Die elektronische Signatur im Gerichts- und Verwaltungsverfahren - DSG Dr. Henning Müller
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eJustice-Gesetz: Die Zeitplanung für den ERV mit den Gerichten 2026 eAkte Wesentliche Änderungen im Zustellungsrecht
Der gerichtliche Posteingang (ab 1.1.2018) EGVP (mit qeS) Sichere Übermittlungswege (ohne qeS) (Digi-) Fax Briefpost (Scanning)
§ 65a Abs. 4 SGG / § 55a Abs. 4 VwGO / § 130a Abs. 4 ZPO „Sichere“ Übermittlungswege sind: 1. absenderauthentifizierte De-Mail, 2. das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) und das besondere elektronische Notarspostfach (beN), 3. das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo), 4. sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
Prüfungsschema - Ablaufdiagramm zugelassene elektronische sicherer Übermittlungsweg Übermittlungswege, § 4 Abs. 1 ERVV i.S.d. § 65a Abs. 4 SGG qeS obligatorisch; - Signatur der verantwortenden qeS nicht zwingend erforderlich Person selbst Einfache Signatur der - zugelassene Signaturarten: PDF- verantwortenden Person. Inline oder detached Signatur zugelassenes Dateiformat zugelassenes Dateiformat Versand durch die verantwortende Keine zusätzlichen Person selbst (bspw. einen Versandvoraussetzungen postualtionsfähigen Rechtsanwalt) Rechtsfolge: Einhaltung der Rechtsfolge: Einhaltung der Voraussetzungen des § 65a SGG Voraussetzungen des § 65a SGG
Formvoraussetzung: Qualifizierte elektronische Signatur (qeS) - Welche Arten von Signaturen gibt es und welche sind zulässig? - detached Signatur, - PDF-Inline, - Enveloping Signatur, § 5 ERVV i.V.m. Nr. 4 der ERVB 2018. - Container-Signatur, § 4 Abs. 2 ERVV.
Container-Signatur OLG Brandenburg, Beschluss vom 6.3.2018 – 13 WF 45/18 – abl. Anm. NJW 2018, 1482 1. Das Verbot, mehrere elektronische Dokumente mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur zu übermitteln (§ 4 II ERVV), bedarf einer auf sein Regelungsziel bezogenen einschränkenden Auslegung, um nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) zu verstoßen. 2. Um die Integrität und Authentizität einer qualifizierten elektronischen Signatur uneingeschränkt sicherzustellen, bedarf es des Verbots der Container- oder Umschlagsignatur jedenfalls nicht, wenn der Absender mit ihr nur elektronische Dokumente verbindet, die sämtlich ein Verfahren betreffen und die nach dem Eingang bei Gericht zusammen mit den bei der Übermittlung angefallenen Informationen und mit dem Ergebnis der Signaturprüfung auf Papier ausgedruckt und zu den Gerichtsakten genommen werden. BSG: Beschluss vom 9.5.2018 – B 12 KR 26/18 – zust. Anm. NZS 2018, 631 (so auch BGH Beschl. vom 15. Mai 2019 XII ZB 573/18) 1. Eine unzulässige Container-Signatur gem. § 4 Abs. 2 ERVV liegt auch dann vor, wenn der signierte Nachrichtencontainer nur eine Anlage (hier: die Beschwerdeschrift) und im Übrigen lediglich Inhaltsdaten enthält. 2. Die Hinweispflicht gem. § 65a Abs. 6 Satz 1 SGG und die Eingangsfiktion des § 65a Abs. 6 Satz 2 SGG greifen nur in Fällen, in denen das formbedürftige Dokument vom Gericht nicht bearbeitbar ist, nicht bei Verstößen gegen die ERVV, die nur die Übermittlung betreffen. 3. Die prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichts umfasst auch den Hinweis auf die Formvoraussetzungen des elektronischen Rechtsverkehrs. Bei einem Verstoß hiergegen kann Wiedereinsetzung nach den allgemeinen Regeln gewährt werden.
Postausgang der Gerichte, § 169 ZPO (4) Ein Schriftstück oder ein elektronisches Dokument kann in beglaubigter elektronischer Abschrift zugestellt werden. Die Beglaubigung erfolgt mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. (5) Ein elektronisches Dokument kann ohne Beglaubigung elektronisch zugestellt werden, wenn es 1. nach § 130a oder § 130b Satz 1 mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Personen versehen ist, 2. nach § 130a auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wurde und mit einem Authentizitäts- und Integritätsnachweis versehen ist oder 3. nach Maßgabe des § 298a errichtet wurde und mit einem Übertragungsnachweis nach § 298a Absatz 2 Satz 3 oder 4 versehen ist.
Elektronischer Posteingang der Behörden § 3a VwVfG, § 36a SGB I: „(1) Die Übermittlung elektronischer Dokumente ist zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet.“ - Definition: - Zugang: Bereitstellung der technischen Empfangseinrichtung. - Eröffnung durch Widmung: Signalisierung der Bereitschaft und Fähigkeit zur elektronischen Kommunikation gegenüber dem (potentiellen) Kommunikationspartner – ausdrücklich oder konkludent. - Pflicht zur Zugangseröffnung durch EGov-Gesetze, bspw. § 2 Abs. 2 EGovG Bund.
Was sind die elektronischen Übermittlungswege? Grundsätzlich kann alles elektronischer Übermittlungsweg sein, was denkbar ist! - „Schriftformbedürftige“ Dokumente, § 3a Abs. 2 VwVfG: - elektronische Formulare (Abs. 2 Satz 2 Nr. 1), - De-Mail (Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) oder - Auf anderem eröffneten Übermittlungsweg (beBPo, E-Mail) mit qualifizierte elektronische Signatur (Abs. 2 Satz 1). 12
Elektronischer Postausgang der Behörde: Form des elektronischen Verwaltungsakts Grundsatz: Formfreiheit des Verwaltungsakts, § 37 Abs. 2 VwVfG, aber: „(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung. (3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De- Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen. (4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.“
Beweiskraft elektronischer Dokumente, § 371a Abs. 1 ZPO – private elektronische Dokumente. Private elektronische Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur haben die gleiche Beweiskraft, wie private Urkunden. Aber: - Das gilt nur, wenn die qualifizierte elektronische Signatur vom Aussteller der Urkunde stammt. - Das wird beim Scan (insbesondere in der Behörde) nur selten der Fall sein; denn beim ersetzenden Scannen in der Behörde stammt die Signatur i.d.R. von der Scanstelle. - Die qualifizierte elektronische Signatur dient im Scanbereich als Sicherungsmittel – nicht als Unterschriftsersatz!
Beweiskraft elektronischer Dokumente, § 371a Abs. 3 ZPO – öffentliche elektronische Dokumente. Auf elektronische Dokumente, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt worden sind (öffentliche elektronische Dokumente), finden die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechende Anwendung. + qualifizierte elektronische Signatur der erstellenden Behörde: Vermutung der Echtheit gem. § 437 ZPO.
Beweiskraft gescannter Dokumente, § 371b ZPO Wird eine - öffentliche Urkunde nach dem - Stand der Technik (Gesetzesbegründung: TR Resiscan) - von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person in ein elektronisches Dokument übertragen und - liegt die Bestätigung vor, dass das elektronische Dokument mit der Urschrift bildlich und inhaltlich übereinstimmt (Transfervermerk), Rechtsfolgen: - finden auf das elektronische Dokument die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechende Anwendung (= §§ 415 ff. ZPO). - Sind das Dokument und die Bestätigung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, gilt § 437 ZPO entsprechend.
ERV-Übermittlungswege: Blick in die Zukunft: Gesetzentwurf v. 12.2.2021 (ERV-Ausbau-Gesetz) - Elektronisches Bürger- und Organisationspostfach (eBO), - OZG-Portale als sicherer Übermittlungsweg, - Zustellungsfiktion für „sonstige Zuverlässige“ und Bürger, - (Anders als noch im Referentenentwurf) aktive Nutzungspflicht für Verbände, Gewerkschaften, Renten- und Steuerberater gem. § 65d Satz 2 SGG-E, aber: - nicht für den Bürger, - erst zum 1.1.2026.
Noch Fragen? Henning.Mueller@ervjustiz.de www.ervjustiz.de
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