkerung und die Wirtschaftssubjekte einher. Dieses Briefing verschafft einen
Überblick über bestehende und weitere mögliche Massnahmen der Pandemiebekämpfung in
der Schweiz, die geltenden Rahmenbedingungen sowie allfällige Möglichkeiten Betroffener,
sich gegen Massnahmen zu wehren oder für erlittene Schäden Entschädigungen zu verlangen.

Bisherige Massnahmen                                     zudem die Situation in der Schweiz neu als ausser-
                                                         ordentliche Lage gemäss Art. 7 EpG eingestuft. Diese
Auf Bundesebene                                          Bestimmung wird als Konkretisierung der verfas-
Am 25. Februar 2020 wurde bei einer Person aus           sungsrechtlichen Notstandsbefugnisse gemäss
dem Kanton Tessin das neue Coronavirus SARS-             Art. 185 Abs. 3 Bundesverfassung (BV) verstanden.
CoV-2 erstmals in der Schweiz nachgewiesen.              Sie erlaubt es dem Bundesrat, für das ganze Land
Anlässlich seiner ausserordentlichen Sitzung vom         oder einzelne Landesteile einheitliche Massnahmen
28. Februar 2020 stufte der Bundesrat die Situation in   anzuordnen.
der Schweiz als sogenannt besondere Lage gemäss
Art. 6 des Epidemiengesetzes (EpG) ein. Dies             Die COVID-19-Vo II ordnet verschiedene Massnah-
erlaubt ihm, in Absprache mit den Kantonen selber        men zur Verminderung des Übertragungsrisikos und
Mass­nahmen anzuordnen, die normalerweise in der         zur Bekämpfung von COVID-19 an, insbesondere:
Zuständigkeit der Kantone liegen. So verbot der
Bundesrat mit sofortiger Wirkung Grossveranstaltun-      – Grundsätzliches Einreiseverbot für Personen
gen mit mehr als 1'000 Personen.                           ohne Schweizer Bürgerrecht oder anderen Aufent-
                                                           haltstitel (z.B. Aufenthaltsbewilligung, Grenzgän-
Am 13. März 2020 erliess der Bundesrat u.a. gestützt       gerbewilligung oder Freizügigkeitsberechtigung
auf das EpG die COVID-19-Verordnung 2 (COVID-              und berufliche Gründe für die Einreise);
19-Vo II), welche seither zwölf Mal revidiert wurde
und derzeit in der Fassung vom 4. April 2020 bis         – Kanalisierung des Luftverkehrs zur Passagier­
längstens am 13. September 2020 nachmittags in             beförderung aus dem Ausland an den drei grossen
Kraft steht. Am 16. März 2020 hat der Bundesrat            Landesflughäfen und Schliessung kleiner Grenz-
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Bär & Karrer Briefing Update vom 6. April 2020                                                              2|6
COVID-19: Notrechtliche Massnahmen und ihre Grenzen

  übergänge im Ermessen der Eidgenössischen Zoll-                (z.B. Remdesivir) oder bestimmte Wirkstoffe
  verwaltung;                                                    enthalten (z.B. Insulin oder Morphin); ferner
                                                                 Ausnahmen von den Bestimmungen für die
– Erfordernis einer Ausfuhrbewilligung des SECO                  Einfuhr von Arzneimitteln zur Behandlung
  für bestimmte Schutzausrüstungen (z.B. Schutz-                 von COVID-19;
  brillen, -masken und -kleidung) und wichtige
  medizinische Güter (z.B. Anästhetika und Muskel-             – Ausnahmebewilligungen für das Inverkehr-
  relaxanzien), ausser insbesondere für Ausfuhren (i)            bringen und die Inbetriebnahme von Medizin-
  in EU-Mitgliedstaaten, Norwegen, Island, das                   produkten ohne Konformitätsbewertung,
  Vereinigte Königreich und bestimmte andere                     sofern sie (nebst weiteren Voraussetzung) der
  Länder, sofern die Reziprozität gewährleistet ist; (ii)        Verhütung und Bekämpfung des Coronavirus
  für den Eigenbedarf;                                           dienen.

– Verschiedene Massnahmen zur Sicherstellung                – Verbot aller Präsenzveranstaltungen in Schulen,
  der Versorgung mit wichtigen medizinischen                  Hochschulen und übrigen Ausbildungsstätten;
  Gütern (bestimmte Wirkstoffe wie Insulin oder
  Morphin, Medizinprodukte wie Beatmungsgeräte              – Grundsätzliches Verbot von öffentlichen und
  oder COVID-19-Tests sowie persönliche Schutz-               privaten Veranstaltungen sowie Schliessung
  ausrüstungen und weitere Ausrüstung wie Hygie-              öffentlich zugänglicher Einrichtungen (mit Aus-
  nemasken oder Hände-Desinfektionsmittel),                   nahme von Lebensmittelläden, Post, Banken und
  insbesondere:                                               anderen zentralen Einrichtungen);

   – Meldepflicht der Kantone betreffend ihre               – Verbot von Menschenansammlungen von mehr
     aktuellen Bestände;                                      als fünf Personen im öffentlichen Raum;

   – Beschaffung und Vorfinanzierung von                    – An Gesundheitseinrichtungen (insbesondere
     wichtigen medizinischen Gütern durch den                 Spitäler, Arztpraxen und Zahnarztpraxen) gerichte-
     Bund zur Unterstützung der Versorgung der                tes Verbot, nicht dringend angezeigte medizini-
     Kantone, von gemeinnützigen Organisationen               sche Untersuchungen und Behandlungen
     und Dritten (z.B. Labors und Apotheken);                 durchzuführen;

   – Zuteilung von wichtigen medizinischen Gütern           – Anweisung an besonders gefährdete Personen
     an die Kantone auf deren Gesuch hin;                     (d.h. älter als 65 Jahre oder mit bestimmten
                                                              Vorerkrankungen), zu Hause zu bleiben und
   – Einziehung von wichtigen medizinischen                   Menschenansammlungen zu meiden;
     Gütern bei Kantonen, öffentlichen Gesundheits-
     einrichtungen oder Unternehmen unter Abgel-            – Strafbestimmungen: (i) Freiheitsstrafe bis drei
     tung zum Einkaufspreis, falls eine Beschaffung           Jahre oder Geldstrafe bei vorsätzlichem Verstoss
     nicht gewährleistet werden kann;                         gegen das Verbot öffentlicher oder privater Veran-
                                                              staltungen, (ii) Busse bei Verstoss gegen das
   – Herstellungsbefehle für wichtige medizinische            Verbot von Menschenansammlungen von mehr als
     Güter, falls eine Beschaffung nicht anderweitig          5 Personen, bei Verstoss gegen das Verbot der
     gewährleistet werden kann;                               Ausfuhr von Schutzausrüstung und wichtigen
                                                              medizinischen Gütern ohne Bewilligung sowie bei
   – Bestimmte Ausnahmen von der Zulassungs-                  Grenzübertritt an einem geschlossenen Grenz-
     pflicht für Arzneimittel, welche für die Be-             übergang.
     handlung von COVID-19 hergestellt werden
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COVID-19: Notrechtliche Massnahmen und ihre Grenzen

Daneben hat der Bundesrat am 20. März 2020                 In diesem Zusammenhang ist namentlich auf die
mittels zahlreicher Verordnungen ein umfassendes           möglichen Massnahmen zur Sicherstellung der
Massnahmenpaket in der Gesamthöhe von über                 Versorgung der Schweiz mit lebenswichtigen
40 Milliarden Franken zur Abfederung der wirtschaft-       Gütern und Dienstleistungen in schweren Mangel-
lichen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus und          lagen gemäss dem Bundesgesetz über die wirtschaft-
weitere Massnahmen, wie etwa die Aussetzung von            liche Landesversorgung (LVG) hinzuweisen. Im Fall
Fristen in Zivil- und Verwaltungsverfahren, beschlossen.   einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehen-
                                                           den schweren Mangellage kann der Bundesrat
In den Kantonen                                            demnach zeitlich begrenzte wirtschaftliche Interven-
Neben den Massnahmen des Bundes haben ver-                 tionsmassnahmen ergreifen. Er kann insbesondere
schiedene Kantone zusätzliche, weitergehende               Vorschriften über die Verarbeitung und die Anpas-
Massnahmen ergriffen. Namentlich hat etwa der              sung der Produktion oder die Beschränkung von
Regierungsrat des Kantons Zürich gestützt auf den          Ausfuhren erlassen (vgl. Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2
Notstandsartikel der Zürcher Kantonsverfassung ein         Bst. c und i LVG) sowie eine Pflicht zur Erbringung
Massnahmenpaket zur Unterstützung der Zürcher              lebenswichtiger Dienstleistungen (z.B. Gütertrans-
Wirtschaft beschlossen, das vom Zürcher Kantons-           port) anordnen (vgl. Art. 32 Abs. 2 Bst. c LVG).
rat am 30. März 2020 einstimmig genehmigt wurde.
Diese Massnahmen sollen dort zum Einsatz kommen,           Notverordnungen sind stets zu befristen und treten
wo die Instrumente des Bundes nicht greifen. Beson-        grundsätzlich nach spätestens sechs Monaten wieder
ders weitgehend sind die vom Kanton Tessin am 20.          ausser Kraft, sofern der Bundesrat bis dahin der
März 2020 beschlossenen Massnahmen. So besteht             Bundesversammlung keinen Entwurf für ein Bundes-
für ältere und gefährdete Menschen ein explizites          gesetz oder eine Verordnung der Bundesversamm-
Verbot, selber einkaufen zu gehen. Weiter wurden die       lung unterbreitet hat (vgl. Art. 7d Abs. 2 des Regie-
Einstellung aller privaten kommerziellen und produ-        rungs- und Verwaltungs¬organisationsgesetzes).
zierenden Aktivitäten sowie ein sofortiger Baustopp
angeordnet.                                                Im Rahmen der genannten Zulässigkeitsvorausset-
                                                           zungen setzen die rechtlichen Grundlagen der
                                                           inhaltlichen Ausgestaltung der Massnahmen keine
Mögliche weitere Massnahmen und                            Grenzen und belassen dem Bundesrat ein sehr
deren Grenzen                                              weites Ermessen. In Frage kommen z.B. Aufgebote
                                                           zur Hilfeleistung, Verbote, Beschlagnahmen, Heraus-
Angesichts der immer stärker in alle Lebensbereiche        gabebefehle, Rettungspakete usw.
eingreifenden Massnahmen von Bund und Kantonen
stellt sich die Frage, welche weiteren Massnahmen          Notstandsmassnahmen müssen aber die allgemeinen
möglich sind und wo deren Grenzen liegen.                  verfassungsrechtlichen Vorgaben umfassend
                                                           respektieren. In jedem Fall müssen die Massnahmen
Das Ausrufen einer ausserordentlichen Lage erlaubt         die Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns (vgl. Art. 5
es dem Bundesrat gemäss Art. 7 EpG, für das ganze          BV) einhalten:
Land oder für einzelne Landesteile die notwendigen
Massnahmen anzuordnen. Diese Bestimmung stimmt             – Sie müssen ein öffentliches Interesse verfolgen,
hinsichtlich Voraussetzungen und Rahmenbedingun-             d.h. der Gefahrenabwehr dienen,
gen mit den verfassungsrechtlichen Notstandsbefug-
nissen gemäss Art. 185 Abs. 3 BV überein. Vorausge-        – den Grundsatz der Verhältnismässigkeit
setzt ist dabei stets, dass eine so hohe zeitliche           respektieren, d.h. in zeitlicher, örtlicher, persön-
Dringlichkeit besteht, dass auf dem Weg der ordent-          licher und sachlicher Hinsicht geeignet, erforderlich
lichen Gesetzgebung nicht genügend rasch reagiert            und zumutbar sein,
werden könnte. Ferner müssen zuerst alle vorhande-
nen, gesetzlich vorgesehenen Mittel ausgeschöpft           – sowie die Grundsätze der Rechtsgleichheit und
werden.                                                      von Treu und Glauben beachten.
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COVID-19: Notrechtliche Massnahmen und ihre Grenzen

Ferner ist der Bundesrat an die Grundrechte,             de Massnahmen der Kantone. Gehen die von einem
insbesondere die Wirtschaftsfreiheit und die             Kanton getroffenen Massnahmen dennoch über die
persönliche Freiheit gebunden. Eingriffe in diese        Ermächtigung des Bundesrates hinaus, entfällt für
Rechte müssen stets im öffentlichen Interesse liegen     diesen Kanton die Kurzarbeitsentschädigung des
und verhältnismässig sein (vgl. Art. 36 BV).             Bundes.

                                                         Zulässig bleiben im Übrigen jedenfalls andere, d.h. nicht
Abgrenzung zwischen den Kompetenzen                      auf die unmittelbare Krankheitsbekämpfung gerichte-
des Bundes und der Kantone                               te kantonale Massnahmen im Rahmen der bestehen-
                                                         den kantonalen Befugnisse. Solche Massnahmen
Bei besonderen und ausserordentlichen Lagen              können die Kantone gegebenenfalls auch parallel zu
überträgt das EpG die Kompetenz zur Anordnung von        notstandsrechtlichen Massnahmen des Bundes
Massnahmen generell dem Bundesrat (vgl. Art. 6           ergreifen, etwa im Bereich der Wirtschaftsförderung.
Abs. 2 und Art. 7 EpG). Die COVID-19-Vo II hält
explizit fest, dass die Kantone ihre Zuständigkeiten
behalten, soweit die Verordnung nichts anderes           Rechtsschutz
bestimmt. Demnach gilt es, zwei Konstellationen zu
unterscheiden: Falls der Bundesrat eine explizite        Im Zusammenhang mit den Massnahmen zur
Regelung getroffen hat, ist diese grundsätzlich          Bekämpfung von COVID-19 stellt sich auch die Frage
abschliessend und die Kantone dürfen keine Bestim-       des Rechtsschutzes gegen Massnahmen von Bund
mungen erlassen, die der Bundesverordnung wider-         und Kantonen.
sprechen. Ist dies dennoch der Fall, sind entspre-
chende kantonale Akte unwirksam. Hat der Bundesrat       Auf Bundesebene
hingegen keine explizite Regelung getroffen, kommt       Die Anfechtung von Akten des Bundesrats ist generell
es darauf an, ob der Bundesrat auf eine Regelung         ausgeschlossen (Art. 189 Abs. 4 BV), und Erlasse
verzichtete, um den Kantonen die Regelungsbefugnis       des Bundes können per se nicht direkt angefochten
zu überlassen, oder ob er im Sinne eines qualifizier-    werden. Deshalb trat das Bundesverwaltungsgericht
ten Schweigens beschlossen hat, dass der betreffen-      auf eine direkt gegen die COVID-19-Vo II erhobene
de Bereich in der ausserordentlichen Lage nicht          Beschwerde denn auch nicht ein, (vgl. Urteil
geregelt werden soll, auch nicht durch die Kantone. In   C-1624/2020 vom 25. März 2020). Verfügungen
letzterem Fall sind entsprechende kantonale Akte         anderer Behörden, die sich auf Verordnungen des
wiederum unwirksam. Welche dieser Konstellationen        Bundesrates stützen, insbesondere polizeiliche
vorliegt, ist durch Auslegung zu beantworten, was        Befehle oder Strafanordnungen, können hingegen
nicht immer leicht fällt, da die Auslegungsgrundlagen    grundsätzlich angefochten werden. Im Rahmen eines
gerade hier sehr limitiert sind.                         solchen Beschwerdeverfahrens ist es auch möglich,
                                                         Verordnungen wie die COVID-19-Vo II auf ihre
Besteht in einem Bereich eine abschliessende             Übereinstimmung mit dem übergeordneten Recht hin
Regelung auf Bundesebene, können Kantone, in             zu kontrollieren (vgl. dazu auch das erwähnte Urteil
denen aufgrund der epidemiologischen Situation eine      des Bundesverwaltungsgerichtes). Die Gerichte
besondere Gefahr für die Gesundheit der Bevölke-         werden hier aber das weite Ermessen des Bundes-
rung besteht, indessen beim Bundesrat ein Gesuch         rates respektieren und auch bei der Kontrolle der
stellen, für eine begrenzte Zeit und für bestimmte       Verhältnismässigkeit der Massnahmen Zurückhaltung
Regionen eine Einschränkung oder Einstellung der         üben.
Tätigkeit bestimmter Wirtschaftsbranchen anordnen
zu dürfen (Art. 7e COVID-19-Vo II). Solche Gesuche       In den Kantonen
können vom Bundesrat ganz oder teilweise bewilligt       Gegen kantonale Erlasse ist unmittelbar die Be-
werden. Im Umfang eines bewilligten Gesuches             schwerde an das Bundesgericht zulässig. Sofern ein
besteht demnach eine Ermächtigung für weitergehen-       kantonales Rechtsmittel besteht, muss aber zunächst
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COVID-19: Notrechtliche Massnahmen und ihre Grenzen

der kantonale Instanzenzug ausgeschöpft werden,        Damit sind die Hürden für die Staatshaftung sehr
wie im Kanton Zürich, wo Verordnungen des Regie-       hoch. Schäden, die durch rechtmässige staatliche
rungsrats mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht     Handlungen (oder Unterlassungen) verursacht
anzufechten sind. Zusätzlich steht der kantonale und   werden, haben die Betroffenen in der Regel selber zu
bundesrechtliche Instanzenzug grundsätzlich auch       tragen, es sei denn, ein Gesetz statuiere eine
zur Anfechtung von Verfügungen offen, die gestützt     Ersatzpflicht (wie Art. 63 EpG; vgl. vorne). Eine
auf notrechtliche Anordnungen ergangen sind.           generelle Ersatzpflicht für rechtmässig zugefügten
                                                       Schaden besteht lediglich, wenn ein staatlicher
                                                       Eingriff einer Enteignung gleichkommt, d.h. wenn die
Verantwortlichkeit des Staates                         Beeinträchtigung so schwer wiegt, dass ein Wirt-
                                                       schaftsgut dauerhaft nicht mehr bestimmungsgemäss
Gestützt auf das Epidemiengesetz                       benutzt werden kann, ohne dass eine wirtschaftlich
Gemäss Art. 63 EpG kann die Behörde, welche            rentable Ersatznutzung möglich ist. Auch die Hürden
Massnahmen gegenüber einzelnen Personen                für den Nachweis einer solchen materiellen Enteig-
anordnet, diese Personen unter Berücksichtigung        nung sind sehr hoch, und diesbezügliche Präjudizien
ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse entschädigen,      im Bereich notrechtlicher Anordnungen fehlen bisher.
wenn sie durch solche Massnahmen Schäden
erleiden, die nicht anderweitig gedeckt werden. Das
EpG sieht hingegen keine Entschädigungspflicht für     Fazit
Schäden vor, die im Zusammenhang mit Massnah-
men gegenüber der Bevölkerung verursacht               Die Schweizer Bevölkerung und Wirtschaft sind
werden (z.B. Veranstaltungsverbote, Schliessung von    derzeit mit sehr weitgehenden Einschränkungen
Schulen usw.). Für solche Schäden können private       konfrontiert, und die Anordnung noch weitergehender
Veranstalter oder Unternehmen, die von Verboten,       Massnahmen ist rechtlich möglich. Die ordentlichen
Schliessungen oder anderen Einschränkungen             politischen Prozesse sind dabei weitgehend ausge-
betroffen sind, vom Staat nur dann Entschädigung       schaltet geworden. Dies gilt insbesondere für die
verlangen, wenn die Voraussetzungen der Staatshaf-     parlamentarische Mitwirkung, wobei immerhin
tung erfüllt sind.                                     gewisse Budgetkompetenzen der Bundesversamm-
                                                       lung gemäss Finanzhaushaltgesetz (FHG) nachträg-
Gestützt auf Staatshaftungsrecht                       lich respektiert werden müssen. Der Bundesrat
Grundsätzlich haftet der Staat (Bund, Kantone oder     verfügt über ein sehr grosses, aber nicht grenzenlo-
Gemeinden; direkte Schadenersatzforderungen            ses Ermessen. Innerhalb der rechtlichen Rahmenbe-
gegen Beamte sind grundsätzlich ausgeschlossen)        dingungen muss er seinen Handlungsspielraum mit
nur für widerrechtlich zugefügte Schäden.              Augenmass und unter Abwägung sämtlicher auf dem
                                                       Spiel stehenden Interessen ausschöpfen.
Nicht widerrechtlich ist die korrekte Ausübung
hoheitlicher Gewalt. Entscheidend ist, dass die
Ausübung der öffentlichen Gewalt im Rahmen des
pflichtgemässen Ermessens erfolgte und der Grund-
satz der Verhältnismässigkeit gewahrt wurde. Wird
ein Entscheid oder Erlass im Rechtsmittelverfahren
geändert oder aufgehoben, so steht zwar seine
Rechtwidrigkeit fest, es folgt daraus aber noch kein
Schadenersatzanspruch. Dafür wird eine wesentliche
Amtspflichtverletzung, eine unentschuldbare
Fehlleistung vorausgesetzt, die einem pflichtbe-
wussten Beamten nicht unterlaufen wäre.
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Hauptkontakt

Prof. Dr. Markus Schott
Partner
M: +41 58 262 54 77
markus.schott@baerkarrer.ch

Weitere Mitwirkende

Dr. Vera Naegeli                       Raphael Wyss
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