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Soziale Sicherungssysteme und Sozialrecht Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung und Rechtsverein fachung im SGB II Die Empfehlungen (DV 24/20) wurden am 16. Juni 2021 vom Präsidium des Deutschen Vereins verabschiedet.
Inhalt A. Einleitung 3 B. Anspruchsvoraussetzungen 3 1. Leistungsausschluss für Auszubildende, § 7 Abs. 5 SGB II 3 2. Zu berücksichtigendes Einkommen 4 3. Inanspruchnahme einer Altersrente mit Abschlägen, § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II 7 C. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit 8 1. Eingliederungsvereinbarung, § 15 SGB II 8 2. Weiterentwicklung des Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“, § 16i SGB II 8 3. Förderung von Grundkompetenzen 9 4. „Weiterbildungsgeld“ ergänzend zu Erfolgsprämien einführen 9 5. Vermittlungsvorrang neu fassen 10 6. Zentrales Budget für Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation 10 D. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts 11 1. Mehrbedarf für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Merk- zeichen „G“, § 21 Abs. 4 SGB II 11 2. Kosten der Unterkunft und Heizung, § 22 SGB II 11 3. Gesundheitliche Bedarfe, § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II 11 4. Anspruch auf digitale Endgeräte als Leistung für Bildung und Teilhabe 12 5. Pflichtverletzungen, §§ 31 ff. SGB II 13 E. Gemeinsame Vorschriften für Leistungen 14 1. Nullfestsetzung § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II 14 2. Saldierung von Nachzahlungen und Erstattungen, § 50 SGB X 15 3. Definition „Arbeitslose“ Ü 58, § 53a Abs. 2 SGB II 15 4. Bagatellgrenze für Rückforderungen 15 5. Sprachmittlung 16 6. Verordnung nach § 13 SGB II-Ortsabwesenheit, § 7 Abs. 4a SGB II 16
A. Einleitung Seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005 sind die komplexen Regelungen im Leistungsrecht mehrfach ergänzt und an die höchst- richterliche Rechtsprechung angepasst worden. Das zum 1. August 2016 in Kraft getretene 9. SGB II-Änderungsgesetz – Rechtsvereinfachung1 – wollte mehr Bür- gerfreundlichkeit, die Vermeidung unnötiger Bürokratie und den nachhaltigen Einsatz der Ressourcen bewirken. Diese Ziele wurden allerdings nur bedingt er- reicht. Die Komplexität des SGB II wurde an verschiedenen Stellen sogar noch gesteigert, sodass Rechtsvereinfachung im SGB II weiterhin Dauerthema bleibt. Transparente Verwaltungsverfahren und bedarfsgerechte Leistungen sind für die Sicherung des Existenzminimums wesentlich.2 Nach Ansicht des Deutschen Ver- eins besteht in diesem Zusammenhang nach wie vor die Notwendigkeit, das Ver- fahren zur Regelbedarfsermittlung von Kindern und Jugendlichen sowie Kindern und Jugendlichen in temporären Bedarfsgemeinschaften weiterzuentwickeln und zu verbessern.3 Darüber hinaus sollten Zirkelschlüsse durch Einbeziehung sog. „verdeckter Armer“ vermieden werden.4 Im Bereich der Beschäftigungsförderung ist daneben für die nachhaltige Integration in Arbeit die ständige Weiterentwick- lung der Integrationsinstrumente erforderlich, um die Menschen zu befähigen, unabhängig von staatlichen Unterstützungsleistungen zu leben. Die vorliegenden Empfehlungen richten sich an den Bundesgesetzgeber. Sie ent- halten Anregungen, das aktive und passive Leistungsrecht weiter zu optimieren und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. B. Anspruchsvoraussetzungen 1. Leistungsausschluss für Auszubildende, § 7 Abs. 5 SGB II Problemdarstellung § 7 Abs. 5 SGB II regelt den Leistungsausschluss von Auszubildenden, die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) dem Grunde nach förderfähig sind. Durchbrochen wird dieser Grundsatz durch ein kompliziertes System von Ausnahmen. Durch das 9. SGB II-Änderungsgesetz ist der Kreis der Leistungsbe- rechtigten, der ggf. unter Anrechnung von Ausbildungsförderung (aufstockend) Grundsicherungsleistungen beziehen kann, ausgeweitet worden. Dies dient in erster Linie der nachhaltigen Eingliederung der Betroffenen in Arbeit.5 Gleichwohl Ihre Ansprechpartnerin gibt es Gruppen von Studierenden und Auszubildenden, die weiterhin nach § 7 im Deutschen Verein: Abs. 5 SGB II von regulären Leistungen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen sind. Claudia Sammler. 1 Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S.1824). 2 Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Rechtsvereinfachung und Weiterentwicklung des Zwölften Bu- ches Sozialgesetzbuch (SGB XII) – Sozialhilfe (DV 22/18) vom 11. September 2019, NDV 2019, 511 ff. 3 Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Systems monetärer Unterstützung von Familien und Kindern (DV 3/16) vom 11. September 2019, NDV 2019, 449 ff. 4 Stellungnahme der Geschäftsstelle des Deutschen Vereins zum Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch so- wie des Asylbewerberleistungsgesetzes (DV 28/20) vom 29. Oktober 2020, https://www.deutscher-verein. de/de/uploads/empfehlungen-stellungnahmen/2020/dv-28-20_ermittlung-von-regelbedarfen.pdf. 5 Geiger, in: LPK-SGB II, § 7 Rdnr. 176. Seite 3
Das Bundessozialgericht (BSG) geht davon aus, dass Studierende, die BAföG be- ziehen, finanzielle Deckungslücken mit eigener Erwerbsarbeit schließen.6 Für Studierende in besonderen Lebenslagen (z. B. mit Erziehungs- und Pflegeaufga- ben oder mit Behinderungen und länger andauernden Erkrankungen) ist studien- begleitendes Jobben im bedarfsdeckenden Ausmaß sehr häufig nicht möglich. In derartigen Konstellationen droht der Studienabbruch, da in Härtefällen Leistun- gen für Studierende nach § 27 Abs. 3 SGB II lediglich auf Darlehensbasis erbracht werden können. Auch erhalten Studierende im Urlaubssemester kein BAföG7 und können nach der Rechtsprechung8 nur SGB II-Leistungen beziehen, solange keine Studienleistungen erbracht werden.9 Lösungsvorschlag Die Sicherung des Lebensunterhalts von Auszubildenden und Studierenden muss über das System der Ausbildungsförderung nach dem BAföG und dem SGB III be- darfsdeckend ausgestaltet werden.10 Bis dies der Fall ist,11 empfiehlt der Deutsche Verein, die Regelungen im SGB II für einen ergänzenden Leistungsbezug einheit- lich für alle Ausbildungsformen auszugestalten. Dies muss auch für Studierende gelten, die nicht bei ihren Eltern wohnen und insbesondere aufgrund besonderer Lebenslagen nur eingeschränkte Verdienstmöglichkeiten haben. 2. Zu berücksichtigendes Einkommen y Horizontale Einkommensanrechnung, § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II Problemdarstellung Die Verteilung des verfügbaren Einkommens innerhalb einer Bedarfsgemein- schaft nach der – horizontalen – Bedarfsanteilsmethode ist mit hohem Verwal- tungsaufwand verbunden und für die Leistungsberechtigten schwer nachvollzieh- bar. Nach der derzeitigen Rechtslage in § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II ist das Einkommen so zu verteilen, dass jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eige- nen Bedarfs zum Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft als hilfebedürftig gilt (horizontale Einkommensanrechnung). Demgegenüber wäre eine Anwendung der vertikalen Einkommensanrechnungsmethode vorteilhaft. Dies ist eine langjährige Forderung des Deutschen Vereins.12 Danach wird das Einkommen zunächst auf den Bedarf des/der Einkommensbeziehenden angerechnet und nur übersteigen- de Zuflüsse auf die Bedarfe der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ver- 6 Vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 28/07 R, zit. nach juris. 7 Das Studium wird nicht im erforderlichen Maße betrieben und daher besteht kein BAföG-Anspruch (§ 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG). 8 Vgl. BSG (Fußn. 6); siehe Arbeitshilfe des Deutschen Vereins zur Existenzsicherung von Auszubildenden im SGB II (DV 2/17) vom 12. September 2017, https://www.deutscher-verein.de/de/empfehlungenstellung- nahmen-2017-arbeitshilfe-des-deutschen-vereins-zur-existenzsicherung-von-auszubildenden-im-sgb- ii-2638,1213,1000.html. Die Ausnahme ist mittlerweile die Regel, daher stellt sich die Frage, warum einzel- ne wenige Gruppen ausgeschlossen bleiben. 9 Eine erste Öffnung gibt es nach den Fachlichen Weisungen zu § 7 SGB II Rz. 7.153 der Bundesagentur für Arbeit (BA) Stand: 2. März 2021, für Studierende in Elternzeit, https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ ba015897.pdf 10 Eckpunkte des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Leistungsrechts im SGB II (DV 21/13) vom 13. September 2013, NDV 2013, 486 ff. 11 Ein Schritt in diese Richtung wurde bereits mit dem Regelbedarfsermittlungsgesetz 2021 im Wege der Entfristung der Härtefallregelung des § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB II gegangen. 12 Eckpunkte des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Leistungsrechts im SGB II (DV 21/13) vom 13. September 2013, NDV 2013, 486 ff. Seite 4
teilt. Durch diese Methode würde sich der Aufwand bei Rückforderungen erheb- lich verringern, da sich die Anzahl der notwendigen Individualisierungen bei Er- stattungsforderungen reduzieren würde. Die Verfahren würden insgesamt verein- facht. Die Bescheide würden für die Leistungsberechtigten außerdem verständli- cher, da die Berechnung nachvollziehbarer wäre. Die vertikale Einkommensanrechnung würde jedoch bewirken, dass die/der Ein- kommensbeziehende mit höheren Einkünften mangels Hilfebedürftigkeit keine Eingliederungsleistungen nach dem SGB II erhalten würde (etwa im Hinblick auf die Aufnahme einer besser bezahlten oder die Beibehaltung der Erwerbstätig- keit). Dieser Folge kann mit einer gesetzlichen Fiktion begegnet werden. Dadurch könnte die erwerbsfähige Person weiterhin Eingliederungsleistungen erhalten. Mit der Fiktion13 würde auch erreicht, dass Kinder, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und mangels Hilfebedürftigkeit der erwerbsfähigen Mitglie- der der Bedarfsgemeinschaft anderenfalls in den Rechtskreis des SGB XII wech- seln würden, als Sozialgeldempfänger/innen im SGB II verbleiben. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein spricht sich für die vertikale Einkommensanrechnung aus, verbunden mit einer Fiktionsregelung für dadurch nicht hilfebedürftige Bedarfs- gemeinschaftsmitglieder. y Zuflussprinzip, § 11 Abs. 2, 3 SGB II Problemdarstellung Nach § 11 Abs. 2 SGB II sind laufende Einnahmen in dem Monat zu berücksichti- gen, in dem sie zufließen. Erfolgt bei einer Arbeitsaufnahme die Auszahlung des Verdienstes nicht am ersten Tag des Monats, sondern zu einem späteren Zeitpunkt (in aller Regel zum Monatsende), kann nach § 24 Abs. 4 SGB II ein Darlehen ge- währt werden, das nach § 42a SGB II zurückzuführen ist. Nach Praxiserfahrungen wird eine Arbeitsaufnahme durch den gewählten Zeitpunkt der Einkommensan- rechnung erschwert. Die geltende Rechtslage verursacht zudem einen nicht uner- heblichen Verwaltungsaufwand. Letztgenannte Problematik entsteht auch bei erstmaliger Gewährung einer Erwerbsminderungs- oder Altersrente. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein spricht sich für die Anrechnung von Einkommen erst im Fol- gemonat aus. y Schnittstelle zum Kindergeld Problemstellung Der Deutsche Verein sieht neben der Anrechnung des Kindergeldes im SGB II an der Schnittstelle zum Unterhaltsrecht nach dem BGB14 insbesondere Handlungs- bedarf bei Rückforderungen von Kindergeld. 13 Bereits jetzt erfolgt diese Fiktion für Kinder von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die nach § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind. Vgl. Leopold, in: Schlegel/Voelzke: jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 7 (Stand: 5. Januar 2021), Rdnr. 273 m.w.N. 14 Siehe dazu Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Systems monetärer Unter- stützung von Familien und Kindern (DV 3/16) vom 11. September 2019, NDV 2019, 449 ff. Der Deutsche Seite 5
Kommt es zu einer Überzahlung von Kindergeld, fordert die Familienkasse das Kindergeld von den Kindergeldberechtigten auch dann zurück, wenn das zu Un- recht gewährte Kindergeld zuvor als Einkommen bedarfsmindernd auf SGB II- oder SGB XII-Leistungen angerechnet wurde. Die Anrechnung kann nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte nicht rückabgewickelt werden, weil es allein auf den tatsächlichen Zufluss des Kindergeldes beim Hilfeempfänger ankommt.15 Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein fordert, eine angemessene Lösung zu finden, um eine Dop- pelbelastung der Leistungsberechtigten zu vermeiden. y Einkommensanrechnung/Freibetragsregelung, § 11b Abs. 2, 3 SGB II Problemdarstellung 2019 waren durchschnittlich ca. 1. Mio. bzw. 26,1 % der erwerbsfähigen Leistungs- berechtigten erwerbstätig. Darunter hatten 52,4 % ein sozialversicherungspflich- tiges Arbeitsverhältnis.16 Lediglich etwa ein Drittel davon war geringfügig beschäf- tigt. Nach § 2 Abs. 1 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Mög- lichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöp- fen. Zu den Aufgaben der Jobcenter gehört es daher, Möglichkeiten zur Erzielung eines höheren Erwerbseinkommens durch Ausweitung der wöchentlichen Ar- beitszeit, durch Qualifizierung, durch Aufstieg oder auch durch den Wechsel der Arbeitsstelle voranzutreiben. § 11b Abs. 2, 3 SGB II sieht Freibeträge vom Erwerbseinkommen vor. Diese Beträge setzen jedoch keine ausreichend starken finanziellen Anreize zur Ausweitung der Erwerbstätigkeit, weil nur die ersten 100,– € komplett anrechnungsfrei bleiben und darüber hinausgehendes Einkommen zu 80 % (101,– bis 1.000,– €) bzw. zu 90 % bei darüber hinausgehendem Einkommen17 angerechnet werden. Oberhalb von 1.200,– € bzw. 1.500,– € wird zu 100 % angerechnet. Aus rein finanzieller Sicht kann es in bestimmten Konstellationen im Sinne der Optimierung des Gesamtein- kommens der Bedarfsgemeinschaft vorteilhafter sein, es bei einer Teilzeittätigkeit oder einer geringfügigen Beschäftigung zu belassen. Eine Weiterentwicklung der Regelung ist angezeigt, um die Aufnahme bzw. Ausweitung der Erwerbstätigkeit der Leistungsberechtigten zu befördern. In der Literatur wird gefordert, die Regelungen zur Anrechnung von Erwerbsein- kommen grundlegend zu überarbeiten, höhere Absetzbeträge zuzulassen, aber dafür ggf. den Grund-Absetzbetrag von 100,– € pro Monat zu reduzieren oder evtl. sogar ganz wegfallen zu lassen.18 Dem stünde jedoch entgegen, dass dieser Ab- Verein setzt sich darüber hinaus intensiv mit einer konzeptionellen Neuausrichtung der monetären Absi- cherung von Kindern und Familien, der „sog. Kindergrundsicherung“ auseinander: Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Systems monetärer Unterstützung von Familien und Kin- dern (DV 3/16) vom 11. September 2019, NDV 2019, 449 ff. 15 Vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 24. April 2013, L 6 AS 376/11; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. De- zember 2013, L 6 AS 926/13 B. 16 Unter den Leistungsberechtigten mit einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand nur gut ein Fünftel in einem Vollzeitarbeitsverhältnis, die übrigen waren in einem Teilzeitverhältnis. 17 In der Einkommensspanne von 1.001,– bis 1.200,– €/1.500,– € bei einem minderjährigen Kind. 18 ifo Institut für Wirtschaftsforschung München, Forschungsbericht 98/2019: „Anreize für Erwerbstätige zum Austritt aus dem Arbeitslosengeld-II-System und ihre Wechselwirkungen mit dem Steuer- und Sozialversi- cherungssystem“, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Forschungsbericht 9/2018: „Erwerbstä- tigkeit im unteren Einkommensbereich stärken – Ansätze zur Reform von Arbeitslosengeld II, Wohngeld Seite 6
setzbetrag auch eine pauschalierende Funktion für ansonsten verwaltungsauf- wendig zu berechnende und abzusetzende Steuern und Abgaben hat. Für Perso- nen, die aufgrund ihrer persönlichen und gesundheitlichen Situation nicht in der Lage sind, die Arbeitszeit auszuweiten, wären damit zudem Härten verbunden. Der Wegfall des Grundabsetzbetrages könnte für diese Gruppe sogar den beste- henden Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit infrage stellen. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt zu prüfen, wie die Freibetragsregeln für die Anrech- nung von Erwerbseinkommen so weiterentwickelt werden können, dass der ma- terielle Anreiz zur Aufnahme von Vollzeitarbeitsverhältnissen und die Ausweitung der Arbeitszeit bei Teilzeittätigkeiten gegenüber der gegenwärtigen Situation deutlich verstärkt wird, gleichzeitig aber auch Einstiegsmöglichkeiten in geringem Beschäftigungsumfang erhalten bleiben. Zumindest sollten die Absetzbeträge im Zuge der allgemeinen Einkommensentwicklung dynamisiert und regelmäßig an- gepasst werden. Dabei sollte außerdem die Anrechnung von Erwerbseinkommen wesentlich vereinfacht werden, um Hin- und Rückrechnungen zu vermeiden. Hier- zu würden sich auch Modellversuche anbieten, in denen die Effekte vereinfachter und mit einem erhöhten Arbeitsanreiz versehener Anrechnungsmodelle überprüft werden könnten. 3. Inanspruchnahme einer Altersrente mit Abschlägen, § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II Problemdarstellung Nach § 12a SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, vorrangige Sozialleistun- gen in Anspruch zu nehmen. Dazu gehört auch eine Altersrente mit Abschlägen nach der Vollendung des 63. Lebensjahres. In der Unbilligkeitsverordnung sind Ausnahmen normiert, bei denen eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen nicht in Anspruch genommen werden muss.19 Eine abschlagsgeminderte Rente muss jedoch immer in Anspruch genommen werden, wenn die geminderte Rente das Grundsicherungsniveau übersteigt. Dies widerspricht dem politischen Ziel, die Erwerbsquote von Älteren zu erhöhen, und verursacht außerdem einen großen Verwaltungsaufwand. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt, in § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II die vorzeitige Altersren- te mit Abschlägen aus dem Katalog der Leistungen, die vorrangig in Anspruch genommen werden müssen, herauszunehmen. und Kinderzuschlag“, Entschließung des Bundesrates aus dem Jahr 2020, BR-Drucks. 203/20: „Für er- werbstätige Leistungsbeziehende in der Grundsicherung für Arbeitsuchende muss mehr Einkommen an- kommen – Mehr Erwerbsbeteiligung durch Anpassung der Hinzuverdienstregeln bei Einkommen aus Er- werbstätigkeit im SGB II“. 19 Dies ist u.a. der Fall, wenn durch die Rentenabschläge Hilfebedürftigkeit im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung eintreten würde. Seite 7
C. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit Der Deutsche Verein hat in der Vergangenheit bereits mehrfach Vorschläge zur Reformierung des aktiven Leistungsrechts unterbreitet. Dazu zählen die Stärkung des Erwerbs von Grundkompetenzen, die Einführung eines „Weiterbildungsgeldes“20 und die stärkere Nutzung der freien Förderung (§ 16f SGB II).21 Der Deutsche Ver- ein bekräftigt die Notwendigkeit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Inte- grationsinstrumente. 1. Eingliederungsvereinbarung, § 15 SGB II Problemdarstellung Die Eingliederungsvereinbarung ist ein wichtiges Instrument des Prinzips von För- dern und Fordern. Passgenaue Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie der Gedanke der aktiven Kooperation der Leistungsberechtigten sollen den Eingliede- rungserfolg sicherstellen.22 Durch zu schematische Mustertexte und Festlegungen in Formularen sowie einen teilweise zu wenig auf eine Kooperation auf Augenhö- he angelegten Prozess können nicht alle Potenziale dieses Ansatzes realisiert werden. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein spricht sich dafür aus, den ursprünglichen Gedanken der Kooperation auf Augenhöhe und die Komponente des Förderns bei der Neukon- zeption der Regelung zur Eingliederungsvereinbarung – voraussichtlich im Rah- men des 11. SGB II-Änderungsgesetzes – stärker als bisher zur Wirkung zu bringen. 2. Weiterentwicklung des Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“, § 16i SGB II Problemdarstellung Die Förderung nach § 16i SGB II hat sich in der Praxis gut bewährt. Sie wird nach Einschätzung des Deutschen Vereins auch in absehbarer Zukunft benötigt, um ansonsten vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen Personengruppen eine Perspekti- ve zur Teilhabe an Erwerbsarbeit zu eröffnen. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt die Entfristung der Regelung sowie die Berücksich- tigung besonderer Lebensumstände23 und den Bezug anderer existenzsichernder Leistungen24 als nach dem SGB II beim Zugang zur Förderung (anstatt sechs Jahre ausschließlich ALG II-Bezug, § 16 i Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Des Weiteren spricht 20 Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Förderung von Bildung und beruflicher Weiterbildung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (DV 22/19) vom 30. April 2020, NDV 2020, 312 ff. 21 Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Weiterentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) vom 12. September 2017 NDV 2017, 433 ff. 22 Vgl. Berlit, in: Berlit/Conradis/Pattar: Existenzsicherungsrecht, 3. Aufl., S. 266, Rdnr. 1. 23 So auch die Anschlussfähigkeit des Instruments für Menschen mit Behinderung, vgl. Bestandsaufnahme und Empfehlungen des Deutschen Vereins zur selbstbestimmten Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderung, (DV 20/19) vom 17. Juni 2020, NDV 2020, 368 f. 24 Vorrangig Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII und nach dem AsylblG, ergänzend auch Sozialversi- cherungsleistungen nach dem SGB III, VI. Seite 8
sich der Deutsche Verein dafür aus, die Hilfen aus dem Vermittlungsbudget für Hilfen bei der Anbahnung und Aufnahme einer nach § 16i SGB II geförderten Be- schäftigung zu öffnen. Der Passiv-Aktiv-Transfer sollte verstetigt werden. Ver- pflichtungsermächtigungen für die mehrjährigen Förderungen sollten in ausrei- chendem Umfang bereitgestellt werden. Die Ansiedlung des Coachings sollte zu- künftig als Ermessenregelung ausgestaltet werden, die es im Einzelfall mit Zustim- mung der Leistungsberechtigten auch ermöglicht, das Coaching durch den Arbeit- geber selbst zu erbringen.25 3. Förderung von Grundkompetenzen Problemdarstellung Der Deutsche Verein tritt dafür ein, Grundkompetenzen niedrigschwelliger zu för- dern, als dies derzeit der Fall ist.26 Derzeit müssen sowohl die grundsätzlichen Voraussetzungen der beruflichen Weiterbildung nach § 81 Abs. 1 SGB III erfüllt sein als auch die Aussicht bestehen, dass die Leistungsberechtigten nach der Maßnahmenteilnahme eine mindestens zweijährige Berufsausbildung erfolgreich abschließen. Zudem dürfen Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Einglie- derung nach § 45 SGB III lediglich bis zur Hälfte auch Grundbildungsinhalte um- fassen. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein plädiert für die Einführung eines eigenständigen Instruments zur Förderung von Grundkompetenzen in den Bereichen Lesen, Schreiben, Mathe- matik und digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien. Auch er- werbstätige Leistungsberechtigte im ergänzenden SGB II-Leistungsbezug sollen berufsbegleitend auf diese Weise unterstützt werden können. 4. „Weiterbildungsgeld“ ergänzend zu Erfolgsprämien einführen Problemdarstellung Die Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung sind sehr zielfüh- rende Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik, insbesondere wenn sie zu ei- nem Berufsabschluss führen. Die Eingliederungsquote der geförderten Personen liegt sechs Monate nach Maßnahmeende bei 59,2 %.27 Praktiker/innen aus den Jobcentern berichten jedoch über Schwierigkeiten, Leistungsberechtigte für eine länger andauernde Weiterbildung zu gewinnen. Nach dem Institut für Arbeits- markt- und Berufsforschung (IAB) stellen finanzielle Aspekte bei der Entscheidung für oder gegen eine Weiterbildungsmaßnahme eine entscheidende Rolle dar.28 Auch sind Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung finanziell at- traktiver. 25 Siehe auch Teilhabe am Arbeitsmarkt verwirklichen. Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Umsetzung der Förderung nach § 16i SGB II vom 17. Juni 2020, NDV 2020, 353 ff. 26 Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Förderung von Bildung und beruflicher Weiterbildung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (DV 22/19) vom 30. April 2020, NDV 2020, 312 ff. 27 Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Förderung der beruflichen Weiterbildung, August 2020, Erstel- lungsdatum: 19. November 2020, Tabelle 4. 28 Dietz/Osiander: Weiterbildung bei Arbeitslosen: Finanzelle Aspekte sind nicht zu unterschätzen, IAB- Kurzbericht 14/2014, S. 3, Abbildung 1. Seite 9
Lösungsvorschlag Leistungsberechtigte sollten während der Teilnahme an einer Maßnahme der be- ruflichen Weiterbildung einen finanziellen Zuschlag („Weiterbildungsgeld“) erhal- ten. Eine Umsetzung könnte zum Beispiel so erfolgen, dass das neue Förderinst- rument im SGB III normiert wird und den Jobcentern eine Anwendung über § 16 SGB II ermöglicht wird. Zudem wäre im SGB III die Höhe des Weiterbildungsgeldes zu regeln. Sachgerecht erscheint eine Größenordnung von monatlich 150,– bis 200,– €.29 5. Vermittlungsvorrang neu fassen Problemdarstellung Fast die Hälfte der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen, die aus dem SGB-II-Bezug heraus erfolgen, dauern weniger als sechs Monate. Für 45 % der Per- sonen, die eine Beschäftigung aufnehmen können, ist diese bereits mindestens die fünfte in den letzten fünf Jahren.30 Die Arbeitsvermittlung sollte daher noch stärker am Ziel einer nachhaltigen Vermittlung in stabile Beschäftigungsverhält- nisse ausgerichtet werden. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt, den Vermittlungsvorrang anzupassen: Die Teilnah- me an einer Weiterbildungsmaßnahme, die die Wahrscheinlichkeit einer dauer- haften Integration in den Arbeitsmarkt erhöht, sollte zumindest mit einer schnel- len Vermittlung in Arbeit gleichgestellt werden. Zur Umsetzung sollte § 3 Abs. 1 Satz 3 SGB II geändert werden. 6. Zentrales Budget für Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation Problemdarstellung Menschen mit Behinderungen oder gesundheitlichen Einschränkungen müssen die allgemeinen und besonderen Fördermaßnahmen erhalten, die für ihre Integ- ration in den Arbeitsmarkt erforderlich sind. Maßnahmen der beruflichen Rehabi- litation sind jedoch teils deutlich länger angelegt und kostenintensiver als andere Förderinstrumente. Dies kann kleinere Jobcenter finanziell überfordern. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt, die finanziellen Rahmenbedingungen zur Förde- rung von Rehabilitanden zu verbessern. Die Finanzierung für Reha-Fördermaß- nahmen sollte aus dem Eingliederungstitel herausgelöst werden. Stattdessen sollte auf Bundesebene ein zentrales Reha-Budget eingerichtet werden, aus dem die Jobcenter bei Bedarf Mittel abrufen können. 29 Das Weiterbildungsgeld wäre in die Arbeitslosengeld-II-Verordnung in den Katalog der Einkommensarten aufzunehmen, die nicht auf den Leistungsanspruch angerechnet werden. 30 Vgl. Bruckmeier/Hohmeyer: Arbeitsaufnahmen von Arbeitslosengeld-II-Empfängern: Nachhaltige Integra- tion bleibt schwierig, IAB-Kurzbericht 2/2018. Seite 10
D. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts 1. Mehrbedarf für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Merkzeichen „G“, § 21 Abs. 4 SGB II Problemdarstellung Ein Mehrbedarf für Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzei- chen G steht lediglich Sozialgeldbezieher/innen und Leistungsberechtigten nach § 30 Abs. 1 SGB XII zu. Im SGB II gibt es diesen Mehrbedarfsanspruch nicht. Ledig- lich, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfe bezogen wer- den, gibt es einen Mehrbedarfsanspruch nach § 21 Abs. 4 SGB II. Dieses Ungleich- gewicht bei der Leistungserbringung gilt es zu beseitigen. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein fordert die Schaffung einer Mehrbedarfsregelung auch für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Merkzeichen G. 2. Kosten der Unterkunft und Heizung, § 22 SGB II Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung sind häufig strittig. Im Herbst 2017 hatte der Deutsche Verein Empfehlungen zur Herleitung existenz- sichernder Leistungen zur Deckung der Unterkunftsbedarfe im SGB II und SGB XII31 verabschiedet. Die diesbezügliche Problemlage besteht unverändert. Der Gesetz- geber sollte daher den Begriff der Angemessenheit perspektivisch mit festen Kri- terien hinterlegen.32 3. Gesundheitliche Bedarfe, § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II Problemdarstellung Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II werden atypische Sonderbedarfe für die An- schaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von thera- peutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Gerä- ten erbracht. Für die Neuanschaffung von Sehhilfen gilt diese Regelung nicht. Kosten einer Brille werden grundsätzlich nicht als Zuschuss nach dem SGB II ge- währt. Das bedeutet, dass die Brille in der Regel33 bei Leistungsberechtigten über 18 Jahren aus dem Regelbedarf zu zahlen ist. Im Regelbedarf der Regelbedarfsstu- fe 1 ist in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2018 ein Anteil für 31 Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Herleitung existenzsichernder Leistungen zur Deckung der Un- terkunftsbedarfe im SGB II und SGB XII (DV 30/16) vom 12. September 2017, NDV 2017, 481 ff. 32 „Unabhängig von der Problematik der Angemessenheit der Wohnkosten spricht sich der Deutsche Verein hinsichtlich der Aufteilung der Wohnkosten dafür aus, Lösungen zu diskutieren, mit denen eine Harmoni- sierung zwischen den unterschiedlichen Methoden für die (fiktive) Aufteilung bzw. Zurechnung der Wohn- kosten innerhalb der BG/des Haushalts erreicht und die Verwerfungen zwischen den Systemen durch die teils deutlich unterschiedliche Gewichtung bzw. Zuweisung der Unterhaltskosten behoben/vermindert werden können.“, vgl. Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Systems monetä- rer Unterstützung von Familien und Kindern (DV 3/16) vom 11. September 2019, NDV 2019, 449 ff. 33 § 33 SGB V sieht vor, dass Sehhilfen auch für über 18-Jährige zulasten der GKV verordnungsfähig sind, wenn die Betroffenen sehr schwere Sehbeeinträchtigungen aufweisen oder einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus haben. Seite 11
therapeutische Geräte und Mittel in Höhe von monatlich 2,23 € enthalten.34 Dieser Betrag reicht für die Anschaffung nicht aus; auch nicht durch Ansparen oder durch Einsparungen bei anderen Regelbedarfsbestandteilen. Die Regelung führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Da Leistungsberechtigte in aller Regel krankenversichert sind, muss die vorrangige Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in diesen Fällen beachtet werden, wobei Zuzahlungen, die nach § 61 SGB V zu leisten sind, auch für Leistungsberechtigte nach dem SGB II bis zur Belastungsgrenze (§ 62 SGB V) aus dem Regelsatz gezahlt werden müssen. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt, alle Bedarfe für Gesundheitsleistungen im SGB V zu regeln und u.a. Seh- und Hörhilfen, soweit nicht im Leistungskatalog der GKV enthalten, dort (wieder) aufzunehmen. 4. Anspruch auf digitale Endgeräte als Leistung für Bildung und Teilhabe Problemdarstellung In den Regelbedarfen für Kinder und Jugendliche werden als regelbedarfsrelevant für Abteilung 10 (Bildungswesen) aus der Sonderauswertung der EVS 2018 für 0- bis 6-Jährige 1,49 €, für 6- bis 14-Jährige 1,56 €, für 14- bis 18-Jährige 64 Cent veranschlagt.35 Daneben werden seit letzter grundsätzlicher Überarbeitung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (BuT) im Schulbedarfspaket 30,– € für digita- le Lernsoftware berücksichtigt. Diese Beträge reichen für die Anschaffung digita- ler Endgeräte samt Zubehör nicht aus; auch nicht durch Ansparen oder durch Einsparungen bei anderen Regelbedarfsbestandteilen. Durch den pandemiebe- dingten verstärkten Distanzunterricht (Homeschooling) ist diese Lücke besonders zutage getreten. Im Rahmen des DigitalPakts Schule36 werden Schulen u. a. mit Leihgeräten zur Weitergabe an hilfebedürftige Schüler/innen ausgestattet. Diese Beschaffungen sind in den Ländern unterschiedlich weit gediehen, sodass vielfach auch die Job- center vor der Aufgabe stehen, diese Bedarfe zu decken, wenn derartige Leihgerä- te im Rahmen der Lernmittelfreiheit nicht bzw. noch nicht verfügbar sind.37 Lösungsvorschlag Bedürftige Schülerinnen und Schüler sind in erster Linie im Zuge der vorrangigen und weiter voranzutreibenden Lernmittelfreiheit mit digitalen Endgeräten durch die Schulen einschließlich Zubehör auszustatten. Sofern dies allerdings nicht der Fall sein sollte, spricht sich der Deutsche Verein für eine nachrangige Deckung 34 Vgl. Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes, BT-Drucks. 19/22750, S. 27. 35 Vgl. BT-Drucks. 19/22750, S. 8; in Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) der Einkommens- und Ver- brauchsstichprobe (EVS) 2018 ist ein Anteil für datenverarbeitende Geräte für 0- bis 6-Jährige in Höhe von 2,74 €, für 6- bis 14-Jährige in Höhe von 2,31 €, für 14- bis 18-Jährige in Höhe von 0 € veranschlagt (BT- Drucks. 19/22750, S. 35 ff.). Selbst bei Zugrundelegung beider Abteilungen ist auch damit der Bedarf für digitale Endgeräte auch bei Ansparen oder bei Einsparungen bei anderen Regelbedarfsanteilen nicht zu decken. 36 https://www.bmbf.de/de/wissenswertes-zum-digitalpakt-schule-6496.php (29. Januar 2021). 37 Fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 21 Abs. 6 SGB II vom 1. Februar 2021. Seite 12
dieser Bedarfe im Rahmen der Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II aus. 5. Pflichtverletzungen, §§ 31 ff. SGB II Problemdarstellung Nach dem Urteil des BVerfG vom 5. November 201938 sind die Sanktionsregelun- gen der §§ 31, 31a SGB II zu überarbeiten.39 Es ist neu zu regeln, ob und wie Pflicht- verletzungen nach § 31 Abs. 1 SGB II sanktioniert werden. Dabei ist dem Gesetzge- ber ein Spielraum eingeräumt worden, z.B. statt der belastenden Sanktionierung auch positive Anreize zu setzen, die Umstellung von Geldleistungen auf Sachleis- tungen vorzugeben oder je nach Mitwirkungshandlung differenzierte Minderungs- höhen und -dauern festzulegen.40 Der Nachweis der Wirksamkeit höherer Leis- tungsminderungen als 30 % müsste durch entsprechende Studien mit Blick auf ihre Verfassungsmäßigkeit belegt werden.41 Lösungsvorschlag Der Gesetzgeber hat das Sanktionsrecht umfassend zu reformieren.42 Die konkre- ten Vorgaben des BVerfG43 sind umzusetzen (z.B. Wegfall/Begrenzung der Sankti- onen bei nachträglicher Verhaltensänderung und in Härtefällen). Darüber hinaus plädiert der Deutsche Verein mit Verweis auf den langjährigen Forderungskata- log44 dafür, y die Sonderregelungen U25 abzuschaffen,45, y Leistungsminderungen auf 30 % des Regelbedarfs zu begrenzen,46, y das Antragserfordernis für ergänzende Leistungen, insbesondere bei Bedarfs- gemeinschaften mit Kindern und Jugendlichen abzuschaffen, y die Sanktionen bei Meldeversäumnissen hinsichtlich der Dauer zu flexibilisie- ren und y eine Härtefallregelung zu schaffen. 38 Vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 2019, 1 BvL 7/16. 39 Der Deutsche Verein hat bereits seit Jahren einen umfangreichen Katalog zur Überarbeitung der Sankti- onsregelungen gefordert: vgl. Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Reform der Sanktionen im SGB II (DV 26/12) vom 11. Juni 2013, NDV 2013, 289 ff.; vgl. zuletzt NDV 2019, 529 ff. 40 Vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 2019, 1 BvL 7/16 –, juris Rdnr. 130 und 213. 41 . BVerfG, Urteil vom 5. November 2019, 1 BvL 7/16, Rdnr. 193: „Wenn sich dies tragfähig belegen lässt, mag der Gesetzgeber zur Durchsetzung wiederholter Pflichtverletzungen im Ausnahmefall auch eine beson- ders harte Sanktion vorsehen.“ 42 Berlit: Paukenschlag mit Kompromisscharakter II – das Sanktionenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019, info also, 2020, S. 4. 43 Vgl. BVerfG (Fußn. 40), Rdnr. 218 ff. 44 Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Reform der Sanktionen im SGB II (DV 26/12) vom 11. Juni 2013, NDV 2013, 289 ff.; vgl. zuletzt NDV 2019, 529 ff. 45 Das BVerfG hat mit seiner Entscheidung ausdrücklich nur über die Verletzung von Mitwirkungspflichten der über-25-jährigen erwachsenen Leistungsberechtigten entschieden. Der Deutsche Verein fordert seit vielen Jahren die Abschaffung der besonderen Sanktionsregelungen für U-25-jährige. Gleichzeitig würde sich ein einheitliches System der Leistungsminderungen für sämtliche Altersgruppen verwaltungsverein- fachend auswirken. 46 Damit wäre auch die langjährige Forderung des Deutschen Vereins, die Kosten der Unterkunft von Sankti- onierungen auszunehmen, erfüllt, da es bei einer generellen Begrenzung der Kürzungen auf 30 % des Re- gelbedarfes nicht mehr zum Wegfall des Bedarfes für Unterkunft und Heizung kommt. Seite 13
E. Gemeinsame Vorschriften für Leistungen 1. Nullfestsetzung § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II Problemdarstellung Nach § 41a Abs. 3 SGB II wird für Monate, in denen bei endgültiger Leistungsent- scheidung – mangels Mitwirkung – nicht rechtzeitig von den Leistungsberechtig- ten der Anspruch nachgewiesen wurde, auf Null festgesetzt (sog. Nullfestsetzung). Kann nach dem materiellen Recht für die einzelnen Monate des Bewilligungszeit- raums nur einheitlich über den Leistungsanspruch entschieden werden, ist die Leistung gegebenenfalls für den gesamten Bewilligungszeitraum abzulehnen.47 Die Gründe für die nicht rechtzeitige Mitwirkung sind vielfältig, je nach Komplexi- tät der Nachweise.48 Mittlerweile gibt es zum maßgeblichen Zeitpunkt der Nach- reichung von Unterlagen erheblich differierende Rechtsauffassungen49. Das er- schwert die Verwaltungspraxis und wirkt sich auf die Rechtssicherheit aus.50 Dabei bleibt in der Praxis die Frage offen, wie weit die Nachweispflichten gehen. Ist also eine Festsetzung „auf Null“ bereits gerechtfertigt, wenn nicht alle Nach- weise zu Betriebseinnahmen und –ausgaben eingereicht wurden, oder nur dann, wenn noch nicht einmal die Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätig- keit (Anlage EKS) ausgefüllt wurde? Umstritten ist weiter, ob eine Nachholung der Mitwirkung noch im Klageverfahren erfolgen kann. Dasselbe gilt für die ebenfalls streitanfällige Frage einer Nachholung der Mitwirkung im Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs. 1 SGB X. Die Vorschrift des § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II kann im Einzelfall zu unbilligen Ergeb- nissen führen, da sie unabhängig von der Höhe des zu erwartenden Einkommens bei fehlendem Nachweis die Feststellung nach sich zieht, dass ein Leistungsan- spruch nicht besteht. Ist aber das Einkommen aus Selbstständigkeit auch aus den vorigen Bewilligungszeiträumen erkennbar weit entfernt von einer Bedarfsde- ckung oder fehlt es im konkreten Zeitraum nur an dem Nachweis der Betriebsaus- gaben, greift die Vermutung, es habe (ggf. sogar für eine mehrköpfige Bedarfsge- meinschaft) gar kein Leistungsanspruch bestanden, erheblich in das Existenzmi- nimum ein. Die bis zum 31. Juli 2016 geltende Regelung des § 3 Abs. 6 Alg II-V, die bei fehlender Mitwirkung im Rahmen der endgültigen Leistungsbewilligung eine Schätzung des Einkommens vorsah, stellte die sachgerechtere Lösung dar. Lösungsvorschlag Um unbillige Ergebnisse sowie langwierige Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu vermeiden und Rechtssicherheit zu schaffen, spricht sich der Deutsche Verein für die Streichung der Regelung und die Wiedereinführung der Möglichkeit der Einkommensschätzung aus. 47 Vgl. BT-Drucks. 18/8041, S. 53. 48 Beispielsweise hängen manche Mitwirkungshandlungen auch von komplexem steuerrechtlichen Zuarbei- ten ab, die aus unterschiedlichen Gründen von den Leistungsberechtigten nicht erbracht werden können. 49 So wird z.T. vertreten, dass Unterlagen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nachgereicht wer- den können: BSG, B 4 AS 39/17 R, zit. nach juris, a. A. auch noch im Gerichtsverfahren: Wrackmeyer-Scho- ene: Existenzsicherungsrecht, 3. Aufl., 2019, Rdnr 17 m.w.N. 50 Vgl. BSG, B 4 AS 39/17 R, zit. nach juris. Seite 14
2. Saldierung von Nachzahlungen und Erstattungen, § 50 SGB X Problemdarstellung In Rückforderungsverfahren ist die Saldierung von Monaten mit Nachzahlungen und Erstattungen im Bewilligungszeitraum nicht möglich. Dies bedeutet, dass auf der einen Seite Leistungsberechtigte zu Unrecht erhaltene Leistungen komplett an das Jobcenter zurückzahlen müssen und auf der anderen Seite das Jobcenter gleichzeitige Ansprüche auf Nachzahlungen ebenfalls komplett an die Leistungs- berechtigten auszahlt. Bei einer Saldierung wäre die Erstattungssumme von An- fang an geringer, der Verwaltungsaufwand minimiert und für die Leistungsberech- tigte eine bessere Nachvollziehbarkeit gegeben. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein spricht sich in § 50 SGB X für eine Saldierungsvorschrift nach dem Vorbild des § 41a Abs. 6 SGB II aus. 3. Definition „Arbeitslose“ Ü 58, § 53a Abs. 2 SGB II Problemdarstellung Nach § 53a Abs. 2 SGB II gelten Leistungsberechtigte nicht als arbeitslos, wenn sie nach Vollendung des 58. Lebensjahres für die Dauer von mindestens zwölf Mona- ten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen haben, ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten wurde. Die Regelung macht eine Berücksichtigung in der Statistik davon abhängig, ob Integrationsfachkräfte Angebote für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung – und damit zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit – unterbreitet haben. Die Regelung kann bewirken, dass Erwerbsintegrationen bei Leistungsberechtigten, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, nicht im erforderlichen Maße erfolgen. Dies ist auch aus Gründen der sozialpolitischen Zielsetzung der Grundrente und der dafür zu absolvierenden Beschäftigungszeiten nicht mehr vertretbar. § 53a Abs. 2 SGB II ist zudem vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräftebedarfs bedenklich.51 Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt, § 53a Abs. 2 SGB II zu streichen oder zumindest die Altersgrenze deutlich anzuheben. 4. Bagatellgrenze für Rückforderungen Problemdarstellung Eine erhebliche Rechtsvereinfachung würde mit der Einführung einer generellen Bagatellgrenze für Rückforderungen einhergehen. Bislang führen auch überzahlte Cent-Beträge zu Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden. Von zentraler Bedeu- tung ist, dass mit Schaffung einer angemessenen Bagatellgrenze bei Überzahlun- gen von geringer Höhe keine aufwendigen Aufhebungs- und Erstattungsbeschei- de erstellt werden müssen und damit unverhältnismäßiger Aufwand vermieden 51 Eckpunkte des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung des Leistungsrechts im SGB II vom 11. Septem- ber 2013, NDV 2013, 486 ff. Seite 15
werden kann. Gleiches gilt für Aufrechnungsbescheide, Anhörungen der Leis- tungsberechtigten und die Abgabe an das Inkasso (bei Korrektur für die Zukunft). Die Bagatellgrenze muss, um eine spürbare Vereinfachung zu bewirken, daher kraft Gesetzes im Rahmen der §§ 45 ff. SGB X greifen und die vorgenannten Ar- beitsschritte entfallen lassen. Darüber hinaus dürfen mit der Einführung einer Bagatellgrenze keine neuen umfangreichen Prüfschritte einhergehen. Lösungsvorschlag Damit auch bei vorläufigen Entscheidungen eine Entlastungswirkung eintritt, soll- te die Bagatellgrenze bei nachträglichen Einkommensänderungen ebenfalls gel- ten. Um diese auch auf eine endgültige Festsetzung anwenden zu können, muss § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II insoweit angepasst werden, als Überzahlungen bis zum festgelegten Bagatellbetrag nach der Anrechnung nicht zu erstatten sind. Die Ba- gatellgrenze für Rückforderungen sollte in einer sachangemessenen Größenord- nung angesiedelt sein. Eine maximale Vereinfachung wäre die Betrachtung des jeweiligen Rückforderungssachverhalts pro Bedarfsgemeinschaft. In diesem Fall wäre der Bagatellbetrag in einer Größenordnung von 30,– € anzusiedeln. 5. Sprachmittlung Problemdarstellung Für viele in Deutschland lebende Eingewanderte stellen Sprachbarrieren eine Hürde bei der Wahrnehmung ihrer sozialen Rechte und Pflichten auch im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende dar. Betroffen sind nicht nur Menschen mit Fluchtgeschichte, sondern auch weitere Gruppen wie Arbeitsmigrant/innen aus EU-Staaten sowie Spätaussiedler/innen – darunter auch Personen mit deut- scher Staatsangehörigkeit. Eine gesetzliche Grundlage zur Sprachmittlung gibt es im SGB II nicht, ein ausreichendes Angebot fehlt. Dies behindert den notwendigen barrierefreien Zugang zu existenzsichernden Leistungen, zur Sprachförderung und der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Fehlende Sprachmittlung kann auch negative Auswirkungen auf Behörden selbst haben, weil sie ihren Auftrag nicht oder nur unzureichend erfüllen können, solange die Kommunikation nicht sicher- gestellt ist. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt die Aufnahme einer Regelung zur Hinwirkung auf Sprachmittlung im allgemeinen Verfahrensrecht des SGB I im zweiten Abschnitt in den §§ 13 ff.52 6. Verordnung nach § 13 SGB II-Ortsabwesenheit, § 7 Abs. 4a SGB II Problemdarstellung § 7 Abs. 4a SGB II enthält eine flexiblere Regelung zum Leistungsausschluss bei fehlender Erreichbarkeit als die Vorgängerfassung.53 Diese Fassung gilt bereits seit 52 So auch bereits in den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Förderung der Integration geflüchteter Menschen (DV 11/16) vom 14. Dezember 2016 (NDV 2017, 1). 53 Mit dem zum 1. August 2006 eingefügten Absatz 4a a.F. (Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006)wird der Leistungsanspruch vollständig ausgeschlossen, wenn sich Seite 16
2011, wegen der Übergangsregelung in § 77 Abs. 1 SGB II aber so lange nicht, wie der Verordnungsgeber nach § 13 SGB II nicht tätig geworden ist. Die noch nicht gültige Gesetzesfassung des § 7 Abs. 4a SGB II verweist nicht mehr auf die Erreich- barkeitsanordnung (EAO) aus dem Jahre 2001, lässt auch eine Ortsabwesenheit aus wichtigem Grund zu und gestaltet sich insgesamt deutlich flexibler als die nach wie vor anzuwendende Regelung des § 7 Abs. 4a SGB II a.F., die starr Bezug nimmt auf die EAO und die Eigenverantwortung und Flexibilität der Leistungsbe- rechtigten hemmt. Um die flexiblere Regelung daher in Kraft treten zu lassen, müsste also entweder der Verordnungsgeber tätig werden oder die Übergangsre- gelung in § 77 Abs. 1 SGB II gestrichen werden. Die Streichung des § 77 Abs. 1 SGB II wäre allerdings nur für eine kurze Übergangszeit vorstellbar, da durch die unbestimmten Rechtsbegriffe der Regelung des § 7 Abs. 4a SGB II viele Ausle- gungsfragen verblieben. Lösungsvorschlag Der Deutsche Verein empfiehlt, die Verordnung – wie in § 13 SGB II vorgesehen – zeitnah zu erlassen. Dabei muss die digitale Erreichbarkeit bei der Ausgestaltung Berücksichtigung finden. der Leistungsempfänger ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches im Sinne der EAO vom 23. Oktober 1997 in der Fassung vom 16. November 2001 auf- hält. Seite 17
Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. – seit 140 Jahren das Forum des Sozialen Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. ist das gemeinsame Forum von Kommunen und Wohlfahrtsorganisationen sowie ihrer Einrichtungen, der Bundesländer, der privatgewerblichen Anbieter sozialer Dienste und von den Vertretern der Wissenschaft für alle Bereiche der Sozialen Arbeit, der Sozialpolitik und des Sozialrechts. Er begleitet und gestaltet durch seine Expertise und Erfah- rung die Entwicklungen u.a. der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik, der Sozial- und Altenhilfe, der Grundsicherungssysteme, der Pflege und Rehabilitation. Der Deutsche Verein wird gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Impressum Herausgeber: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. Michael Löher, Vorstand Michaelkirchstr. 17/18 10179 Berlin www.deutscher-verein.de E-Mail info@deutscher-verein.de
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