Führungskräfte-Training mit Pferden
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Diplomarbeit Führungskräfte-Training mit Pferden Pferde-gestützte Trainingsangebote in Managementseminaren und Teamtrainings sowie in der Persönlichkeitsentwicklung von Christa Scharaditsch betreut von DDr. Fritz Hendrich im Fachbereich: Management & Controlling Fachhochschul-Studiengang Informationsberufe Eisenstadt 2006
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Ehrenwörtliche Erklärung Ich habe diese Diplomarbeit selbstständig verfasst, alle meine Quellen und Hilfsmittel angegeben, keine unerlaubten Hilfen eingesetzt und die Arbeit bisher in keiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt. Ort und Datum Unterschrift -2-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Kurzreferat Heutzutage müssen Führungskräfte innovative Wege gehen, um den vielen neuen Anforderungen, die an sie gestellt werden, zu erfüllen. Um ein Unternehmen wirksam zu führen, bedarf es mehr als nur Fachkompetenz. Mitarbeiterführung und die damit verbundenen sozialen Fertigkeiten sind wichtiger als je zuvor. Diese Arbeit überprüft einen neuen Trend im Sektor des Führungskräftetrainings – nämlich Seminare mit Pferden. Diese Programme verwenden Pferde als Lernpartner bzw. Medium, um Führungsfähigkeiten auszubilden. Durch den Einsatz von Pferden soll es den Teilnehmern ermöglicht werden, ihre eigene Führungsrolle zu entwickeln und zu verbessern. Die Arbeit fängt mit einer Einführung in die Geschichte der Beziehung zwischen Pferden und Menschen an. Ein Bericht der gegenwärtigen Literatur und Erfahrungen in Pferde-unterstütztem Führungstraining werden aufgenommen. Die Ausbildung von Führungskompetenz, Verhaltens- und Sozialanalogien zwischen Menschen und Pferden und Lernfelder im Umgang mit Pferden sind zentrale Themen solcher Seminare und folglich auch Teil dieser Abhandlung. Die Aufgabe dieser Arbeit verfolgt das Ziel, zu zeigen, warum und wie Führungspersonen durch Pferde- unterstützte Trainings profitieren können. Das Hauptresultat dieser Studie ist, dass ein Führungskräftetraining mit Pferden eine wertvolle Alternative zu den herkömmlichen Indoor-Seminaren darstellt. Zusammenfassend kann man sagen, dass Pferde Führungskräften zeigen, wie man eine auf Sicherheit, Vertrauen und Respekt basierende Beziehung, wie sie auch von Mitarbeitern gewünscht wird, aufbauen kann. Schlagwörter: Führungskräftetraining; Führungsfähigkeiten; Körpersprache; Pferd -3-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Abstract Nowadays leaders must find innovative ways to reinvent their businesses if they want to survive and flourish. But managing a business also means managing people and therefore social leadership skills are more important then ever before. This thesis examines a new trend in the self-development arena - equine-assisted leadership coaching. This program utilizes horses as a media to train leadership skills. It claims to practice and experience a human oriented and sensitive approach to leading people, which is known to be a key success factor in achieving the strategic goals of an organization. The thesis begins with an introduction to the history of the partnership between horses and men. A review of current literature and experiences in horse-assisted leadership training are undertaken. Behavioural and social analogies between the human and horse world, nonverbal communication and body language are central themes of such seminars and therefore also part of the dissertation. But the main issue is to show why and how leaders can profit by horse-assisted trainings. The main outcome of this study is that a program utilizing horses as a media to train people in their leadership skills is a valuable alternative to conventional classroom leadership training. On the whole, the exercises look at trust from the perspective of the leader and the follower, and the relationship between trust, power, authority and influence. In conclusion, it was found that the horses’ ability to give direct feedback on the leaders’ performance will provide practical experience and transferability to the work environment. Keywords: leadership training; equine-assisted; leadership skills; horses as a media; body language -4-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Executive Summary Unternehmen rekrutieren ihre Führungsleute nicht mehr nur nach ihren fachlichen Qualitäten. Sie wollen Leute mit Persönlichkeit, die sich intensiv mit ihren eigenen Stärken und Schwächen befassen und ein reales Selbstbild haben. Wirksame Führungskräfte können motivieren und zeigen ein hohes Einfühlungsvermögen gegenüber ihren Mitarbeitern, vor allem in schwierigen Situationen. Außerdem zeigen sie einen hohen Grad an emotionaler Intelligenz und Intuition. Sie besitzen natürliche Autorität und genießen Vertrauen und Respekt bei ihren Mitarbeitern. Jedoch erfährt man oft tagtäglich in den Medien die Konsequenzen von Führungsversagen. Projekte scheitern oder ganze Unternehmen funktionieren nicht optimal oder stehen im schlimmsten Fall sogar am Rande des Abgrunds, weil die Führung versagt hat. In den letzten Jahren kommt es immer öfter vor, dass Unternehmen ihre Führungskräfte in ganz besondere Seminare schicken, um deren Führungskompetenz zu erweitern – in so genannte Führungskräftetrainings mit Pferden. Die vorliegende Arbeit soll dem Leser einen Blick in die Theorie von Führungskräftetrainings mit Pferden verschaffen. Insbesondere widmet sich diese Arbeit der Fragestellung, was Pferde als effektiven Trainingspartner bzw. als Medium zur Verhaltensreflexion auszeichnet. Eine weitere Frage beschäftigt sich mit dem Problem, ob es Führungskräften mit Hilfe von Pferden überhaupt gelingen kann, ihre Führungskompetenzen auszubauen bzw. ob dies überhaupt nachweisbar ist. Die Ergebnisse zeigen, dass der Umgang mit Pferden Führungskräften als Erfahrungs- und Erlebnisfeld zur Steigerung bzw. Erweiterung des sozialen Führungsverhaltens dienen kann. Im Führungskräfte-Training sind die Pferde Lernpartner, Medium und Spiegel. Sie sind Partner bei den einzelnen Übungen, ehrlicher Feedbackgeber sowie Spiegel des Führungs- und Kommunikationsverhaltens. Darauf basieren Führungsseminare oder Teambildungs-Trainings mit Pferden. -5-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................................................ 9 2. Beziehung zwischen Mensch und Pferd....................................................................... 15 2.1. Einstmals Beutetier .................................................................................................. 15 2.2. Mythos Pferd ............................................................................................................ 16 2.3. Altbekannte Weisheit............................................................................................... 17 3. Führungskompetenz........................................................................................................ 19 3.1. Führungskräfte heute............................................................................................... 19 3.2. Kommunikation ....................................................................................................... 20 3.2.1. Körpersprache................................................................................................... 21 3.3. Soziale Kompetenz .................................................................................................. 23 3.3.1. Ebenen der sozialen Kompetenz ................................................................... 24 3.4. Natürliche Autorität................................................................................................. 26 4. Entwicklung von Führungskräfte-Trainings mit Pferden.......................................... 30 4.1. Neue Anforderungen an Führungskräfte ............................................................. 30 4.2. „The Perfect Follower“ ........................................................................................... 31 4.3. Feedback.................................................................................................................... 33 4.3.1. Selbst- und Fremdbild...................................................................................... 34 5. Das Pferd als Medium..................................................................................................... 37 5.1. Pferde im Führungstraining.................................................................................... 37 5.2. Das Wesen des Pferdes ........................................................................................... 39 5.2.1. Instinkt und Verhalten..................................................................................... 39 5.2.2. Die Struktur der Herde.................................................................................... 40 6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Mensch und Pferd ......................... 42 6.1. Soziale Wesen....................................................................................................... 42 6.2. Überleben.............................................................................................................. 43 6.3. Gemeinschaften........................................................................................................ 45 6.4. Kommunikation ....................................................................................................... 46 6.5. Aufrechte Beziehung trotz Ausübung von Druck .............................................. 47 7. Führungskräftetraining mit Pferden.............................................................................. 50 7.1. Persönlichkeitsentwicklung..................................................................................... 50 7.2. Pferde als perfekter Spiegel des persönlichen Führungsverhaltens .................. 51 7.3. Zusammenarbeit von Mensch und Pferd ............................................................. 52 7.3.1. Wirkung der eigenen Person........................................................................... 53 7.4. Gefolgschaft.............................................................................................................. 54 7.4.1. Echte Gefolgschaft ohne Zwang ................................................................... 56 7.4.2. Gewalt ................................................................................................................ 57 7.4.3. Vertrauen – die Basis von Führung ............................................................... 58 7.5. Nutzen für Führungskräfte..................................................................................... 59 8. Zusammenfassung ........................................................................................................... 64 9. Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 68 -6-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 10. Lebenslauf....................................................................................................................... 73 -7-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die Mehrabian-Studie von 1971 nach Moesslang, M. (2006, p. 1) Abbildung 2: Die Stufen kommunikativen Drucks nach Hendrich, F.. (2003, p. 159) -8-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 1. Einleitung Ausgangspunkt der Arbeit Die Diplomarbeit zum Thema „Führungskräfte-Training mit Pferden“ ergab sich aus eigenem Forschungsinteresse sowie erstaunlichen persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen mit Pferden. Die Rahmenbedingungen, mit denen sich Führungskräfte bei ihrer Arbeit konfrontiert sehen, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten drastisch verändert. Die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen steht unter enormem Druck, sei es durch die steigende Konkurrenz, Rationalisierungsmaßnahmen oder die Dynamik des Marktes. Die Aufgaben des Führungspersonals haben enorm zugenommen, und damit sind auch die Anforderungen an das Qualifikationsprofil gestiegen. Wer sich demnach als Führungskraft durchsetzen und behaupten will, darf sich nicht mit partiellem Wissen oder Können begnügen, sondern muss auf verschiedenen, teils sehr unterschiedlichen Gebieten, Kompetenzen aufweisen. Auf Grund wirtschaftlicher Überlegungen und des Wandels von gesellschaftlichen Werten begannen Unternehmen ihre Führungsgrundsätze zu überdenken und nach einer Methode zu suchen, um ihre Führungskräfte den neuen Anforderungen entsprechend zu schulen. Dabei hat vor allem der Aufgabenbereich der Mitarbeiterführung verstärkte Beachtung erfahren, da in den letzten Jahren immer wieder deutlich wurde, welche Bedeutung die Ressource Mitarbeiter für ein Unternehmen haben kann. Die vorher häufiger angewandte autoritäre Mitarbeiterführung, die sich stark an hierarchische Befehlsstrukturen anlehnt, wird heute meist nicht mehr als zeitgemäß empfunden. Denn in der Mitarbeiterführung sind heute andere Methoden gefragt – der Trend geht vom „Kommandieren zum Motivieren“. Daher sind vor allem die Anforderungen bezüglich der Sozialkompetenz und der Organisationsfähigkeit von Führungsleuten klar gestiegen. Stärker ins Blickfeld der Aufmerksamkeit von Unternehmen sind deshalb Seminare zur Schulung sozialer und -9-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 kommunikativer Fähigkeiten sowie zur Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit gerückt. Der Markt für solche Seminare wuchs rasant. Aus der Fülle von Angeboten sticht besonders eine innovative Idee des Führungskräftetrainings hervor. Ausgehend von den USA, wo bereits große Konzerne seit Anfang der Neunziger Jahre ihre Führungskräfte in Schulungen mit Pferden schickten, interessierten sich seit den späten neunziger Jahren auch in Europa Führungskräfte und Personalentwickler in Unternehmen für das Erfahrungsfeld „Kommunikation mit Pferden“. Pferde gelten seit jeher als natürlicher Spiegel für Führungsstärke. Alle großen Feldherren wurden in ihren sozialen Kompetenzen und ihrer persönlichen Souveränität am und mit dem Pferd geschult und für ihre Führungsaufgaben vorbereitet. Im Umgang mit Pferden soll sich ganz unmittelbar zeigen, wie gut es gelingt, Vertrauen, Respekt und natürliche Autorität aufzubauen und auszustrahlen. Nur wer sowohl als „Leithengst“ - über Dominanz und Motivation - als auch als „Leitstute“ - auf der Basis von Vertrauen, Respekt, Zielorientierung und sozialer Kompetenz - zu führen verstand, hatte Erfolgsaussichten als Feldherr. Nach Auskunft von Gerhard J. Krebs, einem Führungskräfte- und Teamtrainer mit Pferden aus Deutschland, gab es 2005 in Europa rund 70 Anbieter Pferde-gestützter Führungskräftetrainings. In den USA liegt die Zahl bereits bei mehr als 300. Auch in Österreich sind bereits mehrere Anbieter vorhanden. Frage- bzw. Problemstellung Vor diesem Hintergrund ergibt sich als Erstes folgende Fragestellung: - Was macht gute Führungskräfte aus? - Welche Fähigkeiten sind heute gefragt und wie kann eine Führungskraft diese Eigenschaften verbessern bzw. erwerben? - Ist es überhaupt möglich, gewisse Führungskompetenzen zu erlernen? - Wenn ja, kann dies mit Hilfe Pferde-unterstützter Führungstrainings gelingen? -10-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Daraus ergibt sich dann auch die zentrale Fragestellung, die sich durch die gesamte Arbeit zieht: - Was können Führungskräfte eigentlich von oder mit Pferden lernen? - Ein weiterer wichtiger Untersuchungsaspekt betrifft die Beantwortung der Frage, warum gerade Pferde als Trainer so gut geeignet sind. Oder ist das alles nur Spekulation? - Kann in der Arbeit mit Pferden überhaupt der Umgang mit Mitarbeitern exemplarisch abgebildet werden? Daher widmet sich die Arbeit auch der Frage, ob es nach Besuch eines solchen Seminars überhaupt möglich ist, die Brücke vom Umgang mit Pferden zum Umgang mit Menschen (Mitarbeitern) zu schlagen. Ziel In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, inwieweit der Einsatz von Pferden in Führungskräftetrainings sinnvoll ist bzw. warum gerade diese Tiere für die Schulung von Führungsleuten so sehr geeignet seien. Außerdem sollen die grundlegenden Zusammenhänge zwischen der Führung von Pferden und der Mitarbeiterführung aufgezeigt werden. Das zentrale Ziel dieser Arbeit wird es aber sein, den theoretischen Hintergrund für den Einsatz von Pferden bei Führungskräftetrainings klar darzustellen. Bislang gibt es nur sehr wenige Untersuchungen, die sich mit dem Thema auseinander setzen. Dieses Defizit soll die vorliegende Diplomarbeit ausgleichen und wenn möglich, den Ansatz Pferde-gestützter Seminare untermauern und in seiner Wirksamkeit bestätigen. Vorgehensweise Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine umfassende Literaturaufarbeitung über die vorherrschenden Ansätze und Angebote im Bereich der „Führungskräftetrainings mit Pferden“ notwendig. Dazu werden Bücher, Artikel aus Fachjournalen, Forschungsberichte und Präsentationen von Konferenzen der European Association for Horse Assisted Education (EAHAE) nach Ergebnissen und Belegen für die -11-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Nützlichkeit von Pferde-unterstützten Führungsseminaren durchforstet. Um dieses Thema nicht nur aus einer einseitigen Perspektive zu betrachten, wird auch einschlägige Literatur zum Thema „Führung“ herangezogen. Der erste notwendige Schritt, um dem gesetzten Ziel näher zu kommen, wird eine Beschreibung von heute notwendigen Führungsqualitäten sein. Dies soll dem Leser gleich zu Beginn einen theoretischen Überblick über das zu untersuchende Feld verschaffen und ihm ermöglichen, die aufgeworfenen Fragen nachzuvollziehen. Daher widmet sich Kapitel 3 ganz dem Thema „Führungskompetenz“. Diese Grundlage soll in weiterer Folge dazu dienen, festzustellen, welche nützlichen und brauchbaren Fähigkeiten Pferde bei Führungskräften trainieren bzw. ausbilden oder verbessern können. Zusätzlich bedarf es, zu einem besseren Verständnis der Thematik, eines Rückblicks in die historische Beziehungsgeschichte zwischen Mensch und Pferd (siehe Kapitel 2: „Beziehung zwischen Mensch und Pferd“). In späterer Folge wird im Speziellen die Entwicklung von Führungskräftetrainings näher beschrieben, und warum es überhaupt notwendig war, ein neues Weiterbildungsangebot für Führungskräfte zu konzipieren (Kapitel 4: „Entwicklung von Führungskräfte-Trainings mit Pferden“). Besonders wichtig ist mir, die Qualitäten und die Eignung von Pferden für Führungskräftetrainings sichtbar zu machen. Die von Seiten der Pferde gegebenen Voraussetzungen (gemeint sind angeborene Verhaltensweisen und Instinkte, Kommunikationsmittel der Pferde, Sozialverhalten und Gemeinsamkeiten mit dem Menschen, etc.) werden daher in zwei eigenen Kapiteln behandelt (siehe Kapitel 5: „Das Pferd als Medium“ und Kapitel 6: „Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Mensch und Pferd“). Zudem wird im Kapitel 7 aufgezeigt, warum gerade Pferde ein nützlicher Bestandteil im Training sind, wie die Zusammenarbeit mit ihnen funktioniert und was für Folgerungen aus dem Umgang mit diesem Lebewesen gezogen werden können. In diesem Kapitel werde ich auch näher auf die Fragestellung eingehen, inwieweit die Absolvierung eines Führungskräftetrainings mit Pferden für die Teilnehmer von -12-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Nutzen sein kann bzw. ob sich das überhaupt feststellen lässt. Kritiker behaupten gerne, dass die Eignung des tierischen Co-Trainers Pferd und die „angeblich“ so verblüffenden und zahlreichen Erkenntnisse und Verbesserungen im Führungsverhalten reine Spekulation und wissenschaftlich noch nicht belegt seien. Viele meinen, es handle sich bei dem Einsatz von Pferden in Seminaren um pure Effekthascherei und diene rein der Gewinnung von neuen Kunden. Inwieweit diese Arbeit dazu beitragen kann, die Kritiker vom Gegenteil zu überzeugen, wird sich zeigen. Es könnte auch dazu kommen, dass ich meine Hypothese („Pferde sind aufgrund ihres Wesens und ihrer dem Menschen ähnlichen sozialen Verhaltensweisen als Medium zur Reflexion und Optimierung des Führungsverhaltens einer Person bestens geeignet.“) widerlegen muss und somit die Kritiker Recht behalten. Außerdem soll die persönliche Teilnahme an einem Führungskräftetraining mit Pferden neue persönliche Einsichten bringen. Die Beobachtung der Führungskräfte sowie der Trainer wird helfen, die Hintergründe besser zu verstehen. Die gesammelten Erfahrungen und Eindrücke werden in die Arbeit miteinfließen, genauso wie die persönlichen Gespräche bzw. der e-Mail Kontakt mit Experten und Anbietern im Bereich des Führungskräftetrainings. Aufbau Zunächst wird in Kapitel 2 ein kurzer historischer Überblick über die Beziehung zwischen Mensch und Pferd gegeben, um in die Thematik einzuführen. Mensch und Pferd verbindet schließlich eine lange gemeinsame Geschichte, die sich von einem gelegentlichen Aufeinandertreffen von Jäger und Gejagtem bis hin zu einer tiefen und engen Verbindung zieht. In Kapitel 3 werden die Eigenschaften, die eine wirksame Führungskraft benötigt, beschrieben. Daran schließt ein Kapitel an, das die Entwicklung von Führungskräftetrainings mit Pferden behandelt. Es soll erläutert werden, warum Anbieter von Leadership-Seminaren auf die Idee kamen, gerade Pferde in Schulungen für Führungskräfte einzusetzen. Die Konkretisierung erfolgt im nächsten -13-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Abschnitt (Kapitel 5), in dem die Pferde selbst im Mittelpunkt stehen. Ihr Wesen, ihre Instinkte und ihre Lebensweise werden genauer unter die Lupe genommen. Auf dieser Grundlage werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Mensch und Pferd herausgearbeitet (Kapitel 6). Dieser Themenkomplex bildet zusammen mit dem Kapitel 7, in dem konkrete Antworten auf die zentrale Fragestellung gegeben werden, den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Die wichtigsten Aussagen und Erkenntnisse werden anschließend im letzten Kapitel zusammengefasst. Etwaige offene Fragen und Schwierigkeiten bei der Ausarbeitung der Thematik werden aufgegriffen und erläutert. -14-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 2. Beziehung zwischen Mensch und Pferd Die Beziehung zwischen Mensch und Pferd reicht bis in die Anfänge der Menschheit zurück, wurde im Verlauf der Geschichte noch gefestigt und besteht bis heute. 2.1. Einstmals Beutetier Schon der Homo sapiens der Altsteinzeit fand das Pferd als Mitglied der ihn umgebenden Tierwelt vor. Er mag das flüchtige Tier beneidet und bestaunt haben, er mag sich vor ihm gefürchtet haben, mag von ihm fasziniert gewesen sein. Über diese erste Beziehung lassen sich nur Vermutungen anstellen, die allerdings mit speziellen Funden wie mit allgemeinen vor- und frühgeschichtlichen Forschungsergebnissen unterlegt werden. Zwischen dem 30. und 10. vorchristlichen Jahrtausend fing der Mensch an, sich für die wilden Pferde seiner Umgebung näher zu interessieren. In jenen Jahrtausenden waren die Menschen Jäger und Sammler. Daher erregte das Pferd anfangs nur als potentielles Beutetier das Interesse der Menschen. Nach Basche (1994, p. 43) war somit die Nutzung als Fleischtier die erste nützliche Verbindung des Menschen zum Pferd, und aus der Perspektive des Jägers stellte das Pferd eine willkommene Beute zur Lebensfristung dar. Von der Jagdbeute in der Steinzeit wurde das Pferd zum zahmen Haustier. Darüber, wo und von wem das erste Pferd gezähmt wurde, gibt es jedoch keine einheitliche Meinung. Einige Forscher meinen, dass Pferde zuerst in der Mongolei eingesetzt wurden, und zwar schon im fünften vorchristlichen Jahrtausend. Die ersten gezähmten Pferde wurden zunächst zum Ziehen von Kampfwagen, später auch als Last- und Reittiere genutzt, dann wurde das Pferd Zeichen von Wohlstand und Macht. Denjenigen, die Pferde besaßen und sie reiten oder mit ihnen kutschieren konnten, wurde Respekt entgegengebracht; sie besaßen meist Reichtum, zählten zum Adel oder besaßen einmalige Fähigkeiten, wie etwa die großen Feldherren der Geschichte, die zu Pferde ganze Weltreiche eroberten – und dies oftmals mit Hilfe ihrer Pferde. -15-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 2.2. Mythos Pferd Fast die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch war das Pferd dem Menschen Kamerad, Diener und Partner. Seit der ersten Begegnung zwischen Mensch und Pferd spielt dieses einmalige Tier eine besondere Rolle für den Menschen, sei es in der Realität oder im Mythos. Spätestens seit der Bronzezeit waren Pferde nicht nur Zug- und Reittiere, sondern zugleich Statusobjekt und religiöses Symbol. Als Verkörperung des Sieges und des Herrschertums besaßen Pferde große Bedeutung und hohes Ansehen und verschafften dem Besitzer enormes Sozialprestige. Pferde waren immer hochgeschätzt - Pferde weckten und wecken auch heute noch Emotionen. Sie zählen wohl zu den edelsten Geschöpfen auf Erden. In ihnen paaren sich Kraft und Ausdauer, sie verkörpern Stolz und Mut genauso wie Sensibilität und Vorsicht. Und sie faszinieren durch Schönheit und Anmut. Diese besondere Faszination und die Einstellung vieler Menschen zu diesen Geschöpfen wusste Ronald Duncan 1 besonders gut in einem seiner Gedichte auszudrücken, das er 1954 niederschrieb. “Where in this wide world can man find nobility without pride, friendship without envy, or beauty without vanity? Here where grace is laced with muscle and strength by gentleness confined. He serves without servility; he has fought without enmity. There is nothing so powerful, nothing less violent; there is nothing so quick, nothing more patient. …“ Das moderne Pferd ist ein intelligentes Geschöpf, das aufgrund seiner extremen Sensibilität und seiner Kooperationsbereitschaft in guten Händen zu außerordentlich hohen Leistungen fähig ist. Dasselbe Pferd kann jedoch in schlechten Händen schnell störrisch und unbeherrschbar werden. 1 Ronald Frederick Henry Duncan (1914-1982): britischer Dramatiker, Dichter und Literat. -16-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 2.3. Altbekannte Weisheit Die Verbindung von Pferden und Führungskräften ist keine neue Intention. In den zurückliegenden Jahrhunderten war die Ausbildung von Feldherren und anderen Führungspersönlichkeiten an Pferden etwas Alltägliches. Viele dieser Männer definierten sich über ihre Pferde. Damals wussten die alten Rittmeister bereits von der Wichtigkeit der inneren Einstellung und der Körpersprache. Gerade darum war für angehende Führungskräfte die Ausbildung mit und zu Pferde unerlässlich für deren weitere Entwicklung und prägend für ihre Führungsqualitäten. Man kannte die Vorzüge dieses Tieres und wusste sie sich zu Nutze zu machen. Schon damals war Ausbildern von zukünftigen Führungspersonen bewusst, dass derjenige, der ein Pferd beherrschen beziehungsweise zu seinem Vorteil nutzen wollte, zuerst lernen musste, sich selbst zu beherrschen. So schulten Feldherren ihre „Leithengst-Fähigkeiten“ wie etwa Entschlossenheit und Durchsetzungsvermögen an ihren Pferden. Andererseits waren aber auch Vertrauen und Respekt, beides Eigenschaften einer Leitstute, gefragt. Und so wuchsen Jahrhunderte hindurch jene, welche Führung übernehmen sollten, mit ihrem Pferd auf. „Das Pferd lieferte die Sehnen der Macht und hat das die gesamte Geschichte der Menschheit hindurch getan, bis hin in die Zeiten, an die wir uns selbst noch erinnern können“. (Budd 1999, p.22) So finden sich in der Geschichte zahlreiche Beispiele ausgezeichneter Führungspersönlichkeiten, die zugleich eine tiefe Beziehung zu Pferden hatten. Kriegervölker wie die Hunnen oder die Türken begründeten ihre ganze militärische Durchschlagskraft und damit ihre riesigen Reiche mit schnellen Reitertruppen. Unter anderem gehörte auch Dschingis Khan (1162-1227) zu jenen Kriegern, die mit Hilfe von Pferden zu Ruhm und Macht gelangten. Er zählt heute zu den berühmtesten Reiterführern der Vergangenheit. Als unbeugsamer Kämpfer eroberte er Nordchina und drang später in Richtung Westen vor – stets zu Pferd und gefolgt von -17-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 hervorragend ausgebildeten nomadischen Kriegern, die ebenfalls geschickte Reiter waren. Der Autor Fritz Hendrich belegt in seinem Buch „Horse Sense“ am Beispiel von Alexander dem Großen und dessen Pferd Bukephalos die Wirksamkeit einer gewaltlosen Führung, bestehend aus Verständnis, Einfühlung, Klarheit und Stärke. Wie man aus Überlieferungen weiß, soll außer Alexander selbst niemand in der Lage gewesen sein, Bukephalos zu reiten. Mit diesem Pferd wurde er zu einem der größten Eroberer der Geschichte. Dieses treue Tier soll ihn auch mehrmals vor dem sicheren Tod gerettet haben. So scheint es auch nicht verwunderlich, dass Alexander seinem Pferd zu Ehren eine Stadt bauen ließ, nämlich Alexandria Bukephalos, heute Lahore. Und auch der britische Premierminister Winston Churchill gehörte zur Riege der exzellenten Führer mit „Pferdeverstand“. Schon er sah, dass Pferde einen großen Einfluss auf einen Menschen und dessen Führungsverhalten haben können, was er wiederum in einem Zitat zum Ausdruck brachte: „There is something about the outside of a horse that is good for the inside of a man. “ Zusammenfassung Die Rückbesinnung auf den Umgang mit Pferden als Erfahrungs- und Erlebnisfeld stellt keineswegs nur eine modische Erscheinung dar, sondern beruht auf einer uralten Tradition, wie zahlreiche Beispiele belegen. -18-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 3. Führungskompetenz Das Führen von Mitarbeitern gilt als eine entscheidende Kompetenz von Führungspersonen. In den vergangenen Jahren wurden an Führungskräfte immer wieder neue und veränderte Anforderungen gestellt. Neben der fachlichen Kompetenz sind zunehmend soziale Kompetenzen erforderlich. 3.1. Führungskräfte heute In der heutigen Zeit werden neben den fachlichen auch die sozialen Kompetenzen zum entscheidenden Faktor für Erfolg und Karriere. In der Geschäftswelt entscheidet nicht mehr nur fachliches Wissen. Die Art und Weise, wie man sich seinem Gegenüber präsentiert, wird immer wichtiger. Ausstrahlung, Selbstbewusstsein, Intuition, Vertrauenswürdigkeit und Überzeugungskraft sind nur einige der Schlüsselbegriffe. Sie können zum entscheidenden Erfolgsfaktor werden, wenn man sie richtig einzusetzen weiß. Daher ist es für Führungspersönlichkeiten unabdinglich, zu wissen, wie sie auf ihre Umgebung wirken. Leider sieht momentan die Realität noch anders aus. Zwar gibt es heute viele Führungspersönlichkeiten, die beruflich sehr erfolgreich unterwegs sind, ein großes Unternehmen mit unzähligen Mitarbeitern leiten und über ausgezeichnetes fachliches Wissen verfügen. Jedoch kommen unter dem heute herrschenden Zeit-, Leistungs- und Konkurrenzdruck die sozial kommunikativen sowie die persönlichen Kompetenzen oftmals zu kurz bzw. wird ihnen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Für Führungsorgane wird es in Zukunft unmöglich sein, sich rein auf ihrem fachlichen Wissen ausruhen zu können. Man muss an sich selbst arbeiten, seine Wirkung auf andere erkennen, seinen Führungsstil überdenken und sich weiterentwickeln. Kommunikationsfähigkeit, Selbstreflexion, Kooperations- und Koordinationsfähigkeit sowie Wahrnehmungssensibilität sind ebenso wichtig wie fachliche Kompetenz. -19-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Petra Kindermann von PKI Consulting und Andreas Bachofner von ReInforce Consulting GmbH haben sich mit dem Thema näher beschäftigt. Beide führen auch Trainings und Seminare in den Bereichen Führung und Kommunikation mit Pferden als Co-Trainer durch. In einem ihrer Artikel beschreiben sie eine wirksame Führungskraft wie folgt: „Wahre „Leaders“ bestechen durch Ausstrahlung, Kongruenz und Klarheit. Sie können sich in Unternehmen, Teams und Abteilungen, nicht nur aufgrund ihrer institutionellen Autorität durchsetzen, sondern sie überzeugen aufgrund ihrer menschlichen Qualitäten. Ihre eignen Stärken und Schwächen kennen sie genau so gut wie die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter. Sie übernehmen Verantwortung, können begeistern und begleiten ihre Teams auf dem Weg zu Höchstleistungen.“ (Kindermann & Bachofner 2005, p.1) 3.2. Kommunikation In den letzten Jahren sind verstärkt die Kommunikationsfunktionen der Führungspraxis in den Vordergrund gerückt. Doch die zwischenmenschliche Kommunikation gestaltet sich oftmals schwierig, vor allem zwischen Führungspersönlichkeiten und den ihnen unterstellten Personen. Einerseits ist diese eine Sache des Einfühlungsvermögens und Wollens, andererseits ist diese auch oftmals aufgrund mangelnder Zeit nicht möglich. Für unser Gegenüber zählt nicht nur, was wir ihm sagen, sondern vor allem auch wie wir es ihm vermitteln und uns dabei verhalten. Die menschliche Kommunikation wird nur zum Teil durch die verbale Sprache bestimmt. Der andere Teil wird durch Ausdrucksweisen des Körpers wie Mimik, Gestik u. a. ausgedrückt. Somit sind auch die Arten der nonverbalen Kommunikation ein wichtiger Bestandteil und Träger der zwischenmenschlichen Information. -20-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 3.2.1. Körpersprache Körpersprache wird vom Menschen ständig und überall angewandt, meist jedoch unbewusst. „Wir Menschen sind, die nonverbale Körpersprache betreffend, durch unsere Sprache desensibilisiert. Wir haben verlernt, bewusst auf nonverbale Zeichen und Signale, die wir einerseits selbst senden und die wir andererseits auch empfangen, zu achten bzw. messen diesen zu wenig Bedeutung bei.“ (Proksch 2006, p. 1) Bereits im Jahr 1971 veröffentlichte der amerikanische Psychologe Albert Mehrabian ein interessantes Modell zum Verständnis der Bedeutung nonverbaler Kommunikation. Unter dem Titel „Silent Messages“ gab er seine beeindruckenden Forschungsergebnisse heraus – darunter auch die viel zitierte „55-38-7 Regel“. Durch eine Studie samt einer Reihe von Kommunikationsexperimenten kam er zu diesen Zahlenvorgaben, die unter anderem die Wirkung der Körpersprache behandelt. Nach den Zahlen von Mehrabian wird die Wirkung einer Botschaft zu 55 % von der Körpersprache bestimmt, wie etwa Körperhaltung, Gestik, Mimik, Augenkontakt, Auftritt, Bewegungen, usw. 38 % des Effekts lassen sich durch die Stimme (Tonfall, Betonung, Artikulation) erzielen und nur 7 % durch den Inhalt der gesprochenen Worte. -21-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Abbildung 1: 55-38-7 Regel von Albert Mehrabian – Ergebnis der Studie „Silent Messages“ -- A Wealth of Information About Nonverbal Communication (Body Language), nach Moesslang, M. (2006, p. 1) Auch wenn diese Zahlen wegen ihrer Extreme von Kritikern oftmals als reine Laborbefunde abgetan werden, steckt wohl doch eine wichtige Kernaussage dahinter, die man sich zu Herzen nehmen sollte. Mehrabian weist mit seiner Studie vor allem auf die Wichtigkeit von kongruenten Botschaften hin. Seiner Meinung nach geht die inhaltliche Botschaft weitgehend verloren, wenn Körpersprache, Betonung und Inhalt nicht übereinstimmen. Für Führungskräfte bedeutet das, dass sie, um überzeugend aufzutreten, Sprache und Körpersprache in eine Einheit bringen müssen. Die Körpersprache ist ein entscheidender Faktor im Umgang mit anderen Menschen. Somit ist es für Führungspersonen besonders wichtig, um ihre Körpersprache zu wissen und sich ihrer bewusst zu sein. -22-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Daraus ist zu schließen, dass die Kommunikation zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter nur gut funktioniert, wenn zwischen inhaltlicher Botschaft und der Art der Übertragung Stimmigkeit besteht. Nur wenn die Führungskraft in der Lage ist, sich im Gespräch mit dem ‚Untergebenen’ authentisch zu verhalten, wird eine funktionierende Kommunikation zwischen ihnen stattfinden. Weiterhin setzt eine funktionierende und spannungsfreie Kommunikation zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern emotionale Kompetenz, wache Wahrnehmung, Verantwortungsgefühl und mentale Kraft voraus. All diese Eigenschaften wie auch zwischenmenschliche Fertigkeiten wie etwa die Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation und die Fähigkeit Beziehungen aufzubauen und aufrecht zu erhalten werden unter dem Begriff der „sozialen Kompetenz“ zusammengefasst. 3.3. Soziale Kompetenz Weder im Alltagsgebrauch noch in der wissenschaftlichen Literatur gibt es für den Begriff „Soziale Kompetenz“ eine anerkannte Definition. Im Allgemeinen beinhaltet soziale Kompetenz die Art und Weise, wie man mit anderen umgeht, mit ihnen in Kontakt tritt und kommuniziert. Im Alltagsleben heißt das, den Umgang mit anderen Menschen optimal zu gestalten, besonders die zwischenmenschliche Kommunikation und Interaktion. Vor allem der Einsatz der Körpersprache ist hierbei von entscheidender Bedeutung. Sie ist mitentscheidend dafür, wie eine Person von anderen wahrgenommen wird, verrät eventuelle Unsicherheiten oder mangelndes Selbstbewusstsein, kann dem Gegenüber aber auch Klarheit, Prägnanz und Glaubhaftigkeit vermitteln. Soziale Kompetenz ist Menschen nicht angeboren, sondern muss im Laufe des Lebens erst erworben werden. Somit ist dieses Verhalten lernbar und eine Weiterentwicklung dieser Fähigkeiten möglich. -23-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Gerade das Training mit Pferden ist ein geeigneter Lernprozess, um soziale Kompetenz zu schulen und zu verbessern. Darum ist es bei Führungskräftetrainings mit Pferden ein großes Ziel, den Erwerb und die Vertiefung sozialer Kompetenz zu fördern und die Ausbildung entsprechender Fähigkeiten bei den Teilnehmern zu unterstützen. 3.3.1. Ebenen der sozialen Kompetenz Die folgende Auflistung sozialer Fertigkeiten, die gemeinsam unter dem Begriff Social Competence (zu Deutsch: Soziale Kompetenz) zusammengefasst werden können, wurde in dem 1998 erschienenen Buch “Working with Emotional Intelligence“ von Daniel Goleman niedergeschrieben: „Social Competence (These competencies determine how we handle relationships) 1. Influence (Wielding effective tactics for persuasion) People with this competence: • Are skilled at winning people over • Fine-tune presentations to appeal to the listener • Use complex strategies like indirect influence to build consensus and support • Orchestrate dramatic events to effectively make a point 2. Communication (Listening openly and sending convincing messages) People with this competence: • Are effective in give-and-take, registering emotional cues in attuning their message • Deal with difficult issues straightforwardly • Listen well’ seek mutual understanding, and welcome sharing of information fully • Foster open communication and stay receptive to bad news as well as good -24-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 3. Conflict Management (Negotiating and resolving disagreements) People with this competence: • Handle difficult people and tense situations with diplomacy and tact • Spot potential conflict, bring disagreements into the open, and help de-escalate • Encourage debate and open discussion • Orchestrate win-win solutions 4. Leadership (Inspiring and guiding individuals and groups) People with this competence: • Articulate and arouse enthusiasm for a shared vision and mission • Step forward to lead as needed, regardless of position • Guide the performance of others while holding them accountable • Lead by example 5. Change Catalyst (Initiating or managing change) People with this competence: • Recognize the need for a change and remove barriers • Challenge the status quo to acknowledge the need for change • Champion the change and enlist others in its pursuit • Model the change expected of others 6. Building Bonds (Nurturing instrumental relationships) People with this competence: • Cultivate and maintain extensive informal networks • Seek out relationships that are mutually beneficial • Build rapport and keep others in the loop • Make and maintain personal friendships among work associates -25-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 7. Collaboration & Cooperation (Working with others toward shared goals) People with this competence: • Balance a focus on task with attention to relationships • Collaborate, sharing plans, information, and resources • Promote a friendly, cooperative climate • Spot and nurture opportunities for collaboration 8. Team Capabilities (Creating group synergy in pursuing collective goals) People with this competence: • Model team qualities like respect, helpfulness, and cooperation • Draw all members into active and enthusiastic participation • Build team identity, esprit de corps, and commitment • Protect the group and its reputation; share credit” Gerade in Führungskräftetrainings mit Pferden sind diese von Goleman beschriebenen sozialen Fähigkeiten, die erst gemeinsam die soziale Kompetenz eines Menschen ausmachen, Trainingsinhalte. Pferde sind bestens geeignet, um die sozialen Fähigkeiten zu erproben, da sie durch ihr natürliches Beziehungs-, Herden- und Rangverhalten dem Menschen ähnliche soziale Fertigkeiten besitzen. Pferde verfügen über Kommunikationsfähigkeit, Sensibilität, Führungs- und Beziehungsfähigkeit, die den Umgang mit Pferden für die Teilnehmer zu einem Erlebnisfeld für eigene „social skills“ machen. Daher ist das Pferd das ideale Medium, um die soziale Kompetenz von Führungskräften in gezielt ausgewählten Übungen zu fördern. 3.4. Natürliche Autorität Mitarbeiter wollen von ihren Vorgesetzten geführt werden – das behauptet zu mindest Bernd Osterhammel in seinem Buch „Pferdeflüstern für Manager“ (2005, p. 63). Sie möchten sich an ihnen orientieren können. Daher sind starke Führungskräfte -26-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 gefragt, die zwar sagen können, wo es langgeht, aber nicht herrschsüchtig sind. Denn Autorität genießt man bei den Mitarbeitern noch längst nicht, nur weil man sich autoritär aufführt. Außerdem brauchen Unternehmen keine Mitarbeiter mit autoritärem Führungsstil, sondern Führungspersönlichkeiten, die in der Lage sind, andere zu motivieren und zu lenken und das Beste aus den Leuten herauszuholen. Sie gelten als kompetent und vertrauensvoll, werden von Mitarbeitern anerkannt und geschätzt, und was sie sagen oder anordnen, wird ernst genommen. Personen mit diesen Eigenschaften besitzen Autorität, ohne dabei aber autoritär zu sein, sozusagen „natürliche Autorität“. „Die natürliche Autorität, die viele Führungskräfte ausstrahlen, liegt an ihrer Fähigkeit, selbst in den kritischsten Situationen die Kontrolle und die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, sondern kraftvoll und überlegen Probleme zu lösen und Krisen zu meistern. Die Mitarbeiter müssen spüren, dass sie sich auf diesen Steuermann auch verlassen können, wenn es stürmisch wird.“ (Enkelmann-Institut 2005, p.1) Führungspersönlichkeiten mit natürlicher Autorität können überzeugen und auch wenn nötig mit mehr Nachdruck gewünschte Leistungen einfordern, müssen dabei aber niemals auf Drohungen, Gewalt, Strafen oder auf die Verbreitung von Angst unter den Mitarbeitern zurückgreifen, um ihre Ziele durchsetzen zu können. In den Unternehmen sind daher Führungskräfte mit natürlicher Autorität mehr gefragt denn je. Natürliche Autorität lässt sich aber nun einmal nur durch Glaubwürdigkeit und Authentizität erreichen. Hat man sie aber erlangt, sind die Mitarbeiter meist um ein Vielfaches williger und stehen ihrem Vorgesetztem auch in schwierigeren Zeiten treu zur Seite. Führungskräfte mit natürlicher Autorität leiten ihre Mitarbeiter auf einfache, freundliche und überzeugende Weise. Sie genießen bei ihren Untergebenen Respekt sowie Vertrauen und werden von diesen auch ernst genommen. Solche Führungskräfte benötigen keine Druckmittel, um ihre Mitarbeiter zu führen. Sie sind sich immer bewusst, dass die wichtigste Ressource, von der der Erfolg des -27-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Unternehmens abhängt, der Mitarbeiter ist. Sie führen daher ihre Mitarbeiter mit natürlicher Führungskompetenz und sind dabei stets ehrlich, fair und zuverlässig. Personen mit natürlicher Autorität strahlen eine gewisse Selbstsicherheit aus und verhalten sich selbstbewusst, sind dabei aber nie überheblich. „Die Führungskraft der Zukunft ist eine Führungspersönlichkeit – oder sie ist gar nicht. Sie leitet ihre natürliche Autorität nicht mehr aus der Zurschaustellung von Machtsymbolen oder aus ihrer Hierarchie ab. Stattdessen stellen sich Unternehmer und Manager der Zukunft vor allem die Frage: "Was kann ich tun, um meine Mitarbeiter zu unterstützen, um sie zu inspirieren? Was kann ich tun, damit sie ihr volles Potential, ihre volle Kraft entfalten können?" Die Beziehung zwischen Chef und Mitarbeiter ist nicht mehr von Macht auf der einen und Angst auf der anderen Seite geprägt, sondern von gegenseitigem Respekt, Vertrauen, Anerkennung als Mensch. Die Richtung ist klar: durch Wertschätzung zur Wertschöpfung.“ (Taubert 2006, p.1) Natürliche Autorität ist keineswegs eine angeborene Begabung, sondern kann erarbeitet bzw. erlernt werden. Gerade bei Führungskräftetrainings mit Pferden wird den Teilnehmern ermöglicht, durch praktische Beispiele zu erlernen, wie sie Kommunikationsprobleme lösen, ihre natürliche Autorität erweitern und sich Anerkennung und Akzeptanz bei ihren Mitarbeitern sichern können. Seminare mit dem Partner Pferd sind gerade für Führungskräfte ideal, da sie Denk- und Handlungsimpulse freisetzen. Zusammenfassung Die Anforderungen an Führungskräfte bezüglich ihrer sozialen Kompetenz sind hoch und sie steigen mit zunehmender Komplexität des wirtschaftlichen Umfeldes und Verantwortungsbereiches. Und gerade die Führungskräfte sind heute erfolgreich, die über ihre fachlichen Kompetenzen hinaus noch über andere Eigenschaften verfügen. -28-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Der gute Kontakt zum Mitarbeiter und zum Kunden ist ebenso wichtig wie Selbstmanagement und Selbstreflexion. Gerade darum sind Führungstrainings mit Pferden hilfreich, da sie die notwendige Resonanz für das Denken, Fühlen und Handeln erbringen. Führungskräfte müssen eine Beziehung zu ihren Mitarbeitern eingehen. Nur so wird es ihnen möglich, natürliche Autorität zu erwerben, denn diese basiert vor allem auf Vertrauen und sozialer Kompetenz. Es reicht heute nicht mehr aus, einfach nur zu delegieren. Auf Dauer wird es so nicht möglich sein, sich den Respekt der Mitarbeiter zu erhalten und gute Resultate zu erzielen. Natürliche Autorität hingegen verspricht Führungspersonen die treue Gefolgschaft ihrer Mitarbeiter, wodurch diese gemeinsam im Stande sind hervorragende Leistungen zu erzielen. -29-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 4. Entwicklung von Führungskräfte-Trainings mit Pferden „Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selber zu entdecken.“ (Galileo Galilei, Mathematiker, 1564 - 1643) 4.1. Neue Anforderungen an Führungskräfte Organisationen sind sich heute sehr wohl bewusst, dass das Verhalten ihrer Angestellten in Führungspositionen die Einstellung, Motivation und in weiterer Folge auch die Arbeitsleistung der Geführten beeinflusst. Führungskräfte sollen fachlich kompetent sein und die Mitarbeiter unterstützen, aber auch den menschlichen Aspekt abhandeln können. Des Weiteren sollen sie um ihre persönlichen Stärken und Schwächen Bescheid wissen und auch in der Lage sein, ihre Stärken bewusst einzusetzen. Generell kann man sagen, dass der Trend zu einer Führung auf der Basis von natürlicher Autorität, Vertrauen, Wertschätzung, Lob und Zielorientierung geht. Osterhammel (2005, p. 95) spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem neuen Verständnis von Führung. Nach ihm geht es darum, „dass wir uns selbst als Führungskräfte weiterentwickeln, dass wir nicht mehr die Lösung für unsere Probleme im Außen bei den Mitarbeitern oder bestimmten Techniken zu ihrer Beeinflussung suchen, sondern bei uns selbst ansetzen. Eine Führungskraft muss an der Erkenntnis wachsen, dass die Welt nicht so ist, wie sie sie gerne hätte, sondern so ist, wie sie eben ist. Aber genau darin stecken die Möglichkeiten zur Entwicklung.“ Doch nicht erst seit Osterhammel ist man sich dieser Problematik bewusst. Bereits vor einigen Jahren erkannte man, dass gerade die Begegnung mit dem Pferd und die daraus resultierenden Erfahrungen und Erkenntnisse bei der Behebung unzähliger Probleme, sei es mit Mitarbeitern oder mit der eigenen Person, helfen können. Außerdem wollte man die besonderen Anforderungen, die nun auf Führungskräfte zukommen, berücksichtigen. -30-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 Ziel war die Entwicklung einer neuen Lernform zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, sozialer Kompetenz, Selbstmanagement und der Teamarbeit. Die Führungsarbeit mit dem Pferd fordert von den Teilnehmern Konsequenz, Körperwahrnehmung, Klarheit, Präsenz, Sensibilität, situationsgerechte Kommunikation und differenziertes Sozialverhalten – alles Fähigkeiten, die auch für eine gelungene Führung von Mitarbeitern wichtig sind. Auch die Chance sich bewusst zu werden, wie man Führungsbeziehungen eingeht und gestaltet, ein weiterer wichtiger Aspekt zur gelungenen Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeitern, kann man bei der Zusammenarbeit mit dem Pferd erhalten. In Führungskräftetrainings mit Pferden können all die oben genannten grundlegenden Fähigkeiten von Führungskräften geweckt und neue Erkenntnisse gewonnen werden, um später ein kompetentes Verhalten gegenüber den Mitarbeitern zu ermöglichen. 4.2. „The Perfect Follower“ „Ein Pferd hat nichts hündisches und auch nichts raubtierhaftes, es ist – wie Paul Hunting, ein erfahrener Pferdeflüsterer, es formuliert – The Perfect Follower“. (PMG Training & Consulting 2006) Pferde sind gutmütige Lebewesen, die von Natur aus nach Anschluss und Führung suchen. Wie in Kapitel 2 erwähnt, wussten Ausbildner schon früh um die Wirkung von Pferden bei der Aus- und Weiterbildung von Führungspersonen Bescheid. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Anbieter von Seminaren zur Aus- und Weiterbildung von Führungskräften heute wieder vermehrt auf diese einzigartigen Geschöpfe als Medium bei Führungskräftetrainings zurückgreift, um Verhalten bewusst erlebbar zu machen. Auch Sabine Gries (2004, p.139) meint, dass das Wesen -31-
Ch. Scharaditsch FHS Informationsberufe 2006 der Pferde wie auch ihr Sozialverhalten sie für den Menschen zu einem patenten Lernpartner machen. Zum Beispiel lässt sich anhand von Übungen mit Pferden das eigene Verhalten testen. Pferde können Führungskräften sozusagen als Spiegel dienen. An ihren Reaktionen kann eine Führungsperson ihre eigenen Stärken und Schwächen erkennen. Durch das ernsthafte Reflektieren der Führungsfähigkeiten mit Hilfe des vertrauensvollen und unvoreingenommenen Mediums beginnen die Teilnehmer automatisch sich konstruktiv mit ihren bisherigen Denkmustern auseinanderzusetzen. Pferde sind von Grund auf ehrlich und decken Defizite im Führungsstil schonungslos auf und folgen nur, wenn eine Vertrauensbasis existiert, der Führende über entsprechende Kompetenzen verfügt, eine unmissverständliche Kommunikation stattfindet und der Einsatz von Druck gerechtfertigt und angemessen ist. Pferde sind gerade deswegen so beziehungsstarke Kommunikationspartner, weil vor allem die perfekte Kommunikation dieser Tiere untereinander und die sensible Wahrnehmung das Überleben der Herde sichert. Das perfekte Zusammenspiel der einzelnen Tiere, die gut organisierte Struktur der Herde und die Auswahl eines kompetenten Führers erkannten Anbieter von Führungstrainings als wichtige Informationsquelle für ihre Arbeit. Im Umgang mit dem Pferd müssen die Teilnehmer verstärkt auf nonverbale Kommunikationsformen zurückgreifen. Aufgrund ihrer Natur reagieren Pferde nämlich fast ausschließlich auf nonverbale Signale. Pferde fordern und fördern sozusagen körpersprachliche Signale, ermahnen zur Aufmerksamkeit, schulen die Wahrnehmung und geben die in einer speziellen Situation angemessene Dosierung von Druck vor. -32-
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