Open-Access-Tage 2021: Partizipation - B.I.T. online
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Hirschmann | Rees REPORTAGEN 1 Open-Access-Tage 2021: Partizipation Barbara Hirschmann, Rainer Rees Hirschmann | Rees Vom 27. bis 29. September 2021 fand die 15. Ausgabe der Open-Access-Tage, der größten deutschsprachigen Konferenz zu Open Access und Open Science, statt. Drei Tage lang diskutierten Vortragende und Teilnehmende unter dem Tagungsmotto „Partizipation“ die vielfältigen Herausforderungen, vor denen die Open-Access-Bewegung insbesondere mit Blick auf die Themen Teilhabe und Chancengleichheit steht. Ausgerichtet wurde die Konferenz vom Projekt open-access.network, aufgrund der COVID-19-Pandemie im Online-Format. Eröffnungs-Keynote ❱ Einen gelungenen Einstieg in das Tagungsthema bereitete Laura Czerniewicz von der Universität Kap- stadt mit ihrer Keynote zu Open Access und sozia- ler Gerechtigkeit1. Sie erinnerte die Teilnehmenden daran, dass bereits in den beiden „Gründungsdoku- menten“ der Open-Access-Bewegung, der Budapest Open Access Initiative (2002)2 und der Berlin Decla- ration of Open Access (2003)3 die Intention vorhan- den war, durch Open Access bessere Bedingungen für mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Dieselbe Intention stellt sie zwar auch in Entwürfen aktueller Policy-Dokumente, wie der UNESCO Empfehlung zu nicht um transformative Lösungsstrategien handle. Open Science4, fest, doch sei die aktuelle Situation In der anschließenden Diskussion sprach sich Czer- im wissenschaftlichen Publikationswesen weit davon niewicz dafür aus, dass gerade etablierte Forschende entfernt, diesen Anspruch tatsächlich einzulösen. Im ihre privilegierte Position dafür nutzen sollten, gegen Diskurs um Open Access sowie den vorherrschenden die neokolonialen Strukturen des Wissenschaftsbe- Geschäftsmodellen konstatiert sie eine dreifache Ge- triebs zu agieren. rechtigkeitsproblematik – nämlich jene der ungerech- ten Verteilung von Ressourcen (maldistribution), der Vorträge und Workshops fehlenden Anerkennung und Repräsentation (misre- In den nachfolgenden Vortragssessions und Work- cognition) sowie des ungleichen Zugangs zu Macht shops wurde dem Thema Partizipation vor allem durch (misframing). Sie belegte dies mit zahlreichen Bei- einen Fokus auf nichtkommerzielle Publikationsinfra- spielen, die zeigten, wie sowohl Forschende aus dem strukturen Rechnung getragen. Den Start machte ein Globalen Süden als auch Forschung über den Globa- Workshop mit dem Titel „How Open Infrastructure len Süden durch die derzeit praktizierten Formen des Benefits Libraries“, in welchem in Panels und Grup- Open Access in eine neue Unsichtbarkeit und Abhän- pendiskussionen die Beziehung zwischen Bibliothe- gigkeit gedrängt werden und wie sich das sogenann- ken und Betreibern offener Infrastrukturen diskutiert te Open Web zunehmend fragmentiere und ausschlie- wurde. In weiteren Sessions stellten die Vortragen- ßend wirke. Auch vorhandene Ansätze, welche derlei den innovative fachspezifische Publikationsdienste Ungerechtigkeiten zu überwinden helfen sollen – von abseits der kommerziellen Verlagsangebote, Finan- APC-Waivers über Initiativen wie Research4Life5 – zierungsmodelle für OA-Buchpublikationen sowie ver- bewertete sie ambivalent, da es sich um affirmative, schiedene Mehrwertdienste rund um Open Access 1 Czerniewicz, Laura: Open access and social justice, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5543440 2 Chan, Leslie/ Cuplinkas, Darius Cuplinkas/ Eisen, Michael et al.: Budapest Open Access Initiative, 2002. https://www.budapestopenaccessinitiative.org [01.11.2021]. 3 Max Planck Gesellschaft et al.: Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities, 2003. https://openaccess.mpg.de/Berliner-Erklaerung [01.11.2021]. 4 UNESCO: Draft Recommendation on Open Science, 2021. https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000378841 [01.11.2021]. 5 https://www.research4life.org [01.11.2021]. www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 6 online Bibliothek. Information. Technologie.
2 REPORTAGEN Hirschmann | Rees – vom Zeitschriften-Empfehlungstool bis zum ORCID- me für Open-Access-Publikationskosten sowie die Monitoring – vor. Ein Highlight in dieser Programm- Herausforderungen des Compliance Monitoring für schiene erwartete die Teilnehmenden zum Ende der Open-Access-Mandate. Die Vermittlung von Open- Veranstaltung: eine Session mit dem Titel „Glänzende Access-Themen an Studierende, Mitarbeitende und Aussichten: Standards für nicht-kommerziellen OA“. Multiplikatorinnen/Multiplikatoren war Thema der Isabella Meinecke, Tim Boxhammer und Xenia van Session „OA in der Aus- und Weiterbildung“, hier lag Edig gaben hier einen Einblick in die institutionellen ein besonderer Fokus auf kollaborativen und partizi- Publikationsdienste der SUB Hamburg6 und der TIB pativen Vermittlungsformaten. Hannover7 und konnten überzeugend darlegen, war- um gerade Bibliotheken in besonderem Maße dafür Postersession geeignet sind, Publikationsangebote zu schaffen, bei Die Postersession der Open-Access-Tage fand eben- denen Compliance mit Standards und Best Practices falls virtuell auf Gather.town10 statt. So konnten die nicht nur leere Schlagwörter bleiben. Zuvor stellte Va- Teilnehmenden mit ihrem Avatar von Poster zu Poster nessa Proudman die Ergebnisse einer von Coalition schlendern, fast wie auf einer physischen Veranstal- S in Auftrag gegebenen und von Science Europe fi- tung. Der Charme der an frühe Videospiele erinnern- nanzierten Studie8 zum „Community-driven open ac- den Grafik von Gather.town trug dazu bei, dass sich cess publishing“ vor9. Sie belegte anhand konkreter die Teilnehmenden größtenteils sehr schnell zurecht- Zahlen, dass die oft wahrgenommene Übermacht der fanden. APC-basierten Zeitschriften gegenüber den nicht- Thematisch spannten die Poster einen breiten Rah- APC-basierten sich zumindest im Publikationsout- men auf. Bei einer Mehrheit der Poster lag der Fokus put nicht belegen lässt: Während in APC-pflichtigen aber auf Projekten und Initiativen die einen kollabo- Zeitschriften jährlich ca. 450.000 Artikel erscheinen, rativen oder institutionsübergreifenden Ansatz hatten sind es in Diamond OA Zeitschriften immerhin auch und so dem Konferenzmotto durchaus gerecht wur- bereits 350.000 Artikel. Den zahlreichen Herausfor- den. Schwerpunkte waren technische Implementie- derungen, vor denen Diamond OA Herausgeber ste- rungen, disziplinspezifische Initiativen und hier spe- hen, empfiehlt die Studie durch Maßnahmen des Ca- ziell die Geistes- und Sozialwissenschaften, regiona- pacity Building zu begegnen – seien es Partnerschaf- le Projekte und Open Access für spezielle Publikati- ten, gemeinsame Trainings, Projekte und Services onstypen. Etwas bedauerlich war, dass nur zwei der – sowie durch die Entwicklung nachhaltiger Finanzie- 18 Poster nicht aus Deutschland kamen. Gerade bei rungsmodelle. Insgesamt hat diese Studie sicherlich diesem Motto wäre ein breiteres Herkunftsspektrum maßgeblich dazu beigetragen, die Leistungen der ak- wünschenswert gewesen. tuell knapp 30.000 institutionellen, community-ba- Einen medienneutralen Publikationsprozess zu entwi- sierten und wissenschaftsgetriebenen Diamond-OA- ckeln, der geringes technisches Know-how benötigt, Zeitschriften mit Daten zu belegen und damit an die kostengünstig und daher auch für kleinere Einrichtun- Oberfläche der Open-Access-Diskussion zu holen. gen und Verlage attraktiv wäre, ist das Ziel von Open Auch abseits der vom Konferenzmotto geprägten Vor- Source Academic Publishing Suite11. Ein weiteres vor- träge und Workshops gab es an diesen Open-Access- gestelltes Projekt war OPTIMETA12, das die Attrakti- Tagen einiges zu entdecken und zu diskutieren. In der vität von unabhängigen Open-Access-Zeitschriften Session „Aktuelles von den Forschungsförderern“ erhöhen will, indem es OJS13 Plugins entwickelt, die diskutierten Vortragende der Deutschen Forschungs- die Erfassung von Zitationsnetzwerken und den räum- gemeinschaft und des Schweizer Nationalfonds ak- lichen und zeitlichen Metadaten von Artikeln ermög- tuelle Entwicklungen rund um ihre Förderprogram- licht. 6 Meinecke, Isabelle/ Boxhammer, Tim: ‚Shine bright like a diamond‘. Wie institutionelle Publikationsdienste offene Wissenschaft fördern, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5535475 7 Van Edig, Xenia: Nicht-kommerziell ist nicht genug. Warum formale Standards auch für IHRE Publikation eine Rolle spielen (sollten), 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5530335 8 Bosman, Jeroen/ Frantsvåg, Jan Erik/ Kramer, Bianca et al.: OA Diamond Journals Study. Part 1: Findings, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.4558704 9 Proudman, Vanessa: Building human and financial capacity for Diamond OA, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5535775 10 https://www.gather.town [01.11.2021]. 11 Söllner, Konstanze/ Putnings, Markus/ Hoffmann, Astrid et al.: Open Source Academic Publishing Suite (OS-APS): Medienneutrales OA-Publizieren im eigenen Corporate Design, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5526591 12 Nüst, Daniel/ Hauschke, Christian/ Cordts, Anette et al.: Das Projekt OPTIMETA – Stärkung des Open-Access-Publikationssystems durch offene Zitationen und raumzeitliche Metadaten, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5526785 13 OJS: Open Journal Systems. https://pkp.sfu.ca/ojs/ [01.11.2021]. online 24 (2021) Nr. 6 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Hirschmann | Rees REPORTAGEN 3 Optisch sehr gelungen war ein Poster14, das die Er- Open-Access-Community auf dem Weg zur Bildung gebnisse einer Umfrage unter Forschenden, Biblio- einer echten epistemischen Gemeinschaft dienen. thekarinnen und Bibliothekaren vorstellte. Neben Die Open-Access-Tage 2021 zeichneten sich durch ei- großen Potentialen von Open Access an den Einrich- ne gelungene Mischung von detailreichen fachlichen tungen, wurde als größtes Defizit fehlende Infrastruk- Beiträgen mit Vorträgen und Diskussionen, die das tur ausgemacht. Wie solche Probleme teils auf Lan- Big Picture und den roten Faden zum Tagungsthema des- oder auf Bundesebene gelöst werden können, boten, aus. Offen blieb die Frage, wie eine Konferenz wurde anhand von zwei weiteren Postern gezeigt15,16. für den deutschsprachigen Raum dem partizipativen Das BMBF geförderte Verbundprojekt OAPEnz17 will Anspruch auf globaler Ebene mit Blick auf die Vortra- die Partizipation der Geistes-, Sozial- und Bildungs- genden tatsächlich gerecht werden kann. wissenschaften bei Open Access erhöhen, indem es Den Konferenzorganisatorinnen und -organisatoren die Veröffentlichung eines „lebendigen“ Handbuchs gebührt ein Dank für die professionelle Vorbereitung zum Thema „Politik und Geschlecht“ auf der Publika- und Umsetzung dieser Online-Tagung, inklusive zahl- tionsplattform PUBLISSO fördert. Alle Posterbeiträge reicher Möglichkeiten zum informellen Austausch von sind auf der Zenodo Community «Open-Access-Tage spontanen Thementischen bis hin zum Spieleabend 2021»18 verfügbar. in Gather.town. Einem Wiedersehen vor Ort in Bern im nächsten Jahr sehen wohl die meisten Teilnehmen- Abschluss-Keynote den mit Freude entgegen. ❙ Am letzten Konferenztag erwartete die Teilnehmen- den eine weitere Keynote19, diesmal von Margo Bar- gheer von der SUB Göttingen. Aus einer ethnogra- phisch geleiteten Perspektive auf Open Access als kulturellem Phänomen argumentierte Bargheer, dass der partizipative Anspruch von Open Access nicht al- lein durch einen möglichst freien Zugriff auf Inhalte eingelöst werden könnte, sondern dass sich rund um das Thema Open Access eine „epistemische Gemein- schaft“ bilden müsse, die zur eigentlichen Treiberin von Veränderungen werden kann. Sie sieht diese epi- stemische Gemeinschaft als Netzwerk von Expertin- nen und Experten, die sich gemeinsamen Werten ver- Barbara Hirschmann pflichten, gemeinsame Ziele definieren und dadurch ETH-Bibliothek, ETH Zürich Macht erlangen, um Veränderungen zu bewirken. Ei- barbara.hirschmann@library.ethz.ch ne solche notwendige Veränderung sei es, die Zivil- orcid.org/0000-0003-0289-0345 gesellschaft mittels echter Beteiligung in die Diskus- sion um Open Access hereinzuholen. Nur so sei der Weg von den aktuellen Bedingungen der Ungleichheit Dr. Rainer Rees nicht nur zu Chancengleichheit, sondern hin zu Ge- ETH-Bibliothek, ETH Zürich rechtigkeit zu schaffen. Die neu überarbeitete Platt- rainer.rees@library.ethz.ch form open-access.network – deren Relaunch eben- orcid.org/0000-0003-4963-2319 falls im Rahmen der Open-Access-Tage stattfand – könnte aus Bargheers Sicht der deutschsprachigen 14 Halbherr, Verena/ Reimer, Nadine/ Paichard, Marine et al.. Open Access an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg: Potentiale und Defizite, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5526742 15 Eppelin, Anita/ Falkenburg, Philipp: Eine neue Open-Access-Adresse im Land Brandenburg: Die Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg — VuK, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5526617 16 Kirchner, Andreas/ Schneider, Hannah/ Schultze-Motel, Paul: Open Access Helpdesk: Behind the Scenes, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5526716 17 Geuenich, Michael/ Deller, Franziska/ Sper, Vivian: OAPEnz. Open-Access-Publikation von enzyklopädischen Handbüchern, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5526661 18 https://zenodo.org/communities/oat21/search?page=1&size=20&type=poster [01.11.2021]. 19 Bargheer, Margo: Partizipation durch Open Access – ein nur teilweise eingelöstes Versprechen, 2021. https://doi.org/10.5281/zenodo.5535609 www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 6 online Bibliothek. Information. Technologie.
4 REPORTAGEN Seeliger | Gröpler Wildau – ein virtueller Wiederholungstäter KI-Technologien und Roboter werden hier noch getrennt diskutiert Frank Seeliger und Johanna Gröpler Seeliger | Gröpler ❱ In Abwandlung eines Zitats in der Bericht zu zukunftsfesten Biblio- ethnologischen Ausstellung des theken entstanden.2 neu eröffneten Berliner Humboldt- Lag der Fokus der Panelisten di- Forums möge man die Klammer verser Provenienz (Architekt, Mi- setzen: I have a library frame of re- crosoft, Goethe-Institut, For- ference and a librarian worldview. schungseinrichtung bis Bibliothek) Um diesen Standpunkt zu teilen, insgesamt auf dem realen Raum, gleichfalls über den gesetzten Rah- lud der spätere Nachmittag zu men hinaus zu blicken, dafür kann dessen Erweiterung um digitale man sich u.a. in das brandenburgi- Angebote ein. Es folgte das erste sche Retreat begeben. deutschsprachige wie informelle Für das jährlich im September Treffen der Anwender-Community stattfindende Wildauer Bibliotheks- von Robotern in Bibliotheken, Ma- symposium1 an der Technischen schinen, die in den physischen Ort Hochschule Wildau wurde die 13 eingreifen und sich nur dort tum- zu einer Glückszahl. So oft fand das weiland um RFID meln können. Es war ein Erfahrungsaustausch, der herum entstandene Symposium schon statt und die formaler – so die Antragsstellung – auf dem nahen- drei Themenschwerpunkte trugen über beide Nach- den Leipziger Bibliothekskongress 2022 mit einem mittage die online-Konferenz und mit ihnen die ca. eigenen Programmpunkt fortgeführt werden soll. 100 diskussionsfreudigen Teilnehmerinnen und Teil- Viele haben in der Zeit der Pandemie ihre Entwick- nehmer. Man weiß zwar um die Gunst, dass diese lungsteams nicht ruhen lassen, was z.B. im Nachgang virtuelle Veranstaltungsform einiges erleichtert, wie des Symposiums mit der Vergabe des Deutschen Le- die Teilhabe oder Expertinnen und Experten aus nah sepreises 2021 in der Kategorie „Leseförderung mit und fern zusammenzubringen, aber sie fordert gleich- digitalen Medien” sichtbar wurde. Dieser ging für den falls Kompromisse ein, z.B. den fehlenden informellen sogenannten Leseroboter namens Ada an die Stadt- Austausch und direkten Draht zueinander. Und das bücherei Frankfurt.3 Ada wurde mit Unterstützung war gleichfalls das Thema zum Auftakt, der Raum, vir- des Wildauer RoboticLabs4 aufgesetzt und reist als tuell versus real. Wie bedingen sich beide, muss man Leseroboter durch Frankfurts Stadtteilbibliotheken, zwillingsgleich beide Welten exakt gleich bespielen, was etwas an die Aktion des Goethe-Institutes mit oder hat das eine dem anderen gegenüber einen Vor- “robots in residence” erinnert.5 Die Kinder reagieren zug? Stellte sich die Frage anfangs vorwiegend den sehr aufgeschlossen auf den beweglichen Kameraden Kundinnen und Kunden von Informationseinrichtun- und können z.B. über die Plattform OpenRoberta6 Ada gen, Service am dritten Ort oder online in Anspruch sogar in Adas Code Factory mitprogrammieren, um zu nehmen, so stellt sich nun die Frage ebenfalls für den Nao live tanzen oder sprechen zu lassen. Tech- Bibliotheksteams. Lohnt, wenn man wählen kann, der nische Barrieren stellen sich beim Sprachverständnis Weg zur Arbeit oder reicht Homeworking? Anders ge- heraus, ebenfalls datenschutzrechtliche Fragen sind fragt, welches sind die Mehrwerte physischer Prä- zu klären. Im Beitrag von der TH Wildau wurde die senz im Office, was ich in der Telearbeit und damit wiedererlangte Bedeutung des großen Roboters der zu Hause nicht vorfinde? Hierzu ist ein gesonderter Marke Pepper hervorgehoben, der ab Oktober für die 1 www.bibliothekssymposium.de [15. November 2021]. 2 www.password-online.de/ vom 8. November 2021 [15. November 2021]. 3 https://youtu.be/Isipk8Og8kU [15. November 2021]. 4 https://icampus.th-wildau.de/icampus/de/roboticlab [15. November 2021]. 5 https://www.goethe.de/prj/one/de/gea/for/rip.html#i6903818 [15. November 2021]. 6 https://lab.open-roberta.org/ [15. November 2021]. online 24 (2021) Nr. 6 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Seeliger | Gröpler REPORTAGEN 5 Bibliothek die Einzelschulungen übernimmt, nach de- nen der 24/7 Zugang den Hochschulangehörigen er- möglicht wird. Es wurden dabei gleichfalls Grenzen in der Ausstattung mit Sensorik dieser Maschine her- vorgehoben, was z.B. die Navigation in geschlosse- nen Räumen erschwert. Andere Einsatzszenarien zur kontaktfreien Orientierungshilfe und Kommunikation mit Nutzerinnen und Nutzer und Nutzern, wie sie die Pandemie gerade benötigt, wurden diskutiert. Ob es das Befolgen von Hygienerichtlinien betrifft, das Sitz- platzmanagement, die Überprüfung von aufgestellten Regeln etc., Einrichtungen wie in Luzern arbeiten an prototypischen Umsetzungen. Wie für Wildau etablie- ren sich auch dort studentische Teams, welche Ent- wicklungen an Pepper forcieren. Es wurde deutlich, dass die Integration von Roboterfunktionalitäten in den Bibliotheksbetrieb mühsame Kleinarbeit erfor- © Fotos: Henning Wiechers dert, Durchhaltevermögen, um schließlich das tech- nisch Leistbare in einem vernünftigen Rahmen zu bringen, der Fachkolleginnen/-kollegen wie Besuche- rinnen/Besucher für sich einnimmt. Dem visionären Vorschub, wie Science Fiction Medien Roboter agie- ren lassen, ist dabei kaum nachzukommen. Das Rei- Pepper namens Wilma in der Bibliothek fen erfolgt in teils sehr kleinen Schritten. Debattiert wurde in dem Zuge ebenfalls, ob der Einsatz offener Hard- wie Software zu eigens für Informationseinrich- tungen konzipierten Robotern zielführender ist, als mit fertigen Produkten Wünsche und Ideen umzuset- zen. Anders als auf dem internationalen Symposium in Pretoria im November zu ‚Robots and AI in Libraries‘7 wurde auf dem hiesigen Hochschulcampus ‚noch‘ sauber getrennt zwischen den flinken menschenähn- lichen Maschinen auf der einen und KI-Technologien auf der anderen Seite. Um den kabellos-ferngesteuer- ten Homunkulus zu einem autonom betriebenen Ro- boter werden zu lassen, der aktuelle Umwelteinflüsse auf eigene Interaktionen mittels KI-ähnlicher Algorith- men mit berücksichtigt, klaffen zwischen Fiktion und Wirklichkeit noch Welten bzw. haben beide zueinan- gener Bibliothekssymposien seit 2017. Auf dem dies- der noch mehr als eine gute Wegstrecke vor sich, um jährigen lag das diskursive Hauptaugenmerk auf der massen- wie praxistauglich zu werden. Grundsätzlichkeit von KI-Assistenz in Informations- Zu dem großen Komplex von Digitalisierung und Auto- einrichtungen und auf der Weiterbildung. In diesem matisierung gilt es, eigene Kompetenzen aufzubauen Jahr erschien in der gleichen Zeitschrift in zwei Tei- und Entwicklungen aus dem Bereich der KI-Technolo- len der Beitrag: „Zum erfolgversprechenden Einsatz gie breit auf das Anwendungsgebiet Bibliotheken zu von KI in Bibliotheken. Diskussionsstand eines White reflektieren, nicht nur auf Roboter. KI als Zukunfts- Papers in progress“,8 welcher aktuell ins Englische technologie stand mehrmals im Fokus vorangegan- übertragen wird, um die Grundlage für eine Session 7 www.up.ac.za/cf-robotics_ai2021 [15. November 2021]. 8 Seeliger, Frank/ Puppe, Frank/ Ewerth, Ralph/ Koch, Thorsten/ Kasprzik, Anna/ Maas, Jan Frederik/ Poley, Christoph/ Mödden, Elisabeth/ Degkwitz, Andreas/ Greifeneder, Elke: „Zum erfolgversprechenden Einsatz von KI in Bibliotheken. Diskussionsstand eines White Papers in progress“. Teil 1, in: b.i.t.online 24(2021) S. 173-178; Seeliger, Frank/ Puppe, Frank/ Ewerth, Ralph/ Koch, Thorsten/ Kasprzik, Anna/ Maas, Jan Frederik/ Poley, Christoph/ Mödden, Elisabeth/ Degkwitz, Andreas/ Greifeneder, Elke: „Zum erfolgversprechenden Einsatz von KI in Bib- liotheken. Diskussionsstand eines White Papers in progress“. Teil 2, in: b.i.t.online 24(2021) S. 290-299. www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 6 online Bibliothek. Information. Technologie.
6 REPORTAGEN Seeliger | Gröpler © Fotos: Henning Wiechers Nao-Roboter auf dem Weltbibliothekskongress bzw. der 87th IFLA eines bereits vorliegenden Textes ein. Das Recherche- aus dem WLIC 2022 Dublin zu sein. Dieser zweiteilige Beitrag ergebnis wird in Form einer „research map“ darge- Wildauer liefert den Ausgangspunkt für die Fortsetzung des vir- stellt, in der man über das Auswählen von Schlagwor- RoboticLab tuellen Symposiums in den zweiten Nachmittag. ten entweder passende Papers entdecken oder durch Die Frage: „Wie kann eine Universitätsbibliothek In- das Ausschließen von Konzepten und Schlagworten formationsanfragen ihrer Nutzerinnen und Nutzer die Ergebnisliste eingrenzen und die Suchanfrage kon- am besten bedienen?“ stand zu Anfang (eines gan- kretisieren kann. Wenn Plagiatssoftware nach Ähn- zen Fragenkatalogs, der nach dem erwähnten Artikel lichkeiten von Zitatstellen und Inhalten zwischen ei- noch abzuarbeiten war) im Fokus. Die Expertinnen ner zu prüfenden Arbeit und Publikationen sucht im und Experten kamen aus der KI-Forschung, der KI-be- Sinne guter wissenschaftlicher Praxis, dann liegt bei zogenen Produktentwicklung, aus der Leitung großer dem Produkt Iris.ai der matching-Fokus darauf, eine Bibliotheken und aus dem Umgang mit öffentlichen Fragestellung oder Forschungsidee durch Hinweise zu wie strukturierten Daten im Umfeld von Informations- vergleichbaren Konzepten in Publikationen reifen und einrichtungen und Wikidata als Ausgangspunkt für anreichern zu lassen. Eine interdisziplinär aufgesetz- weitere Anwendungen wie ebenfalls KI. te Testphase betrifft aktuell die Wildauer Hochschule. Naturgemäß ging es dabei sowohl um die Unterstüt- Die Einschränkung der Nutzbarkeit von neuen KI- zung der Kundinnen und Kunden bei der Recherche Tools auf Open-Access-Literatur wurde in dem Sinne als auch der Bibliotheksmitarbeiterinnen/-mitarbei- thematisiert, dass trotz rechtlicher Möglichkeiten für ter beispielsweise bei der Sacherschließung. Dabei ein Text- und Datamining (TDM) zur semantischen Er- herrschte Konsens, dass die klassischen Recherche- schließung des lizenzierten Bestandes die praktische mittel nicht notwendigerweise Bestand haben müs- Anwendbarkeit sehr eingeschränkt ist. Ähnlich den sen, um das Informationsbedürfnis von unterschied- datenschutzrechtlichen Bestimmungen, die persona- lichsten Nutzerinnen und Nutzern zu bedienen. Zu- lisierte Services schwerlich gedeihen lassen, liefern nehmend an Bedeutung gewinnen Funktionen wie TDM-Ansätze kaum Erfolge, welche im Wettbewerb personalisierte Informationszuschnitte und -extrakte mit anbieterähnlichen Dienstleistungen wie von den sowie nachfragegerechte Recherchevorschläge. Dar- Verlagen selbst mithalten könnten. Vertragliche Rest- aus resultierende Angebote und Dienste basieren bis- riktionen bestehen z.B. beim TDM darin, dass den Bi- lang ausschließlich auf Open-Access-Publikationen. bliotheken für die Erfassung der Metadaten TDM teil- Neben dem semantischen Recherchedienst YEWNO, weise zwar erlaubt ist, den Endnutzerinnen und -nut- welcher an der Bayerischen Staatsbibliothek seit Jah- zern allerdings nicht. ren Verwendung findet9, kam hier ein Tool aus Nor- Eine andere, typischerweise mit KI-Technologie asso- wegen zum Tragen. Das KI-basierte Tool Iris.ai10 geht ziierte Anwendung, sind Chatbots als Frage-Antwort- über eine Schlagwortsuche o.ä. hinaus. Das Tool star- Maschinen an der Nutzerinnen- und Nutzerschnitt- tet erst nach ausreichender Beschreibung des Prob- stelle, wie sie bereits seit Jahren von Bibliotheken lems bzw. Hinterlegung von Text. Kundinnen und Kun- genutzt werden. Viele Chatbots sind allerdings wie- den beschreiben ein Problem oder geben ein Abstract der eingestellt worden, u.a. wegen der aufwendigen 9 https://www.bsb-muenchen.de/suchen-und-finden/yewno/ [15. November 2021]. 10 https://iris.ai/ [15. November 2021]. online 24 (2021) Nr. 6 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Seeliger | Gröpler REPORTAGEN 7 Pflege der dahinterliegenden Knowledge-Base. Ange- (auch aus dem Bereich Digital Humanities) einen fach- regt wurde eine gemeinsame Orchestrierung mehre- lichen Einstieg in die Welt der Algorithmen, des ma- rer Chatbots bei bibliotheksübergreifenden Diensten schinellen Lernens, des Deep Learning, Mustererken- zur Qualitätsverbesserung und Verringerung des War- nung und allgemein KI-Technologien zu ermöglichen. tungsaufwandes. Nicht selten erwarten Nutzerinnen Mittels des methodischen Ansatzes, aus der Neugier- und Nutzer – ähnlich wie beim Einsatz von Robotern de an praktischen KI-Anwendungen in vertiefendes – mehr vom Chatbot, als das automatisch generier- Wissen zu KI einzusteigen, stehen das Entwickeln von te Antwortspektrum tatsächlich ermöglicht. Eine Lö- Verständnis und Nachvollziehbarkeit im Vordergrund. sung könnte die automatische Weiterleitung an eine Das als Zertifikatskurs angelegte Curriculum soll einen menschliche Ansprechperson mit Angabe der Kon- Quereinstieg in das Thema ermöglichen. In der Struk- taktdaten und -zeiten sein. Ein Beispiel für den kon- tur folgt es dem Ansatz Einführung und Voraussetzun- kreten Einsatz ist der Chatbot von Sci-Hub für den gen, Grundlagen, Methoden, Werkzeuge, Einsatzsze- Messenger Telegram, der nach der Eingabe einer DOI narien und Anwendungsbeispiele. Nach Absolvierung das File in den Messengerchat stellt.11 Diese wäre des Curriculums soll mit dem angeeigneten Wissen übertragbar auf die Bibliotheksrecherche, die direkt der sinnvolle und machbare Einsatz von KI auf die je- im Messenger, einer Anwendung, die ohnehin eine weilige Einrichtung hin und den damit einhergehenden große Anzahl an Menschen in Gebrauch hat, durchge- Aufgaben reflektiert werden können. Hierzu wird am führt werden könnte. 1. April 2022 ein zwei Online-Semester umfassender Ein zentraler Wunsch der Diskutanten war auch die Zertifikatskurs starten. Das auf neun Module (jeweils zentrale Nutzung von Community based research. 10 x 90 Minuten) angelegte Curriculum wurde von den Das heißt, dass das Ranking-Verfahren eigener Disco- Modulverantwortlichen steckbriefartig vorgestellt und very- bzw. suchmaschinenbasierter Systeme bisheri- mit Interessenten diskutiert. Während erste Module ge Nutzungen für die Listenerstellung mit einfließen Grundfertigkeiten wie in Python-Programmierung, der lässt. Dabei muss die Auswertung bisherigen Recher- Datenaufbereitung und den dahinterliegenden statis- cheverhaltens nicht nur auf die eigene Einrichtung be- tischen Verfahren liefern, fokussieren sich spätere schränkt bleiben. Dies könne Anfängerinnen und An- auf Themenfelder wie Schriftenerkennung, Natural fängern bei der Recherche helfen und Fortgeschrit- Language Processing (NLP), automatische Inhaltser- tene wie bei Iris.ai auf Artikel aufmerksam werden schließung über Tools wie Annif,12 Federated Learning. lassen, derer sie ansonsten nicht habhaft geworden Ein Modul wird sich mit den ethischen Aspekten zu KI wären. Aber auch der Austausch der Bibliotheken mit beschäftigen, wie sie über den sogenannten Bias im- der Wirtschaft und anderen potenziellen Anwendern mer wieder zum Tragen kommen. Es war allen Betei- ist erwünscht. ligten wichtig, nach dem schriftlichen Aufschlag über Zwei Panelisten wünschen sich generell mehr Expe- den Status quo zu KI und Bibliotheken ein Angebot zu rimentierfreude seitens der Bibliotheken, allerdings schaffen, welches die Lücke zwischen Wissensstand müssten dafür auch die entsprechenden Rahmenbe- und Herausforderung durchaus spielerisch zu schlie- dingungen geschaffen werden, sodass auch Projekte ßen hilft. ❙ mit nicht garantiertem Erfolg im öffentlichen Bereich möglich sind. Budgetierung und Vergaberecht sind zwei Einflussgrößen. Bei der Anwendung von KI-Tech- Frank Seeliger nologien sieht man die Verbundzentralen als mögli- Leiter der Hochschulbibliothek che Mittler zwischen den Welten. TH Wildau Im Fazit des ersten Teils zu KI-Technologien bleibt die fseeliger@th-wildau.de große Herausforderung bewusst, die auf Informations einrichtungen zukommt, wollen sie auch diese neuen, technologiegetriebenen Möglichkeiten auf ihre Da- Johanna Gröpler tenbestände und Zuständigkeiten fest verankert se- Projektmitarbeiterin in der Hoch- hen. Ein steiniger Weg ist vorgezeichnet, gleichfalls schulbibliothek und Koordinatorin der die Vision. Schreibwerkstatt an der TH Wildau Im zweiten Teil stand die Herausforderung im virtu- johanna.groepler@th-wildau.de ellen Raum, interessierten Kolleginnen und Kollegen 11 Erlinger, Christian: „Instant-Messenger Bots als alternative Suchoberfläche“, in: Informationspraxis Bd. 5, Nr. 1 (2019) S. 1-8. 12 https://annif.org/ [15. November 2021]. www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 6 online Bibliothek. Information. Technologie.
8 REPORTAGEN Ockenfeld Informationsreife, Erklärvideos auf TikTok, Vorgangsdokumentation mittels Tickets – und immer wieder der Ruf nach Informationskompetenz DGI-Forum am 28. und 29. Oktober 2021 diskutierte Konzeption, Steuerung und Evaluation der Informationsvermittlung und des Wissensaustauschs auf Distanz. Marlies Ockenfeld Erstmals online senzworkshops traten Einzelinterviews über Video- ❱ Das DGI-Forum ist die Plattform für einen offenen konferenzsysteme, deren räumliche Ungebundenheit wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Dis- die Einbindung von schwer erreichbaren Personen kurs rund um aktuelle Themen im Umfeld „Informati- ermöglichte. Digitale Workshops gelangen besser, on und Wissen“. Wie viele andere Tagungen konnten wenn sich die beteiligten Personen kannten, über- sich im Pandemiejahr 2021 Fachleute aus Wissen- schaubare Aufgaben gestellt wurden und der Fokus schaft, Bildung, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft auf dem Informationsaustausch oder dem Bearbeiten nicht wie zuvor im Zweijahresrhythmus in der tradi- bereits bekannter Aufgaben lag. tionsreichen Leucorea der Lutherstadt Wittenberg Tamara Heck und Sylvia Kullmann führten im Zusam- treffen, sondern begegneten sich in einem virtuellen menhang mit der Vermittlung von Ergebnissen laufen- Videokonferenzraum. So passte das Tagungsthema der Forschungsarbeiten den Begriff Informationsreife „Informationsvermittlung in Zeiten der Distanz“ nicht ein. Die Besonderheiten der Wissenschaftskommu- nur in die Zeit, sondern auch zum Ort der Tagung, an nikation sind vielen Außenstehenden nicht vertraut, der am 28. und 29. Oktober insgesamt knapp 60 Per- so dass es leicht zu Missverständnissen und Skepsis sonen eine temporäre Netzgemeinschaft bildeten, gegenüber wissenschaftlichen Ergebnissen kommt, darunter etliche, die sicherlich nicht nach Wittenberg wenn diese im Verlauf des Forschungsprozesses re- gereist wären. Knapp 30 der Angemeldeten tauchten vidiert werden müssen. Hier sind einerseits Vermitt- nicht auf, eine inzwischen fast übliche No-Show-Ra- lungsinstanzen gefragt, andererseits müssen sich te bei unentgeltlichen Veranstaltungen im Netz. Von auch die wissenschaftlich Tätigen ihrer Verantwor- denen, die dabei waren, gab es neben den Beiträgen tung bewusst sein, gerade in Zeiten von Open Sci- im öffentlichen Chat oder mündlichen Diskussions- ence, wo vorläufige Ergebnisse rasch publiziert wer- beiträgen auch viel bilateralen Austausch in privaten den. Chats. Nach neunzehn Monaten hatten die meisten Gunhild Berg untersuchte die Bedeutung von Social eine erfolgreiche Lernkurve hinter sich und gingen Media zur Wissenschaftskommunikation in verschie- routiniert mit den Möglichkeiten der Plattform um. denen Altersgruppen und wies auf die wachsende Zum Ausprobieren neuer Formen des gemeinsamen Bedeutung von TikTok als Medium zur Informations- Forschens, Lernens, Lehrens und Arbeitens gehörte, beschaffung und zum Wissensaustausch für die Jün- dass die Vortragenden zusätzlich zum üblichen Ab- geren hin. Das Goethe-Institut reagiert darauf bereits stract vorab ein maximal zehnminütiges Video ein- mit Lernvideos zum Deutschlernen. Die Probleme reichten, das als Teaser auf ihren Vortrag neugierig und Gefährdungen wie Schutz persönlicher Daten, machen sollte. Wer sich angemeldet hatte, bekam Zu- Intransparenz, Desinformation, problematische In- griff darauf und konnte sich vorab bereits mit einigen halte dieser Werbeplattformen werden nicht hinläng- Thesen vertraut machen. lich wahrgenommen. Die Förderung der Informations- kompetenz ist deshalb weiterhin dringlich und muss Forschung, Wissenschaft und Beratung dort erfolgen, wo sich die Zielgruppen aufhalten und Antje Michel von der FH Potsdam berichtete über die informieren, also in den Social Media, die in ihrer Un- Erfahrungen in einem interdisziplinären Forschungs- mittelbarkeit auch eine interaktive Bedarfsermittlung projekt zur räumlichen Mobilitätsplanung mit einem und Beratung ermöglichen. Professorin Judith Acker- hybriden Workshop-Konzept und mithilfe eines digita- mann nutzt für ihre kurzen Erklärvideos, etwa zur Li- len SmartUpLab-Stadtmodells. An die Stelle von Prä- teraturrecherche, dafür erfolgreich ebenfalls TikTok. online 24 (2021) Nr. 6 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Ockenfeld REPORTAGEN 9 Das Moderatorenteam des DGI-Forum 2021, Marlies Gegenüberstellung von herkömmlichen und digitalen Maßnahmen zur Ockenfeld, Justine Schöne, Michael Borchardt und Stefa- Motivation, Information, Inspiration und Befähigung (Copyright Accenture) nie Klein, mit der ersten Referentin Prof. Dr. Antje Michel Welche Werkzeuge bei der Beratung auf Distanz an che Formen der Wissensarbeit relativ einfach in den die Stelle herkömmlicher Kommunikationsformen tre- virtuellen Raum verlegt werden können und welche ten, erläuterte Marie-Eve Menger von Accenture am nur in einem physischen Umfeld gelingen. Sie betonte Beispiel des Change-Managements, einem Prozess, die Bedeutung von persönlichem Kontakt beim Ler- der stark auf Informationsaustausch, gemeinsame nen, etwa im Verhältnis Meister und Lehrling, wo die Erarbeitung und Aneignung neuer Arbeitsprozesse persönliche körperliche Anwesenheit und die unmit- ausgerichtet ist. Leitungskräfte, die nicht mehr auf telbare Mitwirkung im Arbeitsprozess den erfolgrei- Betriebsversammlungen motivieren können, müssen chen Wissenserwerb mitentscheiden. Aber auch im lernen, sich in Videos an die Belegschaft zu wenden, Umfeld der White-Color-Arbeit, im Büroumfeld, ent- und an die Stelle gemeinsamer Mittagessen zur Ins- stehen bei Gruppentreffen Ergebnisse und Ideenblit- piration treten virtuelle Lunch- oder Coffee-Sessions, ze, die im virtuellen Umfeld nicht erreicht werden, bei denen man auf Kosten des Arbeitgebers Essen und auch durch Techniken wie thinking aloud nicht nach Hause bestellt und dann in einem Videokonfe- kompensiert werden können. Zur Wissenserzeugung renzraum zusammentrifft und plaudert. bedarf es der Anwesenheit anderer Menschen, des Mut machte Ruth Elsholz, Leiterin des Bereichs Know- direkten Blickkontakts. Eine Kernfrage lautet daher: ledge Transfer bei PwC, allen Informationsprofis. Sie Wie organisieren wir Wissensarbeit, was lässt sich sieht einen pandemiebedingten Modernisierungs- auch gut allein @home effizient erledigen und wozu schub, der der Branche neuen Schwung verleihen braucht man die Präsenz anderer menschlicher Kör- kann. Der Frust über den zeitlichen und mentalen Auf- per. Das Büro ist nicht überholt, sondern bleibt ein wand für eigene Recherchen, für die man nicht ausrei- stabilisierender Ort. chend trainiert ist, führt zurück zur Einschaltung der Monika Hagedorn-Saupe erläuterte an vielen Beispie- professionellen Informationsabteilungen. Ihr Fazit: len, wie Museen von der Naturkunde über Kunst bis Mehr Chancen für digitale Informationsaufbereitung hin zu Technik ausprobieren, welche digitalen Tech- sind auch mehr Chancen für diejenigen, die es kön- niken geeignet sind, um Vermittlungsarbeit im Muse- nen. Nachwuchskräfte tun sich mit der Berufswahl um zu unterstützen. Die teilnehmenden18 Museen FaMI dennoch schwer, weil die Bezeichnung wenig des Verbundprojekts museum4punkt0 fungieren als sexy und das Berufsbild erklärungsbedürftig ist. Testräume, in denen immer wieder unter Beteilung der Besucherinnen und Besucher verschiedene digi- Wissenstransfer @home und in tale Lösungen hinsichtlich ihrer Akzeptanz getestet Organisationen werden. Alle Lösungen werden als Open Source ent- Auf einen in der Digitalisierungseuphorie etwas zu wickelt und können von anderen Museen an ihre The- kurz kommenden Aspekt ging Waltraut Ritter ein. Als men angepasst und nachgenutzt werden. Treiber sind Geschäftsführerin von Knowledge Dialogues (Hong jedoch nie die digitalen Techniken, sondern die Inhal- Kong/Berlin) und engagiert in anwendungsorientier- te, die vermittelt werden sollen. Dabei zeigte sich et- ten Projekten an der Schnittstelle zwischen Wissen- wa, dass Emotionen besser über Objekte vermittelt schaft, Wirtschaft und Gesellschaft mit jahrelanger werden, Originaldokumente zum Lesen aber digital Erfahrung im asiatischen Raum untersucht sie, wel- bereitgestellt werden sollten. www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 6 online Bibliothek. Information. Technologie.
10 REPORTAGEN Ockenfeld Voraussetzungen und Methoden gelungener Informa- tionsvermittlung in Zeiten der Distanz?“ sowie „Wel- che Impulse, offene Fragen und/oder Anregungen nehmen Sie aus der Tagung mit?“) auf interaktiven Brainstorming-Seiten abgeben bzw. andere Kommen- tare mit einem „Like“ stützen. Stellvertretend sei je ein Kommentar zitiert: „Fähigkeit, zu akzeptieren, dass wir nicht alles mitbe- kommen können; Bereitschaft, Informations-Lücken zu akzeptieren und durch Kommunikation / gelebte Fehlerkultur zu schließen.“ „Ich fand’s super und die Diskussionen müssen / soll- ten speziell auch in der DGI weiterverfolgt werden. Das Thema ist sehr vielfältig und vielschichtig, wie Das Büro ist trotz Homeoffice nicht tot, sondern der Raum, wo Wissen entsteht. wir gesehen haben, aber hilft ja nix. Unsere Exper- tise ist einfach gefragt und das Konzept ‚Informati- Ticketsysteme begegnen uns immer häufiger. Sie onskompetenz‘ ist zu erweitern und vor allen Dingen werden in agilen Projekten oder bei der Bearbeitung ‚einzufordern‘! Das hat nicht nur etwas mit ‚Distanz‘ von Kundenanfragen eingesetzt. Janina Berger be- zu tun, sondern mit vielen gesellschaftlichen Umbrü- fasst sich mit ihnen als Instruktionstexte und auch chen, die zu begleiten, zu moderieren, zu vermitteln Kommunikationsmedien, mit denen im Verlauf ihrer sind. Vom Klima angefangen. Andere Krisen (Coro- arbeitsteiligen Abarbeitung gleichsam nebenbei die na, Hate-Speech und Demokratiegefährdende Stim- Vorgangsdokumentation entsteht. mungsmache usw. bedürfen einer Profession, die Weitere Themen waren Erfahrungen mit einem trans- weiß, wie man kommuniziert, moderiert etc. – über nationalen universitären Onlinekurs zur Informations- die Social Networks hinaus und auch den heiß ge- kompetenzvermittlung sowie die Aus- und Weiterbil- laufenen Medienmarkt. Die (Informations)Wissen- dung von Lehrpersonen, angefangen von den Grund- schaftlerInnen und (Informations)PolitikerInnen sind schulen bis hin zur Erwachsenenbildung und die zwar gefragt und sollten sich einmischen, nach vorne stark unterschiedliche, aber doch wieder fast überall drängen!“ unzureichende Situation an den Schulen. Maßgeblich mitgestaltet, moderiert und technisch Die Themen Informationsdidaktik, pädagogische Kon- durchgeführt wurde die DGI-Tagung von zwei Promo zepte für den Distanzunterricht, Herausforderungen tionsstudentinnen aus Halle, Stefanie Klein und Justine für die Lehrkräfte, Informationskompetenz und Feh- Schöne, die die Textfassungen einiger Beiträge sowie lerkultur im Digitalen beherrschten auch die Podi- eine Zusammenfassung der Podiumsdiskussion und umsdiskussion am Abend. des Chatverlaufs 2022 als OA-Tagungsband auf dem Publikationsserver der Martin-Luther-Universität Zum Schluss Halle-Wittenberg veröffentlichen wollen. Sie dürfen Zum Abschluss konnte, wer wollte, noch einen Kom- sich über das durchweg positive Feedback zu Recht mentar zu zwei Fragen („Was sind für Sie Merkmale, freuen. ❙ Ausgewählte Links Das Tagungsprogramm mit Abstracts unter https://dgi-info.de/dgi-forum-2021-programm/ Die Videos sind ausgehend von der Webseite https://dgi-info.de/dgi-forum-2021/ erreichbar. Das Brainstorming am Schluss erfolgte mittels https://kits.blog/tools/ Beschreibung des Moduls Informationsdidaktik in Halle unter https://studienangebot.uni-halle.de/medienbildung-lehramt-35 Erklärvideos von Forschungsprofessorin für Digitale und vernetzte Medien in der Sozialen Arbeit an der FH Potsdam Dr. Judith Ackermann https://www.tiktok.com/@dieprofessorin Marlies Ockenfeld Präsidentin der DGI Ockenfeld@dgi-info.de online 24 (2021) Nr. 6 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Wagner | Heck REPORTAGEN 11 Barcamp Open Data – Forschen mit verfügbaren Daten Alice Wagner und Tamara Heck Wagner | Heck ❱ Mal angenommen, alle Forschende teilen ihre For- lungsoptionen beim Teilen und vor allem Nachnutzen schungsdaten und können auf eine gut vernetzte Inf- von Forschungsdaten. rastruktur zugreifen, um Daten zu finden. Ist das der Der Impulsvortrag2 zum Auftakt des Barcamps kam Schlüssel, um Open Data in der Forschung zu reali- von Thomas Lösch, Mitarbeiter am Forschungsda- sieren? Oder fehlt ein wichtiger Aspekt, der bei Open tenzentrum Bildung am DIPF | Leibniz-Institut für Data mitunter vernachlässigt wird? Denn neben dem Bildungsforschung und Bildungsinformation. Lösch Willen, Forschungsdaten zu teilen und einer guten In- begann mit einer Begriffsklärung zur Bedeutung von frastruktur, die dies erst ermöglicht, stehen offene „Nachnutzung von Daten”. Denn das Nachnutzen Forschungsdaten auch für die Nachnutzung bereit – kann vielseitig verstanden werden: Forschende kön- und diese wird nicht automatisch durch das Teilen in nen Daten anderer nachnutzen, sie können eigene Infrastrukturen realisiert. Die Nachnutzung, das heißt ältere Daten nachnutzen, sie können mit verfügba- „Forschung mit verfügbaren Daten“, war daher Fokus ren Daten wissenschaftliche Erkenntnisse überprü- des Barcamp Open Data. Zentrale Diskussionspunkte bei der Nachnutzung von Forschungs- daten sind unter anderem das Po- tential der Nachnutzbarkeit. Hier- bei spielt unter anderem die Do- kumentation und technische Be- reitstellung der Daten eine Rolle, deren Leitlinien unter dem Stich- wort „FAIR Data”1 diskutiert wer- den. Daneben sind fachspezifische Anforderungen an Forschungs- daten relevant, wie Zielgruppen, an denen Daten erhoben wurden. Kontroverse Ansichten gibt es wei- terhin bezüglich Transparenz und Abbildung 1: Folie aus dem Impulsvortrag von Thomas Lösch zu einer Reviewstudie über empi- Flexibilität bei induktivem und de- rische Arbeiten zu Open Science. Link zur Studie von Skupien et al. (2021): duktivem Erkenntnisgewinn bei der https://www.researchgate.net/project/Mapping-Open-Science-Research-A-Systematic-Review-of- Nachnutzung. Folglich entscheiden Empirical-Studies-on-Open-Science sich Forschende in der Tendenz doch eher dazu, eigene Daten neu zu erheben. Auch fen, aber auch neue Fragestellungen mit diesen Da- das Teilen der eigenen Forschungsdaten und des- ten beantworten. Hinsichtlich dieser Vielfältigkeit und sen Nutzen sehen viele Forschende noch skeptisch. in Bezug auf wissenschaftliche Fragestellungen und Demgegenüber verspricht das Teilen und Nachnut- Methoden, sind die Potentiale des Nachnutzens von zen von Forschungsdaten eine verbesserte Qualität Daten nicht in allen Forschungskontexten gleich bzw. und Transparenz von Forschungsdaten sowie Zeit und werden von Forschenden anders wahrgenommen. Ressourcenersparnis, die bei der Erhebung von neu- Dass Open Data und dessen Facetten in vielen Stu- en Daten anfallen würden. Das Barcamp Open Data dien erforscht wird, zeigte Lösch am Beispiel eines bot eine disziplinübergreifende Plattform zur Reflek- aktuellen Reviews (Abb 1). Nach empirischen Studi- tion über Chancen, Herausforderungen und Hand- en zu Open Access ist Open Data das zweithäufigste 1 https://www.go-fair.org/fair-principles 2 Verfügbar unter https://osf.io/xh2sa www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 6 online Bibliothek. Information. Technologie.
12 REPORTAGEN Wagner | Heck Abbildung 2: Screenshot des Barcamp-Sessionplans mit den hauptverantwortlichen Teilnehmenden, die die Themen einbrachten. Link: https://barcamps.eu/barcamp-open-data/ events/6353521d-f2cf-430e-9758-80fcab7a0362#sessions Eine zentrale Frage auf dem Barcamp war, wie Open Data, sprich das Teilen und Nachnutzen von For- schunsgdaten, in Disziplinen bzw. bei Forschenden etabliert werden kann, wenn dies noch nicht etablier- te Praxis und noch kein Teil der Forschungskultur ist. Um Open Data zu realisieren, müssten Anreize für die datengebenden Forschenden geschaffen und Vortei- Thema im Themenfeld Open Science. Lösch stellte in le sichtbar werden (siehe z.B. Webseite der ZBW4). diesem Zusammenhang aktuelle Studien vor, die den Diskutiert wurden Vorteile wie ein Zitationsgewinn Einfluss von Faktoren auf das Teilen und Nachnutzen durch Datenpublikationen, ein Reputationsgewinn von Daten untersuchen. Neben persönlichen Fakto- für die Forschungskarriere sowie neue Kooperations- ren wie Motivation und Einstellung sind dies u.a. das möglichkeiten. Die Vorteile für die Wissensgemein- Verhalten innerhalb einer Disziplin sowie das Angebot schaft sind die verbesserte Zugänglichkeit zu Daten an Daten, bspw. über gut strukturierte Infrastruktu- und daraus folgend eine effizientere Forschung und ren, die das Auffinden von Daten erleichtern. Lehre. Auch die Öffentlichkeit profitiere von Open Da- Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus dem ta, indem Möglichkeiten für Citizen Science eröffnet DIPF und den weiteren Leibniz-Instituten GESIS, ZPID werden und wirtschaftliche Vorteile für die Privatwirt- und ZBW geht Lösch im aktuellen Projekt FoniK3 der schaft entstehen. Das Vertrauen der Öffentlichkeit zentralen Frage nach, ob die aktuelle Pandemie die in die Wissenschaft wird gestärkt und Forschungser- Forschungspraktiken verändert hat und Forschen- gebnisse werden für diese transparent und nachprüf- de mehr verfügbare Daten nutzen. Hintergrund ist bar gemacht. zum einen die zunehmende Verfügbarkeit von For- Um diese Vorteile zu nutzen, ist bei der Veröffentli- schungsdaten, einerseits in Online-Repositorien, an- chung von Forschungsdaten eine gute Dokumenta- dererseits in professionellen Forschungsdatenzent- tion essentiell. Für eine qualitativ hochwertige Do- ren, die Daten und Dokumentation langfristig verfüg- kumentation, zu der auch ein forschungsprozessbe- bar machen. Zum anderen waren Datenerhebungen gleitendes Forschungsdatenmanagement sowie ein während COVID-19 für viele Forschende mitunter nur Datenmanagementplan gehören, bedarf es laut Teil- eingeschränkt oder gar nicht möglich, sodass diese nehmenden Ressourcen für das Forschungsdatenma- Forschungsprozesse und Methoden anpassen oder nagement von Drittmittelgebern. Diese Ressourcen ändern mussten. Das Projekt FoniK untersucht mit- sind in erster Linie Personalmittel für die Datenauf- hilfe einer Umfrage die Auswirkung der Pandemie auf bereitung, außerdem Sachkosten für die Archivie- die Nachnutzung von Daten sowie für Forschende rung der Daten bei (fach-)spezifischen Forschungs- ausschlaggebende Aspekte, Daten nachzunutzen. datendienstleistern und Repositorien, wie bspw. Dem Impulsvortrag folgte eine gemeinsame Planung Forschungsdatenzentren. Des Weiteren werden Do- der Barcamp-Sessions unter aktiver Beteiligung al- kumentations- und Metadatenstandards gebraucht, ler Teilnehmenden. Auch als Online-Veranstaltung um verfügbare Daten transparent und nachnutzbar aufgrund der COVID-Situation behielt das Barcamp zu machen. In diesem Zusammenhang wurde auf das seinen typischen Charakter. Das heißt, die Beiträge vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und Themen der einzelnen Sessions des Barcamps geförderte Forschungsprojekt PsyCuraDat5 aufmerk- wurden nicht vorab bestimmt, sondern von den Teil- sam gemacht, in dessen Rahmen nutzerorientierte nehmenden zu Beginn der Veranstaltung vorgeschla- Kurationskriterien entwickelt werden, welche auf die gen und in einer gemeinsamen Abstimmung festge- Bedürfnisse der Forschenden in ihrer Rolle als Daten- legt. Am Ende konnten die Teilnehmenden zwischen gebende und Datennehmende eingehen. So soll ein 11 Sessions wählen (Abb 2). Standard für die Dokumentation von psychologischen 3 https://www.leibniz-openscience.de/forschung/projekte/laufende-projekte/reusing-research-data-in-a-time-of-crisis-a-change-in-research- practices-in-the-covid-19-pandemic-fonik 4 https://openeconomics.zbw.eu/open-data 5 https://leibniz-psychology.org/institut/drittmittelprojekte/psycuradat online 24 (2021) Nr. 6 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Wagner | Heck REPORTAGEN 13 Forschungsdaten entstehen und die Dokumentation sowie die Nachnutzung dieser Daten effizienter und Infokasten: effektiver gemacht werden. Im Gegensatz dazu wurde Das Barcamp Open Data am 21.09.21 wurde gefördert durch den Leibniz von Teilnehmenden angemerkt, dass in anderen Dis- Forschungsverbund Open Science und veranstaltet in Kooperation mit ziplinen eine ausreichende Infrastruktur zur Realisie- dem Barcamp Open Science, das jährlich im Frühjahr stattfindet (wie- rung von Open Data fehle. der am 7.03.2022). Organisiert wurde das Barcamp vom DIPF | Leib- Dieser Aspekt knüpft an die Herausforderung an, niz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation und dem dass Daten für alle gut such- und auffindbar sein Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID), in Kooperation mit der Medien- müssen, um überhaupt eine Nachnutzung zu er- pädagogin Kristin Narr, die die Moderation übernahm. Eventseite und möglichen. Neben der sich im Aufbau befindenden Dokumentation der Session-Diskussionen: nationalen Forschungsdateninfrastruktur6 können https://barcamps.eu/barcamp-open-data Metasuchmaschinen Abhilfe schaffen, wie die Angebote B2FIND7 und das GESIS-Portal8. Portale für Open Government Data sind bspw. das nationale9 camps ist online sicherlich schwerer umzusetzen als und das europäische Datenportal10 sowie Bundeslän- bei physischen Treffen, dennoch gab es digitale Meet- derportale, wie das von einem Teilnehmer vorgestell- and Greet-Optionen zum Austauschen und Plaudern – te Open Data-Portal Schleswig Holstein11. und um in dieser digitalen Welt zumindest den Hauch Auch Lehrende sollten Studierende bei der Suche eines Social Events nachzuahmen, wurden die Teil- nach passenden Datensätzen für Abschluss- oder Se- nehmenden am Vorabend zu einem Online-Spiel ein- minararbeiten unterstützen. Voraussetzung hierfür geladen und lösten gemeinsam einen Sherlock Hol- ist natürlich, dass Forschungsdaten für Studierende mes-Fall. Die Idee war sehr gelungen und eine gute oder andere nicht-beruflich Forschende zugänglich Alternative zum physischen Netzwerken. Barcamp- sind. Im weiteren Verlauf der Diskussion ging es dabei Treffen vor Ort ersetzt die Onlinevariante jedoch nicht auch um rechtliche Aspekte beim Zweck der Nachnut- vollends. zung von Daten. Hier muss zwischen Forschung und Aufgrund der digital stattfindenden Open Science Lehre unterschieden werden. Sollen Forschungsda- Conference wird aber auch das Barcamp Open Sci- ten für die Lehre genutzt werden dürfen, muss expli- ence12 am 7. März 2022 wieder digital stattfinden. zit das Einverständnis von Studienteilnehmenden vor- Für das Community Building soll es dann nochmal liegen. Der einfachste Weg ist, dieses Einverständnis verstärkt Optionen zum Netzwerken und Austausch schon vor der Datenerhebung einzuholen, was jedoch geben. ❙ aktuell noch oft vergessen wird. Neben zahlreichen weiteren Diskussionspunkten, sammelten die Teilnehmenden dank gemeinschaftli- cher Dokumentation via Online-Pads Links und Tipps zu relevanten Datenportalen, Best Practices und Vor- lagen zum Datenmanagement sowie aktuellen Pro- jekten und Datenrichtlinien. Die Dokumentationen der einzelnen Sessions sind mit Klick auf den Sessi- Dr. Tamara Heck ontitel im Sessionplan (Abb. 2) einsehbar. Informationszentrum Bildung Der rege Austausch unter den etwa 100 Teilnehmen- DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung den des Barcamps kam auch zustande, weil sowohl und Bildungsinformation Forschende, Studierende als auch Mitarbeitende aus heck@dipf.de Forschungsinfrastruktur-Instituten aus unterschied- Alice Wagner lichen Disziplinen teilnahmen. So wurde das Thema unterstützte das Barcamp als studentische Open Data aus verschiedenen Perspektiven betrach- Hilfskraft am DIPF. tet und diskutiert. Der Netzwerkcharakter eines Bar- 6 https://www.nfdi.de 7 http://b2find.eudat.eu 8 https://datasearch.gesis.org 9 https://govdata.de 10 https://data.europa.eu 11 https://opendata.schleswig-holstein.de 12 https://www.open-science-conference.eu/barcamp www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 6 online Bibliothek. Information. Technologie.
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