DIE ZUZIEHUNG VON GEHEIMDIENSTMITARBEITERN ZU WOHNUNGSDURCHSUCHUNGEN - KRIPOZ 2

 
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KriPoZ 2 | 2021                       99

     Die Zuziehung von Geheimdienstmitarbeitern zu Wohnungsdurchsuchungen
                            nach Strafverfahrensrecht

                  Zur Grundrechtsrelevanz von unvermeidbaren Nebeneffekten einer
                                     beratenden Unterstützung

            von Prof. Dr. Fredrik Roggan*

Abstract
Betreten die Mitarbeiter von Geheimdiensten im Rahmen                      anderen Verfahren“ heißt es in Nr. 205 Abs. 5:
von polizeilichen/staatsanwaltschaftlichen Durchsuchun-                    „Angehörige der Behörden für Verfassungsschutz können
gen Räumlichkeiten, so eröffnet ihnen dies unvermeidbar                    als Sachverständige oder Auskunftspersonen zu Verneh-
die Möglichkeit zu eigener Inaugenscheinnahme und da-                      mungen und anderen Ermittlungshandlungen (z.B. Tatort-
mit Informationsgewinnung. Die entsprechende Praxis                        besichtigung, Durchsuchung oder Beschlagnahme) zuge-
basiert auf einer Verwaltungsvorschrift, eine explizite Be-                zogen werden. Ihre Zuziehung ist in den Akten zu vermer-
fugnis im Verfassungsschutzrecht existiert nicht. Der Bei-                 ken.“
trag geht nicht zuletzt den damit aufgeworfenen verfas-
sungsrechtlichen Fragen nach. In deren Beantwortung ist                    Die damit angesprochene Kooperation von Strafverfol-
die ausnahmslose Ablehnung der entsprechenden Verfah-                      gungsbehörde und Angehörigen des Verfassungsschutzes
rensweise enthalten.                                                       ist schon deshalb von Bedeutung, weil auf diese Weise
                                                                           unweigerlich – aber möglicherweise intendiert – geheim-
If employees of intelligence services enter the premises                   dienstliche Erkenntnisse in bestimmte Ermittlungsverfah-
during police/prosecutorial searches, this inevitably gives                ren einfließen (sollen), ohne dass diese interbehördliche
them the opportunity to inspect the premises themselves                    Interaktion zwingend den Rechtscharakter einer Daten-
and thus, obtain information. This practice is based on an                 übermittlung besitzen soll. Durch die Bezeichnung der
administrative regulation. It cannot be founded on any ex-                 Funktion der Geheimdienstmitarbeiter2 als „Sachverstän-
plicit provision in the law governing the protection of the                dige“ oder „Auskunftspersonen“ wird vielmehr der Ein-
constitution. This article examines, inter alia, the consti-               druck erweckt, als handele es sich um eine schlichte
tutional questions raised by this practice. The answer sub-                Amtshilfe,3 womit sich spezialgesetzliche Regelungen er-
mitted by the author is that this practice must be rejected                übrigten. Diese bestimmte sich nach allgemeinen Grund-
without exception.                                                         sätzen (vgl. § 4 Abs. 1 VwVfG) und wäre damit aus der
                                                                           Perspektive der Beschuldigten gleichsam „grundrechts-
I. Einleitung                                                              neutral“.4

Bei den Richtlinien für das Strafverfahren und das Buß-                    Vor diesem Hintergrund soll die Tätigkeit von Mitarbei-
geldverfahren (RiStBV) handelt es sich um ein Rege-                        tern des Verfassungsschutzes anlässlich von bestimmten
lungswerk, das keine Gesetzeskraft besitzt.1 Es versteht                   Ermittlungshandlungen im Rahmen von Strafverfahren
sich daher von selbst, dass ihre Bestimmungen keine Be-                    einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Weil es
fugnisse im Zusammenhang mit strafprozessualen Ermitt-                     sich bei der in Nr. 205 Abs. 5 RiStBV angesprochenen
lungen begründen können. Indessen wird in den RiStBV                       (Wohnungs-)Durchsuchung um einen Eingriff in ein ver-
mit Blick auf bestimmte Strafverfahren eine Option ange-                   fahrensmäßig speziell gesichertes Grundrecht handelt
sprochen, die zu Überlegungen grundsätzlicher Natur her-                   (Richtervorbehalt in Art. 13 Abs. 2 GG),5 die zudem re-
ausfordert. Unter der Überschrift „Unterrichtung der Be-                   gelmäßig ohne vorherige Anhörung des Betroffenen
hörden für den Verfassungsschutz in Staatsschutz- und                      durchgeführt und überdies auch mittels unmittelbaren
                                                                           Zwangs durchgesetzt werden darf, erscheint diese – den

                                                                           3
*   Der Verfasser ist Professor für Strafrecht an der Hochschule der Po-       Demgegenüber ist der Verf. der Ansicht, dass innerhalb eines sicher-
    lizei des Landes Brandenburg, Oranienburg.                                 heitsbehördlichen Verfahrens eine die auf die Inhalte der Ermittlun-
1
    Vgl. dazu nur Graf, in: BeckOK-StPO, 38. Ed. (Stand: 1.10.2020),           gen bezogene, amtshelfende Beteiligung von Geheimdiensten aus-
    RiStBV Einführung, Rn. 1 ff.                                               nahmslos unzulässig ist, vgl. KriPoZ 2018, 109 (111 ff.); ohne nä-
2
    Zur Bezeichnung der Verfassungsschutzämter als „Geheimdienste“             here Begründung a.A. OVG Berlin- Brandenburg, Beschl. v.
    vgl. Rachor/Roggan, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizei-            10.12.2018 – OVG 1 S 13.18 Rn. 19 – juris.
                                                                           4
    rechts, 6. Aufl. (2018), Kap. C Rn. 99 f.; a.A. etwa Gazeas, Über-         Entsprechend ist wohl Krauß, in: BeckOK-StPO, RiStBV 205 Un-
    mittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungs-         terrichtung der Behörden für den Verfassungsschutz in Staats-
    behörden, 2014, S. 54 ff.                                                  schutz- und anderen Verfahren, Rn. 50 zu verstehen; ausf. zum Ver-
                                                                               hältnis der Übermittlungsregelungen zum Amtshilferecht Gazeas,
                                                                               S. 552 ff.
                                                                           5
                                                                               Vgl. statt vieler nur Stern, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommen-
                                                                               tar, 3. Aufl. (2019), Art. 13 Rn. 72.
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         Verfassungsschutzbehörden im Rahmen eigener Aufga-                        den Umfang und den Inhalt der Sachverständigentätigkeit
         benwahrnehmung nicht gestatteten! – Ermittlungshand-                      nachzuvollziehen.
         lung als besonders geeignetes Untersuchungsobjekt. Dazu
         bedarf es zunächst der Betrachtung des von Nr. 205 Abs. 5                 Obgleich es sich bei einer Wohnungsdurchsuchung um
         RiStBV offenbar „gedachten“ Unterstützungs-Modells                        eine ausnahmslos offen durchzuführende Ermittlungs-
         (näher unter II.) und der anschließenden Erörterung, ob                   maßnahme handelt,8 legt es Nr. 205 Abs. 5 RiStBV offen-
         die Umstände einer solchen Verfahrensweise nicht doch                     bar darauf an, dass ein Teilbereich der bei dieser Gelegen-
         mit Grundrechtseingriffen einhergehen und sich mithin                     heit bewirkten Kenntniserlangung von den übrigen Ver-
         die Frage ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung                     fahrensbeteiligten abgeschirmt wird: Die Regelung
         stellt (näher unter III.).                                                spricht diesbezüglich nur davon, dass der Umstand der
                                                                                   Zuziehung in den Akten zu vermerken ist, nicht aber von
         II. Das Mitwirkungs-Modell und seine Charakterisie-                       den Einzelheiten der sachverständigen Tätigkeit. Aller-
         rung                                                                      dings schließt die Regelung umgekehrt auch nicht aus,
                                                                                   dass sich die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im Ein-
         Die in Rede stehende Verwaltungsvorschrift qualifiziert                   zelfall als solche zu erkennen geben, wie dies in der Ver-
         die zuzuziehenden Personen als „Sachverständige“ (näher                   gangenheit vereinzelt bereits der Fall war.9
         unter 1.) und „Auskunftspersonen“ (näher unter 2.). Wäh-
         rend erstere zumindest in begrifflicher Hinsicht der Straf-               Auch kann der ansonsten geltende Grundsatz, wonach
         prozessordnung durchaus bekannt sind, lässt sich dies von                 während des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwalt dem
         letzteren nicht sagen.                                                    Verteidiger vor der Auswahl eines Sachverständigen
                                                                                   grundsätzlich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben
         1. Geheimdienstmitarbeiter als Sachverständige                            hat (Nr. 70 Abs. 1 RiStBV), keine Geltung beanspruchen.
                                                                                   Freilich bekennt sich die Vorschrift hierzu nicht. Obgleich
         Das Regelungsmodell von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV be-                         damit von der „Teilverdeckung“ einer Wohnungsdurchsu-
         schreibt eine teilweise verdeckte Sachverständigentätig-                  chung in personeller Hinsicht gesprochen werden kann,
         keit (unter a). Es hat – obgleich dies der Wortlaut sugge-                lohnt der Versuch einer Annäherung an die tatsächlichen
         rieren könnte – nicht nur einen Informationsfluss zuguns-                 Möglichkeiten einer derartigen Sachverständigen-
         ten der Strafverfolgungsbehörde zum Gegenstand (unter                     (Hin-)Zuziehung. Insbesondere soll nachfolgend der
         b), sondern besitzt für die Verfassungsschutzbehörden                     Frage nachgegangen werden, welche Informationszu-
         auch eine Türöffnerfunktion (unter c).                                    gänge bei entsprechenden Gelegenheiten möglich, unver-
                                                                                   meidbar oder auch intendiert sind.
         a) Besonderheiten der Geheimdienstmitarbeiter als Sach-
         verständige                                                               b) Informationsfluss in Richtung der Strafverfolgungsbe-
                                                                                   hörden
         Mit Blick auf die in Nr. 205 Abs. 5 RiStBV zuerst genann-
         ten Sachverständigen ist sogleich zu bemerken, dass es                    Allgemein kommen als Sachverständige nicht nur Perso-
         sich hierbei nicht um solche im Sinne der §§ 72 ff. StPO                  nen in Frage, die auf komplexen wissenschaftlichen,
         handelt, denn diese sind persönliche Beweismittel, die                    künstlerischen oder technischen Gebieten besondere
         richterlich bestellt werden und sich dadurch auszeichnen,                 Kenntnisse besitzen und Laien auf diesem Gebiet be-
         dass sie auf einem bestimmten Wissensgebiet eine dem                      stimmte Vorgänge näher erläutern können.10 In Betracht
         Gericht fehlende Sachkunde besitzen.6 Zwar kommt auch                     kommen auch Personen, deren Sachkunde nicht-wissen-
         bereits im Ermittlungsverfahren eine Heranziehung von                     schaftlicher Natur ist.11 Im Falle von Mitarbeitern der Ver-
         Sachverständigen durch Polizei oder Staatsanwaltschaft                    fassungsschutzbehörden kann deren Sachkunde zumin-
         in Betracht, die dann aus bestimmten Gründen zur Begut-                   dest im Ansatz (dazu sogleich) aus sämtlichen Erkennt-
         achtung eines Sachverhalts verpflichtet sein können.7                     nissen bestehen, über die sie aufgrund eigener Aufgaben-
         Eine solche Verpflichtung eines Geheimdienstmitarbei-                     wahrnehmung – namentlich der Beobachtung der in § 3
         ters kann aus der in Rede stehenden Verwaltungsvor-                       Abs. 1 BVerfSchG genannten Bestrebungen und Tätigkei-
         schrift jedoch nicht herausgelesen werden, weil dort schon                ten – verfügen. Dabei handelt es sich um sämtliche Daten-
         nicht seine Namhaftmachung vorgesehen ist und die zu-                     bestände, die im Rahmen der Sammlung und Auswertung
         gezogene Person in der Folge auch nicht als Beweismittel                  von Informationen – etwa über verfassungsfeindliche
         zur Verfügung steht bzw. stehen soll. Folglich handelt es                 Kräfte, Gruppen und Parteien im Vorfeld möglicher Ge-
         sich bei den Mitarbeitern einer Verfassungsschutzbehörde                  fährdungen der freiheitlichen demokratischen Grundord-
         um Sachverständige, die lediglich der Polizei und Staats-                 nung12 – erhoben wurden. Allerdings dürfte im Rahmen
         anwaltschaft und dies auch nur im Ermittlungsverfahren                    einer Amtshilfe von vornherein nur auf denjenigen Teil
         beratend zur Verfügung stehen. Weder die Verteidigung                     des geheimdienstlichen Wissens-Reservoirs zurückge-
         noch das Gericht haben hiernach die Möglichkeit, die Art,                 griffen werden, der nicht personenbezogen ist. Andern-

         6                                                                         10
             Vgl. dazu statt vieler nur Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO,        Möllers, in: Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. (2018), Stich-
             63. Aufl. (2020), Vor § 72 Rn. 1.                                          wort: Sachverständiger.
         7                                                                         11
             Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 163 Rn. 39.                      Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vor § 72 Rn. 1.
         8                                                                         12
             Ausf. Roggan, in: FG Graulich, 2019, S. 115 ff.                            Ausf. dazu etwa Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheits-
         9
             Vgl. BayLfD, 27. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den          recht des Bundes, 2. Aufl. (2019), § 4 BVerfSchG Rn. 87.
             Datenschutz – Berichtszeitraum 2015/2016 (2017), S. 79.
Roggan – Zuziehung von Geheimdienstmitarbeitern zu Durchsuchungen                                                KriPoZ 2 | 2021                      101

falls besäße die sachverständige Zuarbeit den Charakter                     Um die sachverständige bzw. beratende Tätigkeit in ge-
einer Datenübermittlung.                                                    nanntem Sinne überhaupt durchführen zu können, sind die
                                                                            geheimdienstlichen Mitarbeiter vor allem auch mit den
Der Wortlaut von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV legt es in diesem                    räumlichen Verhältnissen einer durchsuchten Wohnung in
Kontext zunächst nahe, dass es der Regelung alleine um                      „visuell-wahrnehmenden Kontakt“ zu bringen. Denkbar
eine Dienstbarmachung von geheimdienstlichen Erkennt-                       ist diesbezüglich ihre zeitgleiche, persönliche Anwesen-
nissen für strafverfolgerische Belange geht. Sie be-                        heit in der durchsuchten Räumlichkeit ebenso wie bei-
schriebe damit einen Informationsfluss ausschließlich zu-                   spielsweise die Anfertigung von Foto- und/oder Video-
gunsten bzw. in Richtung der Strafverfolgungsbehörde.                       aufnahmen, mithilfe derer unter den Bedingungen einer
Die Unterstützung durch die zugezogenen Angehörigen                         räumlichen Trennung eine sachverständige Unterstützung
der Verfassungsschutzbehörde hätte sich dabei auf eine                      der durchsuchenden Ermittler ermöglicht werden kann.
reine Sachverständigentätigkeit zu beschränken.                             Neben der Erfassung der räumlichen Verhältnisse kann
                                                                            auf diese Weise auch die Anwesenheit von Personen re-
Auf welche Art und Weise sich die Tätigkeit der Geheim-                     gistriert werden.
dienstmitarbeiter im Rahmen der Durchsuchung gestalten
darf bzw. soll, regelt Nr. 205 Abs. 5 RiStBV nicht. Da in-                  Unabhängig aber davon, wie sich die Inaugenschein-
soweit jegliche Restriktionen fehlen, kommen sämtliche                      nahme der räumlichen Verhältnisse einschließlich der
Beteiligungsformen in Betracht, die nicht als selbststän-                   Einrichtung einer durchsuchten Wohnung im Einzelfall
dige Durchsuchungshandlungen zu bewerten sind.13 In                         gestaltet, ist diese zwingend mit sinnlichen, insbesondere
der Sache dürfte es sich um eine Beratung der durchsu-                      visuellen Wahrnehmungen durch die Mitarbeiter des hin-
chenden Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft                        zugezogenen Geheimdienstes verbunden, denn hierbei
handeln,14 die von der Erläuterung der Bedeutung bereits                    handelt es sich um eine unabdingbare Voraussetzung für
aufgefundener Beweisstücke bis hin zur Anregung weite-                      die bewertende Sichtung bzw. begutachtende Tätigkeit.
rer, konkreter Durchsuchungshandlungen reichen kann.                        Solche Einblicke können im Falle der Durchsuchung von
Beschränkte sich die Tätigkeit der Geheimdienstmitarbei-                    Privatwohnungen bis hin zur Kenntnisnahme von der In-
ter hierauf und spielten personenbezogene Informationen                     timsphäre zuzurechnenden Sachverhalten reichen. Zwar
tatsächlich keine Rolle, wäre etwa von einer beratend-un-                   handelt es sich bei diesem Umstand keineswegs um eine
terstützenden Amtshilfe zugunsten der Strafverfolger zu                     Besonderheit der hier interessierenden Sachverständigen-
sprechen.                                                                   tätigkeit. Jedoch ist in den gegenständlichen Konstellatio-
                                                                            nen zu berücksichtigen, dass die hinzugezogenen, ge-
Zusammenfassend wäre eine solche, rein beratende Tätig-                     heimdienstlichen Sachverständigen qua eigener berufli-
keit dadurch zu charakterisieren, dass sie einen Informati-                 cher Tätigkeit die Aufgabe haben, Informationen über be-
onsfluss ausschließlich zugunsten der Strafverfolgungs-                     stimmte Bestrebungen und Tätigkeiten, insbesondere von
behörde zum Gegenstand hätte. Tatsächlich dürfte der                        sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten
Wirkmechanismus einer Zuziehung von Geheimdienst-                           und Unterlagen, zu sammeln und auszuwerten (vgl. § 3
mitarbeitern zu Ermittlungshandlungen damit aber nur un-                    Abs. 1 BVerfSchG). Es handelt sich bei Durchsuchungen
vollkommen umschrieben sein.                                                im Rahmen von staatsschutzrelevanten Ermittlungsver-
                                                                            fahren mithin nicht nur um Gelegenheiten zur Erlangung
c) Gleichzeitige Gelegenheit zur geheimdienstlichen In-                     von Beweismitteln, sondern auch um solche zur Samm-
formationserlangung                                                         lung von verfassungsschutzrelevanten Informationen.
                                                                            Richtigerweise wird gerade mit Blick auf die hier interes-
Schon die Betitelung der hier interessierenden Verwal-                      sierende Verwaltungsvorschrift konstatiert, dass trotz der
tungsvorschrift, die von der „Unterrichtung“ der Verfas-                    unterschiedlichen Aufgabenbereiche und Vorgehenswei-
sungsschutzbehörden über bestimmte Strafverfahren                           sen erkenntnisinteressebezogene Überlappungsbereiche
spricht, liefert einen Hinweis auf die anlassbezogene und                   von Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutzbe-
gleichsam strafverfolgerisch vermittelte Möglichkeit zur                    hörden existieren.16 In diesem Sinne handelt es sich bei
geheimdienstlichen Informationsgewinnung. Denn Un-                          Wohnungsdurchsuchungen unter der Anwesenheit von
terrichten meint seinem Wortsinn nach u.a. das Verschaf-                    strafverfolgenden Ermittlern und Geheimdienstmitarbei-
fen von Kenntnissen und Informationen.15 Aber selbst                        tern um eine situativ-räumliche Manifestation dieser
wenn eine solche Gelegenheit zur geheimdienstlichen In-                     Überlappungen. Daraus folgt, dass von einer Gelegenheit
formationsgewinnung von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV nicht                         zur Informationssammlung durch hinzugezogene Ge-
intendiert sein sollte – was auf einen verfehlten Rege-                     heimdienstmitarbeiter nur dann nicht ausgegangen wer-
lungsstandort hindeutete –, stellt sich eine solche als un-                 den könnte, wenn deren originäre Aufgabe für den Zeit-
vermeidbar dar:                                                             raum der Anwesenheit in durchsuchten Räumen suspen-
                                                                            diert wäre. Bildlich gesprochen hätten diese Mitarbeiter
                                                                            den Ort der Durchsuchung mit demselben Kenntnisstand

13                                                                          15
     So wohl auch Krauß, in: BeckOK-StPO, RiStBV 205 Unterrichtung               Vgl. etwa Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 9. Aufl. (2019),
     der Behörden für den Verfassungsschutz in Staatsschutz- und ande-           Stichwort „unterrichten“.
                                                                            16
     ren Verfahren, Rn. 50: Es ist ausgeschlossen, dass „die eingesetzten        Vgl. Krauß, in: BeckOK-StPO, RiStBV 205 Unterrichtung der Be-
     Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden in gleicher Weise wie             hörden für den Verfassungsschutz in Staatsschutz- und anderen Ver-
     die Ermittlungspersonen handeln“.                                           fahren, Rn. 7.
14
     Vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 572:
     „bewertende Sichtung“.
102   KriPoZ 2 | 2021

         zu verlassen, mit dem sie ihn zuvor betreten hatten. Eine                  kommt nach Nr. 205 Abs. 5 RiStBV auch deren Eigen-
         solche Vorstellung ist nicht nur lebensfern, sondern ent-                  schaft als Auskunftspersonen als Anknüpfungspunkt in
         hält auch keine Konkretisierung im geltenden Geheim-                       Betracht. Während der StPO Sachverständige nicht fremd
         dienstrecht. Indessen begründet das Fehlen eines Verbots                   sind, kennt diese eine personale Kategorie namens „Aus-
         zur Informationsgewinnung noch keine entsprechende                         kunftspersonen“ nicht. Es ist deshalb keineswegs offen-
         Befugnis (hierzu näher unter III.).                                        kundig, welche Angehörigen der Verfassungsschutzbe-
                                                                                    hörden zur Durchsuchung zugezogen werden dürfen,
         In der Praxis soll das Bundesamt für Verfassungsschutz                     ohne dass diese zugleich beratend bzw. unterstützend tätig
         (BfV) zur gutachterlichen Tätigkeit regelmäßig erst nach                   und damit als Sachverständige anzusehen wären. Darauf,
         Abschluss der polizeilichen Maßnahmen hinzugezogen                         dass diese aus der Perspektive der Strafverfolgungsbe-
         werden.17 Bei einer solchen Verfahrensweise fände die                      hörde jedenfalls unterschiedliche Funktionen erfüllen
         geheimdienstliche Beratung allerdings erst nach dem                        können oder sollen, weist der Wortlaut hin („oder“).
         Ende der Durchsuchung18 statt, womit sich die Frage
         stellt, auf welche Weise bzw. auf welcher rechtlichen Ba-                  Im polizeilichen Sprachgebrauch werden als Auskunfts-
         sis eine Verfassungsschutzbehörde in den Besitz der sach-                  personen u.a. auch Hinweisgeber bezeichnet, die in ein
         verständig zu begutachtenden Beweismittel gelangt (nä-                     kriminelles Milieu eingebunden sind und mit Hinweisen
         her dazu unter IV.). Überdies unterscheidet sie sich von                   den Auftrag zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung
         dem nach Nr. 205 Abs. 5 RiStBV geregelten Modell (Hin-                     unterstützen können.22 Dies könnte bedeuten, dass die
         zuziehung zur Durchsuchung) dadurch, dass die Sachver-                     Vorschrift beispielsweise solche Mitarbeiter meint, die
         ständigentätigkeit sich auf die Durchsuchungsergebnisse                    unter einer ihnen verliehenen Legende zur Aufklärung
         bezieht bzw. beschränkt. Es ließe sich mithin von einer                    von verfassungsschutzrelevanten Bestrebungen eingesetzt
         unechten Zuziehung sprechen.                                               sind (vgl. § 9a Abs. 1 BVerfSchG). Deren Funktion im
                                                                                    Rahmen einer Durchsuchung bestände dann vor allem da-
         Zusammenfassend kann bis hierhin festgestellt werden,                      rin, den strafverfolgenden Ermittlern als Auskunftsquelle
         dass die Informationsgewinnung durch Verfassungs-                          zur Verfügung zu stehen. Anders als bei der beratenden
         schutzmitarbeiter zu geheimdienstlichen Zwecken anläss-                    Unterstützung als Sachverständige beschränkte sich deren
         lich der hier gegenständlichen Wohnungsdurchsuchungen                      Mitwirkung dann tatsächlich auf eine passive Rolle. Frei-
         aus tatsächlichen Gründen als Begleiteffekt notwendig                      lich wäre auch in diesem Falle das Verbot der Preisgabe
         bzw. unvermeidbar ist. Deshalb liegt nach hier vertretener                 personenbezogener Daten zu beachten, wenn sich diese
         Auffassung ein Verständnis der solchermaßen durchge-                       Art der Mitwirkung als bloße Amtshilfe darstellen soll.
         führten Maßnahmen als doppelfunktional nahe. Von un-                       Das von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV beschriebene Modell
         tergeordneter Bedeutung erscheint demgegenüber, ob                         hätte in dieser Erscheinungsform dann einen einseitigen
         diese Doppelfunktionalität als echt oder unecht19 charak-                  Informationsfluss zugunsten der Strafverfolgungsbehörde
         terisiert wird. Unabhängig davon, wie das von Nr. 205                      zum Gegenstand.
         Abs. 5 RiStBV beschriebene Modell insoweit qualifiziert
         wird, lässt sich die Mitwirkung der Geheimdienstmitar-                     Unabhängig davon erscheint eine persönliche Anwesen-
         beiter nicht als bloße Amtshilfe verstehen, denn dann                      heit von solchen – in beobachtete Bestrebungen einge-
         müsste sich ihre Tätigkeit als rein fremdnützig20 darstel-                 schleusten – Geheimdienstmitarbeitern aus Gründen der
         len. Tatsächlich kann oder soll diese aber auch geheim-                    Geheimhaltung kaum vorstellbar. Zwar käme eine Zuzie-
         dienstlichen Zwecken dienen.                                               hung per fernmündlicher Konsultation o.ä. in Betracht.
                                                                                    Aber auch eine solche wäre in den Akten zu vermerken
         Ob sich deshalb die datenschutzseitig erhobene Forde-                      und offenbarte die Existenz des Angehörigen des Verfas-
         rung, die Zusammenarbeit der Angehörigen von Strafver-                     sungsschutzes in einer von ihm beobachteten Bestrebung.
         folgungsbehörden einerseits und Geheimdienstmitarbei-                      Ob dies jemals mit der grundsätzlich verdeckten Informa-
         tern andererseits möge sich auf eine rein unterstützende                   tionsbeschaffung durch einen Geheimdienst vereinbar ist,
         Beratung beschränken,21 jemals realisieren lässt, erscheint                erscheint zumindest schwer vorstellbar.
         mehr als fraglich. Vielmehr spricht nach dem Gesagten
         viel dafür, die Strafverfolger aus der Perspektive der Ge-                 Insgesamt ist damit unklar, wie sich die Zuziehung von
         heimdienstmitarbeiter – und dies auch im Tatsächlichen –                   Verfassungsschutzmitarbeitern zu Durchsuchungen in de-
         als Türöffner zu betrachten.                                               ren Funktion als Auskunftsperson überhaupt darstellen
                                                                                    kann. Noch mehr, als dies bei der Zuziehung als Sachver-
         2. Geheimdienstmitarbeiter als Auskunftspersonen                           ständige der Fall ist, bleibt offen, inwieweit diese Vorge-
                                                                                    hensweise als Ausprägung der Unterrichtung der Verfas-
         Neben der Zuziehung der Geheimdienstmitarbeiter als                        sungsschutz- durch Strafverfolgungsbehörden (s.o.) ver-
         Sachverständige im Sinne einer beratenden Unterstützung                    standen werden kann.

         17                                                                         20
              Droste, S. 572.                                                            Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. (2018), § 4
         18
              Vgl. dazu nur Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105                Rn. 35.
                                                                                    21
              Rn. 14.                                                                    BayLfD, S. 81.
         19                                                                         22
              Der Begriff wird vor allem bei der Beschreibung der strafverfolgen-        Borsdorff, in: Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. (2018),
              den und gefahrenabwehrenden Zweckrichtung von polizeilichen                Stichwort: Auskunftsperson.
              Maßnahmen verwendet, vgl. etwa Roggan, Die Polizei 2008, 112
              (113).
Roggan – Zuziehung von Geheimdienstmitarbeitern zu Durchsuchungen                                         KriPoZ 2 | 2021                   103

3. Zu weiteren Mitwirkungsmöglichkeiten an strafrechtli-                 ohne Weiteres ist nicht festzustellen, dass ihre Anwesen-
chen Ermittlungen                                                        heit mit einer Intensivierung des Eingriffs in das Grund-
                                                                         recht aus Art. 13 Abs. 1 GG oder gar einem selbstständi-
Das von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV beschriebene Kooperati-                    gen Eingriff führen würde. Mit Blick auf andere Sachver-
onsmodell umschreibt eine weit reichende Einbeziehung                    ständige (IT-Fachleute, Beamte der Steuerfahndung etc.)
von Geheimdiensten in ein strafrechtliches Ermittlungs-                  wird demzufolge – indessen ohne explizite Problematisie-
verfahren: Weder erfolgt eine Beschränkung auf die hier                  rung – auch richtigerweise angenommen, dass deren Zu-
besonders interessierenden Durchsuchungen, noch eine                     ziehung zulässig ist, ohne dass erhöhte tatbestandliche
solche auf eine nur punktuelle Zuziehung. Der Wortlaut                   Voraussetzungen zu erfüllen wären.23 In diesem Sinne ist
schließt nicht einmal eine Kooperation bei sämtlichen Er-                ein zusätzlicher Sachverstand bei der Durchführung einer
mittlungshandlungen der Strafverfolgungsbehörden im                      Durchsuchung, genügt dieser denn dem Gebot der Unpar-
Sinne einer ständigen Beratung bzw. Unterstützung in                     teilichkeit,24 grundrechtlich „neutral“ und kann sogar zu
oben genanntem Sinne aus. Dazu, ob jede einzelne Zuzie-                  einer Reduzierung von sichergestellten, beweiserhebli-
hung in den Akten zu vermerken ist, äußert sich die Vor-                 chen Gegenständen führen.25
schrift nicht. Es ist mithin nicht ausgeschlossen, dass le-
diglich „die Zuziehung“ als solche aktenmäßigen Nieder-                  Indessen können diese (Vor-)Überlegungen angesichts
schlag findet, so dass ggf. der tatsächliche Umfang der ge-              der zuvor konstatierten Doppelfunktionalität der hier inte-
heimdienstlichen Beteiligung vor den anderen Verfah-                     ressierenden Durchsuchungsmaßnahmen nicht dazu füh-
rensbeteiligten (insbesondere dem Gericht und der Vertei-                ren, einen Eingriff in das Wohnungsgrundrecht durch die
digung) verborgen bliebe. Freilich stehen diesen Beteilig-               geheimdienstliche Zuziehung zu negieren. Denn nach
ten entsprechende Aufklärungsmöglichkeiten zur Verfü-                    dem zugrunde zu legenden modernen Eingriffsverständ-
gung, die an dieser Stelle indessen keine nähere Betrach-                nis bedarf es nicht notwendig einer finalen, also gezielten
tung erfahren sollen.                                                    Beeinträchtigung von Art. 13 Abs. 1 GG. Ausreichend ist
                                                                         vielmehr jede staatliche Maßnahme, die den Schutzbe-
Nur am Rande soll der Blick gelenkt werden auf eine wei-                 reich des Grundrechts tatsächlich verkürzt. Ausreichend
tere Ermittlungshandlung, die in der in Rede stehenden                   ist, dass die Beeinträchtigung einem Hoheitsträger zuzu-
Vorschrift explizit genannt wird: Die Zuziehung der Ge-                  rechnen ist.26 Insoweit muss sich nach hier vertretener An-
heimdienstmitarbeiter kommt namentlich in Betracht bei                   sicht entscheidend auswirken, welche Vorstellung die be-
Vernehmungen und damit – mangels Ausschluss – auch                       troffenen Grundrechtsträger von der Anwesenheit der Ge-
bei Zeugenvernehmungen. Dies erscheint von Bedeutung,                    heimdienstmitarbeiter in den von ihnen genutzten Räu-
weil eine solche Ermittlungshandlung wiederum mit                        men haben bzw. vernünftigerweise haben und dies unab-
Zwang(smitteln) durchsetzbar ist. Dies folgt unmittelbar                 hängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie von diesem Um-
aus § 161a Abs. 2 StPO, wonach der Staatsanwaltschaft                    stand erfahren. Nahe liegend werden diese davon ausge-
bei unberechtigter Zeugnisverweigerung die Befugnis zur                  hen, dass die Angehörigen des Verfassungsschutzes die
Verhängung von Maßregeln zusteht. Damit wird den Ge-                     Gelegenheit zur beratenden Unterstützung der Strafver-
heimdienstmitarbeitern eine Erkenntnisquelle eröffnet,                   folger zugleich – und in oben bezeichnetem Sinne zumin-
die ihr – wiederum – qua eigener Befugnisse nicht zur                    dest unvermeidbar – zur Erhebung von personenbezoge-
Verfügung stände.                                                        nen Informationen nutzen und anschließend auf beliebige
                                                                         Weise in die geheimdienstliche Aufgabenerfüllung ein-
III. Zu geheimdienstlichen Eingriffen in das Woh-                        fließen lassen. An einem Eingriff in das Wohnungsgrund-
nungsgrundrecht                                                          recht wäre selbstredend noch weniger zu zweifeln, wenn
                                                                         die Zuziehung der Geheimdienstmitarbeiter von vornhe-
Nachdem zuvor vor allem die tatsächlichen Aspekte der                    rein dazu dienen soll, diesen die Erhebung von Informati-
geheimdienstunterstützten Wohnungsdurchsuchungen im                      onen in den durchsuchten Räumen zu ermöglichen, was
Vordergrund standen, ist nachfolgend die verfassungs-                    angesichts der Verortung von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV in
rechtliche Tragfähigkeit dieses Vorgehens zu betrachten.                 einer Regelung über die Unterrichtung der Verfassungs-
                                                                         schutzbehörden zumindest nicht abwegig ist.
1. Zur (Un-)Vermeidbarkeit von Eingriffen und den dar-
aus folgenden Konsequenzen                                               Wenn demzufolge die Anwesenheit von Geheimdienst-
                                                                         mitarbeitern mit einem Eingriff in das Wohnungsgrund-
Durch die Zuziehung der Angehörigen der Verfassungs-                     recht einhergeht, so ist zwingend die Frage der verfas-
schutzbehörden wird diesen die Möglichkeit zum Betreten                  sungsrechtlichen Rechtfertigung zu beantworten. Eine Er-
der durchsuchten Wohnung sowie zur Inaugenschein-                        mächtigungsgrundlage müsste sich in den für die Tätig-
nahme der räumlichen Verhältnisse eröffnet. Indessen ist                 keit der Verfassungsschutzbehörden geltenden Rege-
zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ein eigenständi-               lungswerken finden. Dies indessen ist weder auf Bundes-
ges Vorgehen der Geheimdienstmitarbeiter handelt, son-                   noch auf Landesebene der Fall. Keiner näheren Begrün-
dern um ein solches, das aus strafverfolgerischer Aufga-                 dung bedarf, dass Nr. 205 Abs. 5 RiStBV aufgrund ihres
benerfüllung abgeleitet wird. Für sich genommen bzw.

23                                                                       25
     Vgl. nur Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105 Rn. 8b.           Hauschild, in: MüKo-StPO, 2014, § 105 Rn. 35.
24                                                                       26
     BVerfG, HRRS 2007, Nr. 961, Rn. 6; vgl. auch Wohlers/Jäger, in:          Zusammenfassend etwa Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313; jüngst
     SK-StPO, 5. Aufl. (2016), § 105 Rn. 51; Tsambikakis, in: LR-StPO,        auch Hebeler/Berg, JA 2021, 89 (92).
     27. Aufl. (2019), § 105 Rn. 122.
104   KriPoZ 2 | 2021

         einleitend (unter I.) genannten Charakters keine Befugnis                 gesetzgeber übt damit – anders als das mitunter auf Lan-
         begründen kann.                                                           desebene der Fall ist30 – größte Zurückhaltung bei der Be-
                                                                                   fugung des BfV zu Eingriffen in das Wohnungsgrund-
         Zusammenfassend lässt sich bis hierhin konstatieren, dass                 recht aus. Als jüngste Ausprägung dieser Zurückhaltung
         das in dieser Verwaltungsvorschrift beschriebene Vorge-                   mag das jüngste Gesetzgebungsverfahren angesehen wer-
         hen verfassungsrechtlich nicht tragfähig ist. Damit ist und               den, in dem bei einem früheren Entwurf zu einem Gesetz
         war die Hinzuziehung von Geheimdienstmitarbeitern zu                      zur „Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“ noch
         Wohnungsdurchsuchungen nach Strafverfahrensrecht                          eine Betretungsbefugnis für Geheimdienstmitarbeiter im
         ausnahmslos rechtwidrig. Weil sich eine entsprechende                     Kontext mit der Vorbereitung von verdeckten Eingriffen
         Rüge gegen die Teilnahme bestimmter Beteiligter und da-                   in IT-Systeme vorgesehen war (§ 9e Abs. 6 BVerf-
         mit gegen Art und Weise einer Durchsuchung zu richten                     SchG-E),31 diese Regelung nach medialer Aufmerksam-
         hätte, wäre als Rechtsbehelf ein Antrag auf gerichtliche                  keit32 jedoch aus dem in den Jahren 2020/2021 diskutier-
         Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO zu wählen.27 Zu                   ten Entwurf33 wieder entfernt wurde.
         erwägen wäre darüber hinaus, ob wegen der geheim-
         dienstlichen Grundrechtseingriffe auch der Verwaltungs-                   Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nicht zuletzt
         rechtsweg eröffnet ist.                                                   die Gesetzesvorbehalte der Art. 13 Abs. 2 bis 7 GG ein
                                                                                   Bild von der Wohnung als grundsätzlich „geheimdienst-
         2. Rechtspolitische Überlegungen de lege ferenda                          freier Sphäre“ zeichnen. Es sind lediglich die dort gemein-
                                                                                   ten (Absatz 2) oder explizit genannten (Absätze 3 bis 5
         Dieses Ergebnis wirft die Frage auf, ob die Gesetzgeber                   und 7) Zwecke, die Beschränkungen zulassen. Zu ihnen
         auf Bundes- und Landesebene die Möglichkeit zur Betei-                    gehört die geheimdienstliche Aufgabenerfüllung nach ak-
         ligung von Geheimdienstmitarbeitern an Wohnungs-                          tueller gesetzgeberischer Wertung nicht. Eine Legalisie-
         durchsuchungen nach Strafverfahrensrecht durch die Ver-                   rung von Betretungsrechten im Kontext mit Wohnungs-
         abschiedung einer Befugnisnorm schaffen und die be-                       durchsuchungen durch Strafverfolgungsbehörden ließe
         schriebene Praxis damit legalisieren sollten. Als Rege-                   dieses Bild verschwimmen.
         lungsstandorte kämen die Verfassungsschutzgesetze in
         Betracht.                                                                 IV. Exkurs: Übermittlung von „Art. 13-Daten“ an Ge-
                                                                                   heimdienste?
         Eine solche Legalisierung beträte auf der Ebene des Bun-
         desrechts schon deswegen Neuland, weil das Bundesver-                     Ungeachtet der vorstehend erwogenen Bedenken gegen
         fassungsschutzgesetz bislang keine Eingriffe in Art. 13                   eine Befugung von Geheimdiensten zu eigenständigen
         Abs. 1 GG zulässt, die tatbestandlich auf geheimdienstli-                 Datenerhebungen in oder aus Wohnungen ist aus zweier-
         che Zwecke bezogen sind. So darf das in einer Wohnung                     lei Gründen zu klären, ob in einem Strafverfahren durch
         nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mit-                    Eingriffe in das Wohnungsgrundrecht erhobene Informa-
         teln nur dann heimlich mitgehört oder aufgezeichnet wer-                  tionen (im Folgenden: Art. 13-Daten) für eine Übermitt-
         den, wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärti-                   lung an Verfassungsschutzbehörden de lege lata über-
         gen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebens-                      haupt in Betracht kommen: Einerseits sind die Strafver-
         gefahr für einzelne Personen unerlässlich ist und geeig-                  folgungsbehörden unter den in § 18 Abs. 1 lit. b BVerf-
         nete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht                  SchG genannten Voraussetzungen zu Übermittlungen –
         rechtzeitig erlangt werden kann. Die identischen Voraus-                  jedenfalls im Grundsatz, näher dazu im Folgenden – ver-
         setzungen gelten für die Anfertigung von Bildaufnahmen                    pflichtet („unterrichten von sich aus …“),34 wenn dies zur
         und –aufzeichnungen (vgl. § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerf-                    geheimdienstlichen Auflagenerfüllung erforderlich er-
         SchG). Bei solchen Lausch- und Spähangriffen handelt es                   scheint. Und andererseits kommt eine Übermittlung auch
         sich erkennbar um funktional gefahrenabwehrende Be-                       im strafverfolgerischen Interesse in Betracht, wenn näm-
         fugnisse,28 mithin nicht um solche, die der geheimdienst-                 lich die sachverständige Begutachtung von Durchsu-
         lichen Aufgabenerfüllung (sondern der polizeilichen) die-                 chungsergebnissen eine Übergabe von sichergestellten
         nen sollen. Art. 13 GG wird auch lediglich in diesem Kon-                 oder beschlagnahmten Beweisgegenständen oder die
         text als eingeschränktes Grundrecht genannt (§ 9 Abs. 2                   Weiterleitung von anderen Art. 13-Daten an eine Verfas-
         S. 9 BVerfSchG), woraus sich ohne weiteres ergibt, dass                   sungsschutzbehörde erforderlich macht. Hierdurch wer-
         das BfV darüber hinausgehend keine entsprechenden Be-                     den unvermeidbar Eingriffe in das Wohnungsgrundrecht
         fugnisse besitzt. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass                 bewirkt.35 In diesem Sinne ist auch eine solchermaßen
         auch verdeckte Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Er-                    motivierte, zweckändernde Datenübermittlung (echt oder
         füllung ihres Beobachtungsauftrags (§ 9a Abs. 1 BVerf-                    unecht) doppelfunktional. Freilich existiert für eine solche
         SchG) Wohnungen nicht betreten dürfen.29 Der Bundes-                      Übermittlung de lege lata keine Befugnis.36

         27                                                                        32
              BVerfG, HRRS 2007, Nr. 961 Rn. 2.                                         Steinke, Süddeutsche Zeitung v. 16.8.2019, S. 6.
         28                                                                        33
              Mallmann, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bun-          BT-Drs. 19/24785 – Entwurf eines „Gesetzes zur Anpassung des
              des, 2. Aufl. (2019), BVerfSchG § 9 Rn. 22 ff.                            Verfassungsschutzrechts“.
         29                                                                        34
              Ausf. dazu Roggan, DÖV 2019, 425 (428 ff.).                               Vgl. Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BVerfSchG § 18 Rn. 20 ff.
         30                                                                        35
              Vgl. etwa Art. 9 Abs. 1 S. 2 BayVSG.                                      Vgl. dazu nur BVerfGE 141, 220 (327, Rn. 285).
         31                                                                        36
              Meister/Biselli, abrufbar unter: https://netzpolitik.org/2019/wir-        Näher dazu Roggan, KriPoZ 2018, 109 (112).
              veroeffentlichen-den-gesetzentwurf-seehofer-will-staatstrojaner-
              fuer-den-verfassungsschutz/ (zuletzt abgerufen am 12.3.2021).
Roggan – Zuziehung von Geheimdienstmitarbeitern zu Durchsuchungen                                   KriPoZ 2 | 2021                   105

Damit ist die Frage der Verhältnismäßigkeit sowohl von             fahrensrecht erlangten Art. 13-Daten an Geheimdienste
bereits existierenden als auch von noch zu schaffenden             grundsätzlich entgegen. Selbst eine entsprechende Befu-
Befugnissen zu Datenübermittlungen durch Strafverfol-              gung wäre mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht
gungsbehörden an Geheimdienste, namentlich ihrer An-               vereinbar.
gemessenheit angesprochen. Das BVerfG hat als entspre-
chendes Kriterium die hypothetische Datenneuerhebung               V. Fazit
durch die empfangende Behörde entwickelt. Nach seiner
mittlerweile gefestigten Rechtsprechung ist insoweit maß-          Nach alledem erweist sich die von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV
geblich, ob die entsprechenden Daten nach verfassungs-             beschriebene Verfahrensweise als unvereinbar mit der
rechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck                Gewährleistung aus Art. 13 Abs. 1 GG. Überdies ermög-
neu erhoben werden dürften.37 In einer früheren Entschei-          licht die Zuziehung von Angehörigen der Verfassungs-
dung wird konkretisierend gefordert, dass dies der emp-            schutzbehörden zu strafprozessualen Ermittlungsmaßnah-
fangenden Behörde auch mit „vergleichbar schwerwie-                men zwar nicht gemeinsame, wohl aber gleichzeitige In-
genden Mitteln“ erlaubt sein müsse.38 Damit schiede die            formationserhebungen. Dies kontrastiert mit der verfas-
Übermittlung von solchen Daten aus Strafverfahren an               sungsgerichtlichen Maßgabe, dass aus dem Grundrecht
Verfassungsschutzbehörden aus, die durch Eingriffe in              auf informationelle Selbstbestimmung – und damit auch
das Wohnungsgrundrecht erlangt wurden. Denn den deut-              seiner spezifischen Ausprägung in Art. 13 Abs. 1 GG –
schen Geheimdiensten sind entsprechende Grundrechts-               ein informationelles Trennungsprinzip folgt. Danach dür-
beschränkungen zu eigenen Zwecken aus den oben ge-                 fen Daten zwischen den Geheimdiensten und Sicherheits-
nannten Gründen (unter III.2.) untersagt.                          behörden grundsätzlich nicht ausgetauscht werden.42 Die-
                                                                   ses grundsätzliche Datenaustauschverbot wird nachge-
Indessen erfährt dieses Prinzip nach der jüngsten Ent-             rade konterkariert, wenn anlässlich der strafprozessualen
scheidung des BVerfG eine Relativierung: So stehe die              Aufgabenwahrnehmung auch eine geheimdienstliche Da-
Tatsache, dass die Zielbehörde einer Datenübermittlung             tenerhebung ermöglicht wird. Insoweit erübrigt sich ein
bestimmte Datenerhebungen, zu denen die Ausgangsbe-                Datenaustausch. Oder – noch pointierter: Wenn ein Ge-
hörde berechtigt ist, ihrerseits wegen ihres Aufgabenspek-         heimdienstmitarbeiter einem Polizeibeamten bei der Er-
trums nicht vornehmen darf, einem Datenaustausch nicht             mittlungsarbeit über die Schulter blickt, sehen beide den-
prinzipiell entgegen.39 Und: In Abgrenzung zu gesteiger-           selben Sachverhalt.
ten verfassungsrechtlichen Anforderungen an Vorschrif-
ten, „welche die Nutzung nachrichtendienstlicher Infor-            Nach hiesigem Verständnis kann das informationelle
mationen durch Polizei- und Sicherheitsbehörden ermög-             Trennungsprinzip nur dann verwirklicht werden, wenn es
lichen“40, gelte anderes bei einem umgekehrten Daten-              von einem operativen Trennungsgebot flankiert wird.
fluss. Solche Daten seien bereits nach den strengeren An-          Dieses schlösse nicht nur die Zuziehung von Geheim-
forderungen erhoben worden, die für operativ tätige Be-            dienstmitarbeitern zu Wohnungsdurchsuchungen, son-
hörden mit der Befugnis zu Zwangsmaßnahmen gegen-                  dern auch zu anderen Ermittlungshandlungen im Rahmen
über Einzelnen gelten. Diese Anforderungen könnten also            strafrechtlicher Verfahren aus.
durch eine anderweitige Nutzung nicht unterlaufen wer-
den.41                                                             Unabhängig von solchen verfassungsrechtlichen Erwä-
                                                                   gungen bedeutet die hier thematisierte Vorgehensweise
Aus alledem könnte gefolgert werden, dass gegen die hier           auch eine partielle, aber „planmäßige“ Aushebelung der
interessierenden Übermittlungen von Art. 13-Daten im               Kontrolle der Durchsuchung durch den Berechtigten (vgl.
Allgemeinen und solchen, die durch Wohnungsdurchsu-                § 106 Abs. 1 StPO): Zwar wird sein Anwesenheitsrecht
chungen im Besonderen erlangt wurden, keine verfas-                durch ein Vorgehen gemäß Nr. 205 Abs. 5 RiStBV nicht
sungsrechtlichen Bedenken zu erheben wären. Zu beden-              relativiert, wohl aber sein Wissen darüber, welche Perso-
ken ist allerdings, dass diese Daten nicht nur durch „ope-         nen sich in den durchsuchten Räumen aufhalten bzw. die-
rativ tätige Behörden mit der Befugnis zu Zwangsmaß-               selben in Augenschein nehmen. Erst im Nachhinein wird
nahmen“ erhoben wurden, sondern dies ggf. auch mittels             ihm die entsprechende Kenntnis über den in den Akten
Befugnissen zur Anwendung unmittelbaren Zwangs ge-                 befindlichen Vermerk vermittelt. Zu diesem Zeitpunkt ist
schah. Eine hypothetische Datenneuerhebung durch das               die Maßnahme jedoch regelmäßig bereits erledigt.
BfV scheiterte mithin aus zweierlei Gründen: Ihm sind zu
eigenen Zwecken weder Eingriffe in das Wohnungs-                   Insgesamt erscheint das in Nr. 205 Abs. 5 RiStBV be-
grundrecht gestattet, noch darf es Daten unter Inanspruch-         schriebene Vorgehen unter verschiedenen rechtsstaatli-
nahme von Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs erhe-                 chen Aspekten nicht vertretbar. Es obliegt den Staatsan-
ben. Würde die Übermittlung also gestattet, so entspräche          waltschaften, eine verfassungskonforme Durchführung
dies einem Unterlaufen von verfassungsrechtlichen und              von Wohnungsdurchsuchungen zu gewährleisten und
einfachgesetzlichen Kautelen. Dies steht nach hier vertre-         hierbei ggf. von den in den RiStBV angesprochenen Mög-
tener Auffassung einer Übermittlung von nach Strafver-             lichkeiten keinen Gebrauch zu machen.

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     Zuletzt BVerfG, NVwZ 2021, 226 (232, Rn. 99) mwN – ATDG II.        BVerfG, NVwZ 2021, 226 (233, Rn. 106).
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     BVerfGE 141, 220 (328, Rn. 287) – BKAG.                            Vgl. dazu BVerfGE 133, 277 (329, Rn. 123) – ATDG I; BVerfG,
39
     BVerfG, NVwZ 2021, 226 (233, Rn. 100).                             NVwZ 2021, 226 (233, Rn. 101) – ATDG II.
40
     BVerfG, NVwZ 2021, 226 (233, Rn. 105).
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