Die " BMZ 2030"-Reform - Baustein für eine strategische Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit? - Konrad-Adenauer-Stiftung

 
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Die " BMZ 2030"-Reform - Baustein für eine strategische Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit? - Konrad-Adenauer-Stiftung
Quelle: © Reuters.
         Neue Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit

    Die „­BMZ 2030“-Reform
       Baustein für eine strategische Wirksamkeit der
         ­deutschen Entwicklungszusammenarbeit?

                          Veronika Ertl

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Die " BMZ 2030"-Reform - Baustein für eine strategische Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit? - Konrad-Adenauer-Stiftung
Mit den zunehmend komplexen Herausforderungen für
nachhaltige Entwicklung und den Veränderungen der inter­
nationalen Geberlandschaft haben sich die Anforderungen
an die deutsche Entwicklungszusammenarbeit verändert.
Kann die „­BMZ 2030“-Reform vor diesem Hintergrund zu
einer höheren Wirksamkeit beitragen? Und welche strategische
Ausrichtung ist dabei für die Zukunftsfähigkeit der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit notwendig?

Im April 2020 legte Bundesentwicklungsminis­         strategische Wirksamkeitsbegriff dient bei der
ter Gerd Müller mit der „­BMZ 2030“-Reform           Betrachtung der Reform als Referenzrahmen.
ein weitreichendes Reformprogramm für die
deutsche Entwicklungszusammenarbeit vor. Mit         Zunehmend komplexer und k  ­ ompetitiver:
dieser Reform soll die entwicklungspolitische        Herausforderungen für die deutsche
Arbeit Deutschlands „strategischer, wirksamer        Entwicklungszusammenarbeit
und effizienter“1 werden, um „Antworten auf
neue ­Herausforderungen“2 zu finden. Zu diesem       Neben die „klassischen“ Aufgaben der Entwick­
Zweck werden unter anderem die thematischen          lungszusammenarbeit wie Armutsbekämpfung
Schwerpunkte neu definiert, das Partnersystem        und Ernährungssicherheit sind zunehmend
der bilateralen staatlichen Zusammenarbeit über­     globale Herausforderungen getreten, deren
arbeitet, die Planungs- und Allokationsprozesse      Bearbeitung die Kapazitäten bilateraler Zusam­
angepasst und die Kapazitäten für Datenanalyse       menarbeit deutlich übersteigt. Die Bekämpfung
und Wirkungsmessung erweitert. Derzeit befin­        des Klimawandels, die Eindämmung globaler
det sich das Bundesministerium für wirtschaftli­     Gesundheitsgefahren und die Verhinderung
che Zusammenarbeit und Entwicklung (­BMZ) in         sowie Bewältigung von Krisen und Konflikten
der Umsetzung der Reform. Eine abschließende         sind Beispiele hierfür. Die Agenda 2030 für nach­
Bewertung ist also zum aktuellen Zeitpunkt           haltige Entwicklung bietet seit 2015 den globalen
noch nicht möglich. Gleichwohl scheint eine          Rahmen, der diese Herausforderungen umspannt
genauere Betrachtung der Reform angesichts           und deren zahlreiche Interdependenzen abbildet.
der zunehmenden Bedeutung von deutscher
Entwicklungszusammen­arbeit – sowohl im Res­         Der in der Agenda 2030 angelegte Anspruch glo­
sortgefüge deutscher Politik als auch auf interna­   baler Partnerschaften für nachhaltige Entwick­
tionaler Ebene – geboten.                            lung (Sustainable Development Goal [SDG] 17)
                                                     weist auf eine zur Bewältigung der Herausforde­
Der vorliegende Artikel möchte vor diesem Hin­       rungen notwendige Bedingung hin: Partnerschaf­
tergrund eine vorläufige Einschätzung der „­BMZ      ten zwischen unterschiedlichsten Akteuren auf
2030“-Reform vornehmen. Diese stützt sich auf        internationaler, regionaler, nationaler und lokaler
eine Analyse des aktuellen Herausforderungs­         Ebene. Neben bilateraler Zusammenarbeit spie­
horizonts für deutsche Entwicklungspolitik und       len auf internationaler Ebene dabei multilaterale
entwirft abgeleitet daraus einen strategischen       Foren eine zentrale Rolle. Deren Spielraum zur
Wirksamkeitsbegriff, der den „traditionellen“        Ausübung ihrer Koordinierungs- und Normset­
Begriff der Wirksamkeit um Aspekte hinsicht­         zungsfunktionen wird jedoch seit einigen Jahren
lich strategischer Partnerschaften für nachhal­      durch einen in der Staatenwelt verstärkt feststell­
tige Entwicklung und die Profilschärfung im          baren Trend zum Rückzug ins Nationale einge­
Vergleich zu anderen Gebern ergänzt. Dieser          schränkt.

Neue Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit                                                        7
Die " BMZ 2030"-Reform - Baustein für eine strategische Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit? - Konrad-Adenauer-Stiftung
Parallel zur Schwächung multilateraler Foren
lässt sich auch deren gezielte Instrumentalisie­
rung beobachten, insbesondere durch aufstei­
gende Mächte wie China. In der zunehmend
offen ausgetragenen Systemkonkurrenz sind
multilaterale Foren zu umkämpften Arenen
geworden, in denen Akteure versuchen, ihre
jeweiligen Ansätze und Normen hinsichtlich
internationaler Zusammenarbeit durchzuset­
zen. Im Bereich der Entwicklungszusammen­
arbeit sind Konfliktlinien in dieser Hinsicht unter
anderem die differenzierten Verantwortlichkei­
ten von Industrie- und Entwicklungsländern für
nachhaltige Entwicklung, aber auch Fragen der
Konditionalität und Transparenz.

    Die diverser werdende
    Akteursland­schaft führt
    zu einer Konkurrenz
    entwicklungspolitischer
    Ansätze.

Neben den Polen der Systemkonkurrenz sieht
sich Deutschland darüber hinaus durch den seit
der Jahrhundertwende beschleunigten Aufstieg
der Schwellenländer und Länder mittleren Ein­
kommens einer zunehmenden Fragmentierung
der internationalen Entwicklungslandschaft
gegenüber. Die diverser werdende Akteursland­
schaft führt dabei zu einer Konkurrenz entwick­
lungspolitischer Ansätze, da diese Länder im
wachsenden Maße selbst entwicklungspoli­
tisch aktiv sind. Zwar ist der Begriff der „neuen“
Geber für Staaten wie China und Indien irre­
führend, da diese bereits seit langer Zeit
Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der
Süd-Süd-Kooperation betreiben. Das Volumen,
die geografische Ausbreitung und der Einfluss,
den diese Kooperationsformen auf den entwick­
lungspolitischen Diskurs haben, sind jedoch in        Bereits 2020 lag die geschätzte Finanzierungs­
dieser Ausprägung neu.                                lücke zur Erreichung der Entwicklungsziele bei
                                                      2,5 Billionen US-Dollar pro Jahr.3 Angesichts
Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus          der Coronakrise, die Entwicklungsfortschritte
der Breite der Ziele für nachhaltige Entwick­         zunichtegemacht und Entwicklungsbedarfe welt­
lung und der dafür notwendigen Finanzierung.          weit weiter erhöht hat, ist inzwischen von einer

8                                                                         Auslandsinformationen 2|2021
Die " BMZ 2030"-Reform - Baustein für eine strategische Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit? - Konrad-Adenauer-Stiftung
Große Herausforderungen: Die Coronakrise hat Fortschritte zunichtegemacht und Entwicklungsbedarfe weltweit
erhöht. Quelle: © Francis Mascarenhas, Reuters.

weitaus größeren Finanzierungslücke auszuge­           höherer Eigenleistungen der Entwicklungsländer
hen. Die finanziellen Mittel staatlicher Entwick­      und Investitionen des Privatsektors.
lungszusammenarbeit (­ODA) waren und sind
hierfür bei Weitem nicht ausreichend. Dringend         Gleichzeitig bleibt aufgrund der weiterhin hohen
notwendig ist daher die Mobilisierung zusätz­          Entwicklungsbedarfe auch die staatliche Entwick­
licher Finanzmittel, unter anderem in Form             lungszusammenarbeit relevant. Als zweitgrößtem

Neue Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit                                                           9
Die " BMZ 2030"-Reform - Baustein für eine strategische Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit? - Konrad-Adenauer-Stiftung
­ DA-Geber weltweit kommt Deutschland hierbei
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eine wichtige Rolle zu. Dabei ist bereits abzuse­       der Geber- und Kooperationsländer für ihr
hen, dass die Erwartungen an Deutschland in den         entwicklungspolitisches Handeln, unterei­
kommenden Jahren noch steigen werden, auch              nander sowie gegenüber der Öffentlichkeit
weil einige Geberstaaten sich unter anderem auf­        und den Parlamenten5
grund gestiegener heimischer Bedarfe im Zuge
der Coronakrise stärker nach innen wenden. Für      Deutschland beteiligt sich aktiv an den inter­
Deutschland bedeutet dies wiederum, dass mit         nationalen Diskussionen zur Wirksamkeit der
den gestiegenen Erwartungen an seine interna­       Entwicklungszusammenarbeit, unter anderem
tionale Rolle Transparenz- und Rechenschafts­       im Rahmen der Globalen Partnerschaft für wirk­
pflichten bezüglich der Entwicklungsausgaben         same Entwicklungskooperation (Global Partner­
einen noch wichtigeren Stellenwert einnehmen         ship for Effective Development Co-operation,
werden. Das Aufzeigen konkreter Wirkungen ist       ­GPEDC).
für die nötige öffentliche und politische Akzep­
tanz sowie die Legitimierung der deutschen Ent­
wicklungszusammenarbeit daher zentral.                  Die Agenda 2030 ist der
                                                        Ausgangspunkt für eine
Strategische Wirksamkeit
                                                        zukunftsfähige Reform der
Die Diskussion über die Wirksamkeit der Ent­
                                                        Entwicklungszusammenarbeit.
wicklungszusammenarbeit ist nicht neu. Bereits
mit der Verabschiedung der Millenniumsentwick­
lungsziele im Jahr 2000 wurde ein Dialog über       Angesichts der eingangs skizzierten Herausforde­
notwendige Schritte zur Erhöhung der Effektivität   rungen und Veränderungen in der internationalen
angestoßen. Im Rahmen von vier hochrangigen         Entwicklungslandschaft erscheint allerdings über
Foren zur Wirksamkeit der Entwicklungszusam­        den in dieser Form abgesteckten „traditionellen“
menarbeit diskutierten Industrie- und später auch   Begriff der Wirksamkeit hinaus ein breiteres –
Entwicklungsländer über entsprechende Stan­         strategisches – Verständnis von Wirksamkeit
dards. Beim vierten Forum im Jahr 2011 wurde        nötig. Aus diesem Grund ergänzt der vorliegende
schließlich eine neue Partnerschaft für Ent­        Artikel die oben skizzierten Komponenten von
wicklung ins Leben gerufen – die Entwicklungs­      Wirksamkeit in der Entwicklungszusammen­
partnerschaft von Busan (Busan Partnership for      arbeit um zwei weiterführende Aspekte:
Effective Development Co-operation).4
                                                    1. Wirksamkeit durch strategische P
                                                                                      ­ artnerschaften
Die darin vereinbarten Prinzipien für wirksame         für nachhaltige Entwicklung weltweit
Entwicklungszusammenarbeit umfassen folgende
Aspekte:                                            Die Agenda 2030 ist als globaler Rahmen für
                                                    nachhaltige Entwicklung der Ausgangspunkt für
•    Stärkung der Eigenverantwortung der Ent­       eine zukunftsfähige Reform der Entwicklungs­
     wicklungsländer für Entwicklungsprioritäten    zusammenarbeit. Sowohl die thematischen Quer­-
     und -modelle                                   verbindungen zwischen den S     ­ DGs als auch
                                                    deren grenzüberschreitender Charakter machen
•    Ergebnisorientierung der Maßnahmen             die Notwendigkeit strategischer Partnerschaften
     entlang der Entwicklungsprioritäten            für die Zielerreichung deutlich. Diese müssen
                                                    auf lokaler, nationaler, regionaler und interna­
•    Auf Offenheit sowie gegenseitigem Respekt      tionaler Ebene geschaffen werden, mit staat­
     und Lernen basierende Zusammenarbeit           lichen sowie nichtstaatlichen Akteuren. Zur
     aller Entwicklungsakteure                      Erreichung globaler ­Gemeinschaftsgüter wie
                                                    Klima- und Gesundheitsschutz ist die stärkere

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Zusammenarbeit mit einflussreichen Schwellen­-    Neben der bilateralen Zusammenarbeit mit
ländern dabei unabdingbar. Zur Gestaltung         Partner­ländern ist dies auch auf multilateraler
nachhaltiger Wirtschaftssysteme und der Finan­-   Ebene zentral: Von Deutschland als zweitgröß­
zierung nachhaltiger Entwicklung ist darüber
                                       ­­         tem Geber und weltweit einflussreichem Akteur
hinaus die Zusammenarbeit mit Akteuren des        wird erwartet, sich in multilateralen Foren aktiv
Privatsektors von wachsender Bedeutung. Eine      für die regel- und wertebasierte globale Ordnung
zukunftsfähige Reform muss entsprechend           einzusetzen, sowohl in thematischer als auch
relevante Partner zur Erreichung nachhaltiger     finanzieller Hinsicht. Noch stärker als bisher
Entwicklung identifizieren und die strategische   sollte sich Deutschland auch für als wichtig emp­
Zusammenarbeit mit diesen Partnern konse­         fundene Themen einsetzen (Agenda-Setting)
quent vorantreiben. Deutschland kann in dieser    und priorisieren, welche multilateralen Foren
Hinsicht auf bestehenden Partnerschaften und      die größten Gestaltungsmöglichkeiten zur Errei­
Ansätzen aufbauen.                                chung nachhaltiger Entwicklung im deutschen
                                                  Verständnis bieten.
2. Wirksamkeit durch Partnerorientierung und
   wertegebundene Profilschärfung der deutschen   Die „­BMZ 2030“-Reform
   Entwicklungszusammenarbeit
                                                    Wie lassen sich die Komponenten der „­BMZ
Darüber hinaus ist es vor dem Hintergrund der 2030“-Reform vor dem Hintergrund dieses
zunehmenden Systemkonkurrenz und Fragmen­ Referenzrahmens der strategischen Wirksam­
tierung der Akteurslandschaft im Bereich der keit bewerten? Die Zielvorgabe erhöhter Wirk­
Entwicklungszusammenarbeit wichtiger denn           samkeit nimmt einen prominenten Platz in den
je, als attraktiver und verlässlicher Partner wahr­ Ankündigungen und Dokumenten zur Reform
genommen zu werden. Aktuell scheinen Geber, ein und bietet damit erste Anhaltspunkte. Auch
die eine stärker interessensgeleitete und nicht die stärkere Ausrichtung an entwicklungspoliti­
mit Konditio­nalität verbundene Zusammenar­ schen Schwerpunktthemen und die Erhöhung
beit postulieren, für viele Entwicklungsländer der Handlungsfähigkeit des B        ­ MZ sollten im
das auf den ersten Blick attraktivere Angebot Kontext der strategischen Wirksamkeit genauer
bereitzustellen. Deutschland sollte vor diesem betrachtet werden.6
Hintergrund seine Kooperationsinteressen und
wertebasierten Qualitätsstandards noch klarer
kommunizieren und gleichzeitig seinen Beitrag          Das Themenmodell zeigt
in Partnerländern besser in Wert setzen. Hierfür       deutlich die Bandbreite der
ist eine bessere Kommunikation des Umfangs
                                                       Herausforderungen für
und der konkreten Wirkungen des deutschen
Beitrags wichtig, da letztere aktuell im Vergleich
                                                       nachhaltige Entwicklung.
zu anderen Gebern, die ihre Aktivitäten effekt­
voll in Szene setzen, oft nicht deutlich genug
zum Ausdruck kommen. Gleichzeitig müssen Von Daten und Fakten: W          ­ irkungsorientierung,
Hindernisse für mehr Wirksamkeit, wie der -messung und -kommunikation
Koordinierungsaufwand durch eine hohe Anzahl
kleinteiliger Projekte, abgebaut werden. Darüber Im Kernbereich der „klassischen“ Wirksamkeit
hinaus sollten die bestehenden vertrauensvollen     sieht die Reform Verbesserungen in der Wir­
Beziehungen mit Partnerländern und die positive kungsorientierung und -messung, insbesondere
internationale Wahrnehmung Deutschlands als         hinsichtlich der Datenverfügbarkeit und -aufbe­
wertebasierter Akteur für die weitere Profilbil­ reitung, sowie der Kommunikation vor.
dung genutzt werden.
                                                    Durch eine stärkere Priorisierung der T ­ hemen
                                                    im Rahmen eines neuen „Agenda 2030“-

Neue Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit                                                  11
Themen­modells (siehe Tabelle 1) soll die Arbeit     Qualitätsmerkmalen weiterhin beachtlich. Die
des B­ MZ im Sinne einer Portfoliokonsolidie­        erhofften Wirksamkeitsgewinne durch Konsoli­
rung noch stärker auf Ergebnisse in als prioritär    dierung könnten dadurch erschwert werden.
gesehenen Themenfeldern ausgerichtet werden.
Neben den fünf Kernthemen, die jeweils durch         Dieser Gefahr soll durch eine Verschränkung des
drei Aktionsfelder konkretisiert werden, umfasst     Themenmodells und des ebenfalls neu aufge­
das Themenmodell zehn zeitlich begrenzte Ini­        stellten Partnermodells entgegengewirkt werden.
tiativthemen und sechs übergreifende Qua­            So sieht die Reform vor, die Zusammenarbeit mit
litätsmerkmale. Das Themenmodell zeigt in            bilateralen Partnern pro Land auf drei Kernthe­
seiner Struktur deutlich die Bandbreite der Her­     men und zwei untergliederte Aktionsfelder zu
ausforderungen für nachhaltige Entwicklung.          fokussieren. Darüber hinaus ist die Bearbeitung
Gleichzeitig bleibt die Summe aus Kernthemen         von bis zu zwei Initiativthemen möglich. Aus­
inklusive Aktionsfeldern, Initiativthemen und        schlaggebend soll hierbei sein, dass durch die

Tabelle 1: „Agenda 2030“-Themenmodell des BMZ

 Kernthemen (DNA des BMZ)                            Initiativthemen

 Entwicklungspolitische Schwerpunktthemen für        Setzung entwicklungspolitischer Akzente
 Zukunfts- und Entwicklungsfragen unserer Zeit       und Impulse für eine bestimmte Zeit

 1.   Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt    1. Marshallplan mit Afrika

 2.   Eine Welt ohne Hunger                          2. Gesundheit, Pandemiebekämpfung und One Health

 3.   Ausbildung und nachhaltiges Wachstum           3. Nachhaltige Lieferketten und Grüner Knopf
      für gute Jobs
                                                     4. Bevölkerungsentwicklung und Familienplanung
 4.   Verantwortung für unseren Planeten – Klima
                                                     5. Digitalzentren und Digitalisierung
      und Energie
                                                     6. Perspektive Heimat
 5.   Schutz unserer Lebensgrundlagen – Umwelt
      und natürliche Ressourcen                      7.   Allianz für Entwicklung und Klima

                                                     8. Grüne Bürgerenergie
 →    ergänzt durch jeweils drei Aktionsfelder       9. Synthetische Kraftstoffe

                                                     10. Sport, Medien und Kultur

 Übergreifende Qualitätsmerkmale

 Werteorientierte, nachhaltige und zukunftsorientierte Anforderungen,
 die durchgängig bei allen Maßnahmen berücksichtigt werden

 1. Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung und Inklusion

 2. Anti-Korruption und Integrität

 3. Armutsbekämpfung und Reduzierung der Ungleichheit

 4. Umwelt- und Klimaverträglichkeitsprüfung

 5. Konfliktsensibilität (Do no harm)

 6. Digitalisierung (Digital als Standard)

Quelle: BMZ 2020, N. 1, S. 9 f.

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Auswahl in den jeweiligen Themenbereichen            der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
ein signifikanter Beitrag geleistet werden kann.7    noch transparenter zu kommunizieren. Dies
                                                     betrifft regelmäßige Berichterstattungen, bei­
                                                     spielsweise im O
                                                                    ­ DA- und I­ ATI-Rahmen10, sowie
   Standardisierte Indikatoren                       parlamentarische Anfragen. Um auch gegenüber
   für alle Kernthemen sollen die                    der Öffentlichkeit eine aktivere und klarere Kom­
                                                     munikation der erzielten Wirkungen zu ermögli­
   Wirkungsmessung verbessern.
                                                     chen, sollen quantitative Daten greifbar gemacht
                                                     werden, unter anderem durch eingängige Praxis­
                                                     beispiele. Im Vergleich zu anderen Aspekten der
Auch die geplante veränderte Herangehensweise        Wirksamkeit nimmt das Thema Kommunikation
an die Steuerung durch Strategien ist vor dem        in den Reformdokumenten jedoch einen gerin­
Hintergrund der erhöhten Wirkungsorientierung        gen Stellenwert ein. Die Reform sollte hier nicht
zu sehen. So sollen weniger, dafür aber mit klare­   den Fehler machen, Potenzial zur Erhöhung der
rem Steuerungsanspruch verbundene Strategien         öffentlichen Akzeptanz der Entwicklungszusam­
geschaffen werden. Geplant ist unter anderem         menarbeit zu verschenken.
eine Reduzierung von aktuell rund 35 sektoralen
Strategiepapieren auf fünf Kernthemen-Strate­        Fördern und fordern: Hin zu mehr
gien. In diesen Strategien verbindlich festgelegte   Eigenverantwortung der Partnerländer?
standardisierte Indikatoren für alle Kernthemen
sollen dabei die Wirkungsmessung verbessern.         Die Reform betont Eigeninitiative als „Schlüs­
Darüber hinaus soll durch die Weiterentwicklung      sel für Entwicklung“.11 Partner deutscher Ent­
von Review-­Instrumenten die systematischere         wicklungszusammenarbeit sollen noch stärker
Nutzung von Lernerfahrungen im Rahmen der            als bisher Fortschritte hinsichtlich guter Regie­
Strategien und Programme sichergestellt werden.8     rungsführung, Schutz der Menschenrechte und
                                                     Korruptionsbekämpfung erzielen.
Eine offene Frage ist bis dato, wie erreichte Wir­
kungen in Themenbereichen und Ländern, die im        Der Fokus auf gute Regierungsführung wird
Zuge der Reform nicht mehr im Zentrum der bila­      insbesondere im Zusammenhang mit der Neu­
teralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit       ausrichtung der bilateralen Partnerbeziehungen
stehen, dokumentiert, aber auch bewahrt werden       betont. Die bisherige Länderliste des B­ MZ wird
können. Neben möglichen Reputationsverlusten         durch ein neues Partnerschaftsmodell (siehe
wären sogenannte Entwicklungsruinen auch im          Tabelle 2) mit drei übergeordneten Länderkate­
Sinne der Wirksamkeit höchst bedauerlich.            gorien abgelöst: bilaterale Partner, globale Part­
                                                     ner sowie Nexus- und Friedenspartner.
Um die Zielerreichung im Bereich Wirkungso­
rientierung und -messung technisch zu ermög­         Die Veränderungen des Partnermodells prägten
lichen, strebt die Reform nach deutlichen            die Wahrnehmung und Diskussion der „­BMZ
Verbesserungen hinsichtlich der Datenverfüg­         2030“-Reform deutlich. Während die meisten
barkeit und -qualität. Neben angestrebten tech­      Beobachter grundsätzlich die Notwendigkeit
nologischen Neuerungen wurden zu diesem              einer Konsolidierung der Partnerländer sehen,
Zweck auch strukturelle Veränderungen im B
                                         ­ MZ        wird befürchtet, dass der Rückzug aus einigen
vorgenommen, unter anderem die Gründung              Ländern den Einfluss und die Wahrnehmung
einer neuen Abteilung, die die Themenbereiche        Deutschlands als internationaler Akteur nach­
Grundsatzfragen, Daten, Statistik und Wirksam­       haltig schwächen könnte.12 Kritik wurde dabei
keit zusammenführt.9                                 insbesondere hinsichtlich der Auswahl der soge­
                                                     nannten Exit-Länder (siehe Tabelle 2) laut, die
Eine qualitativ hochwertige Wirkungsmessung          zukünftig nicht mehr im Rahmen der bilatera­
bietet auch die Voraussetzungen, um Wirkungen        len staatlichen Entwicklungszusammenarbeit

Neue Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit                                                      13
Tabelle 2: Das neue Partnerschaftsmodell des BMZ

 → Bilaterale Partner                     → Globale Partner                      Nichtstaatliche, europäische
                                                                                 und multilaterale Zusammen-
 Langfristige Verfolgung                  Zusammenarbeit zur Lösung              arbeit
 gemeinsamer Entwicklungsziele            globaler Zukunftsfragen und
                                          der Erreichung grenzüber-              Exit-Länder
 Afghanistan, Ägypten, Algerien,          greifender Ziele
 Bangladesch, Benin, Bur ina Faso,                                               Armenien, Aserbaidschan,
 Ecuador, Jordanien, ambodscha,         Brasilien, China, Indien, Indonesien,   Bolivien, Burundi, Costa Rica,
 amerun, enia, olumbien, Liba-        Mexi o, Peru, Südafrika, Vietnam        Domini anische Republi ,
 non, Malawi, Madagas ar, Mali,                                                  El Salvador, Guatemala, Guinea,
 Mauretanien, Mosambi , Namibia,                                                 Haiti, Honduras, asachstan,
 Niger, Nigeria, Pa istan, Palästinen-    → Nexus- und Friedenspartner           irgisistan, uba, Laos, Liberia,
 sische Gebiete, Ruanda, Sambia,                                                 Mongolei, Myanmar, Nepal,
 Tansania, Uganda, Usbe istan            Einsatz für Stabilität, Friedens-       Nicaragua, Paraguay, Philippi-
                                         potenziale und die Bekämpfung           nen, Sierra Leone, Sri Lan a,
     ↘ Reformpartner                     stru„tureller Ursachen von              Tadschi istan, Timor-Leste,
                                         ‡onfli„ten und Flucht                   Tur menistan
     Äthiopien, Côte d’Ivoire, Ghana,
     Maro o, Senegal, Togo, Tunesien     Ira , Jemen, DR ongo, Libyen,
                                                                                 Alle weiteren Länder der
                                         Somalia, Sudan, Südsudan, Syrien,
                                                                                 DAC-Liste
     ↘ Transformationspartner            Tschad, Zentralafri anische Republi

     Albanien, Bosnien und Herzego-
     wina, Georgien, osovo, Republi
     Moldau, Serbien, U raine

Quelle: BMZ 2020, N. 1, S. 7 f., zum Status von Togo siehe N. 17.

unterstützt werden. Das ­BMZ betont hierzu,                 bei Ägypten und Tansania nicht erkennbar sei,
dass die Zusammen­arbeit mit diesen Ländern                 während reformorientierte und bedürftige Län­
nicht ende, sondern weiterhin und verstärkt über            der wie Sierra Leone und Liberia aus der Liste der
nichtstaatliche Kanäle wie Nichtregierungsorga­             bilateralen Partnerländer gefallen seien.16 Um die
nisationen und politische Stiftungen sowie über             Glaubwürdigkeit der Reform und der deutschen
europäische und multilaterale Formate erfolge.13            Entwicklungspolitik nicht zu gefährden, muss die
Nicht unterschätzt werden sollten in diesem                 Länderauswahl transparent und nachvollziehbar
Zusammenhang jedoch die veränderten Rah­                    begründet und bei Veränderungen von Rahmen­
menbedingungen, die durch ein Ende der bilate­              bedingungen konsequent überprüft werden.
ralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit
in Exit-Ländern entstehen und potenziell auch die           Eine besondere Gewichtung der Eigenverant­
Arbeit nichtstaatlicher Akteure vor Ort erschwe­            wortung der Partnerländer im Sinne guter Regie­
ren könnten.                                                rungsführung und Reformbereitschaft bestimmt
                                                            die Auswahl der R
                                                                            ­ eformpartnerländer. Diese Art
Ebenfalls kritisch gesehen wird die Nachvoll­               der Zusammenarbeit wurde 2017 im Rahmen des
ziehbarkeit und Kohärenz der Länderauswahl,                 Marshallplans mit Afrika mit besonders reform­
in der sich die stärkere Betonung der Eigenver­             orientierten Partnerländern auf dem Kontinent
antwortung der Länder widerspiegeln soll.14 So              geschaffen. Die besondere Q­ ualität der Zusam­
wurden Aspekte wie gute Regierungsführung und               menarbeit zeigt sich neben dem Niveau der
Reformorientierung laut B  ­ MZ bei der Auswahl             finanziellen Zusagen auch in einem intensiven
der bilateralen Partnerländer berücksichtigt.15             politischen Dialog über gegenseitige Kooperati­
Kritische Stimmen merken jedoch an, dass diese              onsinteressen und Ansprüche sowie in speziellen
Fokussierung auf gute Regierungsführung als Ent­            Instrumenten wie der Reformfinanzierung. In
scheidungskriterium für die Weiterführung bila­             der „­BMZ 2030“-Reform werden diese Partner­
teraler staatlicher Entwicklungszusammenarbeit              schaften nun als Unterkategorie und intensivste

14                                                                                 Auslandsinformationen 2|2021
Form der bilateralen Zusammen­arbeit syste­         Exit-Ländern – ein Vakuum, das zu einem Ein­
matisiert. Als Kriterien für die Auswahl wer­       flusszuwachs von Gebern mit weniger werte­
den gute Regierungsführung, Eigenleistungen         basierten Entwicklungsansätzen führen könnte.
und Privatwirtschafts­orientierung betont. Die      Damit wäre dem deutschen Entwicklungsan­
Reform bietet eine gute Gelegenheit, aus den        spruch und deutschen Interessen kein Gefallen
bisherigen Erfahrungen der Reformpartner­           getan. Deutschland wäre daher gut beraten, sich
schaften zu lernen und identifizierte Schwächen,    in diesen Fällen noch enger mit gleichgesinnten
unter anderem in der Anwendung des Kriteriums       Gebern abzusprechen.
der Reformbereitschaft, entsprechend auszu­
bessern. Dies scheint auch vor dem Hintergrund      Hinsichtlich der Koordinierung in Partnerlän­
der geplanten Ausweitung dieses Partnerschafts­     dern wird im Kontext der Reform auch die För­
modells über die aktuellen Partner und den afri­    derung von gemeinsam mit anderen Gebern
kanischen Kontinent hinaus opportun.17              durchgeführten Projekten diskutiert, unter ande­
                                                    rem durch den EU-Ansatz des Joint Programming,
                                                    der eine bessere Abstimmung der Programme
   Es scheint keineswegs selbst-                    der EU-Institutionen und Mitgliedstaaten in
   verständlich, dass die bisher                    den jeweiligen Ländern ermöglichen soll.19 Die­
                                                    ses Konzept ist dabei keineswegs neu, sondern
   von Deutschland geförderten
                                                    wird seit einigen Jahren auf EU-Ebene diskutiert,
   Themen nun von anderen                           jedoch mit schleppenden Fortschritten. Deutsch­
   Gebern mit abgedeckt werden.                     land hatte im Rahmen seiner EU-Ratspräsident­
                                                    schaft 2020 angekündigt, das Thema weiter
                                                    vorantreiben zu wollen.20 Konkrete Ergebnisse
                                                    sind nicht zu verzeichnen – die Mammutaufgabe
Dein Partner oder mein Partner? Die Rolle           der Pandemiebewältigung ist sicherlich eine
von Geberkoordinierung                              Erklärung für die geringere Priorität der Thema­
                                                    tik während der Ratspräsidentschaft.
In Anbetracht des neuen Partnerschaftsmodells
und des Endes der staatlichen bilateralen Ent­      Better together: Strategische P
                                                                                  ­ artnerschaften
wicklungszusammenarbeit mit mehr als zwanzig        für globale Herausforderungen
Ländern wird von Seiten des ­BMZ die Wichtig­
keit von Geberkoordinierung betont. Bereits bei     Wie an früherer Stelle diskutiert, sind zur Bearbei­
der Auswahl der bilateralen Partnerländer wurde     tung grenzüberschreitender Herausforderungen
die Signifikanz des deutschen Beitrags als Krite­   und zur Erreichung globaler Gemeinschaftsgüter
rium herangezogen. Länder, in denen dieser im       strategische Partnerschaften über die klassische
Vergleich zum Engagement anderer Geber als          bilaterale Entwicklungszusammenarbeit hinaus
wenig bedeutsam bewertet wurde, sind unter          nötig – unter anderem mit Schwellenländern und
anderem Haiti, Laos und Liberia.18                  nichtstaatlichen Akteuren.

Weniger klar ist jedoch bis dato, inwiefern im      Das neue Partnerschaftsmodell trägt diesem
Rahmen der Erarbeitung der Reform Absprachen        Anspruch mit der Schaffung der Kategorie „Glo­
mit anderen Gebern im Sinne der Geberkoordi­        bale Partner“ Rechnung. Dies sind Schwellenlän­
nierung getroffen wurden. Es scheint keineswegs     der wie China, Indien, Mexiko und Südafrika, die
selbstverständlich, dass die bisher von Deutsch­    angesichts ihres politischen Gewichts und ihres
land geförderten Themen in den Exit-Ländern         wirtschaftlichen Entwicklungsgrades in der Lage
nun von anderen Gebern mit abgedeckt wer­           sind, einen relevanten Beitrag zur Erreichung
den – insbesondere angesichts eher rückläufiger     globaler Gemeinschaftsgüter zu leisten. Sie
staatlicher Entwicklungsausgaben traditioneller     sind damit auch wichtige Partner für die Umset­
Geber. Dies birgt die Gefahr eines Vakuums in       zung deutscher Interessen weltweit. Die „­BMZ

Neue Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit                                                       15
Nachvollziehbare Auswahl? Länder wie Sierra Leone sind aus der Liste der bilateralen Partnerländer gefallen.
Quelle: © Baz Ratner, Reuters.

16                                                                               Auslandsinformationen 2|2021
2030“-Reform festigt und systematisiert somit
                                                 einen Bestandteil der deutschen Entwicklungs­
                                                 zusammenarbeit, der bereits in den vergangenen
                                                 Jahren an Gewicht gewonnen hat. Hier kommt es
                                                 nun darauf an, Potenziale der Zusammenarbeit
                                                 mit diesen Ländern noch besser zu nutzen, etwa
                                                 durch die strategische Weiterentwicklung von
                                                 Instrumenten wie den Dreieckskooperationen, in
                                                 denen ein traditionelles Geberland wie Deutsch­
                                                 land mit einem Schwellenland im Rahmen eines
                                                 Projekts in einem Entwicklungsland kooperiert.

                                                 Gleichzeitig muss vor dem Hintergrund strate­
                                                 gischer Partnerschaften die Länderauswahl des
                                                 Partnerschaftsmodells kritisch hinterfragt wer­
                                                 den. Durch die Kombination eines technischen
                                                 und eines strategischen Filters sollte die Orien­
                                                 tierung an quantitativen Kriterien wie der Bedürf­
                                                 tigkeit des Partners und strategischen Kriterien
                                                 wie der geopolitischen Relevanz sichergestellt
                                                 werden. Im Ergebnis entsteht dadurch ein Fokus
                                                 auf Afrika und den Mittleren Osten. Diese neue
                                                 Ausrichtung könnte zu einem Einflussverlust
                                                 Deutschlands in Lateinamerika und Asien führen,
                                                 den andere dort bereits zunehmend aktive Staa­
                                                 ten ausnutzen könnten. Um eine Schwächung
                                                 der strategischen Beziehungen mit Exit-Staaten
                                                 zu verhindern, sollte in Abstimmung mit anderen
                                                 deutschen ­ODA-verausgabenden Ressorts ver­
                                                 sucht werden, über diese Kanäle die Beziehungen
                                                 aufrechtzuerhalten – angesichts der Tücken der
                                                 Ressortkoordination kein leichtes Unterfangen.
                                                 Auch scheint die ­BMZ-Ausrichtung der aktuel­
                                                 len außenpolitischen Tendenz eines vertieften
                                                 deutschen Engagements in Lateinamerika und
                                                 Asien – verkörpert durch die Lateinamerika-­
                                                 und-Karibik-Initiative und die „Leitlinien zum
                                                 Indo-Pazifik“ des Auswärtigen Amts – entgegen­
                                                 zulaufen. Damit schwächt sie potenziell die Kohä­
                                                 renz und die Verfolgung strategischer Interessen
                                                 im Umgang mit Deutschlands internationalen
                                                 Partnern. Um dies zu verhindern, sind Verbesse­
                                                 rungen in der Koordination zwischen den relevan­
                                                 ten Ressorts, allen voran B­ MZ und Auswärtiges
                                                 Amt, notwendig.

                                                 Neben den Partnerländern kommt mit Blick auf
                                                 strategische Partnerschaften auch dem Privat­
                                                 sektor eine wichtige Rolle zu. Insbesondere im

Neue Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit                                                 17
Rahmen des Marshallplans mit Afrika mit seinen        der Mehrwert der deutschen Entwicklungszu­
Reformpartnerschaften sowie des Entwicklungs­         sammenarbeit klar aufgezeigt werden, um die
investitionsfonds werden Bemühungen des ­BMZ          Wahrnehmung und Wertschätzung deutscher
zur Einbindung und Förderung des Privatsek­           Aktivitäten durch politische Entscheidungsträger
tors für nachhaltige Entwicklung deutlich.21 In       und die Bevölkerung in Partnerländern zu stärken.
der „­BMZ 2030“-Reform wird die Kategorie
der Reformpartner weiter institutionalisiert und
die Möglichkeit zur Ausweitung geboten. Auch             Die Werteorientierung ist
in den Themenschwerpunkten sind privatwirt­              eine zentrale Komponente
schaftliche Entwicklungsaspekte enthalten. Wäh­
                                                         deutscher Entwicklungs­
rend die Rolle des Privatsektors also Beachtung
erfährt, scheint die Gewichtung entsprechender
                                                         zusammenarbeit.
Instrumente im Reformkonzept im Vergleich zu
anderen Diskussionen und Konzepten des ­BMZ
eher verhalten. Die Umsetzung der Reform bie­         Die „­BMZ-2030“-Reform setzt in dieser Hinsicht
tet eine Chance, diese Instrumente noch strate­        an verschiedenen Stellschrauben an. Durch die
gischer in das Portfolio zu integrieren und dabei     Verzahnung der Themen- und Partnermodelle
sicherzustellen, dass die Aktivitäten mit den sozi­    sowie die geplante Konsolidierung der bilatera­
alen, ökologischen und ökonomischen Aspekten           len Portfolios soll die Vielzahl kleiner Einzelpro­
der Agenda 2030 in Einklang stehen.                    jekte in den Partnerländern reduziert werden.
                                                      Dies hat das Potenzial, die Transaktionskosten
Partnerorientierung und Profilbildung: Deutschland     für beide Seiten zu verringern sowie die Wirkung
als attraktiver und wertebasierter Partner             und Signifikanz des deutschen Beitrags in den
                                                      Partnerländern zu stärken. Auf dieses Ziel zahlt
Wie zuvor erläutert, hängt die strategische Wirk­      auch die geplante Weiterentwicklung des Instru­
samkeit deutscher Entwicklungszusammen­arbeit          ments der offiziellen Regierungsverhandlungen
noch stärker als bisher auch davon ab, ob das          ein. Künftig sollen alle Zusagen im Partnerland,
Land als attraktiver und verlässlicher Partner         d. h. auch Sonderinitiativen, Klimafinanzie­
wahrgenommen wird. Die Konkurrenz in dieser            rungen, Regional- und Globalvorhaben sowie
Hinsicht kommt vor allem von Gebern wie China,        KfW-Förderkredite, gebündelt kommuniziert
die andere Entwicklungsansätze verfolgen und           und damit der deutsche Beitrag als Gesamtleis­
ihre Aktivitäten in Partnerländern politisch           tung stärker betont werden. Die Überlegung, in
geschickt und öffentlichkeitswirksam vermark­          diesem Zusammenhang auch die Zusagen ande­
ten. Um in dieser Situation als Geber und Part­        rer deutscher Ressorts abzubilden, sollte insbe­
ner relevant zu bleiben, sind eine Evaluierung         sondere vor dem Hintergrund des zunehmenden
bisheriger Schwächen deutscher Entwicklungs­          ­ODA-Anteils anderer Ministerien weiterverfolgt
zusammenarbeit im Vergleich zu anderen Geber­          werden. Die Erfahrung lehrt jedoch auch, dass
modellen und entsprechende Anpassungen                 teils divergierende Interessen und Verfahren der
unabdingbar. Mögliche Ansatzpunkte bieten sich         einzelnen Ressorts und deutschen Geberorgane
beispielsweise hinsichtlich der klaren Kommuni­        eine solche Bündelung der Zusagen erschweren.
kation beidseitiger Kooperationsinteressen und
der finanziellen Zusagen sowie der Kohärenz der       Darüber hinaus ist die Werteorientierung eine
Instrumente und Umsetzungsstrukturen. Gleich­         zentrale Komponente deutscher Entwicklungs­
zeitig sollte nicht der Fehler gemacht werden, die    zusammenarbeit. Im neuen Themenmodell sind
Werteorientierung und Qualitätsstandards des          diese Werte als „übergreifende Qualitätsmerk­
deutschen Ansatzes hintanzustellen, um mit ver­       male“ verankert, die durchgängig bei allen Maß­
meintlich effizienter aufgestellten entwicklungs­     nahmen berücksichtigt werden sollen. Hier finden
politischen Ansätzen zu konkurrieren. Vielmehr        sich unter anderem Menschenrechte, Geschlech­
muss im Zusammenspiel beider Komponenten              tergleichstellung, Korruptionsbekämpfung,

18                                                                         Auslandsinformationen 2|2021
Umwelt- und Klimaverträglichkeit sowie Kon­           auch auf multilateraler Ebene gerecht zu werden,
fliktsensibilität. Grundsätzlich ergibt sich in der   setzt die Reform an unterschiedlichen Aspekten
Konzeption von Mainstreaming-Themen die               zur Erhöhung der Wirksamkeit an. Neben Anpas­
Gefahr, dass diese in den Hintergrund treten. In      sungen hinsichtlich der klassischen Aspekte der
der Umsetzung der Reform sollte entsprechend          Wirksamkeit, insbesondere in puncto Wirkungs­
darauf geachtet werden, die Qualitätsmerkmale         orientierung und -messung, bietet die Reform
konsequent zu berücksichtigen.                        Ansatzpunkte für strategischere Partnerbeziehun­
                                                      gen und eine stärkere Profilbildung als attraktiver
 Neben den bilateralen Beziehungen spielt auch        Partner. Gleichzeitig sind einige Komponenten
 die multilaterale Ebene für die Profilschärfung      der Reform noch nicht ausreichend kohärent
 Deutschlands als attraktiver Entwicklungs­           angelegt und müssten daher nachjustiert werden.
 partner eine wichtige Rolle. Sowohl in der
„­BMZ-Strategie für eine starke europäische und       Für ein abschließendes Urteil wird es allerdings
 multilaterale Entwicklungspolitik“22 als auch im     auf die Umsetzung der Reform ankommen.
 Rahmen der „­BMZ 2030“-Reform ist vorgese­           Diese bietet einen wichtigen Ansatzpunkt, um
 hen, den deutschen Beitrag für eine regel- und       aus bestehenden Schwächen zu lernen und funk­
 wertebasierte internationale Zusammenarbeit          tionierende Ansätze weiter auszubauen. Auch
 sowie nachhaltige Entwicklung in multilate­          die indirekten Auswirkungen auf nichtstaatli­
 ralen Foren noch strategischer und effektiver        che Akteure wie politische Stiftungen müssen
 zu gestalten – insbesondere hinsichtlich eines       dabei beobachtet werden. Ganz im Sinne der
 thematischen Agenda-Settings und einer Stär­         Wirkungsorientierung sollten in diesem Prozess
 kung des deutschen Entwicklungsansatzes. Der         notwendige Anpassungen nicht gescheut werden,
 Einfluss Deutschlands soll dabei durch gezielte      um schlussendlich mit der Reform eine strate­
 Personal­entsendungen an strategisch wichtige        gisch wirksame und zukunftsfähige deutsche
 Organisationen noch erhöht werden.23                 Entwicklungspolitik dynamisch mitzugestalten.

Der Schlüssel liegt nun in der Umsetzung
                                                      Veronika Ertl ist Referentin für Entwicklungspolitik
Wie steht es also um die Zukunftsfähigkeit der        in der Hauptabteilung Analyse und Beratung der
                                                      Konrad-Adenauer-Stiftung.
deutschen Entwicklungszusammenarbeit vor
dem Hintergrund der veränderten Anforderun­
gen? Trägt die „­BMZ 2030“-Reform auf Grund­
lage der vorangegangenen Analyse dazu bei, die
strategische Wirksamkeit zu erhöhen?

Die vorläufige Bilanz ist gemischt. Begrüßens­
 wert ist zunächst der politische Gestaltungsan­
 spruch, der in der Reform deutlich wird. Das
­BMZ macht damit sein Verständnis von Ent­
 wicklungspolitik als wichtige gestaltende Kom­
 ponente des deutschen Außenhandelns deutlich
 und stärkt die Orientierung entlang strategischer
 Interessen. Gleichzeitig bleibt der globale Rah­
 men der Agenda 2030 mit ihren langfristigen
 Nachhaltigkeitszielen der Referenzrahmen für
 die deutsche Entwicklungspolitik.

Um diesem Gestaltungsanspruch sowohl in den
bilateralen Beziehungen mit Partnerländern als

Neue Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit                                                               19
1     	­
      Bundesministerium      für wirtschaftliche Zusammen­     17 Am 14. Juni 2021 unterzeichneten das BMZ und Togo
      arbeit und Entwicklung (BMZ) 2020: Reformkonzept            eine Reformpartnerschaft. Togo ist damit der siebte
     „BMZ 2030“, 06/2020, S. 3, in: https://bit.ly/3eCbFCB        Reformpartner. BMZ 2021: Minister Müller unter­
      [11.05.2021].                                                zeichnet Reformpartnerschaft mit Togo, Presse­
2     	­BMZ 2020: ­BMZ 2030. Gemeinsam weiter – Zukunft            mitteilung, 14.06.2021, in: https://bit.ly/3vDL4KT
      denken, 30.01.2020, S. 7, in: https://bit.ly/3tHsXm1        [18.06.2021].
      [07.04.2021].                                            18 Deutscher Bundestag 2020, N. 9, S. 11.
3     de Schrevel, Jean-Philippe 2020: How Blended             19 Ebd., S. 5.
      Finance Can Plug The S   ­ DG Financing Gap, O ­ ECD     20 Auswärtiges Amt 2020: Gemeinsam. Europa
      Development Matters, 22.01.2020, in: https://bit.ly/        wieder stark machen. Programm der deutschen
      3tBShKp [07.04.2021].                                       EU-Rats­präsidentschaft, 01.07.2020, S. 23 f.,
4     Esteves, Paulo / Klingebiel, Stephan 2021: Diffusion,       in: https://bit.ly/33zc1DQ [07.04.2021].
      Fusion and Confusion: Development Cooperation            21 	­BMZ 2020: Ein Marshallplan mit Afrika, in:
      in a Multiplex World Order, in: Chaturvedi, Sachin          https://bit.ly/2SGCKMC [07.04.2021]; ­BMZ 2020:
      et al. (Hrsg.): The Palgrave Handbook of Develop­           Der Entwicklungsinvestitionsfonds. Neue Markt­
      ment Cooperation for Achieving the 2030 Agenda,             chancen in Afrika durch nachhaltige Investitionen,
      01.12.2020, S. 198 – 204, in: https://bit.ly/3tDYzsM        in: https://bit.ly/3f9aolD [07.04.2021].
      [11.05.2021].                                            22 	­BMZ 2020: B­ MZ-Strategie für eine starke euro­
5     	­OECD 2011: Busan Partnership for Effective Develop­-       päische und multilaterale Entwicklungspolitik,
      ment Co-operation: Fourth High Level Forum on               01/2020, in: https://bit.ly/3xW9OjI [07.04.2021].
      Aid Effectiveness, Busan, Republic of Korea,             23 Deutscher Bundestag 2020: Antwort der Bundesre­
      29 November – 1 December 2011, O    ­ ECD Publishing,       gierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten
      01.12.2011, in: https://bit.ly/3vYjTuE [07.04.2021].        Olaf in der Beek, Alexander Graf Lambsdorff,
6     	­BMZ 2020, N. 2, S. 8.                                     Dr. Christoph Hoffmann, weiterer Abgeordneter
7     Vortrag im Rahmen der Veranstaltung Africa Insight!          und der Fraktion der F­ DP. Europäische und
      des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft am              ­organisatorische Umsetzung der deutschen Ent­
      30.06.2020.                                                 wicklungszusammenarbeit, Druck­sache 19/21834,
8     Ebd.                                                        25.08.2020, S. 5, in: https://bit.ly/3heBc6N
9     Deutscher Bundestag 2020: Antwort der Bundes-               [07.04.2021].
      regie­rung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten
      Uwe Kekeritz, Ottmar von Holtz, Claudia Roth
      (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
      BÜ­NDNIS 90/­DIE GRÜ­NEN. Umsetzung und Aus­
      wirkung der Strukturreform „­BMZ 2030“ besonders
      im Hinblick auf die Themen und Länder­liste der
      deutschen Entwicklungszusammenarbeit, Drucksache
      19/20436, 26.06.2020, S. 16, in: https://bit.ly/
      3hhvAIN [07.04.2021].
10    Der ­IATI-Standard ist ein einheitlicher Rahmen für
      staatliche, zivilgesellschaftliche und private Geber
      zur Veröffentlichung ihrer Leistungen der Entwick­
      lungszusammenarbeit in einem maschinenlesbaren
      Format (­XML). Die Daten werden unter einer offe­
      nen Lizenz auf der Webseite des jeweiligen Geld­
      gebers veröffentlicht und mit dem I­ ATI-Register
      verlinkt. BMZ: Transparenz für mehr Wirksamkeit,
      in: https://bit.ly/3f7ZEE4 [11.05.2021].
11    	­BMZ 2020, N. 1, S. 3.
12    Interne Presseauswertung vom 07.07.2020.
13    	­BMZ 2020, N. 1, S. 3.
14    N. 12.
15    Deutscher Bundestag 2020, N. 9, S. 7.
16    Biehler, Nadine / Meier, Amrei 2020: Die geplante
      Reform der Entwicklungspolitik in der Kritik, Kurz
      gesagt, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP),
      22.06.2020, in: https://bit.ly/3eC83Rf [07.04.2021].

20                                                                                    Auslandsinformationen 2|2021
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