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Der Beta-Faktor in der Unternehmensbewertung

          Der Beta-Faktor in der Unternehmensbewertung

          von Wolfgang Heinze und Gerhard Radinger

     In der Unternehmensbewertung gilt seit vielen        rEK = Zinssatz für Eigenkapital                     Einkommen reduziert wird. Diesem Aspekt
     Jahren die Discounted Cashflow-Methode               GK = Gesamtkapital                                  muss im WACC mit dem Steuerkorrekturfak-
     (DCF-Methode) als Standardverfahren. Ihr                                                                 tor (1-t) Rechnung getragen werden (sog. „tax
     Grundgedanke folgt dem Kapitalwertkalkül der          /GK bzw. EK/GK stellen die tatsächliche bzw. für
                                                          FK
                                                                                                              shield“), sofern dies nicht bereits bei der Be­
     Investitionsrechnung. Dieses besagt, dass der        die Zukunft angestrebte Ziel-Eigen- bzw. Fremd­     rechnung des Cash Flows berücksichtigt wurde.
     Wert einer Investition den kumulierten Cash­         kapitalquote auf Basis von Marktwerten dar.
     flows entspricht, die diese Investition dem Inves­                                                       Die zweite Komponente des WACC, der Eigen­
     tor liefert. Da diese Cashflows erst in der Zu­      Der WACC berücksichtigt also die Renditeforde­      kapitalkostensatz rEK, ist schwieriger zu ermit­
     kunft generiert werden, müssen sie durch Dis­        rungen sowohl der Eigen- als auch der Fremd­        teln. Im Gegensatz zum vorigen Fall gibt es kei­
     kontierung auf den Zeitpunkt der Entscheidung,       kapitalgeber, da mit jährlichen Cash Flows vor      ne ausdrückliche Abmachung mit den Eigentü­
     also heute, abgezinst werden.                        Zinsen gerechnet wird, d. h. mit jenen Cash         mern, eine bestimmte Rendite zu bezahlen.
                                                          Flows, auf die sowohl Fremdkapitalgeber als         Dennoch muss diese Rendite hoch genug sein,
                                                          auch Eigentümer einen Anspruch erheben. Der         damit sie potenzielle Investoren dazu veran­
     Aufbau des gewogenen Kapital-                        Kapitalkostensatz befriedigt also die Ansprüche     lasst, Anteilscheine des Unternehmens zu er­
     kostensatzes (WACC)                                  jeder Gruppe in Relation zu ihrem geplanten/        werben bzw. die Aktionäre, ihre Anteilscheine
                                                          tatsächlichen finanziellen Beitrag.                 zu halten.
     Hierfür findet in der Regel der Kapitalkostensatz
     des zu bewertenden Unternehmens Anwendung            Die Bestimmung des Fremdkapitalzinssatzes rFK       Rationale, risikoscheue Investoren/Anteilseig­
     (engl. WACC – weighted average cost of capi­         ist relativ unproblematisch; man orientiert sich    ner erwarten sich eine Rendite, die sie für die
     tal). Er errechnet sich als:                         meist an bestehenden bzw. zukünftig geplanten       Übernahme eines – im Vergleich zu einer si­
                                                          Kreditverträgen. Der Einsatz von Fremdkapital       cheren Geldanlagemöglichkeit – größeren Inves­
     WACC = rFK * ( FK/GK ) * ( 1-t ) + rEK * ( EK/GK )   hat für das Unternehmen einen Steuer min­           titionsrisikos entschädigt. Es darf also ange­
                                                          dernden Effekt, da Zinszahlungen (zumindest         nommen werden, dass sie als „Sockel“ eine
     rFK = Zinssatz für Fremdkapital                      grundsätzlich) steuerlich abzugsfähigen Auf­        Mindestverzinsung in Höhe der z. Zt. für risiko­
48   t = kalkulatorischer Steuersatz                      wand darstellen und damit das zu versteuernde       lose Anlagen erzielbaren Rendite fordern plus
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CM November / Dezember 2011

                                                                                                                nicht verfügbar ist, dienen historische Werte als
                                                                                                                Näherung.

                                                                                                                Der Fachausschuss Unternehmensbewer-
                                                                                                                tung des Instituts der Wirtschaftsprüfer in
                                                                                                                Deutschland e.V.; Düsseldorf, empfiehlt vor
                                                                                                                dem Hintergrund empirischer Untersuchungen,
                                                                                                                die sehr lange Zeiträume umfassen, die Anwen­
                                                                                                                dung einer Marktrisikoprämie vor persönlichen
                                                                                                                Ertragssteuern für Bewertungsstichtage ab dem
                                                                                                                1.1.2009 in Höhe von 4,5 % - 5,5 %. Das heißt
                                                                                                                in der Vergangenheit konnte ein Anleger mit
                                                                                                                einem Aktienportfolio im Durchschnitt 4,5 - 5,5
                                                                                                                Prozentpunkte p. a. mehr verdienen als mit
                                                                                                                einem (risikolosen) Anleiheportfolio. Da für die
   Abb. 1: Das CAPM sieht eine Vergütung nur für das vom Investor eingegangene systematische Risiko vor         Unternehmensbewertung aber nicht ein Markt­
                                                                                                                risiko, sondern ein unternehmensspezifisches
eine Zusatzrendite für die Investition in risikobe­       entgehen; daher erhält er für die Übernahme           Risiko ausschlaggebend ist, muss noch eine
haftete Anteilsscheine des Unternehmens (nach             dieser Risiken eine „Vergütung“.                      weitere Größe eingeführt werden, die das sys­
„CAPM – Capital Asset Pricing Model“):                                                                          tematische Risiko eines Unternehmens aus­
                                                          Hat das Unternehmen Fremdkapital aufgenom­            drücken soll: Der ß-(Beta-)Faktor.
rEK = i + ß x ( rM – i )                                  men, so setzt sich das systematische Risiko aus
                                                          zwei Komponenten zusammen: Neben dem Ri­
i = Zinssatz für risikolose Anlagen                       siko des operativen Geschäfts muss explizit           Herleitung und Aussage des
ß   = Beta-Faktor des Unternehmens                        auch das Risiko der Kapitalstruktur berücksich­       Beta-Faktors
rM = Rendite am Aktienmarkt                               tigt werden, d. h. ein steigender Verschuldungs­
                                                          grad erhöht bei gleichbleibendem operativen           Eine der Grundannahmen des CAPM ist die des
                                                          Risiko das Gesamtrisiko des Unternehmens und          vollkommenen Kapitalmarktes. Daraus folgt
Der Risikobegriff des CAPM                                damit die Renditeforderung des Eigenkapitalge­        u.a., dass sich das Risiko eines Unternehmens
                                                          bers. Der genaue mathematische Zusammen­              vollständig im Aktienkurs widerspiegelt. Der Be­
Der hier verwendete Begriff Risiko bezeichnet             hang zwischen Verschuldungsgrad und Risiko­           ta-Faktor beschreibt nun, in welchem Aus-
sowohl positive als auch negative Abwei­                  zuschlag wird an späterer Stelle noch einmal          maß der Kurs einer Aktie die Schwan-
chungen vom erwarteten Cash Flow des Unter­               aufgegriffen.                                         kungen des Gesamtmarktes nachvollzieht,
nehmens; er impliziert also auch Chancen. Eine                                                                  d. h. er setzt die Schwankungen der Aktie ins
größere Schwankungsbreite (Volatilität)                   Das unsystematische Risiko kennzeichnet               Verhältnis zu den Schwankungen des Gesamt­
der zukünftigen Zahlungsströme – egal in wel­             alle Faktoren, die für ein Unternehmen spezi­         marktes. Daher wird er auch als Volatilitätsmaß
che Richtung – bedeutet daher ein höheres                 fisch sind, z. B. Qualität der Mitarbeiter, strate­   bezeichnet. Mathematisch errechnet sich der
Risiko für den Investor. Die Theorie unter­               gische Konzeption, Konkurrenzsituation etc.           Beta-Faktor als Kovarianz zwischen der
scheidet hierbei in systematisches und unsys­             Die­se einzelwirtschaftlichen Faktoren bewirken,      Rendite der Aktie und des Marktportfolios cov
tematisches Risiko (vgl. Abbildung 1).                    dass sich bei identischem Umfeld die Renditen/        ( rA ; rM ), dividiert durch die Varianz des Markt­
                                                          Zahlungsströme der verschiedenen Unterneh­            portfolios var ( rM ):
Das systematische Risiko wird auch als all­               men nicht gleichgerichtet entwickeln. Ein Inves­
gemeines Marktrisiko bezeichnet. Es enthält               tor, der sein Kapital breit am Markt streut, kann
alle Faktoren, die dem allgemeinen Umfeld des             das unsystematische Risiko (im kapitalmarkt­
Unternehmens zugerechnet werden können                    theoretischen Idealfall) vollständig eliminieren.
(Veränderung von Wechselkursen und Roh­                   Im Vergleich zur risikofreien Anlage unterliegt
stoffpreisen, gesetzgeberische Einflüsse, tech­           ein solches Marktportfolio jedoch immer noch
nologische Entwicklungen, Naturkatastrophen,              dem systematischen Risiko, daher erhält der In­       Die risikolose Kapitalanlage hat ein Beta vom 0,
Konjunkturschwankungen etc.). Diese Umwelt­               vestor die Marktrisikoprämie. Die Marktrisiko­        da ihre Kovarianz mit dem Marktportfolio 0 ist.
einflüsse betreffen alle Unternehmen einer                prämie berechnet sich als Differenz zwischen          Das Marktportfolio selbst besitzt ein Beta von 1,
Volkswirtschaft (allerdings in unterschied­               der erwarteten Rendite des Marktportfolios und        da die Kovarianz des Marktportfolios mit sich
lichem Ausmaß). Ihnen kann der Investor auch              der schon bekannten risikolosen Verzinsung. Da        selbst der Varianz des Marktportfolios ent­
durch Diversifizierung seines Portfolios nicht            auch die erwartete Rendite des Aktienmarktes          spricht.                                              49
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Der Beta-Faktor in der Unternehmensbewertung

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                                                                                                                        abweichende Zeitintervalle muss zumeist durch
                                                                                                                        aufwändige eigene Rechenoperationen erfolgen.

                                                                                                                        Wesentlich einfacher zu ermitteln und aussage­
                                                                                                                        kräftiger im Einzelfall sind die kostenpflichtigen
                                                                                                                        Auskünfte professioneller Finanzdienstleis­
                                                                                                                        ter (z. B. Bloomberg), da die Güte der ermit­
                                                                                                                        telten Beta-Faktoren besser nachvollzogen und
                                                                                                                        wesentliche Ermittlungskriterien individuell fest­
                                                                                                                        gelegt werden können. Die hier gezeigten Beta-
                                                                                                                        Faktoren sind Vergangenheitswerte und versto­
                                                                                                                        ßen somit gegen eine zukunftsbezogene Unter­
                                                                                                                        nehmensbewertung. Da sich Beta-Faktoren im
                                                                                                                        Zeitablauf wie bereits erwähnt erheblich ändern
                                                                                                                        können, ist die unreflektierte Extrapolation der
                                                                                                                        Historie kritisch. Es muss daher untersucht wer­
                                                                                                                        den, inwieweit die in der Vergangenheit gültigen
                                                                                                                        Risikofaktoren auch zukünftig von Bedeutung
                                                                                                                        sind. Sind grundlegende Strategieänderungen
       Abb. 2: Die Beta-Faktoren der Dax-Unternehmen werden täglich im Handelsblatt veröffentlicht (Stand: 23.8.2011)   oder der Einstieg in neue Geschäftsbereiche ge­
                                                                                                                        plant, sollte ein Zukunfts-Beta geschätzt werden.
     Ein Beta-Faktor von 1 bedeutet, dass das                   höher die geforderte Risikoprämie. Ist der Beta-
     Wertpapier im selben Maß schwankt wie der Ge­              Faktor kleiner als 1, reagiert die Aktie weniger        Die historischen Betas werden durch lineare
     samtmarkt. Steigt z. B. die Marktrendite um 5 %,           stark als der Markt (geringe Volatilität).              Regression des Aktienkurses mit einem Aktien­
     so steigt auch die Einzelrendite der Aktie um                                                                      kursindex ermittelt. Der Beta-Faktor entspricht
     5 %. Ist der Beta-Faktor größer als 1, reagiert            Beta-Faktoren werden täglich in der Presse (z. B.       dann der Steigung der Regressionsgeraden. Bei
     der Kurs der Aktie im Verhältnis zum Gesamtmaß             Handelsblatt, vgl. Abbildung 2) und auf diversen        der Durchführung der Regression sind mehrere
     überproportional. Steigt etwa der Markt um 1 %,            Internetplattformen (z. B. OnVista) kostenfrei          Aspekte erwähnenswert.
     der Kurs der Aktie dagegen um 1,2 %, ist der Be­           veröffentlicht. Nachteile dieser kostenfreien Pu­
     ta-Faktor 1,2. Das Papier hat eine überdurch­              blikationen sind meist unabhängig vom jewei­            Erstens hat die Wahl des Zeitintervalls große
     schnittliche Volatilität. Je höher der Beta-Faktor         ligen Einzelfall festgelegte Zeitintervalle. Das        Bedeutung für die Höhe des Beta-Faktors. In
     (also die Schwankungsbreite), desto höher das              spielt inbesondere insofern eine große Rolle, als       der Praxis werden in Abhängigkeit vom Einzel­
     Risiko bzw. die Chance des Investors und desto             Betafaktoren im Zeitablauf erheblich schwanken          fall sehr unterschiedliche Zeitintervalle zu Grun­
                                                                                                                        de gelegt, die Spanne reicht i. d. R. von 250
        Autoren
                                                                                                                        Tagen bis zu 5 Jahren. Zur Steigerung der
                                                                                                                        Stabilität und damit Aussagefähigkeit der Betas
                                                  Dipl.-Kfm. Wolfgang Heinze
                                                                                                                        werden meistens lange Zeiträume verwandt,
                                              ist Geschäftsführer und Partner bei der Fidia Beratungs- und
                                              Treuhand-GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerbera-                i. d. R. 5 Jahre. Dem Vorteil der höheren Stabili­
                                              tungsgesellschaft in München.                                             tät steht dabei der Nachteil gegenüber, dass der
                                              E-Mail: wolfgang.heinze@fidiaonline.de                                    Wert auch durch die weiter zurückliegende Ver­
                                                                                                                        gangenheit beeinflusst wird, der für die Zu­
                                                                                                                        kunftsbetrachtung u.U. nur eine geringe Rolle
                                                                                                                        spielt. Im gewählten Zeitintervall sollte ein liqui­
            Dipl.-Kfm. Gerhard Radinger
                                                                                                                        der Handel der betrachteten Aktie, sowie ein
        ist Partner und Trainer der Controller Akademie AG. Davor war er für
        die Bayernwerk AG, München (heute E.ON Engerie AG) tätig und wech-                                              hinreichendes tatsächliches Handelsvolumen
        selte dort in eine operative Tochtergesellschaft, wo er für die Einfüh-                                         gegeben sein. Wichtige Hinweise darauf, ob die
        rung von SAP R/3 sowie eines neuen, konzernübergreifenden Kosten-                                               Aktienkurse die wahren Schwankungen des
        rechnungssystems und Reporting an den Vorstand zuständig war.
        Der gelernte Bankkaufmann studierte BWL an der LMU-München. Bei                                                 Marktwerts des Unternehmens unverzerrt wie­
        der CA betreut er u.a. die Seminare für Bank-Controller. Weitere                                                derspiegeln, liefern auch die Geld-Brief-Span-
        Schwerpunkte sind internationale Rechnungslegung, Rating, wertori-                                              ne (Bid-Ask-Spread) und der sog. Free Float.
        entierte Unternehmensführung und Strategie-Coaching.
                                                                                                                        Zeiträume innerhalb des gewählten Zeitinter­
        E-Mail: g.radinger@controllerakademie.de
50                                                                                                                      valls, in denen der Verlauf des Beta-Faktors
CM November / Dezember 2011

  Abb. 3: Der Beta-Faktor kann auch mithilfe eines Risikoprofils abgeschätzt werden

maßgeblich von außergewöhnlichen Ereignis­                Viertens ist zu beachten, dass die Regressi­         Zusätzlich zu den eben geschilderten Schwie­
sen beeinflusst wird (z. B. Übernahmeangebot              onsgerade eine Punktewolke von Aktienrendite-        rigkeiten bei der Ermittlung der Beta-Faktoren
eines Konkurrenten, Restrukturierungsmaß­                 Marktrendite-Kombinationen repräsentiert. Wie        ergeben sich zwei weitere Probleme: Erstens
nahmen, Squeeze-out Verfahren), sollten aus               gut sie das tut, zeigt erst ein Blick auf den Kor­   sind in Deutschland nur sehr wenige Unterneh­
der Betrachtung ausgespart werden.                        relationskoeffizienten. Nur ein hoher Korrelati­     men börsennotiert und können ihren Beta-Fak­
                                                          onskoeffizient (möglichst nahe bei 1) bedeutet       tor direkt der Zeitung entnehmen. Zweitens
Zweitens wird der Beta-Faktor maßgeblich von              einen repräsentativen Beta-Faktor. Bei Abruf         kann sich das geschäftsspezifische Risiko zwi­
der Beobachtungshäufigkeit der Renditepaare               von Beta-Faktoren über einen professionellen         schen den einzelnen Bereichen eines Unterneh­
(täglich, wöchentlich oder monatlich) beein­              Finanzdienstleister werden in der Regel auch         mens z. B. wegen der unterschiedlichen Markt­
flusst. Zusammen mit der Wahl des beobachte­              Angaben zum Korrelationskoeffizienten und da­        zyklizität, Kapitalintensität, Cash Flow-Prognos­
ten Zeitintervalls, definiert die Beobachtungs­           mit zur Güte des Beta-Faktors gemacht. Die           tizierbarkeit und Wettbewerbsposition so stark
häufigkeit letztendlich den betrachteten Stich­           statistische Aussagefähigkeit des Beta-Faktors       unterscheiden, dass bereichsspezifische Betas
probenumfang, der eine gewisse Mindestgröße               kann ergänzend auch anhand eines sogenann­           ermittelt werden müssen. Neben der schlichten
nicht unterschreiten sollte. In der Praxis werden,        ten t-Tests überprüft werden.                        Vorgabe des Beta-Faktors bzw. der Renditefor­
um Verzerrungen zu vermeiden, oft wöchent­                                                                     derung (wie sie oftmals in familiengeführten
liche Renditen herangezogen.                              Beim Abruf eines Beta-Faktors über einen pro­        Unternehmen zu beobachten ist) gibt es zwei
                                                          fessionellen Finanzdienstleister wird in der Re­     Möglichkeiten, die eine Anwendung des CAPM
Drittens hat auch die Wahl des Vergleichsindex,           gel ein sog. „Raw Beta“ und ein sog. „Adjus­         zur Kapitalkostenermittlung erlauben.
der als Näherung für die Marktrendite dient, Ein­         ted Beta“ ermittelt. Das „Raw Beta“ ist dabei
fluss auf die Höhe des Beta-Faktors. Der Ver­             ein rein auf historischen Daten ermittelter Beta-    Betafaktor abschätzen
gleichsindex sollte derselbe sein, der auch zur           Wert, während es sich beim „Adjusted Beta“
Ermittlung der Marktrisikoprämie herangezogen             um eine auf Basis des historischen „Raw-Beta“        Eine pragmatische Methode ist es, auf das
wurde. Kriterien für die Wahl eines sachge­               basierende Schätzung des zukünftigen Beta-           Fachwissen und die Urteilsfähigkeit des Ma­
rechten Referenzindex sind die jeweilige indivi­          Werts des betrachteten Unternehmens handelt.         nagements zu vertrauen. In einem Verfahren,
duelle Investorenperspektive und die regionale            In der Praxis wird in der Regel das ermittelte       das der Potenzialanalyse ähnlich ist, wird der
Verteilung der Peer-Group-Unternehmen (s.u.).             „Adjusted Beta“ zu Grunde gelegt.                    Beta-Faktor anhand der Ausprägung sogenann­         51
Der Beta-Faktor in der Unternehmensbewertung

                                                                                                                     Fremdkapitalanteil zieht nämlich auch einen
                                                                                                                     höheren Beta-Faktor und damit höhere Eigen­
                                                                                                                     kapitalkosten nach sich (zusätzlich kann auch
                                                                                                                     der Fremdkapitalkostensatz auf Grund des sich
                                                                                                                     ggf. verschlechternden Ratings steigen). Dieser
                                                                                                                     Effekt wird auch Leverage-Risiko genannt.
                                                                                                                     Andererseits steigt aber auch mit zunehmender
                                                                                                                     Fremdfinanzierung die Eigenkapitalquote, so­
                                                                                                                     lange der Fremdkapitalzins unter der Gesamt­
       Abb. 4: Ableitung eines Beta-Faktors aus einer „Peer Group“                                                   kapitalrendite des Unternehmens liegt (Leve-
                                                                                                                     rage-Chance). Das Ausmaß der Fremdfinan­
     ter Risiko-Treiber geschätzt. Um ein solches              (Kapitalstrukturrisiko) wider. Um Betas der Wett­     zierung beeinflusst also sowohl Chancen als
     Risikoprofil zu ermitteln, empfiehlt sich ein etwa        bewerber zu erhalten, die nur das Geschäftsrisiko     auch Risiken des Eigenkapitalgebers.
     eintägiger Workshop, der mit einer (zunächst              wiedergeben, muss der Einfluss des Finanzie­
     auf z. B. Moderationskarten geschriebenen)                rungsrisikos eliminiert werden. Dadurch erhält
     SWOT-Analyse startet. Nach der Clusterung der             man Beta-Faktoren bei hypothetischer 100 %-           Fazit
     Risikotreiber sind diese mit einer Gewichtung zu          Eigenfinanzierung („unlevered/ungehebeltes
     versehen. Anschließend wird von jedem einzel­             Beta“) mit                                            Die Höhe des Beta-Faktors und damit des Dis­
     nen Teammitglied (möglichst unabhängig vonei­                                                                   kontierungszinssatzes hat großen Einfluss auf
     nander) die konkrete Ausprägung geschätzt.                                                                      die Höhe des Shareholder Value. Die holz­
     1,0 bedeutet dabei ein durchschnittliches                                                                       schnittartige Wiedergabe in kostenfreien Medi­
     Risiko. Die einzelnen Kriterien werden dann zu                                                                  en ohne die Möglichkeit, die Güte des ermit­
     einem Gesamt-Beta verdichtet. Im Vergleich zur                                                                  telten Beta-Faktors zu hinterfragen, kann nur
     rechnerischen Ermittlung des Beta ist dieses              ßu = Beta des unverschuldeten Unternehmens            einen ersten Anhaltspunkt für interne Diskus­
     skalierende Vorgehen mehr subjektiv, dafür in             ßv = Beta des verschuldeten Unternehmens              sionszwecke liefern.
     der Regel beim Management besser verstan­                 t  = Ertragsteuersatz des Unternehmens
     den und akzeptiert (vgl. Abbildung 3).                    verzinsliches FK/EK = verzinsliches Fremd-/Ei­        Wenn eine nachvollziehbare Wertfindung
                                                               genkapital zu Marktwerten                             eines Unternehmens erfolgen soll bzw. erfol­
     Vergleichsunternehmen                                                                                           gen muss (bspw. bei geplanten Unternehmens­
                                                               Der Marktwert des verzinslichen Fremdkapitals         verkäufen, Umstrukturierungsmaßnahmen,
     Der zweite Weg, sich den Beta-Faktor selbst zu            kann im Regelfall aus den letzten verfügbaren         Squeeze-out Verfahren etc.), ist eine genaue
     „bauen“, besteht darin, das Beta eines ver­               Jahresabschlüssen (Bilanzwerten), der Mark­           Analyse des sachgerechten Beta-Faktors im
     gleichbaren, börsennotierten Unternehmens                 wert des Eigenkapitals aus der jeweiligen Bör­        Einzelfall unabdingbar. Andernfalls droht entwe­
     heranzuziehen. Da es aber kaum ein Unterneh­              senkapitalisierung abgeleitet werden.                 der ein Scheitern etwaiger Verkaufsverhand­
     men gibt, das dem zu bewertenden zu 100 %                                                                       lungen wegen unrealistischer Wertvorstel­
     gleicht, muss der Begriff „vergleichbar“ weiter           Aus diesen ungehebelten Betas der Wettbewer­          lungen, oder – noch schlimmer – es wird ein zu
     gefasst und eine Gruppe von Vergleichsunter­              ber lässt sich im nächsten Schritt z. B. durch Bil­   geringer Preis für ein wertvolles Unternehmen
     nehmen aus derselben Branche gebildet wer­                dung eines Durchschnitts der ungehebelte Be­          verlangt.
     den („peer group“). Diese Unternehmen sollten             ta-Faktor der zu bewertenden Gesellschaft/SGE
     eine möglichst große Ähnlichkeit mit der zu be­           ableiten. Dieser muss dann mit der Zielkapital­       Bei Transaktionen, die eine gerichtliche Zu­
     wertenden Gesellschaft/SGE aufweisen bezüg­               struktur (Verschuldungsgrad zu Marktwerten)           stimmung erfordern, droht die Versagung der
     lich Größe, Geschäftsmodell, gesetzlicher und             „zurückgehebelt“ werden, vgl. Abbildung 4.            Anerkennung des ermittelten Werts durch das
     politischer Rahmenbedingungen, Umsatz- und                Dies geschieht mit der Formel:                        zuständige Gericht. Letztlich erfordert eine
     Ertragsstruktur etc. Alternativ bietet sich die                                                                 solche Analyse und Wertfindung im Regelfall
     Verwendung von sogenannten „Branchen-Be-                                                                        die Hinzuziehung eines erfahrenen externen
     tas“ an. Bei dieser Vorgehensweise werden in                                                                    Gutachters. 
     erster Linie mehr Unternehmen einbezogen, als
     beim „Peer-Group-Beta“.
                                                               Die Gleichung zeigt, dass eine Erhöhung des
     Finanzierungsstruktur berücksichtigen                     Verschuldungsgrades FK/EK trotz der damit
                                                               verbundenen geringeren Fremdkapitalkosten
     Wie bereits erwähnt spiegelt sich im Beta-Faktor          nicht unbedingt zu einer Senkung der Gesamt­
52   neben dem Geschäftsrisiko auch das Finanzrisiko           kapitalkosten führen muss. Der steigende
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