Erfolgsfaktoren organisationaler Veränderungs- und Lernprozesse in Projekten zur Förderung der Lehrergesundheit
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Erfolgsfaktoren organisationaler Veränderungs- und Lernprozesse in Projekten zur Förderung der Lehrergesundheit Birgit Nieskens & Lutz Schumacher ABSTRACT Neuere Konzepte wie das der „guten gesunden Schule“ betrachten die Förderung der Lehrergesundheit als einen Beitrag zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags von Schulen. Eine nachhaltige Gesundheitsförderung bei Lehrkräften erfordert tief grei- fende Wandelprozesse in den Schulen, die zu effizienteren und effektiveren Arbeits- und Kommunikationsprozessen und Strukturen führen und letztlich das Selbstverständnis der Schule und auch der einzelnen Lehrkraft verändern. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, welche Faktoren die Veränderungs- bereitschaft von Lehrkräften und somit den Erfolg umfassender (gesundheitsbezogener) Schulentwicklungsprojekte beeinflussen. Die Analysen zeigen, dass neben organisatio- nalen Bedingungen (z.B. Schulleitung, Schulkultur) und individuellen Merkmalen (z.B. Selbstwirksamkeit, emotionale Verbundenheit mit der Schule) insbesondere auch die Art der Gestaltung schulischer Wandelprozesse Einfluss auf die Veränderungsbereitschaft der Lehrkräfte und deren Engagement nimmt. SCHLAGWORTE (DT.) Veränderungsbereitschaft, Lehrergesundheit, Schulentwicklung, gute gesunde Schule, Change Management SCHLAGWORTE (ENGL.) readiness for change, teacher’s health, school development, good and healthy school, change management 1. Einleitung In der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion werden die beiden Ziele Schulqualität und Gesundheit von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern als sich wechselseitig bedin- gende Größen betrachtet. Hier hat in den letzten Jahren ein Bewusstseinswandel durch die Entwicklung des Konzepts der „guten gesunden Schule“ stattgefunden. Danach ist die gute gesunde Schule eine Schule, die sich in ihrer Entwicklung auf die Dimensionen von Schulqualität ausgerichtet hat und bei der Verwirklichung ihres umfassenden Bildungs- und Erziehungsauftrags gezielt Gesundheitsinterventionen einsetzt (Paulus & Schuma- cher, 2007). Gesundheit wird als Medium oder intermediäres Ziel verstanden. Es wird davon ausgegangen, dass gesunde Lehrkräfte, die sich in ihrer Schule wohl fühlen, eine Voraussetzung für den Erfolg von Schulen sind.
200 B. Nieskens & L. Schumacher Für die Verbesserung der Qualität von Schulen und die Förderung der Gesundheit der in ihr Tätigen bedarf es zumeist grundlegender Veränderungen der Strukturen und Pro- zesse, des sozialen Miteinanders und der Kultur von Schulen. Umfassende und tief greifende Veränderungsprozesse in Organisationen scheitern in den meisten Fällen. In der Organisationsforschung werden dafür verschiedene Gründe benannt (Stock-Homburg, 2007). Als zentrale Bedingung für eine Realisierung organisa- tionaler Veränderungen wird die Veränderungsbereitschaft der betroffenen Mitglieder der Organisation angesehen. Die Akzeptanz der geplanten Veränderungsprozesse sowie die Bereitschaft, an deren Realisierung mitzuwirken, sind entscheidend für den Erfolg von Veränderungsprozessen in Organisationen. Die Forschung zeigt, dass diese Bereitschaft zur Veränderung und Innovation zum einen von individuellen Merkmalen und zum an- deren insbesondere von Bedingungen in der jeweiligen Organisation – z.B. deren Kultur und der Leitung – sowie den Inhalten des Veränderungsvorhabens und dessen Gestaltung bestimmt wird. Inwieweit diese Forschungsergebnisse auch auf Schulentwicklungsprojek- te übertragen werden können, ist bis dato kaum untersucht worden. In diesem Beitrag steht die Frage im Mittelpunkt, inwieweit individuelle Merkmale und organisationale Bedingungen die Veränderungsbereitschaft von Lehrkräften beeinflussen und durch welche Art der Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen die Veränderungs- bereitschaft positiv beeinflusst werden kann. Die Ergebnisse der hier vorgestellten empi- rischen Studie geben auch Hinweise darauf, welche Voraussetzungen in Schulen gegeben sein müssen, damit tief greifende Schulentwicklungsprozesse gelingen können. Schulentwicklung beinhaltet und verlangt auch Personalentwicklung. Zum einen wer- den für die erfolgreiche Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen spezifische Kompe- tenzen benötigt und zum anderen führen Veränderungen von Strukturen und Prozessen auch zu neuen beruflichen Anforderungen, für die Wissen und Kompetenzen vermittelt werden müssen. Entsprechend wurden in dem hier vorgestellten Modellprojekt diejenigen Lehrkräfte geschult, die den Schulentwicklungsprozess gestalten sollten, als auch in Fort- bildungsangeboten Wissen und Kompetenzen zu den in der jeweiligen Schule behandelten Themen vermittelt. Auf diese Weise werden die Fortbildungsmaßnahmen eingebettet in einen Schulentwicklungsprozess und tragen gleichzeitig zu seinem Gelingen bei. Diese Verzahnung von Schulentwicklung und Personalentwicklung unterstützt eine strategische Ausrichtung der Fortbildung. Gleichzeitig ist zu vermuten, dass die Bereitschaft zur Fort- bildung maßgeblich von der Akzeptanz des Schulentwicklungsprozesses insgesamt und der Bereitschaft, sich für dessen Erfolg zu engagieren, abhängt. Im Folgenden werden zentrale Erkenntnisse der Forschung zur Dynamik von Ver- änderungsprozessen in Organisationen und zu zentralen Einflussfaktoren der Verände- rungsbereitschaft erläutert. Hierauf basierend wird ein Modell zu den Einflussfaktoren der Veränderungsbereitschaft von Lehrkräften formuliert. Anhand von empirischen Er- gebnissen aus einem Projekt zur Förderung der Lehrergesundheit wird dann geprüft, ob die theoretischen Annahmen bestätigt werden können.
Erfolgsfaktoren organisationaler Veränderungs- und Lernprozesse 201 2. Erkenntnisse zu Einflussfaktoren der Veränderungsbereitschaft Studien und theoretische Arbeiten zur Veränderungsbereitschaft von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Führungskräften stammen vorwiegend aus der Forschung zur Organisationsentwicklung und zum Change Management in Wirtschaftsunternehmen. Es gibt erst wenige Befunde zur Situation in Schulen (Bielski & Rosemann, 1999). Die Forschung zur Veränderungsbereitschaft zeichnet sich durch eine große Heterogenität in Bezug auf das konzeptionelle Verständnis und die Messung von Veränderungsbereitschaft aus. Dies hängt auch damit zusammen, dass verschiedene Disziplinen Beiträge zu diesem Forschungsgebiet leisten. Holt, Armenakis, Harris und Field (2007) haben den aktuellen Stand der empirischen Forschung zur Veränderungsbereitschaft gesichtet. Sie plädieren dafür, Veränderungsbereitschaft als eine individuelle Reaktion auf ein konkretes Verände- rungsvorhaben in Organisationen zu konzeptionalisieren. Sie verstehen Veränderungsbe- reitschaft als eine Bewertung einer Veränderungsinitiative bzw. die Einstellung gegenüber dieser, die in einer Verhaltensabsicht bzw. einem spezifischen Verhalten mündet. Dieses Verhalten kann dabei Widerstand gegenüber der Veränderung oder deren Akzeptanz und Unterstützung ausdrücken. Holt und Kollegen (2007) unterscheiden vier inhaltliche Klassen von Einflussfaktoren der Veränderungsbereitschaft: 1. Art und Inhalte des Veränderungsvorhabens, 2. Gestal- tung des Wandelprozesses, 3. Merkmale der betroffenen Personen und 4. Merkmale der Organisation. Die ersten beiden sind situative, für das jeweilige Veränderungsvorhaben spezifische Faktoren, während die beiden letztgenannten stabilere, situationsübergreifende Einflussvariablen darstellen. Im Unterschied zu Holt und Kollegen (2007), die davon ausgehen, dass die vier be- schriebenen Einflussbereiche direkt die Veränderungsbereitschaft bestimmen, wird in dem hier vertretenen Modell postuliert, dass es zentrale Dimensionen der Bewertung von Ver- änderungsvorhaben gibt, die der Veränderungsbereitschaft vorgeschaltet sind (vgl. Abb. 1). Die Veränderungsbereitschaft ist als motivationale Größe demzufolge das Resultat von Bewertungsprozessen. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass zwischen einer Akzeptanz von Veränderungen und der Bereitschaft, sich für deren Verwirklichung zu engagieren, unterschieden werden kann. Die Aufgeschlossenheit gegenüber der Veränderung ist dabei ein Vorläufer der Bereitschaft zum Engagement, welche eine Verhaltensabsicht darstellt. Die nachfolgende Grafik gibt das Rahmenmodell zu den Einflussfaktoren der Verän- derungsbereitschaft wieder. Es werden für die verschiedenen Klassen von Einflussfakto- ren jeweils beispielhaft Merkmale bzw. Bewertungsdimensionen genannt.
202 B. Nieskens & L. Schumacher 0HUNPDOHGHU2UJDQLVDWLRQ &KDQJH,QKDOWH 0LWDUEHLWHURULHQWLHUWH.XOWXU )KUXQJ 'ULQJOLFKNHLWXQG 1W]OLFKNHLWGHU7KHPHQ XQG=LHOH %HZHUWXQJGHU9HUlQGHUXQJ (UZHLJHQHU*HZLQQ $N]HSWDQ]GHU %HUHLWVFKDIW]XP (UZ*HZLQQ2UJDQLVDWLRQ 9HUlQGHUXQJ (QJDJHPHQW :DKUJ1RWZHQGLJNHLWGHU9HUlQGHUXQJ 3UR]HVVJHVWDOWXQJ 0LWJHVWDOWXQJV P|JOLFKNHLWHQ 0HUNPDOHGHU3HUVRQHQ ,QIRUPLHUWKHLW 6HOEVWZLUNVDPNHLW 8QWHUVWW]XQJ7RS 0DQDJHPHQW $IIHNWLYHV&RPPLWPHQW Abb. 1: Rahmenmodell zu den Einflussfaktoren der Veränderungsbereitschaft (angelehnt an Holt et al., 2007) Nachfolgend werden für die verschiedenen Klassen von Einflussfaktoren wesentliche For- schungsbefunde und Annahmen berichtet und bereits auf das hier betrachtete Projekt zur Förderung der Lehrergesundheit und Schulqualität übertragen. Zunächst werden zentrale Dimensionen der Bewertung von Veränderungsprojekten erläutert, für die nachgewiesen ist, dass sie die Veränderungsbereitschaft beeinflussen. 2.1. Bewertung von Veränderungsvorhaben In verschiedenen theoretischen Konzeptionen zu den Phasen von organisationalen Verän- derungsprozessen und deren Gestaltung wird betont, dass die wahrgenommene Notwen- digkeit der geplanten Veränderungen ein entscheidender Einflussfaktor der Veränderungs- bereitschaft ist (z.B. Kotter, 1995). Dies belegen auch empirische Studien (Schumacher, Bolz, Bredtmann, Fuhrmann & Gruner, 2006). Zudem sollte sich der erwartete Gewinn für die eigene Person aufgrund motivations- psychologischer Überlegungen positiv auf die Veränderungsbereitschaft auswirken. Der erwartete Gewinn der eigenen Person entspricht in dem erweiterten Motivationsmodell von Heckhausen und Rheinberg der Ergebnis-Folge-Erwartung. Neben der Verbesserung der eigenen Situation können auch die erwarteten Gewinne für die Organisation die Ver- änderungsbereitschaft befördern (Holt, 2002). Dieser Einfluss könnte durch das Ausmaß an emotionaler Bindung an die eigene Schule moderiert werden. Inwieweit sich eine Person für eine Veränderung engagiert, hängt auch davon ab, ob sie sich in der Lage sieht, die mit den veränderten Arbeits- und Organisationsbedingungen einhergehenden gewandelten Anforderungen zu bewältigen. Wenn die Person befürchtet, den neuen Anforderungen nicht genügen zu können, kann sich dies negativ auf die Ver- änderungsbereitschaft auswirken (Weeks, Roberts, Chonko & Jones, 2004).
Erfolgsfaktoren organisationaler Veränderungs- und Lernprozesse 203 2.2. Art und Inhalte des Veränderungsvorhabens Hier steht die Frage im Mittelpunkt, was verändert werden soll. In Abhängigkeit davon, wie gravierend sich die Veränderungen auf die einzelne Lehrkraft auswirken und welche Arbeits- und Organisationsbedingungen verändert werden, können die Reaktionen der Betroffenen unterschiedlich ausfallen. Bei tief greifenden Veränderungen, die mit neuen Verhaltensanforderungen einhergehen, ist die Veränderungsbereitschaft besonders er- folgskritisch, und gleichzeitig wird das Auftreten von Widerständen wahrscheinlicher. Das hier betrachtete Projekt verfolgt das Ziel, die Gesundheit der Lehrkräfte und die Qualität der jeweiligen Schule zu fördern. Für beide Zielsetzungen lässt sich annehmen, dass sie als gewinnbringend bewertet werden – sowohl für die Schule als auch für das Indi- viduum. Der wahrgenommene Nutzen wird hierbei vermutlich auch von dem Ausgangs- niveau bestimmt. Lehrkräfte und Kollegien mit einer als unbefriedigend erlebten eigenen Gesundheit und Schulqualität sollten dieses Projekt als gewinnbringender beurteilen als diejenigen Lehrkräfte und Kollegien mit einem geringeren Leidensdruck. Allerdings ist auch denkbar, dass zu große gesundheitliche Einschränkungen die Veränderungsbereit- schaft und ein aktives Mitwirken gefährden. Eine Besonderheit des hier betrachteten Projekts ist, dass die einzelnen Lehrerkol- legien selbst bestimmen können, welche thematischen Schwerpunkte sie wählen und an welchen Problemstellungen sie arbeiten wollen. Diese Gestaltungsfreiheit schlägt sich in unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten der verschiedenen Projektschulen nieder. Es ist zu vermuten, dass in den Schulen, in denen aus Sicht der Lehrkräfte dringende und wichti- ge Themen behandelt werden, eine größere Veränderungsbereitschaft im Vergleich zu den Schulen besteht, in denen weniger relevante Themen bearbeitet werden. 2.3. Gestaltung des Wandelprozesses Hier wird eine zentrale Fragestellung der Forschung zur Veränderungsbereitschaft an- gesprochen: Wie kann der Veränderungsprozess so gestaltet werden, dass die Verände- rungsbereitschaft der Betroffenen gefördert wird? Kotter (1995) hat Empfehlungen zur Überwindung von Widerständen und die erfolgreiche Gestaltung von Wandelprozessen in Organisationen entwickelt, die mit den Aussagen anderer Theorien zur Förderung der individuellen Veränderungsbereitschaft harmonieren (Prochaska & DiClementi, 1992). Nachfolgend werden einige Möglichkeiten zur Förderung der Veränderungsbereitschaft aufgezeigt. Verdeutlichung der Notwendigkeit von Veränderungen: Veränderungen sind anstrengend und werden zumeist nur dann von einer Mehrheit der Organisationsmitglieder in Angriff ge- nommen, wenn der aktuelle Zustand für die Mehrheit unbefriedigend ist und keine spon- tane Verbesserung zu erwarten ist. Je deutlicher den Organisationsmitgliedern ist, dass Änderungen notwendig sind, um einen unbefriedigenden Status quo zu überwinden oder einer drohenden Verschlechterung der Situation entgegenzuwirken, desto eher sind diese bereit, sich aktiv an den Veränderungen zu beteiligen (Kotter, 1995).
204 B. Nieskens & L. Schumacher Eine zweite Möglichkeit der Förderung der Veränderungsbereitschaft besteht in dem Auf- zeigen einer Vision von einem besonders erstrebenswerten Zielzustand. In diesem Fall werden Energien nicht allein durch Leidensdruck, sondern durch eine mitreißende Vision mobilisiert. Im günstigsten Fall sollten beide Strategien zusammenwirken: Mängel und Ri- siken des Ist-Zustands aufzeigen und ein mitreißendes Bild eines möglichen Soll-Zustands entwerfen. Stärkung der Erfolgszuversicht: Damit eine erlebte Ist-Soll-Diskrepanz in eine Veränderungs- motivation und ein Engagement für Veränderungen mündet, müssen die Organisations- mitglieder die Überzeugung gewinnen, dass die geplanten Veränderungsmaßnahmen zu einer Verbesserung der Situation führen. Gleichzeitig müssen die betroffenen Personen sich zutrauen, die notwendigen Veränderungen realisieren zu können. Top-Management-Unterstützung: Damit die Mitglieder einer Organisation von der Notwen- digkeit und Sinnhaftigkeit von Veränderungsprozessen überzeugt werden, bedarf es einer intensiven Kommunikation. Hierbei kommt den obersten Führungskräften eine besonde- re Bedeutung bei: Sie müssen die Notwendigkeit der Veränderungen glaubhaft aufzeigen und gleichzeitig eine motivierende Vision von den angestrebten Zielzuständen entwickeln. Partizipation: Dass das Ausmaß an Partizipation die Bewertung von Veränderungspro- zessen und das Engagement beeinflusst, ist ein gut bestätigter Forschungsbefund (z.B. Cunningham, Woodward, Shannon, MacIntosh, Lendrum, Rosenblom & Brown, 2002). Je stärker Personen an der Entwicklung und Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen beteiligt werden, desto eher werden diese als kontrollierbar und als eigene Projekte erlebt. Die Grundbedingung für Mitgestaltung ist Informiertsein. Nur wenn die betroffenen Per- sonen ausreichend über die Ziele und die geplanten Maßnahmen informiert sind, können sie sich mit diesen auseinandersetzen und sich beteiligen. Professionelles Projektmanagement: Die Erfolgszuversicht der Organisationsmitglieder wird vermutlich auch von der Professionalität des Projektmanagements beeinflusst. Gute Vor- erfahrungen mit Projekten und das Erleben eines effizienten Schulmanagements stärken die Zuversicht, dass auch ein neues Projekt erfolgreich realisiert werden kann. 2.4. Personenmerkmale Personenmerkmale prägen die Bewertung von Veränderungsprozessen mit und beeinflus- sen auf diesem Wege die Veränderungsbereitschaft. Tief greifende Veränderungsprozesse bringen Verunsicherungen und neue Anforderungen für die betroffenen Personen mit sich. Personen mit hoher Selbstwirksamkeit nehmen herausfordernde Situationen mit unsi- cherem Ausgang als wenig bedrohlich und bewältigbarer wahr. Studien belegen, dass die individuelle Selbstwirksamkeitserwartung positiv mit der Veränderungsbereitschaft korre- liert (Rafferty & Simons, 2006). Auch eine hohe kollektive Selbstwirksamkeitsüberzeugung sollte eine Ressource im Umgang mit schwierigen und neuen Anforderungen sein.
Erfolgsfaktoren organisationaler Veränderungs- und Lernprozesse 205 Personen, die überzeugt sind, dass das eigene Team gemeinsam Schwierigkeiten und Her- ausforderungen aufgrund seiner Kompetenzen bewältigen kann, sollten Veränderungs- prozesse weniger als Bedrohung erleben. Die emotionale Bindung einer Person an ihre Organisation (affektives Commitment) nimmt ebenfalls Einfluss auf deren Veränderungsbereitschaft. Personen mit hohem affek- tiven Commitment identifizieren sich mit den Werten und Zielen ihrer Organisation und wollen ihr gerne weiterhin angehören. Ihnen liegt das Wohlergehen ihrer Organisation am Herzen und hierfür sind sie bereit, sich freiwillig zu engagieren (Meyer & Allen, 1997). Empirische Untersuchungen zeigen, dass ein hohes affektives Commitment mit einer grö- ßeren Veränderungsbereitschaft einhergeht (Iverson, 1996). 2.5. Organisationsmerkmale Veränderungsvorhaben sind eingebettet in einen organisationalen Kontext, der Ressour- cen und Anforderungen beinhaltet, die der Veränderungsbereitschaft zuträglich oder ab- träglich sein können. Die Forschung zeigt, dass eine mitarbeiterorientierte und wertschät- zende Unternehmenskultur sich förderlich auf die Akzeptanz von Veränderungen und das Engagement in Organisationsentwicklungsprojekten auswirkt (z.B. Jones, Jimmieson & Griffiths, 2005). Insbesondere eine unterstützende und wertschätzende Führung (mitarbei- terorientierte Führung) stärkt das Vertrauen der Mitarbeiter/innen und deren Veränderungs- bereitschaft (Rafferty & Simons, 2006). 3. Beschreibung der Untersuchung Die hier vorgestellte Studie zu den Einflussfaktoren der Veränderungsbereitschaft wurde im Rahmen eines Interventionsprojekts zur Förderung der Lehrergesundheit und Schul- qualität entwickelt.1 Für die nachfolgenden Analysen werden Daten der Schuldiagnosen zu Beginn des Projekts im Frühjahr 2007 und der Zwischenerhebung im Frühjahr 2008 verwendet. 3.1. Projektbeschreibung Im Projekt sollen allgemein bildende und berufsbildende Schulen in ihrem Entwick- lungsprozess hin zu guten gesunden Schulen unterstützt werden. Das Vorgehen folgt der Survey-Feedback-Methode mit dem Zyklus von (1) Problemerkennung, (2) Diagnose, (3) Intervention und (4) Evaluation. In der Diagnosephase wurden (a) Dimensionen der Schulqualität und Arbeitssitua- tion, (b) die psychische und physische Beanspruchung, Arbeits- und Lebenszufrieden- heit, (c) berufs- und schulspezifische Belastungen sowie (d) personale und organisationale Ressourcen gemessen. Die Diagnoseergebnisse sollten durch das Aufzeigen von Soll-Ist- Differenzen Problembewusstsein wecken und Grundlage der Themenfindung und Grup- 1 Projektträger: Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) und Unfallkasse Nordrhein-Westfalen.
206 B. Nieskens & L. Schumacher penbildung für die konkrete Entwicklungsarbeit sein. Sie sollten aber auch den Entwick- lungsbedarf des Kollegiums mit den individuellen Entwicklungsbedürfnissen der einzelnen Lehrkräfte verbinden. Dafür erhielt jede Lehrkraft eine umfangreiche Rückmeldung ihrer individuellen Diagnoseergebnisse. In der Interventionsphase arbeiteten die Schulen an selbst gewählten Themenfeldern. Flankierend wurden Fortbildungsmaßnahmen angeboten. Diese dienten (1) der Ver- mittlung von Steuerungswissen für die zentralen Gestalter/innen des Wandelprozesses („change agents“) und (2) dem Aufbau von Wissen und Kompetenzen zu den gewählten Themen sowie (3) der Stärkung personeller Ressourcen zur Bewältigung beruflicher An- forderungen.2 Tab. 1: Fortbildungsangebote in der Interventionsphase )RUWELOGXQJVDQJHERWH «]XVSH]LILVFKHQ «]XU6WlUNXQJLQGLYLGXHOOHU «]XP&KDQJH0DQDJHPHQW JHVXQGKHLWVUHOHYDQWHQ7KHPHQ JHVXQGKHLWVI|UGHUOLFKHU 5HVVRXUFHQ ]%8PJDQJPLWVFKZLHULJHP ]%6WLPPELOGXQJ ]%VFKXOLVFKHV 6FKOHUYHUKDOWHQ(UOHUQHQYRQ /lUPEHZlOWLJXQJ5HIOH[LRQ 3URMHNWPDQDJHPHQW .RQ]HSWHQ]XULQGLYLGXHOOHQ SUREOHPDWLVFKHU'LDJQR $XVELOGXQJYRQ )|UGHUXQJYRQ6FKOHUQXQG VHHUJHEQLVVHLQGHULQGLYLGXHOOHQ 0RGHUDWRULQQHQGLHGHQ 6FKOHULQQHQ 5FNPHOGXQJ=HLWXQG 6FKXOHQWZLFNOXQJVSUR]HVV 6HOEVWPDQDJHPHQW VWHXHUQ0HWKRGHQIUHLQH HIIL]LHQWHXQGHIIHNWLYH .RQIHUHQ]JHVWDOWXQJ VFKXOLQWHUQH(YDOXDWLRQ8PJDQJ PLW:LGHUVWlQGHQXQG6W|UXQJHQ LQ6FKXOHQWZLFNOXQJVSUR]HVVHQ 3.2. Stichprobe Bei den Schulen handelt es sich um vier allgemein bildende und vier berufliche Schulen. Tabelle 2 beschreibt die beiden Stichproben der Eingangs- und Zwischenerhebung. 2 Über die Effekte der Lehrerfortbildungen kann an dieser Stelle noch nicht abschließend berichtet werden, die Ergeb- nisse liegen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.
Erfolgsfaktoren organisationaler Veränderungs- und Lernprozesse 207 Tab. 2: Beschreibung der Stichproben für die Eingangs- und Zwischenerhebung 6FKQLWWPHQJHYRQ (LQJDQJVHUKHEXQJ =ZLVFKHQHUKHEXQJ (LQJDQJVXQG =ZLVFKHQHUKHEXQJ *HVDPW )UDXHQ 0lQQHU $OWHU 0: 5FNODXITXRWHLP 'XUFKVFKQLWW Anm.: Mittels eines Codes konnte eine individuelle Zuordnung der Daten der Eingangs- und Zwischenerhebung vorgenommen werden. Das Alter wurde in der Zwischenerhebung nicht erfragt. 3.3. Operationalisierung der Variablen Kriterien Die auf das Projekt zur Lehrergesundheit bezogene Akzeptanz von Veränderungen und die Bereitschaft zum Engagement wurden in der Eingangs- und Zwischenerhebung je- weils mit einem Item erhoben (Akzeptanz von Veränderungen: „Im Augenblick bin ich dem Projekt Lehrergesundheit gegenüber nicht aufgeschlossen“ (negativ gepolt); Bereit- schaft zum Engagement: „Bei der Realisierung des Projekts Lehrergesundheit werde ich aktiv mitwirken“). In der Zwischenerhebung wurden die Lehrkräfte auch nach ihrem bisherigen Engagement im Projekt befragt („Wie stark engagieren Sie sich im Projekt Lehrergesundheit?“). Prädiktoren Erfolgszuversicht und Gestaltung des Projekts Es wurden sowohl die erwarteten Gewinne durch das Projekt für die eigene Person als auch für die Schule erfragt. Zudem wurden die Lehrkräfte in der Zwischenerhebung unter anderem dazu befragt, inwieweit die Schulleitung das Projekt unterstützt, wie gut sie über das Projekt informiert sind, inwieweit sie das Projekt mitgestalten können, ob nützliche und dringliche Themen bearbeitet werden und inwieweit sie durch die individuelle Rückmeldung zu ihrem Gesundheitsstatus und ihren Gesundheitsrisiken und Ressourcen motiviert wurden, über ihr Verhalten und ihre Einstellungen nachzudenken. Personen- und Organisationsmerkmale Da die weiteren Prädiktoren mit bewährten Skalen erhoben wurden, werden diese in der anschließenden Tabelle nur kurz genannt und die für die vorliegende Stichprobe ermittelten Reliabilitäten (Cronbachs Alpha) berichtet. Für alle Skalen ergeben sich befriedigende bis sehr gute Reliabilitäten.
208 B. Nieskens & L. Schumacher Tab. 3: Kennwerte der verwendeten Skalen und Items der Eingangs- und Zwischenerhebung W W ,WHP $QWZRUW 6NDOD $XWRU LQQHQ 0 6' ơ ]DKO VWXIHQ $N]HSWDQ]YRQ9HUlQGHUXQJHQ (( ¥ ¥ %HUHLWVFKDIW]XP(QJDJHPHQW (( ¥ ¥ *H]HLJWHV(QJDJHPHQWLP3URMHNW (( ¥ (UZDUWHWHU*HZLQQIUHLJHQH3HUVRQLP ¥ ¥ 3URMHNW/* (( (UZDUWHWHU*HZLQQIU6FKXOHLP3URMHNW ¥ ¥ /* (( )|UGHUXQJGHV3URMHNWVGXUFK6/ (( ¥ (LQIOXVVP|JOLFKNHLWHQLP3URMHNW (( ¥ ,QIRUPLHUWKHLWEHU3URMHNW (( ¥ :DKOGULQJOLFKHUXQGQW]OLFKHU7KHPHQ ¥ (( 0RWLYDWLRQGXUFKLQGLYLGXHOOH ¥ 5FNPHOGXQJ (( /HKUHUVHOEVWZLUNVDPNHLW ¥ 6FKZDU]HU 6FKPLW] .ROOHNWLYH/HKUHUVHOEVWZLUNVDPNHLW ¥ 6FKZDU]HU -HUXVDOHP 3DUWL]LSDWLRQVP|JOLFKNHLWHQLQGHU6FKXOH ¥ .UDXVH %HVFKZHUGHOLVWH =HUVVHQ ¥ Legende: Höhere Mittelwerte bedeuten höhere Ausprägungen im Sinne der Skalenbezeichnung. EE = Eigenent- wicklung, t0 = Eingangserhebung, t1 = Zwischenerhebung; für alle Skalen und Items, die in der Eingangs- und Zwischenerhebung erhoben wurden, beziehen sich die Angaben auf die Eingangserhebung. 4. Ergebnisse Zunächst zeigt sich, dass die Bereitschaft, sich in dem Projekt zu engagieren, und die Akzeptanz des Projekts von der Eingangs- zur Zwischenerhebung signifikant abnimmt. Zudem finden sich signifikante Geschlechtsunterschiede: Frauen erwarten für sich sel- ber und für die Schule einen höheren Gewinn durch das Projekt, sie sind aufgeschlossener gegenüber dem Projekt und eher bereit, aktiv mitzuwirken. 4.1. Prädiktoren der Veränderungsbereitschaft – Eingangserhebung Für die Analyse der postulierten Zusammenhänge wurde ein Strukturgleichungsmodell berechnet. Hierzu wurde das Programm AMOS 7.0 verwendet.
Erfolgsfaktoren organisationaler Veränderungs- und Lernprozesse 209 Die vorherzusagenden Kriterien bilden die beiden Facetten der Veränderungsbereit- schaft (bezogen auf das Projekt Lehrergesundheit). Als Prädiktoren dienen die vorher genannten Personen- und Organisationsmerkmale. Die Erfolgserwartungen in Bezug auf die eigene Person und die Schule werden als Mediator/innen in den Strukturgleichungs- modellen berücksichtigt. Bei der Entwicklung des Modells wurden im ersten Schritt alle genannten Personen- und Organisationsmerkmale aufgenommen. Zudem wurden alle di- rekten und indirekten Effekte auf die beiden Facetten der Veränderungsbereitschaft als mögliche Pfade berücksichtigt. Schrittweise wurden nichtsignifikante Pfade entfernt, bis das endgültige Strukturgleichungsmodell resultierte. In der nachfolgenden Darstellung werden der Übersicht halber die Messmodelle nicht dargestellt. Eine Korrelation von Fehlern wurde nicht zugelassen. . /HKUHUVHOEVWZLUNVDPNHLW . (UZDUWHWHUHLJHQHU*HZLQQ .ROOHNWLYH6HOEVWZLUNVDPNHLW . 5 5 . $N]HSWDQ]YRQ %HUHLWVFKDIW]XP . 9HUlQGHUXQJHQ (QJDJHPHQW 3DUWL]LSDWLRQVP|JOLFKNHLWHQ . (UZDUWHWHU*HZLQQIU6FKXOH 3V\FKRVRPDWLVFKH %HVFKZHUGHQ &0,1 GI S &0,1GI &), 506($ Abb. 2: Strukturgleichungsmodell mit Veränderungsbereitschaft als abhängige Variable (n = 355) Für das Strukturgleichungsmodell ergibt sich ein akzeptabler Modellfit. Es zeigt sich, dass die Bereitschaft der Lehrkräfte, sich aktiv am Projekt Lehrergesundheit zu beteiligen, ent- scheidend von deren Aufgeschlossenheit gegenüber dem Projekt abhängt. Diese wird so- wohl von dem erwarteten Gewinn für die eigene Person als auch für die Schule beeinflusst, wobei die Erwartung, dass sich die eigene Situation verbessert, auch einen direkten Effekt auf die Bereitschaft zum Engagement hat. Die Lehrerselbstwirksamkeit erweist sich wie- derum als förderlich für die Aufgeschlossenheit gegenüber dem Projekt und auch für die durch das Projekt erwarteten Erfolge. Der erwartete Gewinn für die eigene Person durch das Projekt Lehrergesundheit fällt umso höher aus, je stärker die psychosomatischen Beschwerden der Lehrkraft sind und je stärker sie Möglichkeiten der Partizipation an ihrer Schule wahrnimmt. Diese Ergebnisse sind plausibel: Gerade Lehrkräfte mit gesundheitlichen Einschränkungen sollten einen be- sonderen Gewinn durch ein Projekt zur Förderung der Lehrergesundheit erwarten, und eine Schulkultur, die Beteiligung und Mitgestaltung gewährt, sollte die Zuversicht erhöhen, dass bei Veränderungsprozessen auch die eigene Person profitiert. Der erwartete Gewinn für die Schule insgesamt weist starke Zusammenhänge mit dem erwarteten Gewinn für die
210 B. Nieskens & L. Schumacher eigene Person auf und wird zudem positiv von der kollektiven Selbstwirksamkeit beein- flusst. Diese enge Verknüpfung von Effekten für die eigene Person mit Effekten für die gesamte Schule in der Wahrnehmung der Lehrkräfte könnte durch die gering ausgeprägte Funktions- und Aufgabenteilung an Schulen erklärt werden. Hierdurch bedingen umfas- sende Schulentwicklungsprozesse vergleichbare Veränderungen der Arbeitsbedingungen aller Lehrkräfte. Der Einfluss der kollektiven Selbstwirksamkeit auf den erwarteten Ge- winn für die Schule unterstreicht, dass die Erfahrung und Überzeugung, gemeinsam Ziele erreichen zu können, die Erfolgszuversicht für Schulentwicklungsprozesse stärkt. 4.2. Prädiktoren des Engagements im Projekt – Zwischenerhebung Nachfolgend wird ein Pfadmodell dargestellt, welches das Engagement der Lehrkräfte in dem Projekt vorhersagt. Als Prädiktoren wurden hier nur die in der Zwischenerhebung erfragten Bewertungen zur Gestaltung des Projekts und die Erfolgserwartungen berück- sichtigt. ,QIRUPLHUWKHLWEHU3URMHNW . 5 )|UGHUXQJGHV3URMHNWV . GXUFK6/ (UZDUWHWHU*HZLQQIU GLH6FKXOH . . 5 . . :DKOGULQJOLFKHU7KHPHQ (QJDJHPHQWLP . . 3URMHNW 5 . . . . (UZDUWHWHU HLJHQHU (LQIOXVVP|JOLFKNHLWHQLP . *HZLQQ . 3URMHNW . . . . 0RWLYDWLRQGLQGLY 5FNPHOGXQJ &0,1 GI S &0,1GI &), 506($ Abb. 3: Strukturgleichungsmodell mit Engagement als abhängige Variable (n = 227) Das Pfadmodell weist sehr gute Fit-Werte auf. Direkte Zusammenhänge mit dem Ausmaß an Engagement im Projekt finden sich für die Erfolgserwartungen und für das Ausmaß an Informiertheit über das Projekt: Je stärker eine Person für sich und ihre Schule einen Gewinn durch das Projekt erwartet und je besser sie sich über das Projekt informiert fühlt, umso stärker ist ihr Engagement. Der gewichtigste Prädiktor der Erfolgserwartungen ist die wahrgenommene Dringlichkeit und Nützlichkeit der gewählten Themen. Wenn die
Erfolgsfaktoren organisationaler Veränderungs- und Lernprozesse 211 Lehrkräfte zu der Einschätzung kommen, dass in dem Projekt nicht die wirklich drängen- den und wichtigen Themen bearbeitet werden, dann erwarten sie keinen großen Gewinn durch das Projekt und engagieren sich weniger. In diesem und anderen Projekten können wir feststellen, dass einige Schulen nicht die Probleme bearbeiten, die in der anfänglichen Diagnose sichtbar geworden sind und die auch vom Kollegium als Kernprobleme erkannt werden. Hierfür kann es verschiedene Gründe geben: Tabuisierung, Scheu vor Konflik- ten, vermutete Unlösbarkeit der Probleme usw. In der Folge werden eher nebensächliche Themen gewählt, die auch bei erfolgreicher Bearbeitung nur wenig Gewinn versprechen. Die Erwartungen von Verbesserungen für die eigene Person und die Schule hängen weiterhin mit den wahrgenommenen Einflussmöglichkeiten im Projekt zusammen. Je stär- ker die Lehrkräfte das Projekt mitgestalten können, umso eher erwarten sie einen Gewinn für sich selbst. Dies ist nicht überraschend. Mitgestaltung und Einflussnahme bedeuten, dass eigene Bedürfnisse und Ziele Berücksichtigung finden können. Zudem zeigen die Analysen, dass diejenigen Personen, die aufgrund ihrer individuellen Diagnoseergebnisse ihr Verhalten und ihre Einstellungen überdenken, sich durch das Pro- jekt einen höheren Gewinn versprechen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Diagno- seergebnisse das Problembewusstsein fördern und Handlungsnotwendigkeiten aufzeigen, welche durch das Projekt bedient werden können. Der erwartete Gewinn für die Schule wird auch von dem Ausmaß der Förderung des Projekts durch die Schulleitung vorhergesagt. Ohne eine Unterstützung durch die Schul- leitung kann ein umfassender Schulentwicklungsprozess kaum gelingen. Weitere Analysen, die hier nicht im Detail dargestellt werden können, zeigen, dass das Engagement im Projekt zusätzlich von der Veränderungsbereitschaft zu Beginn des Pro- jekts vorhergesagt wird. Zudem nehmen die Qualität der Zusammenarbeit in der Schule, die Beteiligungskultur, die Offenheit der Schulleitung für Neuerungen und deren Füh- rungsstil sowie die Lehrerwirksamkeit, das affektive Commitment und der Gesundheits- status Einfluss auf das tatsächliche Engagement im Projekt. 5. Diskussion Die Ergebnisse bestätigen wesentliche Erkenntnisse der Forschung zu Einflussfaktoren und Effekten der Veränderungsbereitschaft. Diese empirischen Befunde von Studien, die zumeist in Wirtschaftsunternehmen durchgeführt wurden, scheinen somit auch Gültigkeit für Schulen zu besitzen. Um gesicherte Aussagen zur Übertragbarkeit der Befunde treffen zu können, sind allerdings noch weitere Untersuchungen notwendig. Was sind die zentralen Erkenntnisse hinsichtlich der Gestaltung von Schulentwick- lungsprozessen in Schulen? Zunächst zeigen unsere Analysen, dass sich Schulen hinsicht- lich ihrer Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft unterscheiden. Daher sollte vor Beginn von Veränderungsvorhaben in Schulen geprüft werden, inwieweit günstige Voraussetzun- gen für einen Erfolg des Projekts gegeben sind. Die Ergebnisse zeigen die Bedeutung der Schulmerkmale für die Erfolgszuversicht und in der Folge für die Veränderungsbereit- schaft. Schulen, in denen die fachliche Kooperation gering ausgeprägt ist und in denen die Lehrkräfte nicht überzeugt sind, dass sie gemeinsam auch schwierige Aufgaben bewältigen
212 B. Nieskens & L. Schumacher können, besitzen keine guten Voraussetzungen für tief greifende Veränderungen, die einer kollektiven Anstrengung bedürfen. Zudem nimmt die in einer Schule gelebte Kultur der Beteiligung Einfluss auf die Veränderungsbereitschaft: Die Partizipationskultur, die Effizienz des Schulmanagements sowie die Mitarbeiter- orientierung und Veränderungsbereitschaft der Schulleitung sind erfolgskritische Merk- male einer Schule und sollten daher vor Beginn eines Projekts geprüft werden. So kann festgestellt werden, ob eine Schule aktuelle günstige oder eher ungünstige Voraussetzun- gen für ein Schulentwicklungsprojekt aufweist und ob gegebenenfalls von einem solchen Projekt Abstand genommen werden sollte. Die Studie zeigt, dass auch die Inhalte eines Projekts und deren Gestaltung Einfluss auf die Veränderungsbereitschaft nehmen. Die wahrgenommene Nützlichkeit und Dring- lichkeit der ergriffenen Maßnahmen weist enge Zusammenhänge mit den erwarteten Ge- winnen und in der Folge mit der Veränderungsbereitschaft auf. Daher ist die Bestimmung von relevanten, von vielen als nützlich bewerteten Zielen und Inhalten von entscheidender Bedeutung für die Motivierung der Lehrkräfte. Zudem sollte zu Beginn ein Problembe- wusstsein geweckt und gleichzeitig die Hoffnung auf Erfolg gestärkt werden. Auch eine intensive Kommunikation zu den Zielen und den Maßnahmen des Veränderungsvorha- bens nimmt Einfluss auf die Veränderungsbereitschaft und das Engagement. Das Gleiche gilt für die Möglichkeit der Mitgestaltung. Die Erfolgszuversicht steigt, wenn die betroffe- nen Personen den Prozess beeinflussen können. Weiterhin erweist sich die Unterstützung des Projekts durch die Schulleitung als wichtiger Prädiktor der Erfolgserwartung und auf diesem Wege des Engagements. Die hier vorgestellte Studie kann erste Hinweise auf die Einflussfaktoren der Verände- rungsbereitschaft und des Engagements von Lehrkräften in Schulentwicklungsprojekten geben. Es sind weitere Untersuchungen notwendig, um gesicherte Empfehlungen für ein professionelles Change Management in Schulen ableiten zu können. Literatur Bielski, S. & Rosemann, B. (1999). Veränderungsbereitschaft von Lehrerkollegien und Schulent- wicklungsmaßnahmen. Bildung und Erziehung, 52, 85-103. Cunningham, C. E., Woodward, C. A., Shannon, H. S., MacIntosh, J., Lendrum, B., Rosenbloom, D. & Brown, J. (2002). Readiness for organizational change: A longitudinal study of workplace, psychological and behavioural correlates. Journal of Occupational and Organizational Psychol- ogy, 75, 377-392. Elving, W. J. L. (2005). The role of communication in organizational change. Corporate Communi- cations: An International Journal, 10(2), 129-138. Felfe, J., Six, B., Schmook, R. & Knorz, C. (2005). Fragebogen zur Erfassung von affektivem, kalku- latorischem und normativem Commitment gegenüber der Organisation, dem Beruf/der Tätig- keit und der Beschäftigungsform (COBB). In A. Glöckner-Rist (Hrsg.), ZUMA-Informations- system. Elektronisches Handbuch sozialwissenschaftlicher Erhebungsinstrumente. ZIS Version 9.00. Mannheim: Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen. Holt, D. T., Self, D. R., Thal, A. E. & Lo, S. L. (2003). Facilitating organizational change: a test of leadership strategies. Leadership & Organization Development Journal, 24(5), 262-272.
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