DIETENHEIM DIE SAISON - HAT SAISON - BLIX MAGAZIN
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DAS MAGAZIN MAI 2018 FÜR OBERSCHWABEN www.blix.info DIE SAISON DIETENHEIM DIE 68ER hat Saison hat Markt haben Jubiläum Seite 34 Seite 22 Seite 14 Gratis
INHALT LESERBRIEFE ZUM GEBURTSTAG „Macht weiter so!“ Seite 6 Leser AKTUELL gratulieren zum Geburtstag Zoff am Federsee Seite 8 Front gegen Bögge Seite 8 Seite 6 Scherer räumt ab Seite 9 TITELTHEMA 68er Seite 14 BILDUNG Digital Natives aufgepasst! Seite 12 Soziale Berufe sind vielseitig Seite 13 Hochdorf MARKT DIETENHEIM feiert Dorffest Dietenheim zieht an Seite 22 Messe für nachhaltige Mode Seite 26 Seite 54 FIT & GESUND Zurück zu mehr Nachhaltigkeit Seite 29 ORTSWECHSEL „Wir sind zu patriotisch“ Seite 33 SAISON Ochsenhausen Die Saison hat Hochsaison Seite 34 präsentiert Kräuter Grillsaison Seite 35 Spargelsaison Seite 39 Seite 56 Biergartensaison Seite 40 Ausflug Saison Seite 43 Badesaison Seite 50 KULTUR & FREIZEIT Vergangenheit und Zukunft Seite 52 1968er-Revolte in der Provinz Seite 52 DORFFEST HOCHDORF Bad Schussenried Hochdorf auf Hochtouren Seite 54 lädt zum Dinner KRÄUTERFEST OCHSENHAUSEN Seite 67 Ochsenhausen im Kräutermantel Seite 56 SEEPARKSCHAU Linzgau präsentiert sich Seite 62 HAUS & GARTEN Loblied auf Taglilien und Wieseniris Seite 64 BAD SCHUSSENRIED Schlemmen, schauen, shoppen Seite 67 FOTOGRAF DES MONATS Die wilden Siebziger Seite 21 KULTURKALENDER Seite 72 RUBRIKEN Kleine Museen - Große Leidenschaft Seite 53 Essen & Trinken Kino Seite Seite 60 70 Titelfoto: Lage der Liga Seite 59 Volkhart Müller/ Weltradler Seite 69 Kleinanzeigen & Tiere Seite 90 Museum Biberach IMPRESSUM Verlag: Büro für Gestaltung MEDIA GROUP, BLIX-Verlag GmbH & Co. KG www.bfg-mediagroup.com 88326 Aulendorf, Hauptstraße 93/1 David Hinderberger, Alexander Koschny Illustration: Michael Weißhaupt, Geschäftsführung: www.monsterdisein.de Dr. Roland Reck, Tel. 07525-9212-12 Assistenz: Angelika Friedrich-Reck -0 Druckerei: Fax 07525- 9212-22 Dierichs Druck+Media GmbH & Co. KG info@blix.info Frankfurter Straße 168 34121 Kassel Anzeigen: Dr. Roland Reck 07525-9212-0 Vertrieb: Stefan Zieglowski 07351-4290653 Angelika Friedrich-Reck Anton Hänsler 07525-922184 Guy Pascal Dorner 07525-9212-17 Erscheinungsweise: anzeigen@blix.info monatlich Redaktion: Druckauflage: Dr. Roland Reck V.i.S.P., Guy Pascal Dorner, Andrea Reck 20.000 (IVW 1. Quartal 2017) Tobias Köhler, Alexander Koschny, Ines Neuf, Sascha Müller Tel. 07525/ 9212-0, Fax 07525/ 9212-22 www.blix.info redaktion@blix.info Termine: termine@blix.info Layout: Auflage und Verbreitung unterliegen der ständigen Kontrolle durch die Informations- gemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. in Berlin. 3
EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser! Unser Geburtstag liegt hinter uns. Mit viel Lob rechtfertigten (als Bündnispartner), jegliche sich zu dieser Jugendgeschichte in Beziehung – herzlichen Dank! – und der Aufforderung: Glaubwürdigkeit fehlte. Der Zweifel an den Au- zu setzen, entpuppte sich als Irrtum. „Macht weiter so!“ Das machen wir prompt, toritäten, der Kritik an ihnen und schließlich die Eine Anfrage bei unserer Mitarbeiterin Ines indem wir uns gleich dem nächsten Geburts- radikale Ablehnung waren der Seinsgrund der Neuf, die derzeit in Kalifornien studiert, also in tag widmen. 68er, die mit der Radikalität der Jugend dage- einer Weltgegend die den Jugendprotest wie Vor 50 Jahren stand die Welt Kopf. Das kommt gen aufbegehrten. Sie misstrauten Autoritäten wenige andere beheimatet, scheitert am Des- einem irgendwie bekannt vor mit Blick auf die grundsätzlich: in der Familie, der Schule, den interesse. Es gäbe kein Interesse an dem Thema aktuelle Weltlage. Syrien ist dabei der Brenn- Universitäten, der Politik, den Kirchen. unter ihren KommilitonInnen, das Thema fände punkt, wo viele Widersprüche im tatsächlichen Das geschah auch in der Provinz, wie wir zei- nicht statt. Alter, das schockiert! Sinne explodieren – zum Leidwesen von Milli- gen. Und hinterließ auch hier Spuren, denen Aber warum denn in die Ferne schweifen, wenn onen Menschen. wir nachspüren. Was zwangsläufig auch zur nur wenige Kilometer entfernt eine Pädagogi- Vor 50 Jahren explodierten tausende Bomben Frage führt, welchen Änderungsbedarf die sche Hochschule existiert. Hoffnungsvolle An- in Vietnam. Der Widerspruch, im Namen der Welt heute hat. Und wenn ja, ob es wie damals frage, ernüchternde Antwort. Thema spielt im Freiheit ein Land in die Steinzeit zu bomben, die Jugend sein wird, die diese Veränderungen Jubiläumsjahr keine Rolle und das, obwohl die forderte den Widerstand der Jugend weltweit bewirken. Dieser spannende Aspekt ist zuge- Hochschule selbst ein Kind der 60er ist. (Statt- heraus. Es war nicht der einzige Grund für „die gebenermaßen unterbelichtet. Denn es gelang dessen erreicht einen just heute die Nachricht, 68“ auf die Straßen zu gehen, aber ein wich- uns nicht, eine Diskussion aufzugreifen, die die dass das Fach Politik in der Lehrerausbildung in tiger. Denn der Krieg mit Napalm und Agent Relevanz der 68er-Geschichte für die Jugend Weingarten abgeschafft werden soll.) Orange machte offensichtlich, dass den Au- heute beleuchtet. Die Vorstellung, dass es für Keine Sorge also, ihr Alten (68er): Die Welt ist toritäten, die ihn führten (in den USA) und Heranwachsende doch Ansporn sein müsste, zwar Chaos, aber die Jugend hält still! viel SpaSS mit BLIX Dr. Roland Reck, Chefredakteur 4
15 JAHRE BLIX G ewinnspiel & L eserbriefe „Macht weiter so!“ Uns erreichten wieder eine Unmenge an Zuschriften, Faxe, E-Mails und sogar Gedichte per Post nach unserer Geburtstagsausgabe - alle waren heiß auf unsere Preise! Dabei mussten sich unsere Leser diesmal durch das Heft wühlen, denn Würmer in mannigfaltigen Varianten versteck- ten sich auf unseren Seiten und warteten darauf, entdeckt zu werden. Ein wenig für Verwirrung sorgte unser Wurm auf dem Titelbild - die- ser gehört natürlich dazu und sollte mitgezählt werden! Wir freuen uns riesig über die vielen, meist richtigen Einsendungen zu unserer Geburtstags-Ausgabe und bedanken uns ganz herzlich bei Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, sowie bei unseren Sponsoren für die tollen Preise! Lieber Roland und Team, kommt in diesem Heft gut raus ganz herzlichen Glückwunsch zum 15. Geburts- (ausgenommen auf der Seite 44). tag. Wenn es BLIX noch nicht geben würde, Nun ist BLIX also auf den Wurm gekommen. müsste man es ERFINDEN! Denn Oberschwa- Wer hätte gedacht, dass wir im 15ten Jahr bens Presselandschaft braucht BLIX, heute Würmer zählen. Wer nun gedacht hat, es wären gezählt (einschließlich den auf der Titelseite). dringender denn je. Vielen DANK für Eure tolle 15 Würmlein, der hat sich getäuscht. Ich zähle Ich hoffe nach dem Hin- und Herblättern, dass und wichtige Arbeit. Es ist doch klar, ohne Re- einundreißig (31) muntere Kerle, einschließlich ich richtig gezählt habe. Die Gewinne sind genwürmer gebe es uns alle nicht! dem Oberwurm auf der Titelseite. Bin mal ge- attraktiv und ich bin gespannt. Danke an die 31 Würmer habe ich gefunden. spannt, wo wir BLIXler im Jahr 31 stehen? Sponsoren. Mit freundlichen Grüßen Es grüßt herzlich Ihre treue Leserin Ostergrüße von Oliver Strottner, Weingarten Bruno Sing, Aulendorf Christa Ladwig-Siebenbrodt, Biberach Hallo liebes BLIX-Team Liebe BLIXler, Hallo, unsere beiden Töchter haben mit Begeisterung 15 Jahre BLIX - wo ist die Zeit geblieben? Ich fünfzehn Jahre ist eine lange Zeit und ich freue die süßen Würmer im GeburtstagsBLIX gezählt bin jeden Monat froh, wenn ich irgendwo in mich, dass es das Magazin gibt und über aktu- und 31 Stück gefunden. Herzlichen Glück- der Stadt über ein BLIX stolpere. Dann verziehe elle Themen aus einer anderen Sicht informiert. wunsch zum 15-Jährigen. Und weiterhin viel ich mich auf mein Sofa und will schauen, ob da Der Wurm hat es in sich und er ist sehr wichtig Erfolg mit Ihrem tollen Magazin. irgendwo der Wurm drin ist. Selbst Werbung (auch in meinem Garten). Ich habe 31 Würmer Viele Grüße von Familie Greither, Aulendorf
15 JAHRE BLIX Hallo liebes BLIX-Team, GEWINNER mir macht es jedes Jahr aufs Neue Spaß, an eurem Geburtstags-Ge- winnspiel teilzunehmen. Tolle Idee, dieses Mal Regenwürmer suchen zu Alle Gewinner werden von uns benachrichtigt und bekommen ihren dürfen, die ich im Rahmen meiner Diplomarbeit als wunderbare und Gewinn zugesandt. ökologisch extrem wichtige Bodenlebewesen kennen- und schätzenge- lernt habe. Hallo BLIX, Ich habe - einschließlich dem auf dem Titelbild - insgesamt 31 Würmer herzlichen Glückwunsch zum 15-Jährigen! Schon Wahnsinn, wie die Zeit gezählt. Falls das richtig ist und ich zu den Gewinnern zählen sollte, vergeht. Danke für 15 Jahre guten & regionalen Journalismus, für die freue ich mich über eine Nachricht. vielennInformationen aus dem schönen Oberschwaben und manchmal Mit besten Grüßen auch drum herum. Ich freue mich jeden Monat aufs Neue, das frisch Roger Klaus, Ravensburg erschienene Heft in Händen zu halten! Macht weiter so! Ach ja, Gewinnspiel war ja auch noch! Im Heft habe ich 30 Würmer ge- Lieber Herr Dr. Reck, liebes BLIX-Team! funden, und dann ist noch einer auf der Titelseite in die Ecke gequetscht, Seit 15 Jahren gibt es BLIX, so dass es insgesamt 31 lebensfreudige Nützlinge sind. Allerdings ist Ja, ohne BLIX wär’s sauber nix! das, umgerechnet auf die lesenswerte BLIX-Lektüre, doch recht wenig, Denn dann käm‘ Vieles nicht zu Tage, würde der Biogärtner meinen. Was hier im Ländle gärt als Plage Mit freundlichen Grüßen In dunklen Orten, Stuben, Köpfen, Hans-Bernd Sick, Warthausen Geheim und oft mit alten Zöpfen…. Sei’s in der SchwäZ oder anderen Blättle, In Schussen’s, Donau’s, Riss’es Städtle: Fix findet BLIX, wo’s b’sonders „wurmt“, Bei Betroffenen es dann heftig „sturmt“. Deshalb Herrn Reck und dem Team-BLIX „Glückauf“ und weitere 15 Jahr‘ plus X! Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und liebe Grüße aus Weingarten Karl Blaas Der Wurm im Boden gräbt und gräbt... Und wenn er dann mal Licht erspäht, ist ‚s auch schon aus. Der Vogel juchzt. Wurm wehrt sich kräftig. Kämpft. Und schluchzt. Krallt sich an ‚s Gras, wird lang und länger, kriegt Angst - es wird ihm bang und bänger. Dann schnappt der Vogel Wurmes Glatze. Guten Tag, Das End‘ vom Lied? Nur mehr Geschmatze. das war eine Zählerei der hübschen Würmer. Vom 1. Blatt mit Ti- t e l - In BLIX die Würmer haben ‚s schöner! seite bis zum letzten Blatt habe ich 31 Würmer gezählt. Vor und zurück Sie freuen sich („wie Mad‘ im Döner“), und immer an einem interessanten Artikel hängen geblieben. So ging entdeckt - und dann gezählt zu werden. die Zählerei länger, aber es war interessant. Informativ, aktuell, gute Mit Glück gibt ‚s auch ‚nen Preis zu „erben“. Berichte auch über Kultur und Programmangebote - das ist BLIX, das Ich hab‘ zwanzig, wie viel‘ du? Magazin für Oberschwaben. Bin gespannt, ob ich bei den Gewinnern bin Endergebnis (elf dazu): und wünsche erholsame ruhige Ostertage. Von ganz vorn‘ sind ‚s _einunddreißig ! Freundliche Grüße sendet Hungrig schlucken Henn‘ und Zeisig. Hedi Gratza, Weingarten Leser freut sich, BLIX-Heft zu. Gut für Wurms ... nun ha‘m se Ruh ! Hallo, liebes BLIX-Team! Alles Gute auch weiterhin! Gott sei Dank habe ich am Wochenende ihr BLIX- Heft in der Auslage Und freundliche Grüße ans BLIX-Team eines Geschäftes entdeckt. Ich war im Urlaub … somit bin ich für die Fritz Bischoff, Biberach April-Ausgabe spät dran. Erfreulich, als ich gelesen habe, dass es ein Gewinnspiel gibt. Gleich habe ich mich hingesetzt und gezählt, Wurm für Wurm und kam auf insgesamt 30 Würmer. Ich freue mich, dies Ihnen mitteilen zu dürfen und gratuliere Ihnen zu dem Jubiläum von Herzen. Ich finde Ihr BLIX immer interessant. Nun hoffe ich, dass Sie ein glück- liches Händchen haben und ich gezogen werde für einen Gewinn. Der Hallo! Super-Gewinn wäre für mich die Ballonfahrt mit Eugen Dreher :-) Nur zu Ihrer Info: Ihre BLIX Magazine sind bei uns in der VVK Stelle Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche - ab morgen gibts in Ulm sehr gut angekommen und waren innerhalb weniger Tage Sonne pur! schon vergriffen. Es wäre deshalb sinnvoll, die Stückzahl zu erhö- Herzliche Grüße hen, da die Hefte wirklich nach einigen Tagen immer weg sind und Irmgard Linder, Burgrieden sehr viele den Rest des Monats nachfragen, wann es wieder welche gäbe. Wir würden uns freuen, wenn wir mehr Magazine von Ihnen Liebes BLIX-Team, erhalten würden! es krabbeln 30 der toll gestalteten wichtigen Regenwürmer durch das Freundliche Grüße April-BLIX. Bin seit Jahren eine begeisterte Leserin Ihres Magazins. Ich Mandy Münchow würde mich freuen, wenn ich etwas gewinnen würde. Vorverkaufsstelle ulmtickets Liebe Grüße und weiter so! Service Center Neue Mitte, Ulm Monika Beck, Biberach 7
AKTUELL G u y - pascal D orner Zoff am Federsee BAD BUCHAU. Es geht um die Penunzen beim Streit zwischen Stadtverwaltung und Altertumsverein, der das Federseemuseum betreibt. Die Stadt fordert gemäß Auflagen der Kommunalaufsicht einen neuen Betreibervertrag mit dem Verein, der nun um seine Pfründe fürchtet, weil die Stadt für die weitere Übernahme des bei sinkenden Besucherzahlen stetig ansteigenden Finanzdefizits mehr Mitsprache einfordert. Stadt und Altertumsverein sind sich beim Federseemuseum uneins. Der 1919 gegründete Altertumsverein übernimmt seit jeher den Betrieb sinkende Besucherzahlen (von 65.000 auf 20.000 pro Jahr) und seit 2005 über des Federseemuseums im Auftrag der Stadt. Ob dies so bleiben wird? Tariferhöhungen hinaus steigende Personalkosten als Grund dafür, die Kosten Der aktuelle Vertrag sieht nämlich die Übernahme des Defizits aus dem auf den Prüfstand zu stellen. Der durch die Landesausstellung 2016 erhoffte Betrieb des Museums in voller Höhe durch die Stadt (= Patronatserklä- Besucherboom blieb aus. Die Konkurrenz durch Nachbarmuseen – und durch rung) vor. Weil die Stadt im Verein Kraft Amtes nur durch den Bürger- das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen – sei groß. Steinzeit sei nicht trendy meister, aktuell Peter Diesch, vertreten ist, hat die Kommunalaufsicht und aus den Lehrplänen der Schulen verbannt. Man müsse Personalkosten des Landratsamtes Biberach die Rechtmäßigkeit dieses Vertrages kas- einsparen. Die Beschäftigten werden durch den Verein bezahlt. Laut Diesch siert. Ein von der Stadt dem Gemeinderat und dem Verein vorgelegter gibt es zwei Möglichkeiten: Die Annahme des Vertrags durch den Verein, oder neuer Vertragsentwurf stößt beim Altertumsverein auf Kritik. Vor al- die Übernahme des Museums durch die Stadt in Form eines Eigenbetriebs. lem zwei Punkte stören den Vereinsvorsitzenden Karl Sandmaier, wie „Wir zahlen die Zeche und möchten bei Kosten- Entscheidungen mitsprechen er gegenüber BLIX erklärte: Zum einen werde dem Verein das Recht auf können.“ Sandmaier benennt einzelne „Ausreißerjahre“ als verantwortlich Akquisition bzw. Anwerbung von Drittmitteln staatlicher Institutionen für die miese Besucherstatistik, Museumsleiter Ralf Baumeister will stabile genommen – dieses Recht will der Bürgermeister alleine für sich bean- Besucherzahlen ausgemacht haben. Sandmaier beharrt darauf, dass er den spruchen. Zum anderen solle ein Betriebsausschuss gegründet werden, Vertragsentwurf nicht unterzeichnen wird und stellt den Mitgliedern die Ent- mit jeweils vier Vertretern des Altertumsvereins und der Stadt. Dieser scheidung anheim: Aufkündigung der Zusammenarbeit mit der Stadt, die Un- Ausschuss solle nicht nur das Haushaltsrecht haben, sondern zudem den terzeichnung des Vertrags unter einem neuen Vorsitzenden oder die jährliche laufenden Museumsbetrieb lenken und steuern, eine Personal- und Kos- Vereinbarung mit der Stadt über eine Kostendeckelung. Baumeister nennt das tenkontrolle vornehmen und die weitere Museumsentwicklung planen. Defizit „überschaubar“, zumal das Land Personalkostenunterstützung zuge- Sandmaiers Kritik: Im Falle eines Patts entscheidet die Stimme des Bür- sichert hat. Der Museumsleiter hat aber Verständnis dafür, dass die Stadt ein germeisters. „Damit werden wir als Verein kaltgestellt. Zu was braucht es Mitspracherecht beim Haushalt möchte. Und der Bürgermeister signalisiert, uns dann noch?“ Zumal laut Entwurf noch der Gemeinderat zwingend dass man zwar gerne den Verein mit im Boot sitzen habe, man aber auch dem Museumshaushalt zustimmen muss. Diesch benennt seit 2000 stetig gewillt ist, das Museum selbst zu betreiben: „betriebswirtschaftlich wäre es vermutlich sinnvoller.“ Front gegen Bögge SENDEN. Heftig in der Kritik steht Sendens Bürgermeister Raphael warfen ihm populistisches Verhalten und ver- Bögge. Bis auf die Grünen äußern alle Stadtratsfraktionen schwenderischen Umgang mit Steuergeldern offen Kritik daran, dass Bögge trotz klammem Stadtsäckel teure vor. Eine von Bögge angestoßene Senkung der Ortskerngestaltungen in den Ortsteilen vorantreiben will. Es ist dies Gewerbesteuer hat der Stadtrat angesichts nicht der erste Querschuss des Stadtrats gegen Bögge, der seit 2014 des klammen Stadtsäckels verhindert. Bögge im Amt ist. Die SPD fordert nun gar offen den „Böxit“. fabriziere „Luftschlösser“, so der Stadtrat. Dieser Vorwurf manifestiert sich auch im Dass Bögge im Sendener Stadtrat nicht nur Freunde hat, ist seit Langem jüngsten Vorfall: Fast alle Fraktionen kritisie- klar. Bereits 2016 hatte die CSU, stärkste Fraktion im Stadtrat, den von ren in einem offenen Brief, dass Bögge meh- ihr 2014 erfolgreich ins Rennen gegen den amtierenden Bürgermeister rere teure Ortskerngestaltungen vorantreiben Kurt Baiker (parteilos) geschickten Bögge offiziell fallen gelassen. Nach will. Es geht um aufwändige Projekte in den Bürgermeister Raphael längeren Querelen zwischen CSU und Bögge wollte dieser in den Ver- Ortsteilen Witzighausen, Aufheim und Hittis- Bögge steht in der Kritik. ein „Bürgerinteressen der Stadt Senden“ (BiSS) eintreten, welcher mit tetten. Die finanzielle Lage der Stadt lasse es einer Mini-Fraktion im Stadtrat sitzt. Doch auch die BiSS distanzierte nicht zu, derartige Projekte anzustoßen. Was den Fraktionschefs sauer sich bald von Bögge, der seitdem keine offiziellen Unterstützer mehr im aufstößt: Bögge habe die Bürger zum ehrenamtlichen Engagement auf- Stadtrat hat. Bögge selbst hat mit seinem Verhalten sein Scherflein zum gerufen, obwohl er wisse, dass kein Geld vorhanden ist, diese Projekte Zerwürfnis mit dem Stadtrat beigetragen: So stimmte er 2017 gegen den nicht verwirklicht werden können. Bögge habe bei Bürgern falsche Hoff- von seinem Haus entworfenen Haushaltsplan, weil dieser die vom Stadt- nungen geweckt. Die Grünen hatten den Brief nicht unterzeichnet, weil rat verlangte Streichung von 2,2 Stellen vorsah, und der Bürgermeister er ihnen zu scharf formuliert war. Im Kern sei die Kritik an Bögge aber somit die Handlungsfähigkeit der Stadtverwaltung nicht mehr gewähr- berechtigt. Bögge wies die Kritik zurück: Es gehe ihm darum, eine positive leistet sah. Kurz darauf verabschiedete er sich in eine mehrere Monate Grundhaltung der Bürger gegenüber den Projekten zu befördern. Unter- andauernde Dienstpause, um bei seiner Familie in Nordrhein-Westfalen dessen fordert die SPD den „Böxit“: Die Ablösung Bögges bei den nächs- zu verweilen. Was irritierte: Bögge war in dieser Zeit häufig in Senden ten Kommunalwahlen im Frühjahr 2020 durch „eine Person mit Charme, anzutreffen, nur nicht im Rathaus. Bei den Haushaltsberatungen 2018 Herz und Verstand“. Das von Bögges viel beschworene „Gemeinsam für bekam der Bürgermeister aus allen Richtungen Kritik zu hören. Stadträte Senden“ gelte für alle Stadtratsfraktionen – vereint gegen Bögge. 8
AKTUELL G u y - P ascal D orner Scherer räumt ab BAD WURZACH. Die Eindeutigkeit des Ergebnisses überraschte dann doch: schaft“ bei der Bundesanstalt für Post- und Tele- kommunikation in Stuttgart. 2012 gewann Scherer Mit 78,7 Prozent der abgegebenen Stimmen ist die 47-jährige Alexandra gegen fünf Mitbewerber mit über 70 Prozent die Scherer (CDU) zur neuen Bürgermeisterin von Bad Wurzach gewählt wor- Wahl zur Bürgermeisterin von Erlenmoos. Auch den. Die Obersulmetingerin ist derzeit Bürgermeisterin von Erlenmoos. der Einzug in den Biberacher Kreistag sowie als Verbandsrätin in den Regionalverband Donau-Iller Nachdem Amtsinhaber Roland Bürkle (CDU) in Bad Wurzach nicht mehr klappten für CDU-Mitglied Scherer auf Anhieb. kandidiert hatte, fegte Scherer gleich im ersten Wahlgang insgesamt Nun hat sie mit ihrer Wahl zur Bürgermeisterin in fünf Mitbewerber vom Platz – bei 52,5 Prozent Wahlbeteiligung. der knapp 15.000-Einwohner-Kurstadt Bad Wurz- ach einen weiteren Karriereschritt getan. „Ich bin „Die Eindeutigkeit des Ergebnisses hat auch mich Noch-Bürgermeister Roland Bürkle verkündete auf eine Macherin und will Hand in Hand mit der Bür- überrascht“, erklärte Scherer gegenüber BLIX. Frei- dem Klosterplatz das vorläufige Endergebnis. Sche- gerschaft Bad Wurzachs Zukunft gestalten“, hatte lich habe sie ein gutes Gefühl gehabt, „aber dass es rer wurde begleitet von ihrem Ehemann Erwin und Scherer gegenüber BLIX im Wahlkampf kundgetan. gleich im ersten Wahlgang und mit einer solchen den beiden Kindern Annalena (16) und Kilian (13). „Mit einem ganz großen Lachen blicke ich auf Bad Eindeutigkeit klappt, damit habe ich nicht ge- Zahlreiche Bürgermeisterkollegen und CDU-Ver- Wurzach, mit einem weinenden Auge auf Erlen- rechnet. Das gibt mir Schwung und Schub. Zumal treter gratulierten der Noch-Bürgermeisterin von moos.“ Roland Bürkles Amtszeit in Bad Wurzach die Wahlbeteiligung auch nicht so schlecht war.“ Erlenmoos. Die 47-Jährige ist Verwaltungsexpertin: endet am 15. Juli, in Erlenmoos bereitet man jetzt Besonders gefreut hat Scherer, dass am sommer- Nach dem Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin die Wahlausschreibung vor. Scherer und ihre Fami- lichen Wahlabend auf dem Klosterplatz ein echtes (FH) war sie in für internationale Telekommunika- lie haben fest vor, nach Bad Wurzach umzuziehen „Bürgerfest“ gefeiert wurde. „Es war ein rundum tions- und Postpolitik zuständig, unter anderem – allerdings erst nach dem Abitur von Tochter An- glücklicher Tag.“ Freilich war Scherer auch die Ein- beim Bundesministerium für Wirtschaft und Tech- nalena im nächsten Jahr. zige vom Fach und damit im Vorfeld als Favoritin nologie. Es folgten acht gehandelt worden. Ihre Mitbewerber waren: der Jahre als ehrenamtliche Maschinen- und Anlagenmonteur Joachim Schna- Ortsvorsteherin von bel, der Maschinenbautechniker Marcel Melchiors, Laupheim-Obersulme- Rechtsanwalt Günter Beer, Spaßkandidatin Fried- tingen. Beruflich war hild Miller und Politologe Steffen Deutschenbauer, sie Leiterin des Sach- der mit 12,4 Prozent Zweiter war. bereichs „Betriebswirt- Blumen für Alexandra Scherer: Bürkle gratuliert seiner Amtsnachfolgerin. 9
AKTUELL I llertalklinik illertissen Schmerzen verstehen ILLERTISSEN. An der neuen Tagesklinik in Illertissen werden Menschen mit länger andauernden oder immer wiederkehrenden Schmerzen behandelt. Diese meist chronisch gewordenen Schmerzen haben im Gegensatz zu akuten Schmerzen ihre Funktion als Warnsignal im Körper verloren. Sie beeinflussen in der Regel schnell das gesamte Leben der Betroffenen. Um hier Linderung und Hilfe zu erreichen, stehen in der multimodalen Schmerztherapie vielfältige Behandlungsmethoden und ein interdisziplinäres Team zur Verfügung. Die tagesklinische Behandlung eignet sich für Patienten, die seit mehr als sechs Monaten unter Schmerzen leiden, die trotz Operationen und vieler Schmerzmittel immer noch Schmerzen ha- ben und deren berufliches und privates Leben durch den dauerhaften Schmerz eingeschränkt ist. Die Behandlung an der Illertalklinik findet in geschlossenen Gruppen statt und dauert jeweils vier Wochen. Die Patienten verbringen den ganzen Tag von Montag bis Freitag in den Räumen der Schmerztagesklinik und werden nach einem festgelegten Therapieplan intensiv in kleinen Gruppen therapiert und betreut. Das Ziel der Behandlung ist es, den Umgang mit dem Schmerz zu verbessern, die eigenen Möglichkeiten konsequent zu stärken und die Lebensqualität trotz Schmerz zu verbessern. Hans S., einer der ersten Patienten der neuen Abteilung beschrieb die Situation nach Abschluss der Therapie mit den Worten: „Der Schmerz ist nicht groß anders, aber ich kann jetzt deutlich besser damit umgehen und weiß, was ich selbst tun kann“. „Viele Patienten haben, bis sie zu uns kommen, einen langen Leidensweg hinter sich und haben oftmals resigniert“, berichtet Dr. Gerhard Hege-Scheuing, der Leiter der neuen Schmerztageskli- nik. Durch gezielten Einsatz von psychologischer Schmerzbewältigung in Einzelgesprächen und in der Gruppe, Entspannungstraining (PMR), Training der Wahrnehmungsfähigkeit für körper- liche Signale und Vorgänge aber auch durch intensive Physio-, Sport- und Bewegungsthera- pie, physikalische Anwendungen (Wärme) und Elektrotherapie (TENS) solle der Teufelskreis von Schmerzzuständen und Schonhaltungen durchbrochen werden. Auch Ergotherapie und kreative Beschäftigung, ärztliche Sprechstunden und medikamentöse Begleitung fänden regelmäßig statt und seien hilfreich, so der Schmerztherapeut. Die Patienten sollen während der vierwöchigen Therapie lernen, ihr Leben mit ihren medizinischen Problemen zu meistern. Die ersten Patienten konnten ihre Behandlung bereits erfolgreich beenden. Auch Herr S. ist zuversichtlich, er fühle sich gut vorbereitet, die Übungen mit den Therapeuten, aber auch die Ge- spräche mit den Leidensgenossen hätten ihm geholfen auch wenn er heute weiß, das seine Schmerzen wahrscheinlich nicht mehr voll- kommen verschwinden werden. www.illertalklinik-illertissen.de 10
AKTUELL G u y - P ascal D orner Trommlerstreit beigelegt RAVENSBURG. Der Streit um die Besetzung der Trommlergruppen der Gymnasien am Ravensburger Rutenfest (siehe: BLIX Jan/Feb 2018) ist beigelegt. Die Schulleitungen verzichten auf ihre geplante Einflussnahme, wer mittrommeln darf und wer nicht. Gemeinsam haben sich alle Beteiligten auf ein Konsenspapier geeinigt, das von 2019 an gelten soll. Dieses sieht vor, dass die Schulleitungen ein Beratungsverfahren anbieten. Das heißt: Haben die Rektoren Bedenken bezüglich der Teilnahme eines Schülers in einer Trommlergruppe, kön- nen sie ein Gespräch mit Eltern einfordern. Ein Vetorecht, von den Schulleitern ursprünglich gefordert, ist das aber nicht. Schüler und Eltern treffen ihre Entscheidung über eine Teilnahme nach wie vor selbst. Dem Konsenspapier vorausgegangen war im vergangenen Herbst eine heftige Auseinandersetzung, weil die Leiter der Ravensburger Gymnasien urplötz- lich Einfluss auf die Besetzung der Trommlergruppen nehmen wollten. Bisher hatten sich diese Gruppen gemäß städtischer Satzung demo- kratisch selbst organisiert. Die Rektoren hatten für die Bewerber einen Notenschnitt besser als mindestens 3,0 sowie eine Verhaltensnote, die mindestens den Eintrug „gut“ beträgt, als Kriterien festschreiben wollen. Zehntklässler hätten zudem keinerlei Verhaltenseinträge im Klassenbuch haben dürfen. Bei allen Besetzungen der gymnasialen Trommlergruppen hätten sich die Schulleitungen ein Vetorecht vorbehalten. Aber: Der Aufschrei war zu groß, bei den Vereinen der ehemaligen Trommler, bei der Rutenfestkommission, bei Elternvertretern und nicht zuletzt bei den Betroffenen, den Aktiven. Die Rektoren mussten zurückrudern. Die Gymnasialdirektoren wollen künftig bei der Besetzung des Trommler- korps der Ravensburger Gymnasien beim Rutenfest mitreden. Foto: Andreas Praefcke S tarke F rauen 2 0 1 8 Gemeinsam zum Erfolg RAVENSBURG. Nach dem großen Erfolg im letzten Jahr findet die Kooperationsveranstaltung von Kontaktstelle Frau und Beruf und Wirtschaftsmuseum Ravensburg „Starke Frauen“ nun eine Fortsetzung. Freuen Sie sich am 17. Mai ab 19:30 Uhr in der Kundenhalle der Kreissparkasse Ravensburg auf eine Podiumsdiskussion mit bekannten Frauen aus der regiona- len Wirtschaft und Politik. Moderatorin ist Susanne Hinzen, Geschäftsführender Vorstand Erwin Hymer Stiftung (Foto). Tel: 0751/3590663, info@frauundberuf- rv.de www.frauundberuf-rv.de 11
BILDUNG H O chschule ravensburg - weingarten Digital Natives aufgepasst! WEINGARTEN. Die nutzerfreundliche Gestaltung von Online-Shops wie Google funktionieren oder wie das Verhal- ten von Internetnutzern auf Websites erfasst und Websites, die Durchführung von Werbekampagnen bei Facebook und analysiert werden kann.“ oder Google, oder die Unternehmenskommunikation über Social Erlernt werden die benötigten Kompetenzen in Media: Aufgaben wie diese sollen zukünftige Absolventinnen und vielen praxisnahen Fächern wie „Suchmaschi- nenmarketing“, „Schreiben fürs Web“, „Mobi- Absolventen des Studiengangs „Internet und Online-Marketing“ le Applikationen“ oder „Usability Engineering meistern können. und Nutzerinteraktion“. Im Rahmen von Pro- jektarbeiten und dem obligatorischen Praxis- Ein eigenes Unternehmen führen und sich im Bereich Marketing kann ich Vieles, was ich in semester wird das theoretisch erlernte Wissen Studium das fehlende Know-how dafür an- den Lehrveranstaltungen lerne, direkt im Un- unmittelbar in die Praxis umgesetzt. eignen? Genau das macht Jonas Käppeler. Der ternehmen anwenden. Zum Beispiel wenn es Dass die zukünftigen Absolventinnen und Ab- 22-Jährige hat 2017 gemeinsam mit zwei ehe- um Website-Optimierung oder zukunftsfähige solventen des Studiengangs am Arbeitsmarkt maligen Kollegen die Herren-Accessoire Marke Geschäftsmodelle im Online-Business geht“, gefragt sind, ist für Mutschler klar: „Kaum „KEPLER Lake Constance“ gegründet. erzählt Käppeler. Einige seiner Kommilitonen eine andere Branche erlebt derzeit ein solch sind wie Käppeler bereits ins Online-Business rasantes Wachstum wie die Internetwirtschaft. eingestiegen oder spielen mit dem Gedanken, Gleichzeitig gibt es viel zu wenige Fachkräfte“, sich selbstständig zu machen. so der Professor für E-Business und Online- Der vom Fachbereich Wirtschaftsinformatik an Marketing. Umso wichtiger sei es, Expertinnen der Hochschule Ravensburg-Weingarten an- und Experten auszubilden, die ein Gespür für gebotene Bachelorstudiengang „Internet und das Medium „Internet“ und seine Rolle im Mar- Online-Marketing“ bildet Online-Spezialisten keting-Mix von Unternehmen haben. aus, für die Google, Facebook, Amazon und Za- Auf die Absolventinnen und Absolventen des lando ein Lebensgefühl ist. In sieben Semestern neuen Studiengangs warten spannende und lernen die Studierenden aber auch, welche be- zukunftsorientierte Tätigkeitsfelder, beispiels- triebswirtschaftlichen und technischen Kniffe weise in den Marketing-Abteilungen und Soci- zur Umsetzung erfolgreicher Online-Strategien al-Media-Teams mittelständischer und großer Neben seinem Studium betreut Jonas Käppeler wichtig sind. Unternehmen, in der Online-Pressearbeit oder (Foto) sein eigenes Start-Up-Unternehmen. Erwor- in Online-Redaktionen von Verlagen. benes Wissen wendet er direkt in der Praxis an. Spannende Tätigkeitsfelder mit Zukunft Zulassungsvoraussetzung für den Bachelor- studiengang „Internet und Online-Marketing“ Während seine Geschäftspartner die Finanzen „Im Mittelpunkt des Studiengangs steht die di- ist die Fachhochschulreife, die fachgebundene betreuen, kümmert er sich um das Online- gitale Beziehung zwischen Konsumenten und Hochschulreife oder die allgemeine Hochschul- Marketing und den Webauftritt des Start-Up- Unternehmen“, erklärt Studiengangsleiter Pro- reife. Der Studiengang startet jährlich mit 30 Unternehmens. fessor Dr. Bela Mutschler. „Wer in der Online- Plätzen zum Wintersemester, Bewerbungs- Der Studiengang „Internet und Online-Marke- Branche arbeitet, muss wissen, wie Unterneh- schluss ist am 15. Juli. ting“ an der Hochschule Ravensburg-Weingar- men Social Media zur Kundenkommunikation ten bringt ihm dabei viele Vorteile. „Gerade im einsetzen. Er muss wissen, wie Suchmaschinen www.hs-weingarten.de 12
BILDUNG st . elisabeth - stiftung Soziale Berufe sind vielseitig BAD WALDSEE. Wer mit Menschen arbeiten will, ist in einem sozialen Beruf richtig. „Besonders der direkte Kontakt mit Menschen macht soziale Berufe vielseitig“, sagt Carina Oettinger, Ausbildungsverantwortliche der St. Elisabeth-Stiftung. Mit über 1.950 Mitarbeitenden zählt die St. Elisabeth-Stiftung zu den größten Arbeitgebern in den Landkreisen Ravensburg, Biberach und im Alb-Donau-Kreis. Die Stiftung ist schwerpunktmäßig in der Altenhilfe, der Behindertenhilfe sowie im Bereich Kinder-Jugend-Familie tätig. Dazu kommen eine Gesundheitsakademie, das Jordanbad, ein Gästehaus am Bodensee sowie weitere Betriebe. Die St. Elisabeth-Stiftung engagiert sich in Sachen Ausbildung. Sie ist an den Instituten für Soziale Berufe gGmbH Ravensburg und Stuttgart beteiligt. Rund 130 junge Menschen absolvieren derzeit bei der St. Elisabeth-Stiftung ihre Ausbildung, der Großteil in der Alten- und Heilerziehungspflege. Darüber hinaus bietet die St. Elisabeth-Stiftung weitere Ausbildungen an: Immobilienkaufmann/-frau, Kaufleute für Büromanagement, Fachinformatiker/-in, Hauswirtschafter/-in und die DH-Studiengänge Sozialwirtschaft, Sozialmanagement, Soziale Arbeit und BWL- Gesundheitsmanagement. Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder Bundesfreiwilligendienst (BFD) sind der ideale Weg, sich sozial zu engagieren und soziale Berufe kennen- zulernen. Des Weiteren bietet die St. Elisabeth-Stiftung vielfältige Möglichkeiten für Praktika: Vom eintägigen Hineinschnuppern über mehrwöchige Phasen zur Berufsorientierung bis hin zu einjährigen Pflicht-Praktika, die zum Beispiel für Auszubildende in der Heilerziehungspflege Voraussetzung sind. www.social4you.de 13
TITELTHEMA R oland R eck Wir werden siegen! BIBERACH. Was vor zehn Jahren nur zu einem anarchistischen Theaterstück Der studentische Protest spielte sich hauptsächlich in den großen Universitätsstädten ab, allen voran inspirierte, ist nach 50 Jahren Thema einer Ausstellung im Biberacher in Berlin. Berlin aber war weit und Biberach tiefste Museum, Fachvorträge finden statt und bei einer Podiumsdiskussion Provinz mit satten CDU-Mehrheiten in Land und erinnern sich Zeitzeugen an „die 68er“ in Biberach, deren Spuren bei Kommunen. Was also sollte hier passieren, wenn der Bundeskanzler auf dem Marktplatz spricht? den „Stadtverführungen“ nachgespürt werden kann. Der „Mythos 68“ Der damalige Oberbürgermeister Claus-Wilhelm – so der Titel des Theaterstücks, das in neuer Fassung erneut großes Hoffmann, der 1964 mit 32 Jahren als jüngster Publikum findet – ist nach 50 Jahren Geschichte auch wieder in der Oberbürgermeister der Bundesrepublik ins Amt ge- wählt worden war, erinnert sich noch sehr gut an Provinz angelangt, wo die Rebellion einst ein Mauerblümchen im Trubel diesen Auftritt. Für das Stadtoberhaupt war es er- der Weltgeschichte war und dennoch die „kleine Welt“ nachhaltig ver- schreckend, dass ein Regierungschef sich dazu hin- änderte. BLIX machte natürlich schon vor zehn Jahren auf „Die 68er in reißen ließ, seine Anhänger zur Gewalt gegen eine Hand voll junger Demonstranten anzustacheln und Oberschwaben“ (April 2008) aufmerksam und widmet sich erneut dieser die „braven Biberacher Bürger“ auch prompt seiner spektakulären Geschichte – aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Aufforderung folgten. In der Stuttgarter Zeitung war danach zu lesen: „Ein falscher Zungenschlag genügte, und Biberach sah sein erstes politisches Biberach war ein „Hotspot“ der Jugendrevolte in Ministerpräsident Kurt-Georg Kiesinger (CDU) Handgemenge. Vor dem Plakat „Baustelle Haux Oberschwaben. Wenngleich Ausstellungsmacher Bundeskanzler und Willi Brandt (SPD) Außenmi- grüßt den Bundeskanzler“ sah man plötzlich al- Frank Brunecker darauf verweist, dass auch an- nister und Vize-Kanzler. In Stuttgart wollte Kie- lerlei Handlanger Kreuze zerbrechen, Mädchen dernorts von Ulm bis nach Konstanz Schülerstreiks singers Nachfolger Hans Filbinger (CDU) wiederge- schlagen und auf den Boden werfen. Ein Polizist und Demos stattgefunden haben, gipfelte in Bibe- wählt werden und hatte den Bundeskanzler, dessen zog einen Gymnasiasten an der Handfessel aus rach der Jugendprotest in einem „Pornoprozess“, Wahlkreis Saulgau war, um Schützenhilfe gebeten. dem Gedränge.“ der für nationale Schlagzeilen sorgte. Was war ge- Am 22. April hatte sich der ehemalige Ministerprä- Aus etwa 50 bis 60 Personen im Alter zwischen 16 schehen? Ein aktualisierter Rückblick aus BLIX vor sident von Baden-Württemberg auf seiner Wahl- und 30 Jahren habe sich die APO (Außerparlamen- zehn Jahren. kampftour in Biberach angemeldet. Für Kiesinger tarische Opposition) in Biberach zusammengesetzt, ein Heimspiel zum Ausruhen vom politischen Ge- schätzt Peter Schmid, und „zwei Drittel des enge- töse, das im ganzen Land herrschte. Die Schüsse auf ren Kreises waren Schüler des Wieland-Gymnasi- „Durchstoßt das Sexualtabu“ Rudi Dutschke waren am 11. April gefallen, und die ums“, erklärt der promovierte Psychologe, der sich Studenten versetzten mit ihren Protesten gegen als Theaterregisseur (Theater ohne Namen) mit der Es war ein heißer April. Die Bauernregel „Der April die verkrusteten Hochschulstrukturen, gegen die lokalen Geschichte und in diesem Falle auch seiner macht, was er will!“ bewahrheitete sich. Die Tem- angekündigten Notstandsgesetze, gegen den ver- ganz persönlichen auseinandersetzt. Auch er war peraturen kletterten auf über 30 Grad. Heiß war es heerenden Vietnamkrieg, gegen den grassierenden damals Gymnasiast am Wieland-Gymnasium, das aber auch politisch. Es war das Jahr 1968, und es Hunger in der Dritten Welt, gegen die Alt-Nazis in er als eine Schule mit einem reaktionären Schullei- war Wahlkampf in Baden-Württemberg. In Bonn Politik und Verwaltung, gegen die BILD-Zeitung ter und schlechten Lehrern in Erinnerung hat. Den und in Stuttgart regierte eine große Koalition. In und gegen die verklemmte Sexualmoral die Bun- Virus der Demokratie übertrugen die aufmüpfigen Bonn war der ehemalige baden-württembergische desrepublik in helle Aufregung. Pennäler auf die Schule. Sie wollten mitbestimmen, Die Biberacher APO beim Sternmarsch gegen die Notstandsgesetze am 11. Mai 1968 in Bonn. Ekke Leupolz (vorne links) und Martin Heilig (vorne rechts) führten die Gruppe der Demonstranten aus Oberschwaben an. Foto: Deutsche Underground Ausgabe 7/1969 14
TITELTHEMA von wem sie unterrichtet werden. „Wir lassen uns Der Stein des Anstoßes 1969. Das Erscheinen der doch nicht jeden vor die Nase setzen“, war die Hal- vierten Ausgabe der alternativen Schülerzeitung tung, die die Schüler zum Protest motivierte und „Venceremos“ führte zur Anklage gegen Eckart Leu- sie seien sich im Kampf mit dem Rektor sicher polz und zwei Schülern des Wieland -Gymnasiums. gewesen, dass dieser klein beigeben müsse, be- schreibt Schmid das provokante Selbstverständnis remos“ entstand. Der spanische Titel („Wir werden der Schulrebellen. siegen!“) war von den kubanischen Revolutionären Ihre Geburtsstunde hatte die APO jedoch nach mit ihrer Galionsfigur Che Guevara entliehen und einer Kundgebung der NPD in der Gigelberg- erschien als provozierende Alternative zur Schüler- Turnhalle am 15. März 1968. Detailliert beschreibt zeitung „Die Funzel“. Was bis dahin auf politischem Schmid in seiner kleinen historischen Abhandlung Feld nicht gelang, erreichte das Autorenkollektiv „Biberach und die 68er“ den Ablauf der NPD- mit der vierten Ausgabe ihrer Zeitschrift. Das ge- Veranstaltung. Nachdem Pfiffe und Zwischenrufe samte Establishment lief Sturm. Lehrer, Eltern, Bür- gegen den NPD-Bundesvorsitzenden Adolf von ger, die Parteien und die Kirchen waren entsetzt. Thadden zu hören sind und dieser mit „Idioten“ Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage. Das biede- und „maoistische Sklaven“ antwortet und schließ- re Biberach hatte einen Sex-Skandal. Der Vorwurf: lich Ordner einen Störer aus der Halle tragen wol- Jugend gefährdende Pornografie. Das Titelblatt len, eskaliert der Protest in einem wilden Gerangel. von Ekke Leupolz, dem Bürgerschreck, schockier- „Im Nu entsteht ein Handgemenge, ein unentwirr- te: Unter dem Appell „Durchstoßt das Sexualtabu“ bares Knäuel bildet sich, Stühle fallen um und ein prangte ein erigierter und penetrierender Penis wüstes Geschiebe jeder gegen jeden von etwa 50 Personen beginnt“, schildert der Lokalreporter. Um sowie eine Karikatur eines wollüstigen Teufels und eines nackten Priesters. In einem „Prozess- Provokation war wichtig 22.05 Uhr wird die Versammlung abrupt beendet, Info“ erklärte Oswald Schmid, Schüler und Mit- BIBERACH. Wetten, dass! Jede Wette, dass hält die Schwäbische Zeitung exakt fest. Herausgeber des Pamphlets: „Alle Institutionen auch 50 Jahre nach 1968 ein Aufschrei der „Nach der Wahlveranstaltung“, erinnert sich Peter und Autoritäten (Schulleitung, Stadtrat, Landtag, Entrüstung, ja des Entsetzens durch die Schmid, „traf sich eine Handvoll der Protestieren- Kirchen, Eltern) verurteilten unsere Zeitung als Biberstadt hallen würde, wenn Schüler aus den mit Martin Heilig und Eckart (Ekke) Leupolz im pornografische Schweinerei. Wir hatten in unserer wohlsituiertem Haus in alter Drucktechnik Nebenzimmer der Gaststätte „Goldener Rebstock“. Zeitung mit teilweise provokativen Artikeln unsere eine Kopulationsszene in Nahaufnahme in Unter dem Eindruck der erlebten rechtsradikalen gegenwärtige bürgerlich-kapitalistische Sexualität der Stadt verteilen würden, als Titelblatt und gewalttätigen Hetzkampagne sowie des Er- ad absurdum geführt. Wir streben eine freie Se- einer Schülerzeitschrift auf dem auch noch folges, die NPD-Kundgebung gesprengt zu haben, xualität ohne Zwänge und Tabus an.“ Das war zu der Leibhaftige mit einem Riesenschwengel beschlossen sie, sich der außerparlamentarischen viel! sich über einen kleinschwänzigen Papst lus- Bewegung anzuschließen und in Biberach eine Vom 13. bis 20. Januar 1970 fand vor dem Amts- tig macht; wenn also so ein Pamphlet zur eigene APO-Gruppierung zu gründen“. Leupolz gericht Biberach der Venceremos-Prozess statt mit Revolution aufruft, na, da wäre doch was los und Heilig, zwei ehemalige Schüler des Wieland- einem Verteidiger, der Dr. Martin Bangemann hieß. im Städtle! Gymnasiums, die in München und Stuttgart Kunst Der spätere Wirtschaftsminister der FDP schaffte studierten, waren die Köpfe und Agitatoren der zum Verdruss vieler Biberacher und seiner eigenen Auch wenn heute, 50 Jahre später, Pornos für alle APO in Biberach. Beide waren bereits im Alter, das Parteifreunde einen glatten Freispruch für alle Vorlieben aus dem Internet quillen, würde ein solch für die rebellierenden Studenten die Schwelle zur drei Angeklagten. Draußen skandierten die de- obszönes Machwerk, was ein Kunstwerk war, für Unglaubwürdigkeit markierte: „Trau’ keinem über monstrierenden Schüler lautstark „Ho, Ho, Ho Chi Empörung sorgen – denn „Venceremos Nr. 4“ stell- dreißig!“ Minh!“, drinnen erklärte Amtgerichtsrat Merker, te in geradezu penetranter Weise die Machtfrage. Der Rest der Rebellen war deutlich jünger und der dass die Verhandlung gezeigt habe, dass man mit Deshalb sei die Frage erlaubt, was trieb die Schüler harte Kern rekrutierte sich aus der Klasse 9b des den Angeklagten sachlich reden könne und emp- vor 50 Jahren zu so einer Provokation? Wieland-Gymnasiums. Es war der Hort, wo „Vence- fahl, „Lehrern, Eltern, Vertretern der Kirche und der Dass diese gelang, zeigte sich in der Anklage Stadt, ihr Wissen um die Probleme von Jugendge- wegen Verbreitung von schwer Jugend gefährden- fährdung und –erziehung zu überprüfen und zu der „unzüchtiger Schrift“ . Ulrich Weitz war neben vertiefen“. dem Künstler Eckhart Leupolz, der die Illustration Der Höhepunkt war erreicht, es folgte die Erschöp- kreierte, und einem weiteren Mitschüler einer der fung. Der Venceremos-Prozess war der ekstatische drei Angeklagten. Alle drei wurden freigesprochen, Höhepunkt der Biberacher APO. Richter Merker soweit endete die Provokation rechtsstaatlich. Und nahm mit seinem weisen Urteilsspruch den rebel- Ulrich Weitz meint rückblickend, dass Provokation lischen Schülern den Wind aus den Segeln und in als politisches Mittel wichtig war und provozie- Bonn waren trotz aller Proteste die Notstandsge- rende Bilder besonders wirksam waren im Kampf setze beschlossen worden. Es folgte der Integrator um öffentliche Aufmerksamkeit. Seine ehemali- Willi Brandt als Bundeskanzler in Bonn, und in ge Mitschülerin Dagmar Rüdenburg erklärt, dass Biberach waltete ein ehemaliger Waldorf-Schüler Sexualität als öffentliches Thema bereits eine als Oberbürgermeister mit Verständnis für jugend- Provokation war in einer Zeit, in der es die Pille liches Ungestüm weiter sachte seines Amtes. Bi- zwar schon gab, „aber gehandelt wurde wie LSD“. berach hatte Anschluss an die große, weite Welt Es ging um Aufklärung, es ging um Emanzipation. bekommen. Alternativen wurden möglich. Und, so räumt Ulrich Weitz ein, es ging auch um den Denn wenngleich der Ausstellungsmacher Frank Spaß an der Provokation selbst. Und irgendwann, Brunecker zu dem Schluss kommt, dass „die 68er“ so die weise Einsicht, erschöpfe sich Provokation. mit all ihren politischen Forderungen gescheitert Das war in gewisser Weise auch der Fortgang seien, stellt der 55-Jährige fest, dass „das, was wir der Geschichte und das Schicksal der 68er. Deren heute genießen, das hat die Jugend der 60er er- Urgrund die Infragestellung und Ablehnung von kämpft“. Autoritäten war und daraus folgend die Forderung Info: Ab 12. Mai sind „Die 68er“ Thema einer Aus- und Durchsetzung eines selbstbestimmten Lebens. Der BLIX-Titel vor zehn Jahren, illustriert von Mi- stellung im Museum Biberach. Das, so meinen die beiden Protagonisten, haben sie chael Weißhaupt. www.museum-biberach.de trotz Abstriche erreicht. 15
TITELTHEMA R oland R eck „Ein anderer Geist“ SALEM. ‚1968‘ steht für eine weltweite Rebellion der Jugend, die sich hauptsächlich in den Großstädten abspielte. Das war auch das Bild der Medien. Aber was war los in der Provinz, abseits der Großdemos in den Städten? Dass was los war, zeigen die Geschehnisse in Biberach. Dr. Stefan Feucht, Kulturamtsleiter im Landratsamt Bodenseekreis, hat sich intensiv mit den 68ern in der Region auseinandergesetzt und verschafft einen Überblick. Herr Dr. Feucht, wie muss man sich die 68er in auf der anderen Rheinseite gebracht. Daraufhin Oberschwaben und am Bodensee vorstellen? setzte sich ein Zug von rund 300 Personen – die Biberach war ein „Hotspot“, dort rebellierten Menschenmenge war inzwischen angewachsen Dr. Stefan Feucht, Leiter des Kulturamtes im Schüler kurz aber sehr heftig. Was war andern- – dorthin in Bewegung. Der Polizeichef ließ Trä- Bodenseekreis, hat sich intensiv mit „den orts los? nengas einsetzen und es flogen Steine. 68ern“ am Bodensee und in Oberschwaben be- Blickt man auf den Bodenseeraum so rückt hier schäftigt. Am 19. Juni hält er im Rahmen einer besonders Konstanz in den Focus. Konstanz war Und was war am anderen Bodenseeufer los? Vortragsreihe der Akademie der Diözese Rot- seit 1966 Universitätsstadt. Zwar war die Zahl Mit Ausnahme von Biberach blieb es am nörd- tenburg-Stuttgart im Tagungshaus in Wein- der Studierenden im Jahr 1968 noch gering. lichen Bodenseeufer und Oberschwaben 1968 garten ab 19 Uhr einen Vortrag zum Thema. Sie lag zwischen 100 bis 200, doch waren diese eher ruhig. In Friedrichshafen gab es im Februar politisch ausgesprochen aktiv. Zudem gab es in Schmierereien und in Überlingen beispielsweise Konstanz eine Staatliche Ingenieursschule (heu- hatten Schüler Anfang Februar in ihren Klas- In Biberach provozierten Schüler mit ihrer Schü- te HTWG Konstanz) mit rund 1500 Studierenden, senzimmern die Kruzifixe abgenommen und lerzeitschrift eine Anklage wegen Pornografie. von diesen wurde ein erheblicher Teil ebenfalls stattdessen Bilder von Mao und Dutschke auf- Das gedruckte Wort und Bild zeigte offensicht- politisiert. So kam es in Konstanz zu verschiede- gehängt. Dieselben Schüler protestierten knapp lich noch Wirkung. Was gab ‚die Gegenöffent- nen Protestaktionen und Demonstrationen auch drei Wochen später am ‚Schmotzigen Dunschtig‘ lichkeit‘ in Oberschwaben sonst noch her? wie in Biberach gegen einen Wahlkampfauftritt in Mao-Uniformen auf dem Seuse-Brunnen an 1968 war davon noch nicht viel zu spüren. In des damaligen Bundeskanzlers Kiesinger. Als Kie- der Hoftstatt stehend mit Schildern in der Hand Konstanz gab der Sozialistische Deutsche Stu- singer am 22. April 1968 im Konzil sprechen soll- ‚Lehrer sind Papiertiger‘ oder ‚Lehrer = Opium dentenbund (SDS) 1968 einige Ausgaben eines te, hatten Studenten einen Großteil der Plätze fürs Volk‘. Das zeigt deutlich, dass ‚68‘ eben nicht sogenannten ‚Konstanzer Extrablatts‘ heraus, in besetzt. Sie störten die Veranstaltung mit ‚Vati, nur eine Protestbewegung der Studenten war, dem zu den Protestaktionen Stellung genom- Vati‘-Rufen und zwangen Kiesinger zu einer Dis- sondern vor allem auch eine Jugendrevolte. men und die Hintergründe und Ziele erläutert kussion. wurden. Ansonsten war das Flugblatt das übli- Einen weiteren Höhepunkt der Studentenprotes- Und was war in Ravensburg los? che Mittel, um an die Öffentlichkeit zu treten. te erlebte Konstanz am 29. Mai 1968. Während Auch dort war es 1968 sehr ruhig geblieben – Natürlich gab es auch andernorts – nicht nur einer Demonstration gegen die Notstandsgesetze auch in der ‚Räuberhöhle‘. Und auch an der PH in Biberach –Schülerzeitschriften, in denen teils besetzten rund 300 Studenten die Rheinbrücke Weingarten, wo der Lehrernachwuchs des Lan- vorsichtig teils offen Kritik geübt wurde, meist und blockierten für 15 Minuten den Verkehr. Im des ausgebildet wurde, galt eher Ruhe als ers- gegen Lehrerautoritäten. Die Hochphase der Vorfeld gab es unter den Aktivisten eine intensi- te Bürgerpflicht. Einzig am 21. Mai 1968 fand alternativen Zeitschriften, die bewusst eine Ge- ve Diskussion über die Anwendung von Gewalt. in Ravensburg eine Demonstration gegen die genöffentlichkeit herzustellen suchten, begann Wie weit sollte man gehen? Man entschied sich Notstandsgesetze statt, bei der besonders be- jedoch erst später. Ende der 1970er bzw. Anfang für eine symbolische Aktion, die in eine kurzzei- merkenswert ist, dass hier Gewerkschaften und der 1980er Jahre erschienen Blätter wie ‚Nebel- tige Besetzung der Rheinbrücke mündete. Auch Studentenorganisationen zusammenarbeiteten. horn‘, ‚Motzer‘, ‚Schelle‘ oder die ‚Südschwäbi- die so genannten „Konstanzer Studentenunru- schen Nachrichten‘. hen“ vom 24. Juni 1968 dürfen nicht unerwähnt Gibt es notwendige Bedingungen, die gegeben bleiben. Der Ausgangspunkt dieser Geschichte sein mussten, dass es zu nennenswertem Pro- Wie muss man sich die Region Oberschwaben – über die später sogar die ‚Peking-Rundschau‘ test kam? in seiner politischen und sozialen Befindlichkeit berichtete – war ein bundesweiter Streik der In- Das ist eine schwierige Frage, weil viele Faktoren vor 50 Jahren vorstellen? genieursstudenten, die für eine Aufwertung ihrer eine Rolle spielen. Natürlich wurde eine Stadt Im Rahmen der von uns geplanten Ausstellung Einrichtungen zu wissenschaftlichen Hochschu- wie Konstanz mit Universität und Hochschule haben wir keine soziologisch-empirische Unter- len anstrebten. Nach einer friedlichen Demonst- eher zum Schauplatz von Protestaktionen als suchung der Region vornehmen können, so dass ration durch die Stadt versammelten sich gegen eine Kleinstadt. Hier spielt das Thema der Sicht- ich hier nun auf allgemeine Beobachtungen und 22 Uhr rund 200 Studenten auf der Marktstätte. barkeit eine wichtige Rolle. Wenn jeder jeden bereits Bekanntes verweisen kann. Natürlich war Die Polizei hatte bereits am Nachmittag einen kennt, mag man wohl nicht so schnell aus der Oberschwaben damals noch stärker als heute Hinweis bekommen, dass eine Aktion geplant sei üblichen Rolle fallen. Der Fall Biberach zeigt konservativ und weitgehend katholisch geprägt. und war sichtlich nervös. Der Konstanzer Poli- aber, dass eine Kleinstadt trotzdem Schauplatz Die CDU erzielte bei den Landtagswahlen 1968 zeichef Hans Stather war rechtzeitig vor Ort und nennenswerter Protestaktionen werden konnte, landesweit 44,2 Prozent und in Südwürttem- unterband die Aktion mit einem recht rabiaten die in diesem Fall allerdings durch zwei ‚Außen- berg-Hohenzollern (einschl. Oberschwabens) Einsatz. Er befahl ‚Knüppel frei‘ und ließ wahllos seiter‘, die beiden Künstler Martin Heilig und 50,9 Prozent. Die NPD, die damals erstmal in den Personen verhaften, darunter wohl auch einige Ekke Leupolz, maßgeblich initiiert und inszeniert Landtag einzog, erzielte hingegen nur 8,5 Pro- unbeteiligte Passanten. Insgesamt wurden 21 wurden. Sie brachten von ihren jeweiligen Stu- zent, bei 9,8 Prozent auf Landesebene. Personen verhaftet und auf die Mainauwache dienorten einen anderen Geist nach Biberach. 16
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