Diplomarbeit - unipub UB Graz

Die Seite wird erstellt Sven Fuhrmann
 
WEITER LESEN
Diplomarbeit

       Zur Erlangung des akademischen Grades

        einer Magistra der Rechtswissenschaften

         an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Die Erhebung von Selbstbemessungsabgaben

                     Vorgelegt von

                    Stefanie LICKEL

   Beurteiler: Univ.-Prof. Mag. Dr. MinR Christoph Ritz

               am Institut für Finanzrecht

                       Graz, 2020
Ehrenwörtliche Erklärung

Ich, Stefanie Lickel, erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit
selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen
nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als
solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher
Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsstelle vorgelegt und
noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten
elektronischen Version.

Datum ______________             Unterschrift______________________________
Anmerkung
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Diplomarbeit bei
personenbezogenen Begriffen durchgängig die männliche Form verwendet. Sie
steht ausnahmslos gleichbedeutend für weibliche Ausdrücke. Es gilt das
Gleichheitsprinzip der Geschlechter und die Wortwahl ist keineswegs als
Diskriminierung anzusehen.
Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS                                          V

TABELLENVERZEICHNIS                                          VIII

1     EINLEITUNG                                               1

2     SELBSTBEMESSUNGSABGABEN                                  2

2.1     DEFINITION SELBSTBEMESSUNGSABGABE                      2
2.2     STEUERSCHULDVERHÄLTNIS                                 3
2.2.1    STEUERGLÄUBIGER                                       3
2.2.2    ABGABEPFLICHTIGER                                     4
2.2.3    ABFUHRPFLICHTIGER                                     5
2.2.4    PARTEI                                                5
2.3     WIRKUNG DER SELBSTBEMESSUNGSABGABE                     6
2.4     DIE „ANGEORDNETE“ SELBSTBERECHNUNG                     6
2.5     DIE „GESTATTETE“ SELBSTBERECHNUNG                      7
2.6     BEKANNTGABE DER SELBSTBERECHNUNG                       8

3     GRUNDSÄTZE DES STEUERRECHTS                              9

3.1     GRUNDSATZ DER GLEICHMÄßIGKEIT DER BESTEUERUNG          9
3.2     GRUNDSATZ VON TREU UND GLAUBEN                        10
3.3     SCHUTZ DES PRIVATEIGENTUMS                            10
3.4     GRUNDSATZ DER VERWALTUNGSÖKONOMIE                     11

4     ERMESSEN                                                12

4.1     ERMESSENSFEHLER                                       13

5     VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE ERSTMALIGE FESTSETZUNG EINER
SELBSTBEMESSUNGSABGABE                                        14

6     ABGABENFESTSETZUNG GEM § 201 BAO                        16

6.1     ABGABENFESTSETZUNG GEM § 201 ABS 2 Z 1 BAO            17
6.2     ABGABENFESTSETZUNG GEM § 201 ABS 2 Z 2 BAO            17
6.3     ABGABENFESTSETZUNG GEM § 201 ABS 2 Z 3 BAO            18
6.4     ABGABENFESTSETZUNG GEM § 201 ABS 2 Z 4 BAO            19

                                                                I
6.5     ABGABENFESTSETZUNG GEM § 201 ABS 2 Z 5 BAO   20
6.6     ABGABENFESTSETZUNG GEM § 201 ABS 3 Z 1 BAO   22
6.7     ABGABENFESTSETZUNG GEM § 201 ABS 3 Z 2 BAO   22
6.8     ABGABENFESTSETZUNG § 201 ABS 3 Z 3 BAO       22
6.9     ABGABENFESTSETZUNG § 201 ABS 4 BAO           24
6.10     ABGABENFESTSETZUNG § 201A BAO               25
6.11     ABGABENFESTSETZUNG § 202 BAO                26
6.11.1     HAFTUNGSINANSPRUCHNAHME                   29
6.11.2     HAFTUNGSBESCHEID                          30
6.11.3     GUTSCHRIFTBESCHEID                        31
6.12     FÄLLIGKEIT                                  31
6.13     VOLLSTRECKBARKEIT                           32
6.14     VERJÄHRUNG                                  33
6.14.1     FESTSETZUNGSVERJÄHRUNG                    33
6.14.2     EINHEBUNGSVERJÄHRUNG                      34

7     DIE LOHNSTEUER ALS SELBSTBEMESSUNGSABGABE      35

7.1     DEFINITION                                   35
7.2     STEUERSCHULDNER/HAFTUNGSPFLICHTIGER          35
7.3     ARBEITGEBER ISD ESTG                         35
7.4     ARBEITNEHMER ISD ESTG                        35
7.5     DIENSTVERHÄLTNIS ISD ESTG                    36
7.6     LOHNKONTO § 76 ESTG 1988                     36
7.7     BERECHNUNG, EINBEHALTUNG UND ABFUHR          37
7.7.1    LOHNSTEUERBERECHNUNG UND TARIF              37
7.7.2    EINBEHALTUNG UND ABFUHR                     38
7.8     HAFTUNG                                      39

8     VERBRAUCHSTEUERN ALS SELBSTBEMESSUNGSABGABE    41

8.1     UMSATZSTEUER                                 41
8.1.1    STEUERGEGENSTAND                            41
8.1.2    STEUERSCHULDNER                             42
8.1.3    UMSATZSTEUERSÄTZE                           42
8.1.4    BEMESSUNGSGRUNDLAGE                         43
8.1.5    ENTSTEHEN DER STEUERSCHULD                  44

                                                     II
8.1.6    UMSATZSTEUERVORANMELDUNG                          45
8.2     BIERSTEUER                                         50
8.2.1    STEUERGEGENSTAND                                  50
8.2.2    STEUERSCHULDNER                                   50
8.2.3    ENTSTEHUNG DER STEUERSCHULD                       51
8.2.4    BEMESSUNGSGRUNDLAGE                               51
8.2.5    STEUERSATZ                                        51
8.2.6    BERECHNUNG UND ABFUHR                             52
8.2.7    STEUERFESTSETZUNG GEM § 201 BAO                   53

9     KOMMUNALSTEUER                                       54

9.1     DEFINITION                                         54
9.2     STEUERGEGENSTAND                                   54
9.3     BEMESSUNGSGRUNDLAGE                                55
9.4     STEUERSCHULDNER                                    55
9.4.1    BETRIEBSSTÄTTE                                    56
9.5     ENTSTEHUNG DER STEUERSCHULD                        56
9.6     STEUERSATZ                                         56
9.7     STEUERFESTSETZUNG MITTELS KOMMUNALSTEUERBESCHEID   57

10      GRUNDERWERBSTEUER                                  58

10.1     DEFINITION                                        58
10.2     STEUERSCHULDNER                                   58
10.3     STEUERGEGENSTAND                                  59
10.4     BEMESSUNGSGRUNDLAGE                               59
10.5     STEUERSATZ                                        60
10.6     ENTSTEHUNG DER STEUERSCHULD                       61
10.7     SELBSTBERECHNUNG DURCH DEN PARTEIENVERTRETER      61
10.7.1     ERHEBUNG DER GRUNDERWERBSTEUER                  62
10.7.2     EINTRAGUNGSGEBÜHR                               62
10.8     HAFTUNG                                           63
10.9     ABGABENERKLÄRUNG                                  63

11      IMMOBILIENERTRAGSTEUER                             64

11.1     DEFINITION                                        64

                                                           III
11.2     STEUERPFLICHTIGER                                                   64
11.3     STEUEROBJEKT                                                        65
11.3.1    ALTVERMÖGEN                                                        65
11.3.2    NEUVERMÖGEN                                                        65
11.3.3    AUSNAHMEN VON DER IMMOEST                                          65
11.4     STEUERSATZ                                                          66
11.5     BEMESSUNGSGRUNDLAGE                                                 66
11.5.1    NEUVERMÖGEN                                                        66
11.5.2    ALTVERMÖGEN                                                        67
11.6     SELBSTBERECHNUNG, ERHEBUNG UND ABFUHR DURCH DEN PARTEIENVERTRETER   68

12     FINANZSTRAFRECHTLICHE ASPEKTE IN BEZUG AUF SELBSTBEMESSUNGSABGABEN    70

12.1     ABGABENHINTERZIEHUNG                                                70
12.2     FINANZORDNUNGSWIDRIGKEITEN § 49 ABS 1 LIT A FINSTRG                 72
12.2.1    ABGRENZUNG ABGABENHINTERZIEHUNG VON FINANZORDNUNGSWIDRIGKEIT       73
12.3     VERLETZUNG DER PFLICHT ZUR ABGABE VON UMSATZSTEUERVORANMELDUNGEN    74
12.3.1    FALLBEISPIEL                                                       75
12.4     FINANZSTRAFRECHTLICHE ASPEKTE DER KOMMUNALSTEUER                    76
12.5     SELBSTANZEIGE                                                       77
12.5.1    FRISTEN                                                            78

13     CONCLUSIO                                                             79

LITERATURVERZEICHNIS                                                         IX

JUDIKATURVERZEICHNIS                                                         XV

                                                                             IV
Abkürzungsverzeichnis
AbgÄG .................................................................... Abgabenänderungsgesetz

ABGB ................................................... Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch

AbgEO ................................................................. Abgabenexekutionsordnung

AbgRmRefG .......................................... Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz

AbgVRefG .................................................... Abgabenverfahrensreformgesetz

Abs ........................................................................................................ Absatz

AfA ........................................................................... Absetzung für Abnutzung

AFS .................................... Zeitschrift für Abgaben-, Finanz- und Steuerrecht

BAO ........................................................................... Bundesabgabenordnung

BFG ..................................................................................Bundesfinanzgericht

BGBl ....................................................................................Bundesgesetzblatt

BierStG 1995 ................................................................ Biersteuergesetz 1995

BMF ............................................................... Bundesministerium für Finanzen

bspw .......................................................................................... beispielsweise

B-VG .................................................................... Bundes-Verfassungsgesetz

bzw ........................................................................................beziehungsweise

DB ............................ Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds

Dh ...................................................................................................... das heißt

DZ ...............................................................Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag

EMRK ...............................................Europäische Menschenrechtskonvention

EStG ..........................................................................Einkommensteuergesetz

FAG ............................................................................ Finanzausgleichsgesetz

ff ................................................................................................... fortfolgende

FinStrG ................................................................................. Finanzstrafgesetz

FischereiG ............................................................................... Fischereigesetz

                                                                                                                      V
FLAG ............................................................. Familienlastenausgleichsgesetz

FlugAbgG ............................................................................Flugabgabegesetz

F-VG 1948 ...................................................... Finanz-Vefassungsgesetz 1948

FVwGG ...........................................Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz

GebG ......................................................................................Gebührengesetz

gem ....................................................................................................... gemäß

ggf ............................................................................................ gegebenenfalls

grds ............................................................................................. grundsätzlich

GrEStG 1987 .................................................. Grunderwerbsteuergesetz 1987

GrWV .................................................................. Grundstückswertverordnung

Hrsg ............................................................................................. Herausgeber

idF ............................................................................................ in der Fassung

idHv ......................................................................................... in der Höhe von

IdR................................................................................................ In der Regel

ImmoESt...................................................................... Immobilienertragsteuer

iSd ............................................................................................... im Sinne des

KohleAbgG ....................................................................... Kohleabgabegesetz

KommStG ................................................................... Kommunalsteuergesetz

KurtaxenG ............................................................................... Kurtaxengesetz

lit .............................................................................................................. litera

LSt .................................................................................................. Lohnsteuer

lt ................................................................................................................ laut

MwStSyst-RL................................................ Mehrwertsteuersystem-Richtlinie

OGH ................................................................................ Oberster Gerichtshof

RdW .................................................................................Recht der Wirtschaft

RFG ......................................................... Recht und Finanzen für Gemeinden

                                                                                                                            VI
Rsp ......................................................................................... Rechtsprechung

StGG .................................................................................. Staatsgrundgesetz

StRefG ..............................................................................Steuerreformgesetz

stRsp ....................................................................... ständige Rechtsprechung

SWK ................................................................... Steuer- und Wirtschaftskartei

ua .............................................................................................. unter anderem

UStG ............................................................................... Umsatzsteuergesetz

UStR 2000 ............................................................ Umsatzsteuerrichtlinie 2000

UVA ..................................................................... Umsatzsteuervoranmeldung

UVZ ..................................................................... Umsatzsteuervorauszahlung

va ...................................................................................................... vor allem

VergnügungssteuerG ............................................. Vergnügungssteuergesetz

VersStG ................................................................. Versicherungssteuergesetz

VfGH ...........................................................................Verfassungsgerichtshof

VO ................................................................................................. Verordnung

VwGH .......................................................................... Verwaltungsgerichtshof

WKG ........................................................................ Wirtschaftskammergesetz

zB ................................................................................................. zum Beispiel

ZP ............................................................................................. Zusatzprotokoll

ZWF ........................................ Zeitschrift für Wirtschafts-und Finanzstrafrecht

                                                                                                                      VII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Selbstbemessungsabgaben vs. Veranlagungsabgaben ...................... 16

Tabelle 2: Lohnsteuerberechnung ........................................................................ 37

Tabelle 3: Einkommensteuertarife ........................................................................ 38

Tabelle 4: Überblick Umsatzsteuervoranmeldung ................................................ 48

                                                                                                       VIII
1 Einleitung
Selbstbemessungsabgaben nehmen im Bereich des Steuerrechts eine bedeutende
Stellung ein. Sie tragen einerseits im erheblichen Ausmaß zum österreichischen
Steueraufkommen bei1 und andererseits sind sie durch ihre unterschiedlichen
inhaltlichen Ausgestaltungen von besonderem Interesse. In den vergangenen
Jahren hat sich im Bereich der Erhebung von Selbstbemessungsabgaben durch
zahlreiche Änderungen bspw durch das AbgÄG 2014, AbgÄG 2020 und dem
AbgRmRefG vieles weiterentwickelt.2 Die BAO schafft mit §§ 201, 201a und 202
BAO       die    Grundnormen,            während          die   Materiengesetze           die     einzelnen
Selbstbemessungsabgaben konkretisieren.3

Zu    Beginn       werden       die    abgabenrechtlichen               Grundlagen      im      Lichte    der
Selbstbemessungsabgaben behandelt. In weiterer Folge werden die für diese Art
von Abgaben bedeutenden Grundsätze des Steuerrechts behandelt. Ermessen
spielt vor allem im Bereich der §§ 201, 201a und 202 BAO eine essentielle Rolle
und wird daher in Zusammenschau mit den Ermessenskriterien näher ausgeführt.
Das       Hauptaugenmerk              dieser      Arbeit        liegt     auf     den        ausgewählten
Selbstbemessungsabgaben                  und      ihrer     inhaltlichen        Ausgestaltungen.          Die
nachfolgenden Kapitel dienen dazu, die Thematik in kohärenter Weise darzustellen.
In den Vordergrund werden vor allem jene gerückt, die für den Rechtsanwender am
bedeutendsten sind und in der Praxis eine wesentliche Rolle spielen. Ziel dieser
Arbeit ist es, die in Österreich vorherrschenden Regelungen für die Erhebung von
Selbstbemessungsabgaben in der BAO, in den einzelnen Materiengesetzen sowie
im Finanzstrafrecht übersichtlich darzustellen. Aufgrund des großen Umfanges der
Thematik konnten nicht alle Selbstbemessungsabgaben behandelt werden. Die
vorliegende Arbeit stellt dennoch einen grundlegenden Überblick über die
relevantesten Aspekte in Bezug auf Selbstbemessungsabgaben dar.

1  Statistik Austria, Österreichs Steuereinnahmen berechnet nach dem Europäischen System der
Volkswirtschaftlichen                    Gesamtrechnungen                       (ESVG                    2010),
https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/oeffentliche_finanzen_und_steuern/oeffentliche_finanzen/
steuereinnahmen/index.html (Stand 19.11.2019)
2      https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00024/fname_337611.pdf             (Stand      01.03.2014);
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00983/fname_760568.pdf                 (Stand        01.01.2020);
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXI/I/I_01074/fname_000187.pdf (Stand 01.01.2003).
3 § 201 BAO; § 201a BAO; § 202 BAO.

                                                                                                    1
2 Selbstbemessungsabgaben

2.1 Definition Selbstbemessungsabgabe

Von einer Selbstbemessungsabgabe spricht man, wenn die Abgabe vom
Abgabenschuldner oder vom Abfuhrpflichtigen, ohne vorherige Tätigkeit der
Abgabenbehörde, selbst zu berechnen und zu entrichten ist. Es kommt somit zu
keiner bescheidmäßigen Festsetzung der Abgabenschuld von Seiten der
Abgabenbehörde im vorhinein. 4

Nach Tanzer wird der Begriff der Selbstbemessungsabgabe terminologisch anders
verwendet.       Unter      §     201     BAO       fallende      Abgaben        werden       als
Selbstbemessungsabgaben bezeichnet und für jene, die unter § 202 BAO fallen,
wird seines Erachtens nach der Begriff der Selbstberechnungsabgabe verwendet.5

§ 201 BAO stellt die Grundnorm dar, weshalb diese nur dann zur Anwendung
gelangt, wenn keine abweichende oder speziellere Bestimmung in den
Abgabenvorschriften vorgesehen ist.6 Seit dieser durch das AbgRmRefG
geschaffenen Neufassung des § 201 BAO genießen somit speziellere Vorschriften,
die sich in Materiengesetzen finden, Vorrang.7 Da es sich bei § 201 BAO um eine
Verfahrensvorschrift handelt, sind speziellere landesgesetzliche Vorschriften gem §
17 Abs 3d letzter Satz F-VG 1948 am 01. Jänner 2010 außer Kraft getreten. Dazu
zählten bspw § 11 VergnügungssteuerG in Kärnten oder § 26 Abs 2 des
Vorarlberger FischereiG.8

IdR ist der Abgabenpflichtige zur Meldung der Selbstberechnung bei der
zuständigen Abgabenbehörde verpflichtet. Dabei handelt es sich jedoch um keine
Abgabenerklärung, sondern vielmehr um das Pendant zum Bescheid im
Veranlagungsverfahren. 9

4 Ritz, BAO6 (2017) § 201 Tz 1.
5 Ritz, BAO6 § 201 Tz 1a.
6        Erlass      des        BMF        vom  09.10.2009,      BMF-010103/0138-VI/2009,     1.1,
https://findok.bmf.gv.at/findok?execution=e2s4.
7 Ritz, BAO6 § 201 Tz 12.
8 Ritz, BAO6 § 201 Tz 4b.
9 Peter Knöll, Abgabenerhebung (Selbstbemessungssteuern versus Veranlagungssteuern), https://wien-

steuerberater.at/1807-Abgabenerhebung-Selbstbemessungssteuern-versus-
Veranlagungssteuern.html?suchwort=Selbstbemessungssteuern (Stand 20.09.2013).

                                                                                                2
Gem § 204 Abs 2 BAO gilt für die Selbstberechnung von Abgaben iSd § 201 BAO
die Rundungsvorschrift des § 204 Abs 1 BAO sinngemäß.10

§ 201 BAO wurde durch das AbgRmRefG novelliert, wodurch eine Harmonisierung
der Rechtswirkungen bezweckt wurde. Ziel war es, eine klare Differenzierung
zwischen Selbstberechnungen und Veranlagungsbescheiden zu schaffen. Von
dieser Neufassung des § 201 BAO waren im Ergebnis Abgaben erfasst, deren
Abgabenanspruch nach dem Ende des Jahres 2002 entstanden sind.11

2.2 Steuerschuldverhältnis

In   Kommentaren           der    BAO       erfolgt    häufig     die     Kommentierung          des
Steuerschuldverhältnisses unter Bezugnahme auf § 4 BAO. Tatsächlich stellt § 4
BAO nur den Ausgangspunkt dar. Demnach ist das Entstehen der Steuerschuld von
der Verwirklichung des jeweiligen Steuertatbestands abhängig, da durch ihn die
Steuerschuld erst begründet wird.12

2.2.1 Steuergläubiger

Als Steuergläubiger gilt jene Gebietskörperschaft, die für die Abgabenerhebung
zuständig ist. Welcher Gebietskörperschaft die Abgabe im Ergebnis zukommt, ist
für die Beurteilung der Person des Steuergläubigers irrelevant.13

10 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 2 (Stand 15.04.2018, rdb.at).
11 Ritz, BAO6 § 201 Tz 3.
12 Staringer, Das Steuerschuldverhältnis in Holoubek/Lang (Hrsg), Die allgemeinen Bestimmungen der BAO

(2012) 225.
13 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 (2019) Tz 127.

                                                                                                    3
2.2.2 Abgabepflichtiger

Wer Abgabepflichtiger ist, richtet sich nach § 77 BAO.14 Demnach ist jene Person
Abgabepflichtiger,            der    unter       Heranziehung           der       entsprechenden
Abgabenvorschriften als Steuerschuldner gilt. 15

Die BAO bezeichnet als Steuerschuldner jene Person, die den Steuerschuld
begründeten Steuertatbestand erfüllt. Sind mehrere Personen Steuerschuldner für
eine abgabenrechtliche Leistung, gelten sie als Gesamtschuldner iSd § 6 BAO.16

Der VwGH hat schon mehrmals bestätigt, dass ein Abgabepflichtiger jene Person
ist, die im Rahmen eines Abgabenverfahrens mit der zuständigen Abgabenbehörde
in Kontakt tritt bzw treten kann. Ebenfalls als Abgabepflichtiger gilt derjenige, der für
die Begleichung einer Abgabenschuld herangezogen wird, ohne dass er den laut
Gesetz vorgeschriebenen Tatbestand verwirklicht hat. Weiters ist auch derjenige
Abgabepflichtiger, der Gesamtschuldner ist, aber noch nicht in Anspruch
genommen wurde.          17   Aber auch ehemalige Abgabenschuldner fallen unter den
Begriff des Abgabepflichtigen.18

Betrifft die Abgabe eine Personengesellschaft, obliegt die Erfüllung der
abgabenrechtlichen Pflichten den Geschäftsführern. Wurden keine Personen zur
Führung der Geschäfte bestellt, obliegt diese Aufgabe den Mitgliedern bzw
Gesellschaftern gem § 81 Abs 1 BAO.19

14 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Tz 1263.
15 § 77 Abs 1 BAO; Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Tz 1263.
16 Doralt, Steuerrecht 202021 (2019) Tz 534.
17 Ritz, BAO6 § 77 Tz 1; VwGH 28.06.2012, 2011/16/0119.
18 Tanzer/Unger, BAO 2016/2017 Einführung in das Recht der Bundesabgabenordnung 5 (2017), 155.
19 Doralt, Steuerrecht 202021 Tz 563.

                                                                                                 4
2.2.3 Abfuhrpflichtiger

Vom Steuerschuldner zu unterscheiden ist der Abfuhrpflichtige. Der Abfuhrpflichtige
ist derjenige, der die entstandene Steuerschuld des Steuerschuldners an die
zuständige Abgabenbehörde abführt. Dieser Vorgang führt zu keiner Abwälzung der
Eigenschaft als Steuerschuldner auf den Abfuhrpflichtigen.20

Das klassische Beispiel dafür ist der Arbeitgeber, der für die korrekte Einbehaltung
und Abfuhr der Lohnsteuer haftet. Zu beachten gilt, dass die persönliche
Haftungsnorm des § 7 Abs 1 BAO nicht auf Abfuhrpflichtige Anwendung findet, da
der Abfuhrpflichtige bereits kraft gesetzlicher Anordnung (§§ 82, 95 Abs 1 und § 100
Abs 2 EStG 1988) eine Zahlungsverpflichtung auferlegt bekommt, ohne dass es
eines Haftungsbescheides bedarf. 21

2.2.4 Partei

Parteien iSd materiellen Abgabenvorschriften können nicht nur natürliche
Personen, sondern auch juristische Personen oder Personengesellschaften sein.
Verfügt     die    Partei     nicht     über     ausreichende         Handlungsfähigkeit,          ist   ein
entsprechender Vertreter zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten zu
bestellen. Die Beurteilung der Handlungsfähigkeit richtet sich gem § 79 BAO nach
den Regeln des ABGB. In diesem Fall ist zwingend ein Vertreter einzusetzen.
Davon abgesehen gibt es auch die Möglichkeit einer gewillkürten Stellvertretung
gem § 83 Abs 1 BAO. Zu beachten ist, dass die BAO keinen Unterschied zwischen
Partei und Beteiligten kennt, wie es bspw. in anderen Rechtsbereichen der Fall ist.22

20 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Tz 128.
21 Ritz, BAO6 § 77 Tz 4; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 7 Anm 11 (Stand 01.06.2013, rdb.at).
22 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Tz 1263 f.

                                                                                                          5
2.3 Wirkung der Selbstbemessungsabgabe

Der VwGH hat in seiner ständigen Rechtsprechung schon mehrmals bekräftigt,
dass die Einreichung einer Selbstbemessungsabgabe dieselben Wirkungen
entfaltet, wie eine Festsetzung durch Bescheid. Der Unterschied liegt lediglich darin,
dass es bei Selbstbemessungsabgaben durch die Einreichung zu einer
Abgabenfestsetzung ex lege kommt.23

Der VwGH hat dies unter anderem in einer Rechtssache bejaht, in der ein
Abgabepflichtiger die Erklärung der Selbstbemessungsabgabe eingereicht hat,
aber in weiterer Folge einen Rückerstattungsanspruch aufgrund falscher
Selbstberechnung gestellt hat. Der VwGH hat folgendermaßen begründet:

         Die durch die Einreichung der Erklärung der Selbstbemessung
         eingetretene „Quasirechtskraft“ wird durch eine bescheidmäßige
         Festsetzung durchbrochen und somit bedeutungslos. Primär wird in
         einem     solchen        Fall      über       die         Festsetzung   der
         Selbstbemessungsabgabe als solches entschieden und erst in
         weiterer Folge über das gestellte Rückerstattungsbegehren.24

2.4 Die „angeordnete“ Selbstberechnung

Unter angeordneten Selbstberechnungen versteht man die Verpflichtung durch den
Gesetzgeber, die Abgabe selbst zu berechnen oder die Berechnung durch einen
Dritten vornehmen zu lassen. Angeordnete Selbstberechnungen finden sich in ua
in folgenden Materiengesetzen:

     •    § 43 FLAG
     •    § 122 Abs 1 und Abs 7 WKG
     •    § 10 BierStG 1995
     •    § 6 Abs 1 KohleAbgG
     •    § 7 Abs 2 FlugAbgG ua. 25

23 VwGH 2010/16/0039 SWK 2011/1.
24 VwGH 24.06.2010, 2010/16/0039; VwGH 28.02.2008, 2006/16/0129.
25 Ritz, BAO6 § 201 Tz 4.

                                                                                       6
Nimmt man § 43 FLAG als Beispiel, spricht der Gesetzgeber davon, dass die
Entrichtung des Dienstgeberbeitrages monatlich bis spätestens den 15. Tag des
nachfolgenden Monats an die zuständige Abgabenbehörde zu erfolgen hat.
Demzufolge ist hier von einer Verpflichtung ex lege die Rede.26

2.5 Die „gestattete“ Selbstberechnung

Von einer gestatteten Selbstberechnung geht man idR aus, wenn die
Selbstberechnung vom Gesetzgeber gewollt ist.27

Gestattete Selbstberechnungen finden sich beispielsweise in § 11 GrEStG 1987
und § 3 GebG.

Gemäß dem Wortlaut von § 11 GrEStG 1987, haben Parteienvertreter
(Rechtsanwälte und Notare) nach Maßgabe der §§ 12, 13 und 15 die Befugnis, die
Steuer für Erwerbsvorgänge, die dem Anwendungsbereich des GrEStG 1987
unterliegen, die Berechnung als bevollmächtigte Person des Steuerschuldners
selbst vorzunehmen. Dies ist unter der Voraussetzung, dass die Selbstberechnung
innerhalb      der    Frist    gem      §    10   GrEStG   1987   erfolgt,   möglich.28   Eine
Selbstberechnung von Abgaben durch bevollmächtigte Parteienvertreter ist
möglich, es gibt aber keine gesetzliche Verpflichtung dafür. Davon gibt es jedoch
eine Ausnahme, die sich im Bereich der Immobilienertragsteuer findet. Hier besteht
eine Verpflichtung zur Selbstberechnung von Abgaben durch den bevollmächtigten
Parteienvertreter. Im Rahmen privater Grundstücksgeschäfte iSd § 30 EStG
berechnet der bevollmächtigte Parteienvertreter die Immobilienertragsteuer und hat
sie sodann an das zuständige Finanzamt abzuführen.29

26 § 43 Abs 1 FLAG.
27 VwGH 18.12.2013, 2010/13/0100.
28 § 11 Abs 1 GrEStG 1987.
29 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 6.

                                                                                            7
2.6 Bekanntgabe der Selbstberechnung

Hinsichtlich der Bekanntgabe der Selbstberechnung gibt es mehrere Möglichkeiten.
Je         nachdem      um     welche      Abgabe   es   sich   handelt,   kommen   mehrere
Bekanntgabemöglichkeiten in Betracht:

       •    Anmeldung (zB § 13 Abs 1 GrEStG),
       •    Voranmeldung (zB § 21 Abs 1 UStG),
       •    Steuererklärung (zB § 8 Abs 3 VersStG) oder
       •    bloße Entrichtung

Die bloße Entrichtung kommt aber nur dann in Frage, wenn sich aus dem Gesetz
keine andere ausdrückliche Anordnung ergibt.30

30   Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 11.

                                                                                          8
3 Grundsätze des Steuerrechts
Im Folgenden wird auf die wesentlichen Grundsätze des Steuerrechts Bezug
genommen, vor allem auf jene, die in Hinblick auf Selbstbemessungsabgaben von
besonderer Bedeutung sind.

3.1 Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung

Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist eines von mehreren
zentralen       rechtspolitischen         Instrumenten     des      Steuerrechts.   Unter    der
Gleichmäßigkeit der Besteuerung versteht man eine Verteilung der Steuerlasten
nach sachlichen, auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gerichtete Gesichtspunkte.
Dementsprechend gilt der allgemein anerkannte Gleichheitssatz gem Art 7 Abs 1
B-VG und Art 2 StGG auch für die Erhebung von Steuern.31

Dieser Grundsatz bindet neben dem Gesetzgeber auch die Vollzugsorgane,
wonach Differenzierungen nur dann gerechtfertigt sein können, wenn es triftige,
sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung gibt und die Ausgestaltung nicht
unverhältnismäßig erscheint. Zudem darf Gleiches keiner ungerechtfertigten,
unsachlichen Ungleichbehandlung unterliegen. 32

Die Schaffung von Selbstbemessungsabgaben steht auch im Einklang mit
verwaltungsökonomischen Zielsetzungen und Überlegungen. Das mit dem
Gleichheitssatz        einhergehende           Sachlichkeitsgebot    setzt   zwei   Punkte   im
Zusammenhang mit Selbstbemessungsabgaben voraus. Einerseits, dass eine
Abgabenverkürzung verhindert wird, va durch Verpflichtungen, die an den
Steuerpflichtigen gerichtet sind. Andererseits muss aber auch gewährleistet
werden, dass die maßgeblichen Umstände, die für die Bemessung der Abgabe
erforderlich sind, zu Gunsten des Steuerpflichtigen, entweder durch ihn selbst oder
von Amts wegen, festgestellt werden können.33

31 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Tz 53.
32 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht3 (2017) 22.
33 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Tz 62.

                                                                                              9
3.2 Grundsatz von Treu und Glauben

Bei dem Grundsatz von Treu und Glauben handelt es sich um ungeschriebenes
Recht, das auch im Steuerrecht Wirksamkeit entfaltet. Demnach kommt jedermann
eine Verpflichtung zu, für seine Worte und sein Handeln einzustehen und nur davon
abzuweichen, sofern es dafür ernstzunehmende Gründe gibt, da idR ein anderer
darauf vertraut. Nach der Rsp des VwGH kommt dem Grundsatz von Treu und
Glauben kein Verfassungsrang zu und gelangt nur insofern zur Anwendung, sofern
das gesatzte Recht es zulässt.34 Im Ergebnis erwächst der Grundsatz von Treu und
Glauben sozusagen aus dem Gleichheitssatz und bindet so die Behörden. Bei
diesem Grundsatz ist jedoch zu beachten, dass dieser auf Ausnahmefälle
beschränkt ist, vor allem wenn es darum geht, dass die bisherige, offensichtlich
nicht gesetzeskonforme Verwaltungspraxis Bindung entfalten sollte. In solch einem
Fall ist eine Bindung der Behörden jedenfalls zu verneinen.35

Von großer Bedeutung aber ist die Tatsache, dass der Grundsatz von Treu und
Glauben davon abhängig ist, dass ein entsprechend nahes Verhältnis zwischen
dem Steuerpflichtigen und der Behörde vorliegt, da nur so ein Vertrauensverhältnis
entstehen kann.36

3.3 Schutz des Privateigentums

Gem Art 5 StGG genießt das Eigentum Unverletzlichkeit. Sowohl natürliche als auch
juristische Personen haben gem Art 1 1. ZP-EMRK ein Recht darauf, dass ihr
Eigentum geachtet und beschützt wird. Kommt es durch den Gesetzgeber zu einer
Beschränkung des Eigentums, müssen entsprechende Kriterien kumulativ
vorliegen, damit keine Verfassungswidrigkeit vorliegt:

     •   öffentliches Interesse
     •   keine Unverhältnismäßigkeit37

34 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Tz 38.
35 Doralt, Steuerrecht 202021 Tz 531.
36 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Tz 39.
37 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Tz 66.

                                                                               10
Verfassungswidrigkeit liegt vielmehr auch dann vor, wenn das herangezogene
Gesetz an sich nicht verfassungskonform ist oder ein gesetzloser Eingriff von Seiten
der Behörden erfolgt ist. Einem gesetzlosen Eingriff gleichzustellen ist eine
denkunmögliche Gesetzesanwendung.38

Bisher gab es keinen Anwendungsfall in dem ein Steuergesetz wegen Verstoßes
gegen das Eigentumsrecht aufgehoben wurde. Der VfGH begründet seine
Entscheidungen idR damit, dass Abgabenbelastungen nicht unter den Begriff der
Enteignung subsumiert werden können, allein schon aus historischen Gründen. In
der jüngeren Judikatur des VfGH prüft dieser dennoch, ob die Erhebung der
jeweiligen Abgabe im öffentlichen Interesse liegt, da der VfGH bei Steuern
jedenfalls eine Beschränkung des Eigentums bejaht.39

3.4 Grundsatz der Verwaltungsökonomie

Gem § 126b Abs 5 B-VG hat der Rechnungshof in seiner Aufgabe der Überprüfung
neben der ziffernmäßigen Richtigkeit der Gebarung, auch die Kriterien der
Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit in seine Beurteilung einfließen
zu lassen. Daraus lässt sich das für die Hoheitsverwaltung des Bundes
gleichlautende Gebot ableiten. Das Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und
Zweckmäßigkeit ist in der BAO dort von großer Relevanz, wo die Abgabenbehörde
berechtigt ist Ermessen zu üben.

Aus verwaltungsökonomischen Gründen ist daher eine Festsetzung von
Selbstbemessungsabgaben gem § 201 Abs 2 BAO zu unterlassen, wenn die
Nachforderung uneinbringlich wäre oder wenn die Einhebung der Nachforderung
eine unbillige Maßnahme darstellen würde.40

38 Ehrke-Rabel, elements Steuerrecht3 23.
39 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Steuerrecht II8 Tz 66.
40 Ritz, Ermessen im Steuer- und Verwaltungsrecht in Holoubek/Lang (Hrsg), Die allgemeinen Bestimmungen

der BAO (2012) 113.

                                                                                                   11
4 Ermessen
Die maßgebliche Norm, die der Abgabenbehörde die Berechtigung einräumt
Ermessen auszuüben, findet sich in § 20 BAO. Primär ist zu beurteilen, ob im
konkreten Fall eine Ermessensnorm überhaupt vorliegt. Um eine solche handelt es
sich, wenn dem zuständigen vollziehenden Organ bestimmbare Freiheiten bei der
Rechtsfolgensetzung eingeräumt werden. Aus dem Gesetz dürfen sich somit keine
zwingenden Rechtsfolgen bei Verwirklichung des entsprechenden Tatbestands
ergeben. IdR sind solche Ermessensnormen leicht erkennbar, da Worte wie „kann“,
„darf“ oder „ist zulässig“ einen konkreten Hinweis darauf liefern.41 Als konkretes
Beispiel kann hier § 201 Abs 2 BAO herangezogen werden. Hinsichtlich dessen
Wortlautes liegt es somit im Ermessen der Abgabenbehörde, ob eine erstmalige
Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe stattfindet oder nicht.42 Im Gegensatz
dazu wird bei § 201 Abs 3 BAO „Die Festsetzung hat zu erfolgen“ verwendet,
woraus geschlossen werden kann, dass somit eine Verpflichtung vorliegt und keine
Ermessensübung zulässig ist.43

Zu beachten gilt jedoch, dass nicht jedes der eben genannten Wörter auch immer
Ermessen einräumt. Vielmehr ist eine Ermessensausübung ausgeschlossen, wenn
sich sämtliche potentielle Voraussetzungen für eine Rechtsfolge aus dem Gesetz
bereits ergeben. Zudem liegt in Hinblick auf § 20 Abs 1 letzter Satz B-VG die
Ablehnung          einer       Weisungsbefolgung              nicht       im        Ermessen   des
Weisungsgebundenen.44

Die Ermessensausübung ist aber auch an bestimmte Kriterien geknüpft, da sie die
Grenzen des Gesetzes nicht überschreiten darf. Im Rahmen dieser Grenzen ist eine
Ermessensentscheidung zulässig, sofern sie unter Berücksichtigung aller
möglichen Umstände nach Zweckmäßigkeit und Billigkeit getroffen wird. 45

41 Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 20 Anm 2 f (Stand 01.01.2005, rdb.at).
42 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 7.
43 Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch1 (2016) 546; § 201 Abs 3 BAO.
44 Ritz, BAO6 § 20 Tz 2.
45 Platzgummer, Die BAO im Zentrum der Finanzverwaltung, in FS Ritz (2015) 224.

                                                                                               12
Unter      Billigkeit    versteht       man       die    Rücksichtnahme            auf     bedeutsame
Parteieninteressen. Zweckmäßigkeit bedeutet, dass ein öffentliches Interesse
vorliegen muss, aber auch das Unterlassen von unnötigen und nicht zielführenden
Verwaltungshandlungen. In diesem Zusammenhang kann auch auf § 126b Abs 5
B-VG verwiesen werden, in dem die Verwaltungsökonomie als solches
hervorgehoben wird. Dem Kriterium der Zweckmäßigkeit wohnt auch der Grundsatz
der Gleichmäßigkeit der Besteuerung inne, wonach alle Abgabepflichtigen nach
objektiven und sachlichen Gesichtspunkten gleichbehandelt werden sollen. Den
einzelnen Abgabepflichtigen soll eine individuelle Behandlung zu Teil werden,
jedoch darf es zu keiner Besserstellung bzw Besserbehandlung kommen.46

4.1 Ermessensfehler

Als Ermessensfehler gelten vor allem der Ermessensmissbrauch, als auch die
Ermessensüberschreitung.

Unter einem Ermessensmissbrauch versteht man eine zwar innerhalb der
gesetzlichen Grenzen getroffenen Entscheidung, jedoch auf willkürlicher und
unsachlicher Basis.47

Eine Ermessensüberschreitung kann in zweierlei Hinsicht vorliegen. Einerseits,
wenn eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, aber im konkreten Fall kein
Ermessen eingeräumt war. Andererseits kann eine Ermessensüberschreitung aber
auch dann vorliegen, wenn kein Ermessen geübt wird, obwohl ein solches
eingeräumt ist.48

Der VwGH ist in der genauen Überprüfung von Ermessensentscheidungen gem §
133 Abs 3 B-VG eingeschränkt, da keine Rechtswidrigkeit vorliegt, soweit das
Verwaltungsgericht innerhalb der gesetzlichen Grenzen Ermessen geübt hat. 49

46 Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 20 Anm 8 f; Platzgummer, Die BAO im Zentrum der Finanzverwaltung,
in FS Ritz 226.
47 Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 20 Anm 10.
48 Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 20 Anm 10.
49 Fischerlehner, Abgabenverfahren2 (2016) § 20 Anm 5; Art 133 Abs 3 B-VG.

                                                                                                        13
5 Voraussetzungen                     für     die    erstmalige        Festsetzung     einer
      Selbstbemessungsabgabe
Gem § 201 Abs 1 BAO kann gem Abs 2 und muss gem Abs 3 auf Antrag des
Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der jeweiligen
Abgabe mittels Abgabenbescheid erfolgen. Dies passiert unter der Prämisse, dass
eine Verpflichtung des Abgabepflichtigen zur Selbstberechnung vorliegt, dieser der
Verpflichtung       jedoch      nicht    nachkommt       oder   sich   die   bekanntgegebene
Selbstberechnung als unrichtig herausstellt.50

Das in § 201 BAO geregelte Antragsrecht, das dem Abgabepflichtigen iSd § 77 BAO
zusteht, hat erst mit dem AbgRmRefG Eingang in die BAO gefunden. Bis zu diesem
Zeitpunkt waren Festsetzungen obligatorischer Natur.51

Der Abgabepflichtige kann von seinem Antragsrecht entweder schriftlich oder
mündlich Gebrauch machen.52 Die mündliche Antragstellung ist gem § 85 Abs 3
BAO aber an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Demnach ist ein mündliches
Anbringen nur möglich, wenn es in den Abgabenvorschriften vorgesehen ist, wenn
der Aspekt der Zweckmäßigkeit für das Verfahren im Vordergrund steht oder wenn
es dem Abgabepflichtigen aus persönlichen Gründen nicht zugemutet werden kann,
den Antrag in schriftlicher Form einzubringen.53

Der Abgabepflichtige kann den gestellten Antrag bis zur formellen Rechtskraft des
Bescheides zurücknehmen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass ein
Verzicht auf eine Antragsstellung nicht möglich ist und daher keinerlei Wirkung
entfalten würde. Bei einem Festsetzungsantrag handelt es sich gem § 85 Abs 1
BAO um ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten. 54

Eine      wesentliche         Unterscheidung         zwischen     Selbstberechnungen     und
Veranlagungsbescheiden findet sich im Bereich der zuständigen Stelle bei
Antragstellung bzw Beschwerdeerhebung. Während sich ein Antrag auf
Abgabenfestsetzung ausschließlich an die zuständige Abgabenbehörde richtet, ist
das     sachlich      und     örtlich       zuständige   Verwaltungsgericht    für   erhobene

50 § 201 Abs 1 BAO.
51 Ritz, BAO6 § 201 Tz 23; Ritz, BAO6 § 201 Tz 24.
52 Ritz, BAO6 § 201 Tz 24.
53 § 85 Abs 3 BAO.
54 Ritz, BAO6 § 201 Tz 24.

                                                                                          14
Bescheidbeschwerden zuständig.55 Demnach erfolgt auch die Festsetzung der
betreffenden Abgabe durch die jeweilige sachlich und örtlich zuständige
Abgabenbehörde.56

Folgende Gründe können nach Maßgabe der Abs 2 und 3 zu einer erstmaligen
Festsetzung der jeweiligen Abgabe mittels Abgabenbescheid führen:

     •   Unterlassung der Bekanntgabe eines selbstberechneten Betrages bei der
         zuständigen Abgabenbehörde oder
     •   die bekanntgegebene Selbstberechnung stellt sich als unrichtig heraus.57

Unter     Unrichtigkeit      versteht         man   in   diesem   Zusammenhang,   dass   die
bekanntgegebene Selbstberechnung objektiv rechtswidrig ist. Die objektive
Rechtswidrigkeit wiederum ergibt sich aus einer unrichtigen Rechtsauffassung, der
Unterlassung der Bekanntgabe abgabenrechtlich relevanter Umstände oder dem
rückwirkenden Inkrafttreten einer Rechtsvorschrift.58

Unbedeutend bei der Anwendung des § 201 BAO ist es, ob die Selbstberechnung
überhöht oder zu niedrig erfolgte, ob dem Abgabepflichtigen die Unrichtigkeit
subjektiv vorwerfbar ist oder ob die Selbstberechnung zum bedungenen Zeitpunkt
oder verspätet durchgeführt wurde. 59

Zu beachten ist, dass die Regelungen bezüglich der Festsetzung einer
Selbstbemessungsabgabe nach § 201 BAO, sei es auf Antrag oder von Amts
wegen, nur dann Anwendung finden, sofern andere Abgabenvorschriften keine
eigenständigen Regelungen vorsehen.60

55 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20.
56 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 9.
57 VwGH 29.03.2017, Ro 2015/15/0030.
58 Ritz, BAO6 § 201 Tz 8.
59 Ritz, BAO6 § 201 Tz 9.
60 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 14.

                                                                                         15
6 Abgabenfestsetzung gem § 201 BAO
Die nachfolgende Tabelle sollte dazu dienen § 201 BAO zu veranschaulichen und
durch eine Gegenüberstellung die Materie verständlicher zu gestalten.

 Selbstberechnungen                 Veranlagungsbescheide

 § 201 Abs 2 Z 1 BAO                § 299 BAO    Aufhebung von Amts wegen

 § 201 Abs 2 Z 2 BAO                § 299 BAO    Aufhebung auf Antrag der Partei

 § 201 Abs 2 Z 3 BAO                § 303 BAO    Wiederaufnahme des Verfahrens

 § 201 Abs 2 Z 5 BAO                § 293b BAO   Bescheidberichtigung    von   Amts
                                                 wegen oder auf Antrag

 § 201 Abs 2 Z 5 BAO                § 295a BAO   Bescheidabänderung      von   Amts
                                                 wegen oder auf Antrag

 § 201 Abs 3 Z 1 BAO                § 245 BAO    Einbringung                   einer
                                                 Bescheidbeschwerde

 § 201 Abs 3 Z 3 BAO                § 295 BAO    Änderung eines Bescheids61

Tabelle 1: Selbstbemessungsabgaben vs. Veranlagungsabgaben

Eine auf § 201 BAO stützende Abgabenfestsetzung kann einerseits zu Gunsten des
Abgabepflichtigen erfolgen, kann jedoch auch negative Auswirkungen auf die
Person des Abgabepflichtigen haben.62

61   Ritz, BAO6 § 201 Tz 3.
62   Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 18.

                                                                                       16
6.1 Abgabenfestsetzung gem § 201 Abs 2 Z 1 BAO

Die erstmalige Festsetzung kann von Amts wegen gem § 201 Abs 2 Z 1 BAO
innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe erfolgen. Die erstmalige
Abgabenfestsetzung weicht somit von der, der Abgabenbehörde bekannt
gegebenen Selbstberechnung durch den Abgabenpflichtigen ab.63 Ob es zu einer
Abgabenfestsetzung kommt, liegt jedoch im pflichtgemäßen Ermessen der
Abgabenbehörde gem § 20 BAO.64 Somit entspricht § 201 Abs 2 Z 1 BAO der
Regelung des § 299 BAO. Dies gilt auch hinsichtlich der Regelungen bzgl der
Jahresfrist und der Ermessensübung.65 Durch das AbgRmRefG kam es zu einer
sprachlichen Angleichung des § 299 Abs 1 BAO an die Terminologie des § 201 Abs
2 Z 1 BAO und somit zu einer Harmonisierung von Veranlagungsbescheiden und
Selbstberechnungen, vor allem im Bereich des Rechtsschutzes.66

6.2 Abgabenfestsetzung gem § 201 Abs 2 Z 2 BAO

Zu einer erstmaligen Festsetzung nach § 201 Abs 2 Z 2 BAO kann es kommen,
wenn die Einbringung des Antrages auf Festsetzung durch den Abgabepflichtigen
spätestens ein Jahr nach erfolgter Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages
erfolgt. Der Unterschied zu § 201 Abs 2 Z 1 BAO liegt darin, dass § 201 Abs 2 Z 2
BAO auf eine Antragstellung durch den Abgabepflichtigen abstellt. 67 Sofern die 1-
Jahresfrist gewahrt wird, unterliegt dieser Erledigungsanspruch in sinngemäßer
Anwendung des § 209a Abs 2 BAO nicht der Verjährung.68

63 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; § 201 Abs 2 Z 1 BAO.
64 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20.
65 Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch1 544.
66 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 299 Anm 15 (Stand 01.01.2017, rdb.at).
67 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; § 201 Abs 2 Z 2 BAO.
68 Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch1 544.

                                                                               17
6.3 Abgabenfestsetzung gem § 201 Abs 2 Z 3 BAO

Bei § 201 Abs 2 Z 3 BAO ist zwischen zwei Tatbeständen zu unterscheiden. Zum
ersten Tatbestand wird der Fall des Nichtbekanntgebens eines selbstberechneten
Betrages       gezählt.       Demnach          ist    die       erstmalige       Festsetzung    einer
Selbstbemessungsabgabe nur insoweit zulässig, sofern die Verjährungsfrist gem
§§ 207 ff BAO noch nicht abgelaufen ist. Geht der Abgabenfestsetzung eine
Verpflichtung zu einer nach den Abgabenvorschriften notwendigen Antragstellung
voraus, kann es trotz Eintrittes der Verjährung gem § 209a Abs 2 BAO auch dann
noch zu einer erstmaligen Festsetzung kommen, wenn der Antrag vor Ablauf der
Frist eingebracht wurde.69 Das BFG hat in seiner Rsp die Möglichkeit der
Antragstellung innerhalb der Verjährungsfrist ebenfalls bejaht.70

Unter dem zweiten Tatbestand des § 201 Abs 2 Z 3 BAO versteht man den Fall,
dass es zu einer erstmaligen Abgabenfestsetzung unter sinngemäßer Anwendung
des § 303 BAO kommt. Dh. es müssten die Voraussetzungen, die für eine
Wiederaufnahme des Verfahrens notwendig sind, vorliegen. Unter                           § 303 BAO
fällt unter anderem, wenn die Selbstberechnung durch eine gerichtlich strafbare
Handlung erfolgt ist oder neue Tatsachen oder Beweismittel nach abgeschlossenen
Verfahren aufgetaucht sind.71 IdR gilt, dass eine Wiederaufnahme von Verfahren
entweder von Amts wegen oder auf Antrag geltend gemacht werden kann. 72

Bei der sinngemäßen Anwendung des § 303 BAO zur                                    bescheidmäßigen
Festsetzung von Selbstbemessungsabgaben ist aber auch § 304 BAO idF des
Jahressteuergesetzes 2018 zu beachten. Von Bedeutung ist hier nicht nur                            §
304 lit a BAO, wonach eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der
Verjährung möglich ist, wenn der Antrag vor Eintritt der Verjährungsfrist gestellt
wurde, sondern auch dessen lit b. Aus diesem Grund ist in sinngemäßer
Anwendung         des     §    303      Abs     1    lit    b      BAO    eine    Festsetzung    von
Selbstbemessungsabgaben von Amts wegen auch noch innerhalb einer
Dreijahresfrist ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages für zulässig zu
erachten.      Für gewöhnlich          wird     in   Anwendung           dieser Regelungen      eine

69 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; § 201 Abs 2 Z 3 BAO.
70 BFG 05.03.2014, RV/6100588/2013.
71 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; § 201 Abs 2 Z 3 BAO.
72 Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch1 544.

                                                                                                  18
Nachforderung geltend gemacht. Von dieser Möglichkeit kann nur Gebrauch
gemacht werden, wenn man sich im Anwendungsbereich des § 201 Abs 2 Z 3 BAO
befindet und dem keine lex specialis entgegensteht, wie zB § 11 Abs 3 KommStG
1993.73

6.4 Abgabenfestsetzung gem § 201 Abs 2 Z 4 BAO

Ursprünglich enthielt Z 4 einen Tatbestand, wonach es zu einer erstmaligen
Festsetzung kommen konnte, wenn ein Widerspruch der Selbstberechnung zu
internationalem Recht vorlag.74 Mit der Aufhebung der Z 4 durch das AbgVRefG
BGBl I 2009/20 schaffte man einen Einklang mit dem geänderten § 302 BAO.75

73 Ritz, Wiederaufnahme von Abgabenverfahren nach Eintritt der Verjährung, AFS 2018, 162 (166);      § 304
BAO.
74 Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch1 544.
75 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; AbgVRefG BGBl I 20/2009; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm

24.

                                                                                                      19
6.5 Abgabenfestsetzung gem § 201 Abs 2 Z 5 BAO

Auch bei § 201 Abs 2 Z 5 BAO ist zwischen dem ersten und dem zweiten Tatbestand
zu differenzieren.

Der erste Tatbestand des § 201 Abs 2 Z 5 BAO zielt auf die sinngemäße
Anwendung des § 293b BAO ab. Demnach kann es zu einer von der bereits
bekanntgegebenen Selbstberechnung abweichenden erstmaligen Festsetzung
kommen, wenn die Rechtswidrigkeit der Selbstberechnung auf der Übernahme
offensichtlicher Unrichtigkeiten bei Bekanntgabe beruht. Auch hier gilt, dass eine
erstmalige      Abgabenfestsetzung               von     Amts   wegen    oder   auf   Antrag   des
Abgabepflichtigen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist gem §§ 207 ff BAO erfolgen
kann. Geht diesem Fall eine Verpflichtung zur Antragstellung voraus, steht der
Eintritt der Verjährung der Abgabenfestsetzung nicht im Wege, sofern der Antrag
vor Ablauf der Frist eingebracht wurde. (§ 209a Abs 2 BAO)76

Hinsichtlich des zweiten Tatbestands des § 201 Abs 2 Z 5 BAO ist hervorzuheben,
dass hier auf § 295a BAO verwiesen wird und dieser somit sinngemäß zur
Anwendung gelangt. Es kommt daher auf Antrag oder von Amts wegen insoweit zu
einer von der bekanntgegebenen Selbstberechnung abweichenden erstmaligen
Abgabenfestsetzung, als ein Ereignis eingetreten ist, das in abgabenrechtlicher
Hinsicht wesentlichen Einfluss auf den Umfang und den Bestand des
Abgabenanspruchs hat.

Zu beachten ist, dass es sich um ein Ereignis handeln muss, dass
abgabenrechtliche           Wirkung        für     die     Vergangenheit    hinsichtlich   dieses
Abgabenanspruchs entfaltet.77

Die unmittelbare Anwendbarkeit des § 295a BAO ist ausgeschlossen, solange über
die Höhe der Selbstberechnung der Abgabe noch kein Bescheid ergangen ist und
eben ein solch rückwirkendes Ereignis eingetreten ist, mit dem sich die
Selbstberechnung einer Abgabe als unrichtig herausstellt. Genau in so einem Fall,
ist der Anwendungsbereich des § 201 Abs 2 Z 5 BAO eröffnet. 78

76 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; § 201 Abs 2 Z 5 BAO.
77 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; § 201 Abs 2 Z 5 BAO.
78 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 295a Anm 2 (Stand 01.01.2017, rdb.at).

                                                                                               20
Da § 295a BAO sinngemäß anzuwenden ist, gelten auch die entsprechenden
Verjährungsvorschriften des §§ 207, 208 Abs 1 lit e BAO. Maßgeblicher Zeitpunkt
für den Beginn der Verjährung gem § 208 Abs 1 lit e BAO ist der Ablauf des Jahres,
in dem das entsprechende Ereignis eingetreten ist.79 Liegt dem Sachverhalt jedoch
ein Antrag zugrunde, ist eine erstmalige Festsetzung auch noch nach dem Eintreten
der Verjährung möglich, sofern der Antrag gem § 209a Abs 2 BAO vor diesem
Zeitpunkt eingebracht wurde.80

Dem ersten und dem zweiten Tatbestand des § 201 Abs 2 Z 5 BAO ist die
Teilrechtskraft gemein. Zusammengefasst bedeutet das, dass es hier eine
Beschränkung gibt hinsichtlich der Änderung einer bereits bekanntgegebenen
Selbstberechnung.          Entweder        es    liegt    ein      Fall   der   Übernahme   eines
Erklärungsfehlers in sinngemäßer Anwendung des § 293b BAO vor oder es
ergeben sich Auswirkungen auf die Selbstberechnung durch den Eintritt eines
rückwirkenden Ereignisses gem § 295a BAO.81

79 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; § 201 Abs 2 Z 5 BAO.
80 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 295a Anm 2.
81 Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch1 545.

                                                                                              21
6.6 Abgabenfestsetzung gem § 201 Abs 3 Z 1 BAO

Bereits aus dem Wortlaut des § 201 Abs 3 Z 1 BAO ergibt sich, dass die Festsetzung
antragsgebunden ist.82 Es ist zu beachten, dass der Antrag auf Festsetzung
innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages
einzubringen ist. Dabei handelt es sich um eine Frist, die weder verlängerbar ist,
noch gehemmt werden kann.83 Von der einmonatigen Frist zur Antragsstellung ist
die Beschwerdefrist zu unterscheiden, die gem § 245 Abs 3 BAO verlängerbar ist
und       gehemmt            werden         kann.         Dies        ist      trotz    weitgehender
Rechtsschutzharmonisierung                im     Bereich       der      Selbstberechnungen       und
Veranlagungsbescheiden noch ein wesentlicher Unterschied.84

6.7 Abgabenfestsetzung gem § 201 Abs 3 Z 2 BAO

Durch eine Novellierung des Wiederaufnahmsrechts der BAO wurde im Jahr 2012
§ 201 Abs 3 Z 2 BAO mit dem FVwGG aufgehoben. Dies hatte zur Folge, dass eine
Abgabenfestsetzung             bei     sinngemäßen            Vorliegen        von     Gründen   zur
Wiederaufnahme im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Abgabenbehörde
liegt. Dabei handelt es sich somit um einen weiteren Harmonisierungsakt im Bereich
der Selbstberechnungen und Veranlagungsbescheide.85

6.8 Abgabenfestsetzung § 201 Abs 3 Z 3 BAO

Liegt ein Sachverhalt vor, wonach § 201 Abs 3 Z 3 BAO einschlägig erscheint, ist §
295 BAO sinngemäß anzuwenden. Diese Regelung gelangt dann zur Anwendung,
wenn die Voraussetzungen zur Änderung gem § 295 Abs 1 – 3 BAO vorliegen. Ein
solcher Fall liegt vor, wenn der Spruch des Bescheides nicht so lauten hätte dürfen,
wie er tatsächlich lautet oder die Bescheiderlassung nicht erfolgen hätte dürfen,
wenn im diesem Zeitpunkt ein anderer Bescheid bereits aufgehoben, geändert oder
erlassen gewesen wäre.86

82 Ritz, BAO6 § 201 Tz 20.
83 Ritz, BAO6 § 201 Tz 3.
84 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20.
85 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 22.
86 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; § 295 Abs 3 BAO.

                                                                                                  22
Die Abgabenfestsetzung nach § 201 Abs 3 Z 3 BAO ist gem §§ 207 ff BAO nur bis
zum Ablauf der Verjährungsfrist möglich und zulässig, es sei denn, es liegen die
Voraussetzungen des § 209a Abs 2 BAO vor. Von Relevanz in diesem
Zusammenhang ist auch die sich aus § 284 Abs 1 BAO ergebende
Entscheidungspflicht. Diese gilt unabhängig davon, ob es sich um eine amtswegige
Maßnahme gem § 295 Abs 1 – 3 BAO oder um eine Festsetzung von Abgaben gem
§ 201 Abs 3 Z 3 BAO handelt.87 Demnach kann die Partei beim zuständigen
Verwaltungsgericht Säumnisbeschwerde erheben, wenn es nicht innerhalb von 6
Monaten seitens der Abgabenbehörde zu einer Entscheidung gekommen ist.88

Ein Fall, in dem es zu einer Abgabenfestsetzung nach Abs 3 Z 3 kommen kann,
sind geänderte Einheitswertbescheide, die beispielsweise als Grundlage für die
Selbstberechnung der Grunderwerbssteuer dienen (vgl § 6 GrEStG).

Schließlich ist im Anwendungsbereich des § 201 Abs 3 Z 3 BAO nur die
Verjährungsfrist gem §§ 207 ff BAO beachtlich.89

87 Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 20; § 295 Abs 3 BAO.
88 § 284 Abs 1 BAO
89 Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch1 § 201 546; § 201 Abs 3 Z 3 BAO; § 6 GrEStG.

                                                                                                23
Sie können auch lesen