DAS MAGAZIN 22/2 DER JUGEND DES DEUTSCHEN ALPEN VEREINS - JDAV

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DAS MAGAZIN 22/2 DER JUGEND DES DEUTSCHEN ALPEN VEREINS - JDAV
DAS MAGAZIN
       DER JUGEND
       DES DEUTSCHEN
       ALPEN­VEREINS
       22/2

SLOW
DAS MAGAZIN 22/2 DER JUGEND DES DEUTSCHEN ALPEN VEREINS - JDAV
WORTSCHATZ

                                                                Me-Time
                                              Oder auch „Zeit für mich“. „Ich brauche meine Me-Time“
                                              bedeutet, dass man eine Pause benötigt und für sich sein
                                                möchte, um das zu tun, worauf man Lust hat – OHNE
                                             jemand anderen. Und damit will man auch niemandem an
                                              den Karren fahren. Sich Zeit nehmen, um nachzudenken
                                               oder einfach nur um zu sein, ist legitim und kann etwas
                                                  Befreiendes haben – und kann helfen, sich über
                                                  seine eigenen Wünsche und Stärken, aber auch
                                                     Schwächen und Fehler klar zu werden. FSI

 WARTE MAL!
 Unser Alltag wird immer vollgepackter, dagegen kön-
 nen wir uns kaum wehren. Irgendwann finden wir fast
 keine Zeit mehr für die Dinge, die wir eigentlich gerne
 machen würden. Geschweige denn Zeit nur so für uns.
 In den sozialen Netzwerken sehen wir dann auch noch
 Bilder von anderen Leuten, die allem Anschein nach
 deutlich mehr Freizeit haben und täglich auf Berg- oder
 Skitour sind. Wie wir mit diesem Druck umgehen und
 wie viel tatsächlich an den „tollen Bildern“ dran ist, er-
 klärt euch Janina. Und warum es vielleicht keine so
 gute Idee ist, alles vermeintlich Verpasste in den nächs-
 ten Urlaub zu packen, weiß Sepp: Es geht um das Phä-
 nomen „Multisporturlaub“, warum weniger manchmal
 mehr ist und warum einen Gang runterschalten gele-
 gentlich mehr Freude bringen kann. Es geht also ums
 Runterkommen, ums Abschalten und Entschleunigen.
 Wie sich eine Gruppe auf ein Tempo, das für alle passt,
 einigen kann und warum es dennoch in bestimmten
 Situationen auf Geschwindigkeit ankommt, hat Silvan
 für euch zusammengetragen.

 Und auch unsere Kinderseite steht im Zeichen der
 Langsamkeit – Daniela berichtet über Schnecken.

 Und jetzt habt viel Spaß beim Lesen und vor allem: Lasst
 euch Zeit!

                                                                                            Nach der morgendlichen Skitour mittags
                                                                                            schnell durch den Klettersteig und abends
 Franzi                                                                                     eine Runde auf dem Rad – so strukturiert der
                                                                                            moderne Freizeitextremist einen Urlaubstag
                                                                                            in der Übergangszeit. Bleibt da noch Zeit
                                                                                            zum Durchschnaufen und Genießen?
     Titelbild: Die nächtliche Aufnahme am
     Lagginhorn im Wallis brauchte reichlich Zeit. Ein
     Teil des Bildes wurde 2,5 Stunden belichtet, die                                       Von SEPP HELL
     Sterne werden so zu Lichtbahnen. Der andere
     Teil zeigt die Sterne so, wie wir sie vom Blick in
     den Nachthimmel kennen.           Silvan Metz

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Klettergerümpel, Mountain­-
     bikes und Schnee – ein voll­-
     gepackter Bergausflug an
     den Blankenstein
          Sepp Hell

                                     GENUSS STATT HEKTIK AM BERG

                                                 GANG RAUS
                                                      BEIM
                                                 GANG RAUS
W
            ie war das als Kind? Im Sommer      Und heute? Zum Skifahren können wir uns       noch nicht genug ist, hängen wir abends
           und Herbst brachen die Eltern mit    im Sommer ein Gletschergebiet suchen oder     noch einen Trailrun oder eine Runde auf
           uns zu Berg- oder Fahrradtouren      mitten im Winter zum Wandern oder Klet-       dem Rad dran. Mit ein wenig Glück reicht
auf, im Winter zum Skifahren. Dazwischen        tern günstig einen Flug in eine warme Regi-   der geräumige Van inklusive Dachträger
gab es Zeiten, in denen wir die Berge einfach   on irgendwo im Süden buchen. Es ist also      und Anhänger für die Anfahrt dann gerade
mal in Ruhe ließen. Später kamen im Hoch-       quasi alles immer möglich und die Über-       so aus.
sommer noch Kletter- und Hochtouren, im         gangszeiten können sogar die intensivsten
Frühjahr Ski-(hoch-)touren dazu. Und so         Jahreswochen werden. Immer mehr Men-          Neben dem Bedürfnis, die Freizeit mög-
groß die Freude war, wenn’s nach einer Pause    schen werden hier zu Freizeitextremisten,     lichst vielfältig und aufregend zu gestalten,
endlich wieder losging, so schön war auch       die auf den „Multisporturlaub“ stehen: Nach   haben wir den Anspruch, das ganze Jahr
das Ende einer Saison, wenn es wieder ruhi-     der Firnskitour frühmorgens, machen wir       über das Trainingslevel hoch zu halten:
ger wurde und man einmal Zeit für sich, seine   über Mittag schnell einen Klettersteig oder   Auch wenn das Wetter an diesem Sommer-
Freunde und andere Hobbys hatte.                eine Ausfahrt mit dem Kajak. Und weil das

                                                                                                                                          57
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GEH-SCHWINDIGKEITEN
     Von verblüffend langsam über stinknormal und ganz schön schnell
     bis unfassbar schnell: In extrem unterschiedlichen Geschwindigkeiten
     geht’s in den Bergen voran.

                             de:
                 ter/Stun
Höhenme

                                                                                                                                                                                             30
                                                                                                                                                                                        Bigwall-
                                                                                                                                                       4,5                        Klettern St
                                                                                                                                                                                                 andard
                                                                                                                                                        lettern Ex
                                                                                                                                                                         trem                   . 10 Std.)
                                                                                                                                          Bigwall-K                             3 Tage (à ca
                                                                                                                0,12                      33 Tage (à
                                                                                                                                                         ca. 8   St  d. )
                                                                                                                                                                           lo
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                                                                                                                                                                                                e“
                                                                                                                                                                                                   Zeit

                                                                                                                          ttern                          lvia Vidal so          für die „N  os
                                                                                                        Projektkle                        arbeitete Si               tbege-                  VII, A2)
                                                                                                                                                                                (900 Hm,
                                                                    0,0022                                                           n)               gw   al l-E rs
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                                                                                                                       . 5                in ihrer Bi                      a“                itan.
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                                                                      Gletscher                    arbeitete A                                            Pa tagonien.
                                       0            11                                                             ngen Rout
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                                                                          /Jahr fließt             der 35 m la
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                                                 stum                       ng  e  A le ts         „Bibliogr
                                 Berg-Wach                    22,6 km la                                            s ihm der
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                                             geht dieser         Punkt (1 63
                              die Erosion                                      ko bshavn-
                                            in n aber          (flachere) Ja
                              Höhengew                                   au f Is land schafft
                                  tg eh en d  wieder        Glets  ch er
                                                                                            pro
                              wei                                          ttlich 7 km
                              verloren.                     durchschni                20   12
                                                                             m  m  er
                                                              Jahr, im So                   ahr.
                                                                          gar 17 km/J
                                                            waren’s so

               FORTSETZUNG

 tag perfekt für den Grillabend mit Freunden                Stadt müssen sich die Berge immer rentie-                                     de joggen gehen oder eine Radtour von der
 wäre und wir eigentlich noch die Alpinklet-                ren, also mindestens ein Klettersteig dabei                                   eigenen Haustüre aus starten, statt durch
 tertour vom Wochenende in den Knochen                      sein.“                                                                        die weite Berganreise Zeit zu verplempern
 haben, schlurfen wir wohl oder übel zum                                                                                                  und die Freizeit wieder exakt durchtakten
 Routenspulen in die Kletterhalle – ganz nach               Muss also denn wirklich jede Tour ein                                         zu müssen.
 dem Motto: „Am Ende des Sommers muss ich                   neues Highlight werden? Eine Rekordzeit,
 auf jeden Fall eine 8 reißen!“                             eine bestimmte Route oder ein Gipfel                                          Muss der Trainingszustand auf Biegen und
                                                            abgehakt werden?                                                              Brechen erhalten werden?
 Im Winter folgt eine anstrengende Wochen-                  Manchmal ist weniger mehr, wenn wir uns                                       Mit bewussten, längeren Regenerationspha-
     end-Skitour auf die andere. Und zusätzlich             bewusst Zeit nehmen zum Trödeln und Ge-                                       sen kann sogar ein nachhaltigerer Erfolg
     strampeln wir uns dreimal die Woche vorm               nießen, wenn wir uns mal am und nicht vom                                     erzielt werden. Reduzieren wir im Sommer
     Bildschirm im Wohnzimmer auf unserem                   Wochenende erholen.                                                           beispielsweise das Klettertraining, können
     smarten Rollentrainer ab, die App ermög-                                                                                             Knochen- und Sehnenapparat gegenüber
     licht Rennen gegen andere Heimtrainieren-              Muss es jedes Mal eine neue Tour sein, für                                    den schneller wachsenden Muskeln aufho-
     de weltweit: „Jetzt war ich im Herbst so fit           die eine umfassende Planung erforderlich                                      len. Folge: Das Verletzungs­risiko sinkt. So-
     auf dem Rad, da will ich im Frühjahr nicht             ist?                                                                          gar die Profis machen das übrigens so.
     wieder bei null anfangen!“                             Es ist herrlich, sich einmal wieder auf eine
                                                            bekannte Tour einzulassen, fast keinen Pla-                                   Nehmen wir doch einfach immer wieder mal
 Können wir bei diesem Freizeitverhalten                    nungsaufwand zu haben und so den Stress                                       den Gang raus, fahren das Tempo runter und
 noch abschalten? Unsere Ausflüge und Ur-                   im Vorfeld zu reduzieren.                                                     reduzieren wir den Freizeitstress ein wenig.
 laube wirklich noch genießen? „Ich geh                                                                                                   Und lasst uns in den Bergen doch wieder ein
 auch gern einfach nur mal so auf den Berg …“,              Muss die Anreise in die Berge unbedingt                                       bisschen mehr zu dem Kind von früher wer-
 meinte eine bergnah lebende Jugendleiterin                 sein?                                                                         den, das einfach nur mit großen Augen die
 einmal nachdenklich. „Für die Leute aus der                Wir könnten am Wochenende auch eine Run-                                      Schönheit der Natur bewundert! 

58
DAS MAGAZIN 22/2 DER JUGEND DES DEUTSCHEN ALPEN VEREINS - JDAV
10.385
                                                                                                                         2.070                          Speedklet
                                                                                                                                                                     tern
                                                                                                                                         eed               ku nd  en ist der
                                                                                                                     Berglauf Sp                    5,2 Se
                                                                                                                                                                  von Veddriq
                                                                                            1.660                 Den Reko      rd  de r Herren
                                                                                                                                           mètre
                                                                                                                                                    Weltrekord
                                                                                                                                                                (IN A) für die
                                                                                                                                 en  Ki lo          Leonardo
                                                                                               Skimo              beim Renn                               rm te  15-Meter-
                                                                                                                                     lly            ge no
                                                                730                    25:55 in
                                                                                              M   . war die       Vert ic al de   Fu
                                                                                                                                 hält Philip        Speedklette
                                                                                                                                                                   rwand.
                                                                                                  von Rémi        (Schweiz)
                                                              Eiger Spee
                                                                            d          Siegerzeit                              (IT A): Für
                                                                                                   I) bei der     Goetsch
                                    458                 2: 28 St d. w  ar 2011 die     Bonnet (SU
                                                                                                    im Vertical   die 1000 H
                                                                                                                                  öhenmeter
                                                                     n Dani Arn
                                                                                 old   Skim o-W  M                                 gerade mal
                                               eed      Bestzeit vo                                    enmeter.   brauchte er
                                Bigwall-Sp                             18 00 Hm        über 72  0 H öh
                                                                                                                              in .
       300                   So flott war
                                           en lex
                                              A         (SUI) für di e
                                                                       ordwand.
                                                                                                                  28:5  3  M

                                         un d Tommy     der Eiger-N
                   ern            no ld
  Bergwand                   Hon
                                            18 in der
                  or mzeit   C aldw el l 20
          di e N
Das ist                                  00  Hm) am
              fü r di e      „Nose“ (9
(Aufstieg)                                bei ihrem
   sc hi ld er ung           El C apitan
Be                                          d von
                rwegen.      Speedrekor
von Wande                           7  St d.
                             1:58:0

                                                        EXPERTENINTERVIEW ZU FOMO

                                                                 DIE
                                                               ANGST,
Fear of Missing Out (FoMO) wird von der
Jugend zunehmend als Problem wahrgenom-                          DAS                                               sich klarzumachen, dass nicht alles in den
                                                                                                                   sozialen Medien wahr ist; also oft längst
men. Was ist das überhaupt?
FoMO beschreibt die Angst, dass man etwas
                                                                LEBEN                                              nicht so toll ist, wie es dargestellt wird. We-
                                                                                                                   niger Zeit in den sozialen Medien zu ver-

                                                               ZU VER-
verpasst. Das bezieht sich vor allem auf po-                                                                       bringen, hilft natürlich auch. Denn die Zeit,
sitive Erfahrungen, die Freund*innen und                                                                           die in den sozialen Medien verbracht wird,
Familie teilen, an denen man selbst aber                                                                           ist ja wiederum Zeit, die nicht im „realen“
nicht teilnimmt.

Welche Rolle spielen die sozialen Medien?
Soziale Medien bieten die Möglichkeit, Er-
                                                               PASSEN                                              Leben mit den Freund*innen verbracht wird.
                                                                                                                   Daher wäre es sinnvoller, mehr Zeit mit
                                                                                                                   Menschen zu verbringen, die einem wichtig
                                                                                                                   sind. Dadurch würde man auch weniger ver-
fahrungen zu teilen. Und das bedeutet auch,             Angst zu haben, etwas zu ver-                              passen, was diese machen, und wäre öfter
dass wir mitkriegen können, was andere                                                                             dabei.
                                                        passen, ist nichts Neues. Wir alle
machen. Das heißt, wir kriegen über soziale
Medien ständig präsentiert, was andere tun              haben sie in unterschied­lichem                            Was kann man machen, um der FoMO in
und was wir im Moment alles nicht tun                   Ausmaß, meint CORNELIA SINDER-                             Coronazeiten zu entkommen?
könnten. Und das befeuert das Gefühl, etwas                                                                        Gemeinsame Videokonferenzen mit Freund*
zu verpassen.                                           MANN, promovierte Psycholo­gin                             innen können helfen, auch wenn hier eben-
                                                        an der Universität Ulm. Das                                falls bekannt ist, dass zu viel „müde“ ma-
Wer ist von FoMO betroffen?                                                                                        chen kann. Trotzdem wäre mein Tipp, eine
Im Prinzip wir alle. Aber die Frage ist, wie            Interview führte JANINA STILPER.                           Echtzeit-Verbindung zu den Freund*innen
stark sie bei den Einzelpersonen ausgeprägt                                                                        übers Telefon herzustellen, wenn man sich
ist. Das hängt unter anderem mit dem Alter                                                                                                nicht sehen kann.
zusammen: Je jünger man ist, desto höher                                                                                                  Das ist auf jeden Fall
ist die Tendenz zu FoMO. Auch bestimmte                                                                                                   besser, als ihnen auf
Persönlichkeitseigenschaften, wie Neuroti-                                                                                                den sozialen Medi-
zismus und das soziale Umfeld, in dem man                                                                                                 en nur dabei zuzu-
aufwächst, können FoMO begünstigen. Men-                                                                                                  schauen, was sie ver-
schen, die eher nachdenklich und ängstlich                                                                                                meintlich gerade Tol-
sind, wird hoher Neurotizismus zugeschrie-                                                                                                les erleben.
ben. Das wiederum kann Angststörungen
und depressive Verstimmungen begünsti-
gen und hat einen Einfluss, wie stark ausge-
prägt FoMO ist.
                                                                                                                                                   Realität oder digitale
                                                                                                                                                   Scheinwelt – die Grenzen
Was kann man gegen FoMO machen?                                                                                                                    verschwimmen.
Kinder und Jugendliche sollten versuchen                                                                                                               Sepp Hell

                                                                                                                                                                                 59
DAS MAGAZIN 22/2 DER JUGEND DES DEUTSCHEN ALPEN VEREINS - JDAV
VOM RICHTIGEN TEMPO

                                     ALLES ZU SEINER ZEIT
                                   „Geschwindigkeit ist Sicherheit“ oder „Wer sichere
                                   Schritte tun will, muss sie langsam tun“. Ja was denn
                                   nun? Die Sprichwörter sind sich uneinig, doch immer
                                   mit der Ruhe, ich erkläre das schnell.
                                   Von SILVAN METZ

 I
     ch muss nicht so schnell                                                                                       in den gefährlichen schnell
     gehen, ich genieße lie-                                                                                        genug sein zu können.
     ber – solche Aussagen
 hört man am Berg hin und                                                                                           Im Gegensatz dazu gibt es Si-
 wieder, wenn gerade jemand                                                                                         tuationen, in denen Langsam-
 im Trailrunning-Outfit vor-                                                                                        keit Sicherheit bedeutet: Im
 beigehuscht ist und Sekun-                                                                                         Absturzgelände wollen Hän-
 den später bereits hinter der                                                                                      de und Füße präzise platziert
 nächsten Kehre verschwun-                                                                                          werden. Hektisches Agieren
 den ist. An dieser Haltung gibt                                                                                    birgt hier eine große Gefahr.
 es nichts auszusetzen, außer                                                                                       Auch in Situationen, in denen
 vielleicht die subtile Unter-                                                                                      die Orientierung schwierig
 stellung, schnelles Berg­gehen                                                                                     oder die Lawinensituation
 habe mit Genießen nichts zu                                                                                        angespannt ist, hilft ein ge-
 tun. Geschwindigkeit kann                                                                                          mächliches Tempo, ruhig zu
 schließlich auch ein genüss-                                                                                       werden und bessere Ent-
 liches Selbstziel sein.                                                                                            scheidungen zu treffen.

 Allerdings gibt es hier einen                                                                                         Wir haben nun für alle Situa-
 Haken: Niemand muss im-                                                                                               tionen ein geeignetes Tempo
 mer schnell gehen, aber alle                                                                                          geplant, doch wie hält man
 sollten immer schnell gehen                                                                                           das mit einer Gruppe ein? Je
 können. Es gibt Touren, bei                                                                                           nach Konditions-Level lang-
 denen klar ist, dass Zeit und                                                                                         weilen sich die einen, wäh-
 Schnelligkeit ein begrenzen-                                                                                          rend andere ihre Reserven zu
 der Faktor sind. Frühjahrs­                                                                                           früh verfeuern. Ein „Tempo
 skitouren mit Nassschnee­                                                                                             passt, oder?“ des Guides ist da
 lawinen am Nachmittag sind                                                                                            wenig zielführend. Die einen
 ein Beispiel. Auf anderen Touren müssen bestimmte Teilabschnitte        Kleine Pause? Hier lieber nicht. Manchmal ist können fröhlich „Ja klar“ ru-
                                                                         Geschwindigkeit Sicherheit.
 schnell überwunden werden. Kein Mensch möchte stundenlang un-                                                         fen, andere wollen sich nicht
                                                                             Silvan Metz
 ter Seracs oder in Steinschlagrinnen herumschleichen. Wer hier                                                        die Blöße geben. Falls sich die
 schneller durch ist, ist der Gefahr kürzer ausgesetzt und somit si-                                                   Schwächeren doch beschwe-
 cherer unterwegs! Logisch, oder? „Ja, aber beim Genusswandern                                                         ren, ist das meist ein Zeichen,
 betrifft mich das doch nicht!“ Das stimmt leider nicht. Auch bei ein-   dass sie ihre Komfortzone schon längst verlassen haben. Besser ist
 fachen Wanderungen muss man manchmal den Turbo zünden.                  es, unverfängliche Gespräche zu führen und „Verdächtige“ gezielt
 Sommergewitter können sich in kurzer Zeit entwickeln, dann will         anzusprechen – so merkt man, wer außer Atem ist, ohne die Person
 man nicht ewig brauchen, sondern möglichst schnell auf der schüt-       unter Druck zu setzen. Die Zugpferde dagegen kann man dauerhaft
 zenden Hütte sein.                                                      mit aufwendigen Fragen löchern. Redefluss lenkt ab und die zusätz-
                                                                         liche Anstrengung bremst aus. Als geübter Talkmaster lässt sich so
 Halten wir fest: Man braucht eine Geschwindigkeitsreserve. Dazu         unbemerkt das Gruppentempo vereinheitlichen und mit passenden
 ist ein gutes Tempomanagement nötig, welches einem ein paar Kör-        Gesprächsthemen sogar die Stimmung kontrollieren!
 ner für Gefahrenstellen oder den Notfall übrig lässt. Schon beim
 Start ist Disziplin gefragt: Wer zu schnell lossprintet, dem geht       Und was, wenn die leitenden Personen selbst zu schnell sind? Viel-
 schnell die Puste aus, die verfrühte Verschnaufpause macht dann         leicht ist euch schon aufgefallen, dass viele Bergführer*innen einen
 den Zeitgewinn zunichte. Pausen sollten strategisch geplant wer-        einzelnen Wanderstock dabeihaben. Der entlastet nicht nur die
 den und Kraft geben für Passagen, in denen es schnell gehen muss.       Knie, sondern dient auch als Taktgeber, mit dem sich das eigene
 Wir wollen also an ungefährlichen Stellen langsam genug gehen, um       Tempo regulieren lässt. Probiert es mal aus!

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DAS MAGAZIN 22/2 DER JUGEND DES DEUTSCHEN ALPEN VEREINS - JDAV
Vier Jahreszeiten an einem
                                            Tag – in den Bergen ist alles
                                            möglich! Nach Regen und
                                            Schneesturm auf dem Weg
                                            zum Geigelstein blickte am
                                            Gipfel die Sonne durch und
                                            beim Rückweg war schönstes
                                            Bergwetter.
                                                                            Und dein Bergmoment?
                                                                            Schicke deinen Beitrag –
                                                                            Erlebnis, Ärger, Zwischenfall,
                                                                            was auch immer – an
                                                                            bergmoment@alpenverein.de;
Damit Miriam Haunolder zukünftig für wechselhafte Bedingungen               als Text (280 Zeichen lang),
bestens gewappnet ist, stiftet der JDAV-Partner Mountain Equip-             oder als Foto mit Text (140
ment mit dem Softshell-Fäustling G2 Alpine Combi Mitt im Wert von           Zeichen lang). In jedem
69,95 Euro den idealen Handschuh. Mit einem Griff wird der leichte          Knotenpunkt prämieren wir
Fäustling zum Fingerhandschuh und die robuste Innenhand aus                 eine Einsendung.
Ziegenleder verträgt auch kräftiges Zupacken im Fels.

                                                                                                             61
DAS MAGAZIN 22/2 DER JUGEND DES DEUTSCHEN ALPEN VEREINS - JDAV
BERGKINDER

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                                      Wusstest du, dass Schnecken auch fernab von Salatköpfen und Blumenbeeten
                                      leben? Selbst auf kargen Felsen und Moränen kriechen sie umher. Manche kennt
     Die kleine Zylinder-             man aus dem Tal, wie zum Beispiel die Weinbergschnecke. Andere sind wahre
     Felsenschnecke lebt
     ausschließlich in den
                                      Gebirgsspezialisten und kommen nur oberhalb der Baumgrenze vor.
     hohen Bergen Öster­-             Die Bergschnecken sind aber gar nicht so einfach zu entdecken, die meisten
     reichs. Zwischen 1500
     und 2650 Metern fühlt            Exemplare sind winzig: Das Haus der Zylinder-Felsenschnecke wird nur rund
     sie sich wohl.
         Naturhistorisches            13 mm hoch. Da muss man schon genau hinsehen, zumal sie es eher feucht und
     Museum Wien
                                      schattig mag. Sie lebt ausschließlich in den Kalkalpen Österreichs über 1500
                                      Metern Höhe und ist ultra-langsam, sie bewegt sich manchmal nur wenige Zenti-
                                      meter pro Tag. Aktuelles Problem für viele Bergschnecken: Erwärmt sich das Klima,
                                      können sie nicht weiter nach oben ausweichen. Das liegt nicht an ihrer Geschwin-
                                      digkeit. Oft leben die Tiere bereits auf Gipfeln, wo ihre Vorfahren die letzte Eiszeit
                                      überdauert haben. Höher hinaus geht es also nicht. Wer dort oben also noch auf
                                      Schneckenbeobachtung gehen möchte, sollte sich besser beeilen. DER

                                                                                                                                                                                        Sebastian Schrank

      IMPRESSUM An dieser Ausgabe arbeiteten mit: Daniela Erhard (DER), Sepp Hell, Silvan Metz (SME), Franziska Simon (FSI), Janina Stilper. Herausgeber: Jugend des Deutschen Alpenvereins. Bundesjugendleiter*in: Hanna
      Glaeser, Simon Keller. Redaktion: Georg Hohenester (verantwortl.), Philipp Radtke in Zusammenarbeit mit dem KNOTENPUNKT-Redaktionsteam. Beiträge in Wort und Bild an den DAV, Redaktion KNOTENPUNKT,
      Anni-Albers-Str. 7, 80807 München. Die Beiträge geben immer die Meinung der Verfasser*innen, nicht die der Jugend des Deutschen Alpenvereins wieder. Diese Publikation wird gefördert aus Mitteln des Kinder- und
      Jugendplans des Bundes. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Gestaltung: Johanna Stuke, visionsbuero.com. Produktion: Sensit Communication, sensit.de. Wir verwenden den Genderstern, um alle Menschen
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DAS MAGAZIN 22/2 DER JUGEND DES DEUTSCHEN ALPEN VEREINS - JDAV
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