Dr. Anton Schmoll, im zivilen Leben Geschäftsführer des Kreditvereins der Erste Bank, bereiste den Norden des Sudans und entdeckte weit weg vom im ...
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0705_208_FreizeitAufm 25.04.2007 12:01 Uhr Seite 208 FREIZEIT & LIFESTYLE Reisebericht Sudan Dr. Anton Schmoll, im zivilen Leben Geschäftsführer des Kreditvereins der Erste Bank, bereiste den Norden des Sudans und entdeckte weit weg vom im Süden tobenden Bürgerkrieg Kulturschätze des antiken Nubiens. 208 GEWINN 5/07
0705_208_FreizeitAufm 25.04.2007 12:01 Uhr Seite 209 FREIZEIT & LIFESTYLE Reisebericht Sudan Über 100 Pyramiden an einem Ort findet man nahe der Stadt Meroe im friedlichen Norden des Sudan. Die Spitzen wurden von Goldsuchern im 19. Jahrhundert zerstört ine Reise in den Sudan: Die Ankündi- E gung meiner Reisepläne ruft Erstaunen hervor: „Herrscht dort nicht gerade Krieg?“ Und: „Was gibt es dort über- haupt zu sehen?“ Tatsächlich ist uns der Sudan vor allem durch den seit Jahrzehnten tobenden blutigen Konflikt in Darfur bekannt. Vielen nicht bekannt ist die eindrucksvolle Geschichte des Landes. Das Ziel meiner Reise ist das alte Nu- bien, das Land der „Schwarzen Pharaonen“. Das liegt im Norden des heutigen Sudan, wo vom schrecklichen Konflikt, der ganz im Süden des Landes herrscht, außer strengen Sicherheitskont- rollen nichts zu bemerken ist. Ganz Afrika in einem Land Ich schließe mich einer sechsköpfigen Reise- gruppe an, zu der im Sudan noch ein Koch und ein lokaler Reiseführer stoßen. Weil wir unsere Reise von Ägypten aus beginnen wollen, fliegen wir zuerst über Kairo nach Assuan, um dort in ein Schiff umzusteigen. Das bringt uns über den gigantischen Nasser-Stausee vorbei an Abu Sim- bel nach Wadi Halfam, der ersten Station unse- rer Reise im Sudan. Von dort wollen wir entlang des oberen Nils in rund zwei Wochen bis in die Hauptstadt Karthum kommen. Der Nil war schon zu Zeiten der Pharaonen die kulturelle und wirtschaftliche Verbindung zwischen dem ägyptisch-mediterranen Norden und dem Herzen Schwarzafrikas. Auch die Su- Foto: Dr. Anton Schmoll danesen selbst bezeichnen ihr Land, das fast 500 Volksgruppen zählt, als „ganz Afrika in einem Land“. Das arabische Wort as-sudan bedeutet „die Schwarzen“ und im Mittelalter nannten die GEWINN 5/07 209
0705_208_FreizeitAufm 25.04.2007 12:01 Uhr Seite 210 FREIZEIT & LIFESTYLE Reisebericht Sudan Fotos: Dr. Anton Schmoll Muslime jenen Teil Afrikas, der sich vom Roten Meer südlich der Sahara bis zum Atlantik erstreckt, „bilad as-su- dan“–„das Land der Schwarzen“. Das antike Nubien reichte vom Ersten Nilkatarakt bei Assuan (Katarak- te sind schwer passierbare Stromschnel- len, die im alten Ägypten auch die Um die Kultur- Grenze zwischen den Königreichen denkmäler im Su- dan zu besuchen, bildeten) bis weit in den Süden. Zwi- muss man immer schen dem Dritten und Vierten Nilka- wieder das Nil- tarakt fanden Archäologen aber auch ufer wechseln, Zeugnisse der ältesten spezifisch afri- was mangels kanischen Hochkultur. Und von 739 bis Brücken nur mit Fähren geht 656 v. Chr. regierten sogar nubische Pharaonen in Ägypten und beherrsch- ten ein Reich, das vom Mittelmeer bis zu den Quellen des Nils reichte. Grie- chische Geschichtsschreiber nannten sie die „äthiopischen Könige“, weil sie eine dunkle Hautfarbe hatten. Heute heißen sie „Schwarze Pharaonen“. Den Nil entlang stromaufwärts Ein freundliches Rund die Hälfte der Bodenfläche im Su- Lächeln und ein dan besteht aus Wüste. Asphaltierte „as-salam alei- kum“ eröffnet Straßen gibt es hier natürlich nicht. Nur den Kontakt mit das Niltal schlängelt sich wie ein grü- Einheimischen nes Band durch die unendliche Wüs- (im Bild re.: Dr. tenlandschaft. Wir reisen daher in zwei Anton Schmoll) Geländewägen auf holprigen Stein- und Sandpisten. Die meisten Kulturdenkmäler be- finden sich östlich und westlich des Nils – und das bedeutet oftmaliges Überset- zen über den Strom. Allerdings stehen dafür keine Brücken zur Verfügung, sondern Fähren. Die damit verbunde- nen Wartezeiten haben auch ihr Gutes. Nirgendwo erlebt man so viele unter- Die zerstörten schiedliche Menschentypen „auf ei- Spitzen lassen die nem Fleck“. Auch in den Dörfern, die Pyramiden von wir passieren, versuchen wir mit den Meroe wie eine abgebrochene Einheimischen in Kontakt zu kommen. Zahnreihe Die Sprache ist dabei nicht das Wich- aussehen tigste – ein freundliches „as-salam alei- kum“ („Frieden sei mit dir“), ein Lä- sam umgehen. Auch Strom gibt es nur, labecken südlich des Dritten Nilkata- cheln und kleine Geschenke wie Man- so lange das Dieselaggregat läuft, um rakts befand sich einst das Königreich ner-Schnitten eröffnen eine neue Welt. zehn Uhr wird es stockdunkel. Die mit- von Kerma. Schon von Weitem sieht Besonders begehrt sind Kugelschrei- gebrachte Stirnlampe leistet – nicht nur man die Deffufas-Backsteinbauten, die ber, und zwar bei Jung und Alt. Mein in dieser Situation – wertvolle Dienste. aus Nilschlammziegeln errichtet wur- Kontingent an Schreibgeräten und Dafür braucht man keinen Wecker: den. Die West-Deffufa ist mit 18 Meter Blöcken ist daher rasch aufgebraucht. Der Ruf des Muezzin zum Morgenge- Höhe das größte und wahrscheinlich Wenn wir nicht im Zelt nächtigen, bet und das Schreien der Esel, Hunde älteste Bauwerk südlich der Sahara in verbringen wir die Nächte in sudane- und Hühner signalisieren unüberhör- Afrika und Zeugnis der frühesten Ge- sischen Häusern. Auf diese Weise be- bar den Tagesanbruch. schichte des Sudan. kommen wir auch ein wenig vom All- Das kulturelle Zentrum der tagsleben mit. Fließendes Wasser gibt Am Jebel Barkal und in Schwarzen Pharaonen war der Jebel es in den Häusern keines. Das Trink- Pharaonengräbern Barkal. Ein 90 Meter hoher Sandstein- wasser wird von den Frauen meist müh- Das erste Highlight der Reise ist die von felsen, der als Sitz des Gottes Amun sam vom Nil herbeigeschafft. Mit dem Amenophis III. im 14. Jh. v. Chr. erbau- galt. Bereits im 15. Jh. v. Chr. wurde hier kostbaren Nass müssen wir daher spar- te Tempelanlage in Soleb. Im Dongo- von Tutmosis III. der erste Tempel er- 210 GEWINN 5/07
0705_208_FreizeitAufm 25.04.2007 12:02 Uhr Seite 211 FREIZEIT & LIFESTYLE Fotos: Dr. Anton Schmoll Reisebericht Sudan Über 100 Pyramiden an einem Ort Nach einer beeindruckenden Fahrt durch die Bayuda-Wüste erreichen wir am elften Tag im Sudan die Stadt Me- roe, die nach dem Ende der 25. Dynas- tie die Hauptstadt des Reiches Kusch war. Berühmt wurde Meroe allerdings durch den königlichen Friedhof. Insge- Die „Schwarzen Pharaonen“ wur- samt wurden in den drei Bezirken die- den die Nubier ser Nekropole über 100 Pyramiden genannt, die von nachgewiesen, was die größte Pyrami- 739 bis 656 v. Chr. denanhäufung auf einem Platz darstellt. sogar über Ägyp- ten herrschten Insgesamt 30 Könige, acht herrschen- de Königinnen („Kandake“) und drei Prinzen samt ihrem Hofstaat wurden in Meroe bestattet. Neben den Skelet- ten dieser Menschenopfer fand man in den Gräbern auch Skelette von Hun- den, Pferden und Kamelen. Viele der Pyramiden wurden von Grabräubern zerstört, vor allem aber vom italienischen Arzt und Schatzsu- In Ägypten unvor- cher Giuseppe Ferline, der 1843 den Su- stellbar: eine qua- dan heimsuchte. Nachdem er in einer si Privatführung in 3.000 Jahre alte Pyramide einen Goldschatz gefunden Grabkammern, hatte, ließ er viele weitere Pyramiden deren Malereien abtragen. Die übrig gebliebenen bis heute original Stümpfe sehen heute aus wie eine Rei- erhalten sind he ausgebrochener Zähne. Wo sich Weißer und Blauer Nil treffen Über den bunten Markt von Shendi und die meroitischen Tempel von Na- ga erreichen wir nach zwei Wochen wie geplant die Hauptstadt Karthum, die eigentlich aus drei Städten besteht: Khartum, Omdurman und Karthum Arabien meets Nord. In Karthum treffen sich auch der Afrika: Bei einem Weiße Nil und der Blaue Nil. Sufi-Fest zeigt Wir haben unseren Reiseplan so sich die Vermi- eingeteilt, dass wir an einem Freitag in schung afrikani- scher und islami- dieser Gegend eintreffen, denn so kön- scher Kulturen nen wir in Omdurman an einer Sufi- im Sudan Feier teilnehmen. Umringt von einer riesigen Menschenansammlung erle- baut und von späteren Pharaonen (vor Anblick uns tatsächlich fast 3.000 Jah- ben wir die berühmten tanzenden Der- allem von Ramses II.) erweitert. re zurückversetzt. Die Malereien, die wische, wie sie sich von besonderen Nicht weit entfernt vom Jebel Bar- wir sehen, wurden noch nie renoviert, Rhythmen begleitet in Trance tanzen. kal liegt El Kurru. Der königliche Fried- und im Unterschied zum hektischen Die Trommel- und Gesangsbegleitung hof gilt als der älteste des Reiches von Tal der Könige in Ägypten können wir sowie die Art der Tänze erinnern an Napata. Ein Wächter öffnet uns die hier die Bilder in aller Ruhe bewun- afrikanische Kriegstänze. schwere Eisengittertür zu zwei Grab- dern. Waleed, unser Reiseleiter, gibt Und einmal mehr wird uns vor Au- kammern. Vorsichtig steigen wir die in sich Mühe, uns die Hieroglyphen so- gen geführt, wie sehr der Sudan von den den Stein gehauenen Stufen hinab, die wie die Pharaonen- und Götterszenen verschiedenen Strömungen der arabi- mehrere Meter unter die Erde führen. zu erklären. schen und der islamischen Bevölke- Die erste Grabstätte ist die von Tanwe- Das zweite Grab gehört Tanweta- rung sowie von den schwarzafrikani- tamani. Er war der Neffe und Nachfol- manis Mutter Qalhata. Die Wandma- schen Einflüssen geprägt wird. Er- ger von Taharqa, der 653 v. Chr. gestor- lereien dort beschreiben den Weg der schöpft, aber fasziniert und auch ben war und Ägypten verloren hatte. Königin ins Jenseits, zeigen die könig- überrascht von der Vielfalt neuer Ein- Das Grab von Tanwetamani besitzt liche Barke und stellen sie einbalsa- drücke bringt mich das Flugzeug von wunderschöne Wandgemälde, deren miert im Sarkophag dar. Karthum über Kairo wieder nach Wien. G GEWINN 5/07 211
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