Ein Blick hinter die Fassade - Eine Postpartale Depression kann alle treffen - Psychische Gesundheit rund um die Schwangerschaft
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Ein Blick hinter die Fassade – Eine Postpartale Depression kann alle treffen Symposium der AFG Psychische Gesundheit rund um die Schwangerschaft Andrea Borzatta | 10.11.2021 | Zürich
Agenda 1. Warum ich? Persönliche Geschichte 2. PPD – es kann alle treffen 3. Das noch grössere Tabu – betroffene Väter 4. Chancen und Risiken des Stillens auf eine PPD 5. Das Mehrlingsrisiko 6. Hilfe vom Verein Postpartale Depression Schweiz 7. Austausch und Fragen
PPD – es kann alle treffen
Einstieg ins Thema ● Heisst es nun «Postnatal» oder «Postpartal»? ● Wie viele Frauen sind von einer Postpartalen Depression betroffen? ● Können Männer eine PPD haben? ● Was ist die Abgrenzung zum Babyblues? ● Welche Hilfsmittel gibt es?
Einstieg ins Thema ● «Postnatal» bezieht sich auf das Kind, das geboren wurde, «Postpartal» auf die Mutter, die geboren hat ● korrekte medizinische Bezeichnung lautet «Postpartale Depression», umgangssprachlich häufig noch von «Postnataler Depression» gesprochen ● Insgesamt wird in der Schweiz etwa jede sechste Schwangere oder Mutter im ersten Jahr nach einer Geburt wegen psychischer Probleme behandelt (Berger, 2019) ● mindestens 13’000 Frauen pro Jahr sind betroffen
Einstieg ins Thema ● etwa 8% der frischgebackenen Väter (Cameron et. al., 2016) geht es nach der Geburt ihrer Kinder nicht gut, auch sie brauchen Unterstützung ● 4 von 5 Müttern erleben nach der Geburt den Babyblues, klingen die Symptome nach 14 Tagen nicht ab, sollte professionelle Unterstützung gesucht werden ● Hilfsmittel: EPDS (Edinburgh-Postnatal-Depressions-Skala) in 17 Sprachen (zum Download)
EPDS
Welche Symptome zeigen Betroffene?
Symptome ● Erschöpfung ● Antriebslosigkeit, Leere ● sexuelle Unlust, Berührungsangst ● Stimmungsschwankungen ● Traurigkeit ● Mangelndes Selbstvertrauen ● Schuldgefühle ● Konzentrationsprobleme ● Appetitstörung
Symptome ● Schlafstörung ● Ängste, Panikattacken ● Zwangsgedanken ● Reizbarkeit ● Sozialer Rückzug ● Zwiespältige Gefühle dem Kind gegenüber ● Selbstmordgedanken ● Körperliche Beschwerden
Ursachen ● Körperliche Ursachen: Genetische Veranlagung, gestörter Schlaf, Körperliche Veränderungen durch die Geburt, Hormone, Mangelerscheinungen, Blutzuckerschwankungen ● Psychische Ursachen: Identitätskrise, Abschied und Neubeginn, Neudefinition von Beziehungen, Belastende seelische Erfahrungen, Selbstaufopferung, Schuldgefühle, Kontrollbedürfnis, Perfektionismus, Erwartungshaltung
Ursachen ● Ursachen rund um die Geburt: Schwangerschaft, Traumatische Geburt, Probleme im Wochenbett, Abstillen / Abstillmedikamente ● Ursachen im Umfeld: Fehlende Unterstützung, Einsamkeit, Paarprobleme, Belastende Begleitumstände ● Gesellschaftliche Ursachen: Stellenwert der Geburt, Schwerarbeit Kinderbetreuung, Mutterbilder – Muttermythos, Ideal und Realität, Frauenspezifische Verhaltensmuster, Kinderfeindliche Umgebung
Das noch grössere Tabu: auch Väter können betroffen sein
Niemand spricht darüber Pubmed Abb. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Sarah Kittel-Schneider
Ursachen ● depressiven Ansteckung von der Mutter auf den Vater (Goodman, 2004) ● Ursachen bei Vätern ○ PPD der Partnerin ○ vorherige Depressionen ○ hormonelle Veränderungen ○ finanzielle Unsicherheiten, Ernährer ○ Veränderung der Paarbeziehung ○ Erwartungen an die Vaterrolle ○ Übersehen der väterlichen Bedürfnisse durch Fachpersonen (Magistretti et. al., 2016)
Symptome ● Väter neigen eher dazu, psychische Probleme zu verdrängen ● nehmen weniger Hilfe in Anspruch ● psychosomatische Beschwerden wie z.B. Magenschmerzen können auf eine PPD bei einem Vater hinweisen ● kämpfen eher mit Aggressionen, feindseligem Verhalten oder auch Ängsten (Magistretti et. al., 2016) Buchtipp Egon Garstick
Chancen und Risiken des Stillens im Zusammenhang mit einer PPD
Zusammenhang Stillen und PPD ● Grundsätzlich: Stillen kann vor einer PPD schützen, da eine potenziell toxische Konzentration von Retinoiden bei der Mutter reduziert wird. (Mawson et al., 2013) ● Stillen kann das Risiko einer PPD verringern, indem es die Regulierung der Schlaf- und Wachmuster von Mutter und Kind unterstützt, ihre emotionale Bindung an das Kind verbessert, die Temperamentsschwierigkeiten des Kindes verringert und eine bessere Interaktion zwischen Mutter und Kind fördert. (Figueiredo et al., 2013)
Zusammenhang Stillen und PPD ● Salis (2007) geht davon aus, dass u.a. medikamentöses Abstillen, eine PPD auslösen können. ● Eine PPD hat einen negativen Einfluss auf die Stilldauer laut Hendersson et al. (2003). ● Cooke et al. (2007) zeigen auf, dass das Abstillen und die starken Erwartungen an die Mutterrolle in Bezug auf das Stillen einen Stressanstieg bedeuten. ● Die Studie von O’Brien et al. (2008) kommt zu dem Ergebnis, dass ängstliche Frauen öfter frühzeitig abstillen als andere Frauen und dass Frauen mit einem grösseren Selbstvertrauen in Bezug auf das Stillen länger stillen als Frauen mit weniger Selbstvertrauen.
Zusammenhang Stillen und PPD ● Eine hohe Belastung durch Stillprobleme (z.B. Brustentzündung, Ansetzschwierigkeiten, zu wenig Milch) ist signifikant mit einer schlechteren mütterlichen Stimmung nach 8 Wochen verbunden (Cooklin et al., 2018) ● Viele Frauen mit PPD wünschen sich zu stillen, Stillschwierigkeiten haben jedoch negative Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit (Da Silva Tanganhito et al., 2020) Fazit: individuelle Lösung finden und Druck rausnehmen!
Mehrlingsrisiko
Eltern von Mehrlingen ● Zwilling- und Drillingseltern haben ein erhöhtes Risiko an Depressionen, Angstzuständen oder anderen psychologischen Problemen zu erkranken (Wenze, 2018) ● ¼ der Zwillingsmütter macht depressive Erfahrungen in den ersten Monaten (Robin et al., 1996) ● bis zum 5. Lebensjahr besteht ein dreifach erhöhtes Risiko an einer Depression zu erkranken (Wendland, 2007) ● Risikogruppe für Erschöpfungszustände bis hin zu Postpartalen Depressionen
Eltern von Mehrlingen ● Mangelnde Vorbereitung der werdenden Mehrlingseltern durch medizinische Fachpersonen (Wenze, 2018) ● weniger Kontakte durch höhere Risiken während der SS (Wendland, 2007) ● Freude und Angst bei der Bekanntgabe (Pons, 2006) ● Trennung von Mutter und Kindern bzw. der Kinder untereinander (Arnault Pfersdorff, 2017) ● unerwartete Kaiserschnitte oder Kaiserschnitt unter Vollnarkose (Arnault Pfersdorff, 2017)
Hilfe finden beim Verein Postpartale Depression Schweiz
Über uns ● schweizweite Anlaufstelle für Betroffene, Angehörige und Fachpersonen ● 2 ehemals Betroffene leiten Geschäftsstellen in Thalwil (D-CH) und in Cully (Romandie) ● Vorstand aus 6 Frauen, inkl. einer Fachpsychologin ● Aktive Mitglieder, die unterstützen ● aktuell über 100 Mitglieder ● fachlicher Beirat
Hilfsangebote für Betroffene ● Persönliche Anlaufstelle (E-Mail, Telefon, Treffen) ● Kostenloses Gespräch mit unserer Psychologin ● Vermittlung von spezialisierten Fachpersonen in der Region ● Unterstützung bei der Suche nach einem stationären MuVaKi-Platz ● Online-Gesprächsgruppen ● Patenschaftsprogramm mit über 90 Freiwilligen für betroffene Mütter und Väter sowie deren Angehörige
Hilfsangebote für Betroffene ● Informationen und Neuigkeiten zu PPD über Website und Social Media ● Erfahrungsberichte ● Online-Selbsttest (EPDS) ● Bücher und Medienberichte ● Kontakte zu Fachpersonen, Mutter-Vater-Kind-Stationen und Gesprächsgruppen Webseite: www.postpartale-depression.ch
Hilfsangebote für Betroffene ● kostenlose “PPD Krisen-App” (D und F) erhältlich für
Angebote für Fachpersonen ● Online-Fortbildung zum Thema PPD (nächste freie Termine: Frühling 2021) ● EPDS in 17 Sprachen zum Herunterladen ● Flyer-Bestellungen (kostenfrei bis 200 St.) ● Newsletter für Fachpersonen ● Forschung und Informationen Netzwerk ● Unterstützung bei der Suche nach ambulanten Fachpersonen oder stationären MuVaKind-Plätzen
Bitte an Sie ● Proaktives Ansprechen der Krankheit – es gibt kein “falsches“ Ansprechen ● Einbeziehen der Väter und Stärkung ihres Vertrauens ● Mehr Aufklärung von Risikopatienten durch Fachpersonen über mögliche psychische Folgeerkrankungen und Unterstützungs- angebote ● Flächendeckendes Screening der psychischen Gesundheit während und nach der Schwangerschaft, aber auch nach Fehl- und Totgeburten
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! ● Möchten Sie als Fachperson auf unsere Website? ● Sind Sie schon Mitglied im Verein? ● Erhalten Sie unseren Newsletter? ● Haben Sie Interesse an einer Mitarbeit im fachlichen Beirat? ● Sind Sie interessiert an einer vertieften Zusammenarbeit/ Partnerschaft? Wir unterstützen Sie gerne bei Ihrer wertvollen Arbeit! Kontakt: andrea@postpartale-depression.ch | Tel. 044 720 25 55
Austausch und Fragen
Empfehlungen zum Thema
Empfehlungen zum Thema ● iks Institut Kinderseele Schweiz; 3 Kurzfilme aus der Sicht einer Betroffenen, einer Gynäkologin und einer Hebamme (zu den Videos auf YouTube)
Empfehlungen zum Thema ● Egon Garstick: Junge Väter in seelischen Krisen Wege zur Stärkung der männlichen Identität (Link zum Buch)
Empfehlungen zum Thema ● Dagmar Sczepanski: Mama, warum weinst du? Bilderbuch für Kinder ab 4 Jahren, erhältlich via Arzt oder Apotheke, auch in französischer und italienischer Sprache (weitere Kinderbücher zum Thema
Quellen Pfersdorf (2017): Bébé, premier mode d’emploi. https://www.hachette-pratique.com/arnault-pfersdorff-0 Berger (2017): Perinatale psychische Erkrankungen Ein vernachlässigtes Thema der Gesundheitsversorgung von Frauen. https://postpartale-depression.ch/images/media/pdf/downloads/berger-perinatale-psychische- erkrankungen_1.pdf Cameron et al. (2016): Prevalence of paternal depression in pregnancy and the postpartum: An updated meta- analysis. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27475890/ Saxbe (2017): Postpartum depression can affect dads – and their hormones may be to blame. https://theconversation.com/postpartum-depression-can-affect-dads-and-their-hormones-may-be-to-blame-81310 Cooke et al. (2007): An exploration of the relationship between postnatal distress and maternal role attainment, breast feeding problems and breast feeding cessation in Australia. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17011682/ Cooklin et al. (2018): Physical health, breastfeeding problems and maternal mood in the early postpartum: a prospective cohort study. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29264646/ Da Silva et al. (2020): Breastfeeding experiences and perspectives among women with postnatal depression: A qualitative evidence synthesis. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31196830/
Quellen Figueiredo et al. (2012): Breastfeeding and postpartum depression: state of the art review. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23791236/ Hendersson et al. (2003). Impact of Postnatal Depression on Breastfeeding Duration. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1046/j.1523-536X.2003.00242.x Mawson et al. (2013): Breastfeeding, retinoids, and postpartum depression: a new theory. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23816449/ O’Brien et al. (2008): The influence of psychological factors on breastfeeding duration. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18727767/ Pons et al. (2006): Le Guide des jumeaux. https://books.google.ch/books/about/Le_Guide_des_jumeaux.html?id=HRjIAgAAQBAJ&redir_esc=y Robin et al. (1996): Childcare patterns of mothers of twins during the first year. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8735445/ Salis (2007): Psychische Störungen im Wochenbett: Möglichkeiten der Hebammenkunst. https://www.amazon.de/Psychische-St%C3%B6rungen-Wochenbett-M%C3%B6glichkeiten- Hebammenkunst/dp/3437275909
Quellen Wendland (2007): The Psychological Experience of Twin Pregnancy. Examining the Desire for Twins to the Mother- Fetus Relation. https://www.cairn-int.info/article-E_EP_034_0010--the-psychological-experience-of-twin.htm Wenze (2018): Perinatal Mental Health Treatment Needs, Preferences, and Barriers in Parents of Multiples. https://journals.lww.com/practicalpsychiatry/Abstract/2018/05000/Perinatal_Mental_Health_Treatment_Needs,.4.as px Deutsche Depressionshilfe: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in- verschiedenen-facetten/in-der-schwangerschaft-und-nach-der-geburt
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