Die Ko-Konstruktion von Führung in veränderungsbezogenen Interaktionen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden

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Die Ko-Konstruktion von Führung in veränderungsbezogenen Interaktionen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden
Gr Interakt Org (2021) 52:551–562
https://doi.org/10.1007/s11612-021-00591-9

    HAUPTBEITRÄGE - OFFENER TEIL

Die Ko-Konstruktion von Führung in veränderungsbezogenen
Interaktionen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden
Amelie Verena Güntner1            · Simone Kauffeld2

Angenommen: 25. Mai 2021 / Online publiziert: 2. August 2021
© Der/die Autor(en) 2021

Zusammenfassung
Dieser Beitrag in der Zeitschrift Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organsationspsycholo-
gie (GIO) befasst sich damit, wie Führung in Veränderungsprozessen als dynamischer, wechselseitiger Einflussprozess
zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden verstanden werden kann und welches Potenzial diese Perspektive für die
Effektivität von Führung bietet. Die Hauptaufgabe von Führungskräften wird häufig in der Leitung und Beeinflussung
ihrer Mitarbeitenden gesehen. Diese Aufgabe stellt insbesondere im Kontext organisationaler Veränderungen eine Her-
ausforderung dar, wenn es darum geht, Mitarbeitende für eine Verhaltensänderung zu motivieren. Vor dem Hintergrund
kontinuierlich stattfindender Veränderungen in der heutigen Zeit gilt es daher, ein Verständnis für die Entwicklung posi-
tiver und negativer Interaktionsdynamiken in Gesprächen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden zu entwickeln.
In der Führungsforschung bestehen dazu unterschiedliche theoretische Perspektiven, die verschiedene Betrachtungsweisen
zu Entstehung und Verlauf von Führung und den Einflussprozessen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden bieten.
Der vorliegende Artikel beleuchtet die unterschiedlichen Führungsperspektiven vor dem Hintergrund der Herausforderun-
gen organisationaler Veränderungen und leitet praktische Implikationen ab. Sowohl auf der Ebene von Mitarbeitenden,
Führungskräften als auch auf der organisationalen Ebene werden Wege aufgezeigt, wie mit Hilfe des Verständnisses von
Führung als dynamischer, wechselseitiger Prozess positive Führungs- und Veränderungsprozesse gestaltet werden können.

Schlüsselwörter Change Management · Führung · Beziehungstheoretischer Führungsansatz · Widerstand · Autonomie

 Amelie Verena Güntner
     a.guentner@psychologie.uzh.ch

1
     Psychologisches Institut, Lehrstuhl für Arbeits-
     und Organisationspsychologie, Universität Zürich,
     Binzmühlestrasse 14/12, 8050 Zürich, Schweiz
2
     Institut für Psychologie, Lehrstuhl für Arbeits-,
     Organisations- und Sozialpsychologie, Technische Universität
     Braunschweig, Braunschweig, Deutschland

                                                                                                               K
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The co-construction of leadership in change-related interactions between leaders and followers

Abstract
This article in the journal Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organsationspsychologie (GIO)
aims at presenting how leadership at times of change can be understood as a dynamic, mutual influence process between
leaders and followers and shows the potential this perspective holds for the effectiveness of leadership. The main task
of leaders is often seen in managing and influencing their followers. This task is challenging, especially in the context
of organizational change, when it comes to motivating employees to change their behavior. Against the background
of continuous change nowadays, it is therefore important to develop an understanding of the emergence of positive
and negative interaction dynamics in conversations between leaders and followers. Leadership research offers different
theoretical perspectives on the emergence and development of leadership and the influence processes taking place between
leaders and followers. The present article examines the different leadership perspectives against the background of the
challenges of organizational change and derives practical implications. This article shows how the understanding of
leadership as a dynamic, mutual process can be used to design positive leadership processes at the level of followers,
leaders, and the organization.

Keywords Change Management · Leadership · Relational Leadership Perspective · Resistance · Autonomy

1 Einleitung                                                   weiterer möglicher Erklärungsansätze soll das nachfolgen-
                                                               de Fallbeispiel dienen.
Durch Faktoren wie Globalisierung, Digitalisierung und
Vernetzung nimmt die Geschwindigkeit, mit der Organi-          1.1 Ein Fallbeispiel
sationen sich an neue Rahmenbedingungen anpassen und
Veränderungen implementieren müssen, stetig zu. Im Zu-         Im Zuge einer steigenden Nachfrage nach digitalen Kolla-
sammenhang mit diesem permanenten Wandel ist häufig            borationsmethoden steht das Unternehmen collaborate2go
auch die Rede von VUKA-Welten (Volatilität, Unsicher-          vor einer großen, organisationalen Veränderung, die auch
heit, Komplexität und Ambiguität; Wimmer 2012). Das            personelle Umstrukturierungen verlangt. Frau Pfeiffer, Lei-
heißt, dass Organisationen sich heutzutage mehr denn je        terin der Abteilung für Vertrieb, hat ihren Mitarbeiter Herr
in einer dynamischen Welt bewegen, deren Richtung aber         Schulz zu einem Gespräch eingeladen, in dem die anstehen-
nicht abzusehen ist. Um in dieser Welt bestehen zu können,     den Veränderungen, die auch die Stelle von Herrn Schulz
stehen Organisationen vor der Herausforderung organisa-        betreffen, besprochen werden sollen. Der Gesprächsverlauf
tionale Veränderungen so zu gestalten, dass diese von den      kann aus zweierlei Perspektiven betrachtet werden:
Mitarbeitenden positiv angenommen und umgesetzt wer-
                                                               1. Während des Gesprächs betont Frau Pfeiffer zuneh-
den (Jick und Sturtevant 2017). Die bestehende Change
                                                                  mend die Dringlichkeit der Veränderung, indem sie Herr
Management Literatur ist sich einig darüber, dass Führung
                                                                  Schulz von den negativen Konsequenzen berichtet, wenn
ein entscheidender Faktor zur Motivation von Mitarbeiten-
                                                                  er keine Veränderungsbereitschaft zeigt. Auch tauchen
den und somit relevant für die erfolgreiche Umsetzung von
                                                                  Fragen nach der Kompetenz von Herrn Schulz auf. Als
Veränderungen ist (z. B. Burnes et al. 2018; Ford und Ford
                                                                  Reaktion auf die negative Kommunikation seiner Vorge-
2012; Gilley et al. 2009; Hughes 2015). Gleichwohl exis-
                                                                  setzten, übt Herr Schulz starke Kritik an der geplanten
tiert eine Reihe theoretischer Ansätze, die erklären wie und
                                                                  Veränderung und zeigt Widerstand.
durch wen Führung entsteht und gestaltet wird und welche
                                                               2. Im Gesprächsverlauf äußert Herr Schulz verstärkt seine
Einflussprozesse zwischen Führungskräften und Mitarbei-
                                                                  Bedenken und Desinteresse gegenüber der Veränderung
tenden dem zu Grunde liegen. Übertragen auf den Kontext
                                                                  und zeigt sich unkooperativ. Als Reaktion auf den von
organisationaler Veränderungen liefern diese Führungsan-
                                                                  Herr Schulz geäußerten Widerstand tadelt Frau Pfeiffer
sätze unterschiedliche Sichtweisen darüber, warum Füh-
                                                                  ihn, droht mit negativen Konsequenzen, wenn er nicht
rung in Veränderungen misslingt und wie Veränderungen
                                                                  kooperiert und hinterfragt seine Kompetenz.
erfolgreich implementiert werden können. Beispielsweise
wird die Annahme, dass erfolgreiche Veränderungsprozesse          Wie dieses Beispiel einer Interaktion zwischen Füh-
von einer einzelnen Führungskraft abhängig sind, von ak-       rungskraft und Mitarbeiter zeigt, können Führungsprozesse
tueller Change Management Literatur als ein nach wie vor       auf zweierlei Art und Weise betrachtet werden. In Sze-
weit verbreiteter Mythos bezeichnet (By 2021; By et al.        nario (1) wird das negative Verhalten der Führungskraft
2016). Zur einleitenden Reflexion dieser Perspektive und       als Auslöser des Widerstandes des Mitarbeiters beschrie-

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ben, welches für eine Sichtweise spricht, in der die aktive          und der vergleichsweise geringen Aufmerksamkeit, die For-
Rolle der Führungskraft und ihr maßgebender Einfluss be-             schung generell und im Kontext von Veränderungen auf ne-
tont wird (Führenden-zentrierte Perspektive; Meindl et al.           gative Führung richtet (Neves und Schyns 2018), konzen-
1985). Hingegen in Szenario (2) ist es der Widerstand des            triert sich der vorliegende Beitrag auf negative, interaktio-
Mitarbeiters, der das negative Führungsverhalten hervor-             nale Dynamiken in organisationalen Veränderungen, wie im
ruft. Dies spiegelt eine Perspektive wider, die die aktive           Fallbeispiel dargestellt. Um die Entstehung und den Verlauf
und einflussreiche Rolle von Mitarbeitenden hervorhebt               von (negativen) Führungsprozessen im Kontext von Verän-
(Geführten-zentrierte Perspektive; Meindl 1995). Welche              derungen herauszuarbeiten und den Einfluss von Mitarbei-
der beiden Perspektiven ist die Richtige zur Erklärung von           tendenreaktionen (z. B. Widerstand) als Teil dieser Prozesse
Führung?                                                             zu verdeutlichen und Implikationen für die Praxis abzulei-
    Traditionelle Ansätze aus der Literatur zu Change Ma-            ten, gehen wir wie folgt vor: Wir beschreiben zunächst For-
nagement sind dominiert von der Ansicht, dass Mitarbeiten-           schungserkenntnisse zum Einfluss des Verhaltens von Füh-
de per se widerständisch und der alleinige Grund für schei-          rungskräften auf Mitarbeitende und fokussieren anschlie-
ternde Veränderungsprojekte sind (Kotter 1996). Während              ßend, wie Mitarbeitende wiederum bestimmtes Verhalten in
diese Perspektive den aktiven Beitrag von Mitarbeitenden             ihren Führungskräften hervorrufen. Daran schließen wir mit
betont, diffamiert sie diesen Beitrag gleichzeitig als lästi-        Ausführungen zur Beziehungsperspektive (Uhl-Bien 2006)
gen Störfaktor. Bezogen auf unser Fallbeispiel würde dies            an, anhand dessen wir Führung in Veränderungen als dyna-
bedeuten, dass die geplante Veränderung nur deshalb schei-           misches Konstrukt mit wechselseitigen Einflüssen zwischen
tert, weil Herr Schulz generell unkooperativ und verschlos-          Führungskräften und Mitarbeitenden einordnen. Basierend
sen gegenüber Neuem ist. Allerdings deutet unser Fallbei-            auf dieser Perspektive leiten wir abschließend forschungs-
spiel an, dass die negative Reaktion von Herr Schulz durch           gestützte Handlungsempfehlungen ab, die beschreiben wie
das Verhalten von seiner Führungskraft Frau Pfeiffer mitbe-          seitens Organisationen, Mitarbeitenden und Führungskräf-
stimmt wird. Entsprechend liegt die Quelle für einen nega-           ten das Potenzial von wechselseitigen Führungseinflüssen
tiven Führungsprozess und die damit verbundene Reaktion              für die erfolgreiche Umsetzung organisationaler Verände-
des Mitarbeiters, weder alleinig in der Person der Führungs-         rungen genutzt werden kann.
kraft Frau Pfeiffer, noch in der Person des Mitarbeiters Herr
Schulz begründet, sondern ist ein Ergebnis der wechselsei-
tigen Einflüsse zwischen den beiden. Frau Pfeiffer löst ein          2 Der Einfluss von Führenden auf den
Gefühl von Bedrohung und externaler Kontrolle in Herrn                 Führungsprozess: Die Führenden-
Schulz aus und weckt so eine unmittelbare negative Reak-               zentrierte Perspektive
tion in ihm. Gleichzeitig bleibt auch Frau Pfeiffer nicht un-
berührt von dem Verhalten ihres Mitarbeiters und zeigt, ge-          Traditionell stehen in der Führungsforschung Charak-
triggert durch ihn, ein ebenfalls negatives Verhalten. Wie in        teristika und Verhaltensweisen der Führungskraft (d. h.
unserem Fallbeispiel demonstriert, erlaubt die Beobachtung           Führende) und ihr Einfluss auf Mitarbeitende (d. h. Ge-
des konkreten Verhaltens von Führungskräften und Mitar-              führte), sowie auf die Erreichung von Unternehmenszielen
beitenden eine genauere Beantwortung der Frage nach den              im Vordergrund (Führenden-zentrierte Perspektive). Dieser
Auslösern und Prozessen, die Führung zugrunde liegen. Das            Forschungsschwerpunkt liefert Erkenntnisse zu effektivem
Herunterbrechen abstrakter Führungsperspektiven auf kon-             Führungsverhalten, so auch im Kontext von Veränderungs-
krete Verhaltensweisen (z. B. Kommunikation) erleichtert             prozessen. Führungskräfte nehmen eine einflussreiche Rol-
es außerdem, praktische Empfehlungen für die Umsetzung               le bei der Befriedigung psychologischer Grundbedürfnisse
von Führung im Alltag von Führungskräften und Mitarbei-              von Mitarbeitenden (Lanaj et al. 2016) ein, welche ge-
tenden abzuleiten (van Quaquebeke und Felps 2018).                   mäß der Selbstbestimmungstheorie (Deci und Ryan 1985)
    Der vorliegende Artikel hat das Ziel, unterschiedliche           erfüllt sein müssen, damit Personen motiviert sind nach per-
Führungsperspektiven anhand der Darstellung von Interak-             sönlicher Weiterentwicklung und Veränderung zu streben.
tionsdynamiken zwischen Führungskräften und Mitarbei-                Demzufolge haben Führungskräfte im Zuge organisationa-
tenden gegenüberzustellen und in den Kontext organisatio-            ler Veränderungen einen besonders hohen Einfluss auf ihre
naler Veränderungen einzubetten. Darüber hinaus soll ba-             Mitarbeitenden (Stouten et al. 2018).
sierend auf der Synthese bisheriger Erkenntnisse zu den
Einflüssen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden               2.1 Die Romantik der Führung
der Ansatz von Führung als wechselseitiger, ko-konstruier-
ter Einflussprozess in den Vordergrund gerückt werden. Vor           Während Führenden-zentrierte Forschung die aktive und
dem Hintergrund der Häufigkeit, mit der negative Führung             wichtige Rolle von Führungskräften in der Evokation von
in Organisationen auftritt (siehe Schyns und Schilling 2013)         Mitarbeitendenmotivation betont und die positiven Effekte

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von gutem Führungsverhalten verdeutlicht, geht damit häu-         Zum einen ist zu berücksichtigen, dass organisationale
fig eine Sichtweise einher, die geprägt ist vom heroischen     Veränderungen für Führungskräfte ebenso herausfordernd
Führungsstereotyp (Collinson 2006; Meindl et al. 1985).        sein können wie für Mitarbeitende. Insbesondere Führungs-
Sie zeichnet das Bild einer Führungskraft, die alleinig ver-   kräften auf mittlerer Management-Ebene kommt bei gro-
antwortlich für Führung(sprozesse) und damit verbundene        ßen top-down Veränderungsprozessen eine doppelte Rolle
Ziele ist. Diese heroische Konzeptualisierung von Führung      zu: Sie sind sowohl Empfänger der von ihren Vorgesetzten
findet sich in der klassischen Change Management Literatur     angeordneten Veränderungsmaßnahmen, müssen gleichzei-
(Kotter 1996) auch in Form einer Degradierung von Mitar-       tig aber auch als Change Agenten (d. h. als Promoter von
beitendenwiderstand wieder. Dort dominiert die Sichtweise      Veränderungsprozessen) für die ihnen unterstellten Mitar-
von Widerstand gegenüber Veränderungen als etwas, was          beitenden fungieren (Balogun et al. 2015). Demnach un-
in Mitarbeitenden lokalisiert ist (Oreg 2003). Diese An-       terliegen sie dem Druck, ihre Mitarbeitenden für eine Ver-
sätze aus der Literatur versäumen es auch jene Fälle zu        änderung zu motivieren, der sie eventuell selbst ambivalent
berücksichtigen, in denen Führungskräfte durch negatives       gegenüberstehen. Dieser Druck kann sich in negativem Füh-
Verhalten schädliche Auswirkungen auf die Organisation         rungsverhalten widerspiegeln (Neves und Schyns 2018).
und ihre Mitarbeitenden ausüben (Alvesson 2020).                  Zum anderen benötigt es gemäß der Idee von Führung als
                                                               wechselseitiger Einflussprozess eine vermehrte Aufmerk-
2.2 Die Rolle destruktiven Führendenverhaltens in              samkeit gegenüber dem Einfluss von Geführten (d. h. Mit-
    Veränderungsprozessen                                      arbeitenden) auf das (negative) Verhalten von Führungs-
                                                               kräften (Thoroughgood et al. 2018). Insbesondere da bei
In den letzten Jahrzehnten hat sich eine wachsende Zahl        organisationalen Veränderungen Mitarbeitenden diejenigen
von Führungsstudien auf die Auswirkungen destruktiver          sind, die die Veränderungen umsetzen müssen, ist es wich-
Führung konzentriert und konnte zeigen, dass diese Füh-        tig zu verstehen, welchen Einfluss Mitarbeitenden mit ih-
rungsform negatives Verhalten in Mitarbeitenden hervorruft     rem Verhalten auf den Führungs- und Veränderungsprozess
(z. B. Schyns und Schilling 2013; Zhang und Liao 2015).        haben (Armenakis und Harris 2009).
Destruktives Führungsverhalten umfasst schädliche, antiso-
ziale Verhaltensweisen, wie beispielsweise Unterdrückung,
Bestrafung, aber auch Überkontrollierung („Mikro-Ma-           3 Der Einfluss von Mitarbeitenden auf
nagement“), mit denen Mitarbeitende unter Druck gesetzt          den Führungsprozess: die Geführten-
werden, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten       zentrierte Perspektive
(Ashforth 1994; Schyns und Schilling 2013). Die Unter-
suchung von destruktivem Führungsverhalten im Kontext          Vor dem Hintergrund der heutigen schnelllebigen Ge-
organisationaler Veränderungen ist besonders interessant,      schäftswelt, die kontinuierliche Adaption und Veränderung
weil Veränderungen typischerweise durch Ungewissheit,          von Organisationen verlangt, wird die aktive Rolle von
Mehrdeutigkeit und einen Mangel an Kontrollen gekenn-          Mitarbeitenden als Geführte wichtiger denn je. Während
zeichnet sind und destruktives Führungsverhalten wahr-         in über 150 Jahren Führungsforschung nur wenige Wissen-
scheinlicher machen (Neves und Schyns 2018). Empirische        schaftler versucht haben, die Rolle von Mitarbeitenden in
Forschungsergebnisse zeigen, dass Führungskräfte, die Au-      Führungsprozessen zu definieren und zu verstehen (Collin-
tonomie-restriktives Verhalten (z. B. Mikro-Management)        son 2006; Hollander 1992; Shamir 2007), stieg über die
zeigen, Widerstand in ihren Mitarbeitenden hervorrufen         Jahre das Interesse mehr über Mitarbeitende und ihren Bei-
(z. B. Klonek et al. 2014). Auf Basis der Selbstbestim-        trag zu Führungs- und Organisationsprozessen zu erfahren
mungstheorie (Deci und Ryan 1985) und empirischer              (Uhl-Bien et al. 2014). Dieses Interesse spiegelt sich in der
Forschungsarbeiten wissen wir, dass die von Mitarbei-          Geführten-zentrierte Perspektive wider, die Mitarbeitende
tenden erlebte Autonomie eine kritische Rolle spielt, um       nicht nur als Ergebnis von Führung sieht, sondern ihre akti-
ihre Motivation für eine organisationale Veränderung zu        ve Rolle in Führungsprozessen anerkennt (Graen und Uhl-
wecken (Hornung und Rousseau 2007). Hieraus lässt sich         Bien 1995; Hollander 1992; Meindl 1995). Demnach ist
schließen, dass Führungskräfte durch den Einfluss auf ihre     das Bild von Führung ohne das Verständnis von Geführten
Mitarbeitenden zum Scheitern von Veränderungsprozessen         unvollständig und erklärt die Notwendigkeit zu untersu-
beitragen können.                                              chen, wie Geführte durch ihr Verhalten Führungsprozesse
    Daran anknüpfend stellt sich die Frage, was Führungs-      beeinflussen (Uhl-Bien et al. 2014). Aus dieser Perspektive
kräfte dazu veranlasst, Autonomie-restriktives (d. h. de-      heraus wird untersucht, wie und wann Mitarbeitende einen
struktives) Verhalten gegenüber ihren Mitarbeitenden zu        Einfluss auf ihre sozialen Interaktionspartnerinnen und –
zeigen.                                                        partner ausüben können. Die Geführten-zentrierte Literatur
                                                               betont, dass effektive Mitarbeitende sich durch unabhängi-

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ges Denken auszeichnen und proaktiv handeln, um bei der              3.2 Der Einfluss des „Nicht-Folgens“ von
Umsetzung organisationaler Ziele zu unterstützen, anstatt                Mitarbeitenden
ihrer Führungskraft unreflektiert zu folgen. Führungskräfte
können von den Ideen, neuen Strategien und weiterem                  Die Geführten-zentrierte Perspektive beschreibt, dass Mit-
Feedback ihrer Mitarbeitenden profitieren (Carsten et al.            arbeitende einen maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten
2010). Die Konzentration auf Mitarbeitende im Sinne von              ihrer Führungskraft haben (Shamir 2007; Uhl-Bien et al.
Geführten trägt zu einem besseren Verständnis von Füh-               2014). Einfluss können Mitarbeitende beispielsweise neh-
rung bei, indem bisheriges Wissen über Führungsstile und             men, indem sie ihrer Führungskraft eigene Ideen und kon-
-verhalten um eine Beschreibung von Mitarbeitendenver-               struktive Verbesserungsvorschläge liefern, die richtungs-
halten ergänzt wird. Eine solche Herangehensweise hilft              weisend für die Entscheidungen ihrer Führungskraft sind.
dabei die Perspektive zu wechseln, indem sie die Rolle von           Einfluss nehmen Mitarbeitende allerdings auch in Situatio-
Mitarbeitenden bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung             nen, in denen sie zum Beispiel Skepsis und Bedenken vor
effektiver, aber auch destruktiver Führungsprozesse thema-           organisationalen Veränderungen in Form von Widerstand
tisiert (Collinson 2006; Mergen und Ozbilgin 2021; Shamir            gegenüber ihrer Führungskraft zeigen. Für die Art und Wei-
2007), welche unter anderem im Kontext organisationaler              se, wie Mitarbeitende durch Widerstand ihre Führungskraft
Veränderungen eine kritische Rolle spielen (Neves und                beeinflussen, gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze.
Schyns 2018).                                                        Zum einen können Führungskräfte Widerstand als Ver-
                                                                     such verstehen, ihre Macht und Kontrolle zu untergraben
3.1 Die aktive Geführten-Rolle in Gruppen                            und daher als bedrohlich empfinden (Tedeschi und Felson
                                                                     1995). Demnach nimmt Frau Pfeiffer den verbalisierten
Die Effektivität eines ausschließlichen Top-Down Einflus-            Widerstand von Herrn Schulz als Bedrohung für die er-
ses durch die Führungskraft (d. h. vertikale Führung) wird           folgreiche Umsetzung der Veränderung und Infragestellung
nicht zuletzt im Kontext der Führung in Teams zunehmend              Ihrer Position wahr und zeigt als Reaktion kontrollierendes
hinterfragt. Insbesondere bei der Implementierung von Ver-           Verhalten gegenüber Herrn Schulz, um ihn im Sinne einer
änderungen in Teams schließt die Annahme, dass Mitarbei-             Machtdemonstration in die Schranken zu weisen (Klonek
tende einen Einfluss auf Führung ausüben, auch die Mög-              et al. 2015). Einen anderen Erklärungsansatz bietet der
lichkeit mit ein, dass Mitarbeitende auf ihre Kolleginnen            sogenannte „Korrekturreflex“. Diese Tendenz beschreibt
und Kollegen (z. B. Mitglieder des eigenen Teams) Einfluss           die Überzeugung, dass eine Führungskraft ihre Mitarbei-
nehmen. Beispielsweise können sich in veränderungsbezo-              tenden dazu bekehren muss, „das Richtige“ zu tun (Miller
genen Gruppensettings (z. B. Change-Workshops; Endre-                und Rollnick 2013). Entsprechend kann Kontrolle durch
jat und Kauffeld 2017) intragruppenspezifische Dynamiken             Führungskräfte aus einer positiven Intention heraus ent-
entwickeln, durch die sich Mitarbeitende gegenseitig für             stehen, zum Beispiel, um Mitarbeitende vor den negativen
oder gegen eine Veränderung motivieren. Würde Frau Pfeif-            Konsequenzen eines Nicht-Folgens (bei Veränderungen) zu
fer die Veränderung in einem Meeting mit Herrn Schulze               schützen. Demnach würde Frau Pfeiffer kontrollierendes
und seinen Teammitgliedern thematisieren, könnte der ver-            Verhalten zeigen, um die Implementierung der Veränderung
balisierte Widerstand durch Herrn Schulz dazu führen, dass           sicherzustellen und Herrn Schulz vor den potenziellen Kon-
seine Teamkolleginnen und -kollegen dazu angeregt wer-               sequenzen, wenn er sich gegen die Veränderung ausspricht
den, ebenfalls ihren Widerstand zu äußern (motivationale             (z. B. Wettbewerbsnachteile; Stellenabbau), zu schützen.
Ansteckungsprozesse, Endrejat et al. 2020). Im Fall, dass            Unabhängig von den unterschiedlichen Ansätzen zur Er-
Herrn Schulz sich allerdings überwiegend positiv gegen-              klärung von (destruktivem) Führungsverhalten herrscht
über der Veränderung äußern und damit Motivation signa-              Konsens darüber, dass Mitarbeitende durch ihr Verhalten
lisieren würde, hätte er demzufolge die Chance als Change            einen starken Einfluss auf das Verhalten ihrer Führungs-
Agent für seine Kolleginnen und Kollegen zu fungieren,               kräfte ausüben (Shamir 2007). Aus dieser Sicht heraus
wenn er diese durch seine positiven Äußerungen eben-                 nehmen sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende
falls für die Veränderung begeistern kann. Angesichts des            Einfluss auf die Entstehung von (destruktiver) Führung
gesteigerten Drucks die Veränderungsbereitschaft zu stär-            (Mergen und Ozbilgin 2021; Thoroughgood et al. 2018). In
ken, beziehungsweise unter den Mitarbeitenden so weit wie            diesem Zusammenhang kann auch von einer „destruktiven
möglich zu „verbreiten“, und der zunehmenden Komplexi-               Führung von unten“ gesprochen werden.
tät von Aufgaben von Führungskräften, könnte dieses neue
Rollenverständnis von Mitarbeitenden eine Entlastung für
Führungskräfte bedeuten.

                                                                                                                      K
556                                                                                                   A. V. Güntner, S. Kauffeld

4 Führung als ko-konstruiertes Phänomen                          Führungskräften und Mitarbeitenden verstanden wird, wird
  von Mitarbeitenden und Führungskräften:                        es ermöglicht, Führung umzusetzen als etwas, bei dem Mit-
  die beziehungstheoretische Perspektive                         arbeitenden einen aktiven Beitrag an der Gestaltung or-
                                                                 ganisationaler Veränderung zugesprochen wird. Insbeson-
Führt man die Erkenntnisse aus der Führenden-Perspek-            dere vor dem Hintergrund von kontinuierlich stattfinden
tive mit jenen aus der Geführten-Perspektive zusammen,           Veränderungsprozessen, können Führungskräfte nicht die
ergibt sich das Bild von Führung in Veränderungsprozes-          Verantwortung für alles übernehmen und ein klassischer
sen als dynamisches Phänomen, welches in der Interaktion         Top-down-Ansatz wird als längst nicht mehr nachhaltig be-
zwischen Personen entsteht (Ford et al. 2008). Somit wird        trachtet (Pearce und Conger 2003). Stattdessen sind Füh-
sowohl Führungskräften als diejenigen, die die Verände-          rungskräfte, beziehungsweise Organisationen, mehr denn je
rung kommunizieren, als auch Mitarbeitenden als Betrof-          darauf angewiesen, dass Mitarbeitende proaktiv Verände-
fenen von Veränderungen eine aktive Rolle bei Führungs-          rungen vorantreiben, indem sie beispielsweise konstruktive
und Organisationsprozessen zugesprochen. Diese Sichtwei-         Ideen für Verbesserungen äußern.
se stimmt mit Beziehungsperspektiven aus der Führungsfor-
schung überein, die Führung als ko-konstruierten Prozess         4.1 Neue Perspektiven auf die Rollen von
betrachten, der sich durch die wechselseitige Beeinflussung          Führenden und Geführten
und soziale Austauschbeziehung zwischen Führungskräf-
ten (d. h. Führenden) und Mitarbeitenden (d. h. Geführten)       Erkennt man die von Führungskraft und Mitarbeitenden
entwickelt (Hollander 1992; Uhl-Bien 2006). Die soziale,         gleichermaßen ausgehenden Einflüsse auf Führungs- und
dynamische und prozessuale Sichtweise auf Führung deckt          organisationale Veränderungsprozesse an und geht man
sich mit anderen beziehungstheoretischen Führungsansät-          einen Schritt weiter, so kann von einer Auflösung klas-
zen, wie der adaptiven Führungstheorie (DeRue 2011) und          sischer Rollenverteilungen gesprochen werden. Während
den theoretischen Ausführungen von DeRue und Ashford             Führungskräfte sowohl in der Rolle als Change Agenten,
(2010) zur Konstruktion einer Führungsidentität. Sie be-         als auch Rezipienten agieren (Balogun et al. 2015), können
schreiben, dass Führung ein sozialer Aushandlungs- und           Mitarbeitende nicht nur Change Rezipienten sein, sondern
Austauschprozesse zwischen Führenden und Geführten ist,          auch als Change Agenten, beispielsweise gegenüber ihren
dessen Erfolg nicht von einer formellen Führungsposition         Kolleginnen und Kolleginnen, agieren.
abhängt, sondern davon, inwieweit andere bereit sind zu              Übereinstimmend mit dieser Sichtweise auf Führung in
folgen. Übertragen auf den Kontext von organisationalen          Veränderungen existieren neuere Führungsansätze, die von
Veränderungen, bedeutet dies, dass erfolgreiche Verände-         Führung als einem kollektivem Phänomen sprechen (De-
rungsimplementierung nicht einer einzelnen Person obliegt,       nis et al. 2012). Führung wird demnach verstanden als ei-
typischerweise der Führungskraft, sondern Mitarbeitende          ne Eigenschaft von Teams, Netzwerken, Geschäftseinheiten
eine ebenso wichtige Rolle spielen. Aus wissenschaftlicher       und Organisationssystemen. Solche kollektiven Führungs-
Sicht hat eine Vielzahl von Studien identifiziert, dass sozia-   ansätze deuten auf eine sich verändernde Beziehung zwi-
le Dynamik und Interaktion im Zentrum effektiver Füh-            schen Führungskraft und Mitarbeitenden hin und legen na-
rungsprozesse stehen (z. B. Crevani et al. 2010; DeRue           he, dass Führung informelle Prozesse darstellt, die paral-
und Ashford 2010). Diese Erkenntnisse widerlegen die oft-        lel zu oder anstelle von formalen hierarchischen Strukturen
mals angenommene, vereinfachte Realität, dass Führung ei-        existieren (z. B. Contractor et al. 2012; Denis et al. 2012).
ne Einbahnstraße ist (z. B. DeRue 2011; DeRue und Ash-           Beispielsweise hat das Konzept, dass Führung nicht mehr
ford 2010; Uhl-Bien 2006).                                       ausschließlich durch eine einzelne Person (d. h. die formale
   Das Verständnis von Führung in Veränderung als wech-          Führungskraft) erfolgt, sondern dass parallel dazu geteilte
selseitiger Prozess bildet sich auch in unserem Fallbeispiel     Führung (engl. shared leadership; z. B. Small und Rentsch
in der Interaktion zwischen der Führungskraft Frau Pfeiffer      2010; Pearce und Conger 2003; Zhu et al. 2018) stattfin-
und ihrem Mitarbeiter Herr Schulz ab. Gemäß dieser Per-          det, in den letzten Jahren einen wichtigen Stellenwert in
spektive bedarf es sowohl aus theoretischer als auch prak-       Forschung und Praxis eingenommen (Grille und Kauffeld
tischer Sicht einer Betrachtung von Führung als wechsel-         2015; Kauffeld et al. 2017). Geteilte Führung beschreibt
seitiger, sozialer Einflussprozess im Allgemeinen (Brower        einen dynamischen, interaktiven Gruppenprozess, in dem
et al. 2000; DeRue und Ashford 2010) und Reaktionen auf          Führung durch Interaktionen innerhalb einer Gruppe ent-
Veränderungen als ein interaktionales Phänomen zwischen          steht und sich Individuen gegenseitig führen, um Gruppen-
Führungskraft und Mitarbeitenden im spezifischen Kon-            oder Organisationsziele zu erreichen (Pearce und Conger
text organisationaler Veränderungen (Armenakis und Harris        2003). Dabei entscheiden Faktoren wie Kompetenzen, Wis-
2009). Indem Führung in Zeiten organisationaler Verände-         sen und Verfügbarkeit darüber, welches der Gruppenmit-
rungen als dynamischer, wechselseitiger Prozess zwischen         glieder temporär die Führung der Gruppe übernimmt. Ein

K
Die Ko-Konstruktion von Führung in veränderungsbezogenen Interaktionen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden                       557

weiteres Beispiel stellt das Konzept der selbstverwalteten                 Obwohl die wechselseitigen Einflüsse zwischen Füh-
Teams (engl. self-managed teams; Manz und Sims 1995)                    rungskraft und Mitarbeitenden, mit denen sie Führung ko-
dar. Es beschreibt einen partizipativen Führungsansatz mit              konstruieren, in dieser oder ähnlicher Form häufig in der
dem Ziel, Entscheidungsbefugnis zu dezentralisieren und                 Praxis zu beobachten ist, gleicht unser Fallbeispiel nicht
einem gesamten Team zuzusprechen, anstatt an eine Ein-                  der Standardgeschichte von Führung, die in der traditionel-
zelperson (i. d. R. die Führungskraft) zu vergeben (Wage-               len Change Management Literatur erzählt wird. Stattdes-
man 1997). Darüber hinaus sind die Rollen und damit ver-                sen scheint diese Perspektive inkongruent zu den typischen
bundenen Verantwortlichkeiten fließend, was eine größere                Schlussfolgerungen über die Quellen des Erfolgs oder Ver-
Arbeitsvielfalt ermöglicht und damit im Gegensatz zu stark              sagens bei der Implementierung organisationaler Verände-
vorgeschriebenen und stabilen Rollen steht, wie sie in klas-            rungen (By et al. 2016). Entsprechend benötigt es konkrete
sischen Organisationshierarchien vorzufinden sind (Wage-                Implikationen, die für die organisationale Praxis abgeleitet
man 1997). Der Grundgedanke hinter diesen kollektiven                   werden.
Ansätzen zu Führung ist, dass Führung sowohl formellen
als auch informellen Einfluss beinhalten kann. Das heißt,
Führung geht nicht nur von Individuen mit formalisierter                5 Praktische Handlungsempfehlungen
Autorität oder Kontrolle aus (z. B. Vorgesetzte, Manager),
sondern kann auch von einigen oder allen Mitgliedern ei-                Die Art und Weise wie Führung konzeptualisiert wird,
nes Kollektivs ausgehen, beispielsweise auf der Grundlage               bestimmt nicht nur wie Führung in der Forschung unter-
spezifischer Fachkenntnisse (Contractor et al. 2012; Denis              sucht wird, sondern auch die Art und Weise wie Führung
et al. 2012). Diese kollektiven Führungsansätze werden von              praktiziert und Weiterbildungsmaßnahmen in Organisatio-
evolutionspsychologischen Ansätzen unterstützt: Sie gehen               nen gestaltet werden. Anstatt Führungskräfteentwicklung
davon aus, dass Menschen eine flexible „Psychologie der                 ausschließlich auf die Entwicklung von Einzelpersonen in
Anhängerschaft/Gefolgschaft“ haben, die es ihnen ermög-                 Führungspositionen zu konzentrieren, impliziert eine be-
licht, die richtige Art von Führenden unter den richtigen               ziehungstheoretische Führungsperspektive den Fokus auf
Bedingungen auszuwählen und ihnen zu folgen, und, wann                  das Kollektiv, das zur Entstehung von Führung beiträgt,
immer es angebracht ist, vom Geführten zum Führenden                    inklusive Mitarbeitende, Teams und ganze Organisationen
zu wechseln. Gleichzeitig widerspricht sie damit der An-                (Uhl-Bien et al. 2014). Daher wird unterschieden zwischen
nahme, dass die Evolution eine Population von Individuen                Weiterbildungsmaßnahmen, die ausschließlich den Aufbau
mit entweder festen Führungs- oder Geführteneigenschaf-                 von Fähigkeiten einer Führungsperson fokussieren (d. h.
ten (d. h. Genotypen) hervorgebracht hat (Bastardoz und                 die klassische Führungskräfteentwicklung) und solchen,
van Vugt 2019).                                                         die dem Aufbau von Führungsfähigkeiten eines Kollektivs

Tab. 1 Theoretische Forschungsperspektiven und Implikationen für die Praxis
Perspektive   Theoretische Annahmen                                               Praktische Implikationen und Maßnahmen
Führenden-    Führung meint das Verhalten der Führungskraft                       Fokus auf die Weiterbildung von Führungskräften
zentrierte    Führungskraft entscheidet alleine über die Planung und Umsetzung    Verhaltenstraining für Führungskräfte zur Schulung einer
Perspek-      von Veränderungsprozessen                                           veränderungsförderlichen Kommunikation
tive
              Führungskraftverhalten (u. a. Kommunikation) entscheidet über die   Kognitionstraining für Führungskräfte zur Entwicklung
              Motivation/Widerstand von Mitarbeitenden                            eines Bewusstseins für die Motive hinter Veränderungswi-
                                                                                  derstand
Geführten-  Mitarbeitende handeln proaktiv und zeichnen sich durch unabhän-       Schulungsangebote für Mitarbeitende zum Aufbau von
zentrierte  giges Denken aus                                                      Führungskompetenzen
Perspek-    Mitarbeitende beeinflussen ihre Führungskraft und bestimmen über      Bewusstsein für die Beteiligung an (negativen) Führungs-
tive        Erfolg/Misserfolg von Führung                                         prozessen schaffen
            Motivation/Widerstand von Mitarbeitenden (als Persönlichkeits-        Transparenz über den gewünschten Umfang an Partizipati-
            charakteristika) sind verantwortlich für Erfolg/Misserfolg von Ver-   on schaffen
            änderungen
Beziehungs- Führung als wechselseitiger Beeinflussungsprozess                     Fokus auf Aufbau von Führungsfähigkeiten eines Kollek-
orientierte                                                                       tivs
Perspek-    Führung ist von Führungskräften und Mitarbeitenden ko-konstruiert     Schaffung einer Autonomie-förderlichen Unternehmens-
tive                                                                              kultur
              Reaktionen von Mitarbeitenden auf Veränderungen entstehen in der    Aufbrechen traditioneller Rollenvorstellungen und starrer
              dynamischen Interaktion zwischen ihnen und ihrer Führungskraft      Machtstrukturen
              Führung kann sowohl formellen als auch informellen Einfluss bein-   Offenheit für neue Führungsansätze schaffen (u. a. geteilte
              halten                                                              Führung, selbstverwaltende Teams)

                                                                                                                                 K
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dienen (d. h. Führungsentwicklung; Day 2001; McCauley          ihrer Position angegriffen fühlt und stattdessen mit positi-
und Van Velsor 2004). Im Folgenden werden aus dieser           vem Verhalten entgegenkommt (Tepper et al. 2017). Auf der
Perspektive heraus praktische Implikationen für Mitarbei-      dyadischen Ebene haben Mitarbeitende, beispielsweise in
tende, Führungskräfte und Organisationen abgeleitet, die in    Mitarbeitendengesprächen, die Möglichkeit, ihre konstruk-
Tab. 1 zusammengefasst sind.                                   tive Kritik zu adressieren. Auf der Gruppenebene können
                                                               Mitarbeitende Teammeetings mit ihrer Führungskraft nut-
5.1 Implikationen für Mitarbeitende                            zen, um solche Themen anzusprechen.
                                                                  Wichtig ist für Mitarbeitende die Erkenntnis, dass sie
In Ermangelung von empirischen Ergebnissen über den Ein-       selbst verantwortlich für die Mitgestaltung von Führungs-
fluss von Mitarbeitenden, wurde Führungskräften und ihrer      prozessen sind und sie sich nicht darauf verlassen sollten,
Entwicklung auch in der Praxis mehr Aufmerksamkeit zu-         dass ihre Führungskraft die aktive Beteiligung von ihnen
gesprochen als ihren Mitarbeitenden (Hoption 2014). Wäh-       einfordert. Um das Potenzial der aktiven Beteiligung am
rend Führungskräfte als Schlüsselakteure in Organisatio-       Führungsprozess effektiv nutzen zu können, sollten Mit-
nen betrachtet werden, verdeutlicht der vorliegende Artikel,   arbeitende persönliche Stärken und Ressourcen identifizie-
dass dem Einfluss, den Mitarbeitende auf Führungsprozesse      ren und sich ihrer eigenen Rolle, die sie gerne einnehmen
nehmen, mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Es er-         möchten, bewusst sein. Ein Bewusstsein darüber und ent-
geben sich folgende Handlungsempfehlungen für Mitarbei-        sprechend gute Vorbereitung seitens Mitarbeitenden kann
tende: Mitarbeitende sollten sich bewusst sein, dass sie das   sich positiv auf (Mitarbeitenden-) Gespräche mit ihrer Füh-
Verhalten von Führungskräften durch ihr eigenes Verhalten      rungskraft auswirken (Meinecke et al. 2017). Dies kann
beeinflussen können und über mögliche Wirkungen des-           mit dem Angebot von Weiterbildungsprogrammen für Mit-
sen reflektieren. Insbesondere bezüglich Widerstand sollten    arbeitende unterstützt und damit negativen Mitarbeitenden-
Mitarbeitende sich vergegenwärtigen, dass für Führungs-        stereotypen entgegengewirkt werden, indem Erwartungen
kräfte oft nicht eindeutig ist, ob geäußerter Widerstand gut   an den Grad an Partizipation und Proaktivität von Mitarbei-
gemeint ist und dazu dient, auf potenzielle Probleme von       tenden kommuniziert werden (Endrejat und Kauffeld 2017).
organisationalen Veränderungen aufmerksam zu machen,
oder ob der Widerstand nur der Provokation dient. Daher ist    5.2 Implikationen für Führungskräfte
es wahrscheinlich, dass Führungskräfte Widerstand fälsch-
licherweise als Verhalten zur vorsätzlichen Sabotage von       Selbst wenn Mitarbeitende für ein Bewusstsein ihrer Ein-
organisationalen Zielen deuten (Tepper et al. 2006) und mit    flussmöglichkeiten sensibilisiert werden, impliziert die Idee
kontrollierendem Verhalten reagieren, um einen Schaden         eines wechselseitigen Führungsprozesses, dass Mitarbei-
abzuwenden. Auf diesem Wege können Mitarbeitende mit           tende durch das Verhalten ihrer Führungskraft ebenfalls
ihrem Verhalten tatsächlich zu negativen Führungsprozes-       beeinflusst werden. Entsprechend ist es notwendig, auch
sen beitragen und damit potenziell das negative Bild von       Handlungsempfehlungen für Führungskräfte aufzuzeigen.
systematisch schädigenden Mitarbeitenden bestätigen. Dies      Allerdings werden, anstelle von globalen Empfehlungen,
soll allerdings kein Appell an Mitarbeitende sein, sich zu-    die auf die Vermittlung von konstruktiven Führungsstilen
rückzuhalten. Stattdessen müssen Mitarbeitende Strategien      (z. B. Empowering Leadership, Kirkman und Rosen 1999)
identifizieren, mit denen sie ihren Einfluss effektiv nutzen   verweisen, im Folgenden Implikationen präsentiert, die an
können. Wie im Vorangegangenen dargestellt, kann das An-       konkreten Charakteristika von Führungskräften ansetzen.
sprechen von Themen, durch welche sich Führungskräfte          Die überwiegende Mehrheit an Entwicklungsprogrammen
in ihrer Identität bedroht fühlen zu negativem Verhalten in    für Führungskräfte konzentriert sich auf die Veränderung
Verbindung mit Autonomie-Einschränkung (Güntner et al.         von Verhalten, anstatt das Zusammenspiel von Verhalten
2020) oder anderen, ungünstigen Ergebnissen (z. B. vermin-     und Kognition zu berücksichtigen, die (negativer) Führung
derte Leistungsbewertung; Burris 2012) für Mitarbeitende       häufig zugrunde liegt (Ford et al. 2018). Die von uns abge-
führen. Indem Mitarbeitende eine Kommunikation wählen,         leiteten Implikationen berücksichtigen sowohl behaviorale
mit der sie ihre Skepsis gegenüber einer Veränderung kon-      als auch kognitive Ansatzpunkte.
struktiv an ihre Führungskraft vermitteln, erhöhen sie die         Die Tendenz von Führungskräften auf Mitarbeitenden-
Wahrscheinlichkeit, dass Führungskräfte die positive Inten-    Widerstand mit destruktivem Verhalten zu reagieren, ist
tion erkennen und können so zur Entstehung positiver Füh-      verstärkt, wenn für Führungskräfte der Ausdruck von Wi-
rungs- und Veränderungsprozesse beitragen. Indem Herr          derstand ausschließlich negativ konnotiert ist, anstatt als
Schulz nicht nur äußert, dass ihn die Veränderung stört,       ein Hinweis auf potenzielle Missstände in der Organisa-
sondern Anregungen zur Gestaltung des Veränderungspro-         tion verstanden zu werden. Hierzu zählt auch, dass Füh-
zesses kommuniziert, kann er die Wahrscheinlichkeit erhö-      rungskräfte Widerstand auf persönliche Charakteristika ih-
hen, dass seine Führungskraft Frau Pfeiffer sich nicht in      rer Mitarbeitenden zurückführen. Solche negativen Konno-

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Die Ko-Konstruktion von Führung in veränderungsbezogenen Interaktionen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden            559

tationen (siehe auch implizite Geführtentheorien, Sy 2010)           ten zeigen, welches eben diese Autonomie unterstützt und
sind hinderlich für den Aufbau positiver Beziehungsqualitä-          mithilfe dessen Mitarbeitenden eigene Gründe und Moti-
ten und die Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden (Whiteley              ve für Veränderung entlockt werden (van Quaquebeke und
et al. 2012). Führungskräfte, die negative Konnotationen             Felps 2018). Bezogen auf unser Fallbeispiel könnte Frau
von Widerstand oder Mitarbeitenden befürworten, haben                Pfeiffer beispielsweise durch offene Fragen und aktives Zu-
mit hoher Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten den verba-              hören signalisieren, dass sie sich selbst zurücknimmt und
lisierten Widerstand ihrer Mitarbeitenden als Ambivalenz             stattdessen die Kontrolle über das Gespräch Herrn Schulz
zu deuten. Entsprechend sollten Führungskräfte, bevor es             (und dem Rest des Teams) überlässt (Klonek et al. 2014;
um die Änderung ihres negativen Führungsverhalten geht,              Meinecke und Kauffeld 2019). Sowohl die Vermeidung de-
dazu angeregt werden, sich bewusst zu machen, wie sie                struktiven Verhaltens als auch das Erlernen Autonomie-
widerständische Mitarbeitende beziehungsweise den Aus-               betonenden Verhaltens kann Führungskräften in Trainings
druck von Widerstand interpretieren. In diesem Zusammen-             vermittelt werden, in denen zum Beispiel Kommunikations-
hang kann Führungskräften vermittelt werden, die Energie,            analysen von aufgezeichneten Gesprächen eingesetzt wer-
die mit Widerstand von Mitarbeitenden einhergeht, als Hin-           den (Güntner et al. 2019).
weis auf potenzielle Missstände zu verstehen, sie in Rich-
tung konkreter Veränderungsmaßnahmen zu kanalisieren                 5.3 Implikationen für Organisationen
und damit produktiv zu nutzen (Bruch und Ghoshal 2003).
Beispielsweise können Führungskräfte darin geschult wer-             Das Ausmaß, in dem Führungskräfte ihre Mitarbeitenden
den, in Gesprächen die dem verbalisierten Widerstand zu-             (positiv) beeinflussen und damit ihre Veränderungsmotiva-
grundeliegenden Motive und Wünsche ihrer Mitarbeiten-                tion fördern können, hängt allerdings nicht nur von dem
den sowie veränderungsbefürwortende Aussagen („Change                Einfluss und Verhalten ihrer Mitarbeitenden ab, sondern
Talk“; Miller und Rollnick 2013) herauszuhören. Ist dies             auch die organisationalen Rahmenbedingungen spielen ei-
der Fall, können Führungskräfte ebendiese positiven Aus-             ne Rolle (für eine holistische Perspektive siehe z. B. Tho-
sagen in den Fokus stellen und positiv verstärken. Insbeson-         roughgood et al. 2018). Demnach lassen sich an dieser Stel-
dere in Veränderungsgesprächen zeigen Mitarbeitende Ver-             le auch praktische Implikationen auf der organisationalen
halten (z. B. Widerstand), welches mehrdeutig ist und es von         Ebene ableiten: Immer mehr Organisationen sehen sich mit
Führungskräften erfordert zu erkennen, welches Verhalten             der die Frage konfrontiert: „Welche Führungskultur möch-
ihrerseits an dieser Stelle am effektivsten ist. Bisherige For-      ten wir haben?“ Diese Organisationen verstehen, dass ex-
schung hat gezeigt, dass situationsspezifische Kognitionen           zellente Führung ein Magnet sein kann, um Spitzentalente
für die Verhaltensanpassung in interpersonalen Kontexten             anzuziehen und zu halten. Da dem Ruf von Führungsper-
relevant sind (Kleinmann et al. 2011). Um Führungskräfte             sönlichkeiten von außen immer mehr Aufmerksamkeit ge-
darin zu schulen, situative Hinweise zu erkennen, die auf            schenkt wird, stehen Organisationen unter dem Druck zei-
die Notwendigkeit bestimmten Führungsverhaltens hinwei-              gen müssen, dass sie wissen, was es bedeutet, effektiv zu
sen, könnten in Trainings Führungssituationen per Rollen-            führen. Organisationen können beispielsweise für eine offe-
spiel simuliert werden. Darüber hinaus kann auf die Ana-             ne Unternehmenskultur sorgen, welche die Autonomie und
lyse von Veränderungsgesprächen zurückgegriffen werden,              den Wunsch nach aktiver Mitgestaltung von Mitarbeitenden
anhand derer Führungskräfte ihr Gehör für Change Talk                betont. Eine Kultur, die die Autonomie ihrer Organisations-
sensibilisieren können.                                              mitglieder unterstützt, ist auch deshalb relevant, weil moti-
    Daran anknüpfend sollten Führungskräfte ebenfalls für            vationsförderliches (d. h. Autonomie-betonendes) Verhalten
die wechselseitigen Beeinflussungsprozessen zwischen ih-             seitens Führungskräfte bedeutet, auch selbst die autonome
nen und ihren Mitarbeitenden sensibilisiert werden, indem            Kontrolle über das Gespräch aufzugeben (van Quaquebeke
in Weiterbildungsmaßnahmen für Führungskräfte das Ver-               und Felps 2018). Gemäß der Vorstellung, dass Autonomie
ständnis von Führung als ko-konstruierter Prozess vermit-            eine Ressource ist, die Personen bemüht sind zu erhalten,
telt wird (z. B. DeRue 2011; Uhl-Bien 2006). Insbesondere            beziehungsweise wiederherzustellen versuchen, wenn sie
kann hierbei der Fokus darauf gelegt werden, dass Füh-               erschöpft ist, werden Führungskräfte nur ungern die Ge-
rungskräfte häufig dem Reflex erliegen, negatives Verhalten          sprächskontrolle aufgeben, wenn ihre eigenen Autonomie-
(z. B. Mikro-Management) zu zeigen, wenn sie auf Mitar-              bedürfnisse erschöpft sind (Deci und Ryan 1985). Dem-
beitende treffen, die Widerstand ausdrücken (Tepper et al.           entsprechend können Organisationen ihren Führungskräf-
2017). Führungskräfte sollten alternative Bewältigungsme-            ten die Ausübung Autonomie-unterstützenden Verhaltens
chanismen vermittelt bekommen, die gleichzeitig der Be-              erleichtern, indem ihnen im Rahmen der vom Manage-
friedigung von Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden gerecht             ment vorgegebenen Unternehmenskultur selbst Autonomie
werden. Einer dieser Grundbedürfnisse, der Autonomie,                entgegengebracht wird und dieses Verhalten wertgeschätzt
können Führungskräfte gerecht werden, indem sie Verhal-              wird. Bezogen auf unser Fallbeispiel könnte dies bedeuten,

                                                                                                                       K
560                                                                                                                A. V. Güntner, S. Kauffeld

dass die Geschäftsführung von collaborate2go Frau Pfeif-               jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprüng-
                                                                       lichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link
fer einen gewissen Grad an Entscheidungsspielraum bei der
                                                                       zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen
Umsetzung der Veränderung in ihrer Abteilung zugesteht,                vorgenommen wurden.
welches es ihr ermöglicht diese Autonomie an Herrn Schulz
                                                                       Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial
weiterzugeben. Darüber hinaus können Organisationen hilf-              unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern
reiche Rahmenbedingungen schaffen, um die aktive Teil-                 sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das be-
nahme von Mitarbeitenden an Führungsprozessen in Zeiten                treffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz
von Veränderungen (und in Gesprächen darüber) zu fördern               steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschrif-
                                                                       ten erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des
und ihnen somit ein stärkeres Gefühl von Beteiligung, Kon-             Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
trolle und Gerechtigkeit zu vermitteln (Reiss et al. 2019).
Dazu zählt zum Beispiel das Angebot konkreter Formate                  Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation
                                                                       auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
und Zeiträume (z. B. Partizipationsworkshops, Mitarbeiten-
dengespräche), in denen das Feedback und die Ideen von
Mitarbeitenden zum Führungs- und Veränderungsprozess                   Literatur
im Vordergrund steht und somit Mitarbeitende zur aktiven
Einflussnahme auf Führungsprozesse zu ermutigen (siehe                 Alvesson, M. (2020). Upbeat leadership: a recipe for—or against—
                                                                            “successful” leadership studies. The Leadership Quarterly.
auch Gagné und Deci 2005).                                                  https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2020.101439.
   Darüber hinaus entscheiden die Formen von Führung, die              Armenakis, A. A., & Harris, S. G. (2009). Reflections: our jour-
eine Organisation befürwortet und fördert, darüber, ob und                  ney in organizational change research and practice. Journal of
                                                                            Change Management, 9(2), 127–142. https://doi.org/10.1080/
inwiefern das Potenzial von Mitarbeitenden genutzt wird.
                                                                            14697010902879079.
Erkennt man die von Mitarbeitenden ausgehenden Einflüs-                Ashforth, B. (1994). Petty tyranny in organizations. Human Relations,
se auf Führungs- und organisationale Veränderungsprozes-                    47(7), 755–778. https://doi.org/10.1177/001872679404700701.
se an, so könnten diese Einflüsse beispielsweise mittels der           Balogun, J., Bartunek, J. M., & Do, B. (2015). Senior managers’ sense-
                                                                            making and responses to strategic change. Organization Science,
Auflösung klassischer, formaler Rollenverteilungen geför-                   26(4), 960–979. https://doi.org/10.1287/orsc.2015.0985.
dert werden. Die Idee, dass Mitarbeitende zur Gestaltung               Bastardoz, N., & van Vugt, M. (2019). The nature of followership: evo-
von Führungsprozessen bei Veränderungen beitragen, kann                     lutionary analysis and review. The Leadership Quarterly, 30(1),
                                                                            81–95. https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2018.09.004.
beispielsweise in der Nutzung von Führungsformen wie der               Brower, H. H., Schoorman, F., & Tan, H. H. (2000). A model of relatio-
geteilten Führung oder selbstverwalteten Teams umgesetzt                    nal leadership. The Leadership Quarterly, 11(2), 227–250. https://
werden. Unabhängig von dem „Label“, das Organisationen                      doi.org/10.1016/S1048-9843(00)00040-0.
                                                                       Bruch, H., & Ghoshal, S. (2003). Unleashing organizational energy.
der von ihr gewählten Führungsform geben, sollte das Ziel
                                                                            MIT Sloan Management Review, 45(1), 45–52.
sein, dem Einfluss von Mitarbeitenden mehr Raum zu ge-                 Burnes, B., Hughes, M., & By, R. T. (2018). Reimagining organiza-
ben, um ihre Autonomie und Zufriedenheit zu steigern und                    tional change leadership. Leadership, 14(2), 141–158. https://doi.
so ihren Einfluss für die Realisierung organisationaler Ziele               org/10.1177/1742715016662188.
                                                                       Burris, E. R. (2012). The risks and rewards of speaking up: managerial
zu nutzen (Lee und Edmondson 2017).                                         responses to employee voice. Academy of Management Journal,
                                                                            55(4), 851–875. https://doi.org/10.5465/amj.2010.0562.
                                                                       By, R. T. (2021). Leadership: in pursuit of purpose. Journal of Change
                                                                            Management, 21(1), 30–44. https://doi.org/10.1080/14697017.
6 Fazit                                                                     2021.1861698.
                                                                       By, R. T., Hughes, M., & Ford, J. (2016). Change leadership: oxymoron
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass Führung in wech-                     and myths. Journal of Change Management, 16(1), 8–17. https://
selseitigen Interaktionen zwischen dem Verhalten zwischen                   doi.org/10.1080/14697017.2016.1137425.
                                                                       Carsten, M. K., Uhl-Bien, M., West, B. J., Patera, J. L., & McGregor, R.
Führungskräften und ihren Mitarbeitenden ko-konstruiert                     (2010). Exploring social constructions of followership: a qualita-
wird. Aufgabe von Forschenden aus den Bereichen Change                      tive study. The Leadership Quarterly, 21(3), 543–562. https://doi.
Management und Führung ist es, dieses Wissen in die Praxis                  org/10.1016/j.leaqua.2010.03.015.
                                                                       Collinson, D. (2006). Rethinking followership: a post-structuralist
zu tragen. Erst wenn ein Verständnis und Bewusstsein über                   analysis of follower identities. The Leadership Quarterly, 17(2),
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zessen besteht, können Mitarbeitende, Führungskräfte und               Contractor, N. S., DeChurch, L. A., Carson, J., Carter, D. R., & Kee-
Organisationen dieses Potenzial nutzen, um Veränderungen                    gan, B. (2012). The topology of collective leadership. The Leader-
                                                                            ship Quarterly, 23(6), 994–1011. https://doi.org/10.1016/j.leaqua.
und andere organisationale Ziele erfolgreich umzusetzen.                    2012.10.010.
                                                                       Crevani, L., Lindgren, M., & Packendorff, J. (2010). Leadership, not
Funding Open access funding provided by University of Zurich                leaders: on the study of leadership as practices and interactions.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Na-              Scandinavian Journal of Management, 26(1), 77–86. https://doi.
mensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nut-        org/10.1016/j.scaman.2009.12.003.
zung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in

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