Gynäkologische Sexual-medizin in Deutschland - Stand der Ausbildung, der Ausbildungsangebote und des Bedarfs an sexualmedizinischer Betreuung

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Gynäkologische Sexual-medizin in Deutschland - Stand der Ausbildung, der Ausbildungsangebote und des Bedarfs an sexualmedizinischer Betreuung
Sexualmedizin                                                                    Diese Probleme nehmen unmittelbar

                                                                                                                              Fortbildung + Kongress
                                                                                 Einfluss auf die sexualmedizinische

Gynäkologische Sexual-                                                           Arbeit in der gynäkologischen
                                                                                 Sprech­stunde. Sie bedeuten immer

medizin in Deutschland
                                                                                 einen Spagat zwischen interessanter
                                                                                 fachlicher Herausforderung und dem
                                                                                 wirtschaftlichen Führen einer Arzt-
                                                                                 praxis bzw. der Hektik des Klinikall-
Stand der Ausbildung, der Ausbildungsangebote                                    tags. Besonders kritisch muss dabei
und des Bedarfs an sexualmedizinischer Betreuung                                 die sexualmedizinische Ausbildung
                                                                                 während des Medizinstudiums, aber
Hans-Joachim Ahrendt, Cornelia Friedrich                                         auch die ärztliche Weiterbildung zum
                                                                                 Facharzt für Gynäkologie und Ge-
Für sexualmedizinische Fragen sollte die gynäkologische Praxis                   burtshilfe betrachtet werden.
eine erste Anlaufstelle sein. Doch wie gut fühlen sich die Kolle-
ginnen und Kollegen gerüstet, um bei der Vielfalt der Probleme                   Konkrete Daten zum Stand der sexu-
kompetent beraten zu können? Eine Umfrage zeigte, dass Aus-                      almedizinischen Ausbildung an den
bildungsdefizite gesehen werden und es umfangreiche Wünsche                      Medizinischen Fakultäten der Univer-
in Bezug auf künftige Fortbildungsmöglichkeiten gibt.                            sitäten in Deutschland liegen nicht
                                                                                 vor. Ebenso ist nicht bekannt, wie
Sexualmedizinische Fragestellungen     „Facharzt/Fachärztin für Frauenheil-      die diesbezüglichen Inhalte der Wei-
und Probleme durchdringen alle         kunde und Geburtshilfe“ (8) Rech-         terbildungsordnung zum Facharzt für
Arbeitsbereiche in der Gynäkologie     nung und weist als obligate Weiter-       Gynäkologie und Geburtshilfe prü-
und Geburtshilfe (siehe Ahrendt und    bildungsinhalte aus:                      fungsrelevant umgesetzt werden.
Friedrich, FRAUENARZT 6/2011,          „Erwerb von Kenntnissen/Erkennt­
S. 574–581):                           nissen und Fertigkeiten                   Material und Methode
−−gynäkologische Endokrinologie        −−in der Sexualberatung der Frau
  und Reproduktionsmedizin,              und des Partners,                       Aus diesem Grund wurde vom Zent-
−−gynäkologische Onkologie,            −−im Umgang mit psychogenen               rum für Sexuelle Gesundheit Magde-
−−Sexualität bei gynäkologischen         ­Symptomen, psychosomatischen           burg-Köthen (Prof. Dr. med. Hans-
  Erkrankungen,                           Reaktionen, psychosozialen und         Joachim Ahrendt, Cornelia Friedrich)
−−sexuelle Probleme nach gynäko­          psychosexuellen Störungen unter        in Zusammenarbeit mit der Universi-
  logischen Operationen,                  ­Berücksichtigung der gesellschafts­   tätsfrauenklinik Magdeburg (Prof. Dr.
−−genitale Infektionen und sexuell         spezifischen Stellung der Frau und    Dr. Serban-D. Costa) eine Erhebung
  übertragbare Krankheiten,                ihrer Partnerschaft.“                 zur sexualmedizinischen Aus- und
−−sexuelle Funktionsstörungen,                                                   Weiterbildung in Deutschland mit
−−Störungen mit sexuell bedingten      Die Erfahrungen aus dem Alltag der        1.234 Ärztinnen und Ärzten aus
  Schmerzen,                           frauenärztlichen Tätigkeit in Praxis      Frauen­kliniken und gynäkologischen
−−Geschlechtsidentitätsstörungen,      und Klinik belegen jedoch, dass die       Praxen durchgeführt (64 % Ärztinnen,
−−sexueller Missbrauch u. a.           sexualmedizinische Basisbetreuung
                                       quantitativ und qualitativ nicht hin-
Die Sexualmedizin stellt damit einen   reichend gewährleistet ist. Folgende
unabdingbaren Bestandteil der          Probleme stellen sich dabei vor allem
frauen­ärztlichen Tätigkeit dar, der   (1):
spezielle Kenntnisse für die Erhe-     −−die ärztliche Kompetenz ­
bung der diesbezüglichen Anamne-         bezüglich der Gesprächsführung,
se, für die Diagnostik, Beratung und     des Erhebens der Sexual-
Therapie erfordert. Sexualmedizini-      anamnese, der Bestimmung der
sche Tätigkeit erfordert demnach         Beratungs- und Therapieziele
eine spezialisierte Ausbildung. Die      bzw. der therapeutischen
Fachärztin bzw. der Facharzt für         ­Optionen,
Frauenheilkunde und Geburtshilfe       −−das Management der benötigten
sind die entscheidenden Ärzte, die        Zeit für eine einfühlsame und
die sexualmedizinische Basisbetreu-       ­effektive Beratung und
ung umsetzen. Dem trägt auch die       −−die Honorierung für diese oft
Weiterbildungsordnung zum/zur              zeit­intensive Tätigkeit.

                                                                                            FRAUENARZT    52 (2011)   Nr. 8      795
24 % Ärzte, 12 % keine Angaben).
Fortbildung + Kongress
                         81 % waren Fachärzte und 16 % be-              Fächer, in denen Sexualmedizin gelehrt wird
                         fanden sich noch in der Ausbildung
                         (4 % keine Angaben). 63 % waren in               20 %
                         der Praxis tätig, 32 % arbeiteten in
                         der Klinik, 5 % waren Belegärzte.                               18,2
                         Jüngere und ältere Ärzte sind glei-              15
                         chermaßen berücksichtigt: Appro­
                         bation bis 1981 15 %, bis 1991 24 %,
                         bis 2001 24 %, ab 2001 18 % (keine               10
                                                                                                                                    8,4
                         Angaben 18 %).                                                                                   7,8

                         Die Daten wurden mittels eines drei-              5
                         seitigen Fragebogens mit überwiegend                                            2,2                                       2,6
                         geschlossenen, aber auch offenen
                         Fragen erhoben. Die weitaus meisten               0
                                                                                                                                                 andere
                                                                                        Frauen-         Urologie      Psycho-      Psycho-
                         Fragebögen wurden in Anwesenheit                              heilkunde                       logie       somatik       Fächer
                         der Autoren auf Weiterbildungsveran-
                         staltungen ausgegeben und ausge-
                         füllt. Darüber hinaus wurden Fragebö-         Abb. 2: Häufigkeitsnennung der Fächer, in denen Sexualmedizin gelehrt wurde (n = 341)
                         gen an Frauenkliniken nach in der
                         Regel persönlicher Kontaktierung              haben. Demnach haben also fast drei                  Psychosomatik (8 %) und Psychologie
                         verschickt. Der Erhebungszeitraum             Viertel aller Medizinstudentinnen und                (8 %) angeboten (s. Abb. 2).
                         erstreckte sich von August bis Dezem-         -studenten in Deutschland keine hin-
                         ber 2010. Die Rücklauf­quote betrug           reichende sexualmedizinische Aus-                    Weiterbildung Sexualmedizin
                                                                       bildung erfahren (s. Abb. 1).                        nach dem Studium
                          Ausbildungangebot                            Dort, wo Sexualmedizin gelehrt wur-                  Zu einer Teilnahme an sexualmedi-
                          im Studium                                   de, waren 82 % dieser Lehrveranstal-                 zinischen Weiterbildungen nach
                          80 %                                         tungen Vorlesungen und 26 % Semi-                    dem Studium haben sich insgesamt
                          70         ja                                nare oder Workshops. 47 % dieser                     1.219 (98,8 %) der Befragten geäu-
                                     nein                       71,7   Lehrveranstaltungen waren fakulta-                   ßert. 54 % von ihnen bejahten und
                          60
                                                                       tiv, nur 23 % obligatorisch. Sexual-                 45 % verneinten eine Teilnahme an
                          50                                           medizinische Themen wurden dann                      einer derartigen Weiterbildung.
                          40                                           vor allem in der Frauenheilkunde                     35 % der Frauenärztinnen und -ärz-
                          30                                           (18 %), aber auch in der Ausbildung                  te gaben an, nach dem Studium
                                      28
                          20
                          10                                            Art der Weiterbildung
                           0
                               sexualmedizinische Lehrveranstaltung      60 %
                                      während des Studiums

                                                                         50          ja
                                                                                     nein
                         Abb. 1: Angebot sexualmedizinischer Lehr-                                                                                       50,2
                         veranstaltungen während des Studiums
                         (n = 1.234)                                     40

                         insgesamt 76 % (Rücklauf auf Weiter-            30       35,3
                         bildungsveranstaltungen 89 %, Rück-                                                       31,9
                         lauf aus Kliniken 62 %).                        20
                                                                                                                            22,4
                                                                                              19
                         Ausbildung in Sexualmedizin                     10
                                                                                                                                             4,2
                         während des Studiums
                                                                          0
                         345 von 1.234 Ärztinnen und Ärzten                      Vorlesungen/Vorträge          Seminare/Workshops         curriculare Ausbildung
                                                                                                                                            in Sexualmedizin
                         (28 %) gaben an, während des Stu­
                         diums Lehrveranstaltungen zur Sexu-
                         almedizin angeboten bekommen zu               Abb. 3: Form der sexualmedizinischen Ausbildung nach dem Studium in % (n = 671)

   796                   FRAUENARZT         52 (2011)   Nr. 8
Fortbildung + Kongress
 Grad der Ausbildung                               Art und Umfang der sexualmedizinischen Tätigkeit
       Frage: Fühlen Sie sich für die              Frage: Sind sie während Ihrer frauenärztlichen Tätigkeit auch sexualmedizinisch tätig?
     sexualmedizinische Betreuung der
   Patientinnen ausreichend ausgebildet?
 50 %
                  48,8                                      ja, auch in gesonderten
                                                            Sprechstunden, Sexual-         2,9
 40                                                              beratung/-therapie
                               37,8
 30                                                        ja, häufig (innerhalb der
                                                          üblichen gynäkologischen                       29,4
 20                                                                    Sprechstunde

 10                                                 ja, aber selten (innerhalb der
          3,8                            8,6            üblichen gynäkologischen                                                       67,6
                                                                    Sprechstunde)                                                                       %
  0
          voll- in gewissem kaum      überhaupt
        kommen      Maße                nicht                                          0      10        20      30     40      50     60      70        80

Abb. 4: Grad der Ausbildung der Frauenärz-        Abb. 5: Art und Umfang sexualmedizinischer Tätigkeit
tinnen und -ärzte im Fach Sexualmedizin
(n = 1.222)

sexualmedizinische Weiterbildungs-                die ungenügende Honorierung der                            monalen Kontrazeption, auf das se-
veranstaltungen in Form von Vorle-                sexualmedizinischen Tätigkeit                              xuelle Erleben (s. Abb. 7–9).
sungen oder Vorträgen besucht und                 (s. Abb. 6). So wünschen sich auch
32 %, diesbezügliche Seminare oder                89 % aller Frauenärztinnen und Frau-                       Großer Bedarf besteht aber auch,
Workshops wahrgenommen zu ha-                     enärzte eine umfassendere Ausbil-                          sich Wissen zur Diagnostik und The-
ben. Nur wenige (4%) haben eine                   dung in Sexualmedizin.                                     rapie von Sexualstörungen im Allge-
spezielle mehrjährige curriculare                                                                            meinen anzueignen. Das Erheben
Ausbildung in Sexualmedizin absol-                Gewünschte sexual­                                         einer Sexualanamnese, die Durchfüh-
viert (s. Abb. 3).                                medizinische Schwerpunkte                                  rung einer entsprechenden Diagnos-
                                                                                                             tik und das Führen von beratenden
Erreichte Kompetenz ­                             Die häufigsten gewünschten Themen                          oder/und therapeutischen Gesprä-
durch die sexualmedizinische                      zur weiteren Fortbildung im Fach Se-                       chen. Mehr als 40 % aller Ärztinnen
Aus- und Weiterbildung                            xualmedizin haben einen praxisrele-                        und Ärzte wünschen sich auf diesem
                                                  vanten Bezug, wie etwa die Diagnos-                        Gebiet eine bessere Aus- und Weiter-
Etwa die Hälfte der Gynäkologinnen                tik und Therapie von sexuellen Funk-                       bildung (s. Abb. 10).
und Gynäkologen (52,6 %) fühlen                   tionsstörungen, Sexualität in ver-
sich „vollkommen“ oder „in gewissem               schiedenen Lebensphasen, Sexualität                        Diskussion der Ergebnisse
Maße“ für die sexualmedizinischen                 in der Krankheitssituation und nach
Fragestellungen in Praxis und Klinik              Operationen sowie der Einfluss von                         Zur Situation der Qualität und Quan-
ausgebildet (s. Abb. 4).                          Medikamenten, insbesondere der hor-                        tität der sexualmedizinischen Ausbil-

Von den befragten Kolleginnen und
Kollegen gaben 884 (71,6 %) an, in                 Hemmnisse für eine sexualmedizinische Tätigkeit
ihrer täglichen frauenärztlichen Ar-
beit auch sexualmedizinisch tätig zu                100 %
                                                                                                                                              95,6
sein. 336 (27,2 %) verneinten eine                                                                                                  ja
                                                     80                                                                             nein
sexualmedizinische Tätigkeit in der
frauenärztlichen Praxis (s. Abb. 5).                           72,1
                                                     60                                                         63,6
                                                                                                 57,1
In der Klinik und Praxis des Frauen-                 40                                42,9
arztes findet demnach bei mehr als                                                                                     36,4
zwei Dritteln aller Ärztinnen und Ärz-               20                27,8
te keine adäquate sexualmedizinische                                                                                                  4,4
Basisbetreuung statt. Als Ursache                     0
                                                              fehlende Zeit        unzureichende               unzureichende        andere Gründe
hierfür geben 64 % der Frauenärzte
                                                                                     Vergütung                  Ausbildung
die unzureichende Ausbildung an,
72 % das Fehlen der für die Sexual-               Abb. 6: Hemmnisse für eine sexualmedizinische Tätigkeit in der gynäkologischen Praxis in %
beratung notwendigen Zeit und 43 %                (n = 1.220)

                                                                                                                            FRAUENARZT      52 (2011)   Nr. 8      797
in Deutschland mittels Fragebögen                        entsprechende Vorträge oder Work-
Fortbildung + Kongress
                          Fortbildungswünsche:
                          ­Sexualität                                        gewonnen bzw. über verschiedene                          shops. Nur 6 % haben eine mehrjäh-
                                                                             Kliniken eingeholt. Die Rücklaufquo-                     rige curriculare Ausbildung in der
                                                                             te war mit 76 % sehr hoch. Dies ist                      Sexualmedizin absolviert. Dadurch ist
                             Sexualität in                                   wahrscheinlich auf die meist per-                        erreicht, dass sich zumindest 53 %
                                Peri- und                      50,4          sönliche Anwesenheit der Autoren                         der Frauenärztinnen und -ärzte sicher
                           Postmenopause
                                                                             bei der Datenerhebung und das En-                        fühlen, ihre Patientinnen sexualme-
                                                                             gagement verschiedener Kollegen                          dizinisch beraten und betreuen zu
                             Sexualität in                                   und Chefärzte zurückzuführen. Eben-                      können. 29 % von ihnen werden dann
                          Schwangerschaft              34,3                  so stimmig sind die anderen epide-                       auch regelmäßig innerhalb ihrer
                          und post partum
                                                                             miologischen Kennziffern: 64 % Ärz-                      ­frauenärztlichen Sprechstunde sexu-
                                                                             tinnen, 24 % Ärzte (12 % keine An-                        almedizinisch beratend tätig. 3 %
                                                                             gaben), 81 % Fachärzte und 16 %                           führen gesonderte Sprechstunden zur
                             Teenager und               36,1
                                Sexualität                                   Assistenzärzte (4 % keine Angaben),                       Sexualberatung und -therapie durch.
                                                                             63 % Niedergelassene, 32 % Kli-                           Aber zwei Drittel der Frauenärzte be-
                                                              %
                                             0 10 20 30 40 50 60
                                                                             nikärzte. Damit ist die Aussagefä-                        raten und behandeln ihre Patientin-
                                                                             higkeit der Daten gegeben. Die Da-                        nen bei sexuellen Problemen gar
                                                                             ten spiegeln die Situation der sexu-                      nicht oder nur sporadisch. Als Ursa-
                         Abb. 7: Gewünschte Fortbildung zur Sexuali-         almedizinischen Basisbetreuung so                         che hierfür sind neben der nicht vor-
                         tät in verschiedenen Lebensphasen
                         (n = 1.094)                                         wider, wie sie von vielen erwartet                        handenen Ausbildung (64 %) vor al-
                                                                             wurde.                                                    lem das Fehlen der für die Sexualbe-
                          Fortbildungswünsche:                                                                                         ratung notwendigen Zeit (72 %) und
                          Krankheits- und Medika-                            Eine sexualmedizinische Ausbildung                        die ungenügende Honorierung für die
                          menteneinflüsse                                    findet nur an einzelnen Medizini-                         Beratungsleistungen (43 %) zu nen-
                                                                             schen Fakultäten statt und dann                           nen. Dies wird auch durch Hartmann
                                  Einfluss von
                                                                             meist auch nur sporadisch und fakul-                      und Burkart (6) bestätigt. Sexualbe-
                            Medikamenten auf                          47,6   tativ. Nur an wenigen Universitäten                       ratung erfordert Zeit, und die ist oft
                                die Sexualität
                                                                             (wie etwa in Berlin, Magdeburg, Kiel,                     im alltäglichen Sprechstundenablauf
                                           STD         23,4                  Frankfurt, Freiburg, Greifswald und                       nicht vorhanden. Darüber hinaus ist
                                                                             Hannover) werden den Medizinstu-                          Sexualberatung eine IGeL-Leistung.
                              Sexualität nach                     45,9       denten kontinuierlich sexualmedizi-                       Dies limitiert allein schon die Zahl
                           gynäkologischer OP
                                                                             nische Lehrveranstaltungen angebo-                        der Patientinnen, die eine solche
                                Sexualität und
                                    chronische                 37,2          ten (vgl. 5). Dies ist vor allem im                       über das übliche Sprechstundenmaß
                                 Erkrankungen                                Fachgebiet Gynäkologie und Geburts-                       hinausgehende Beratung in Anspruch
                          Einfluss hormoneller                               hilfe (18 %) sowie in der Psychologie                     nehmen können oder wollen.
                            Kontrazeption auf                     42
                                 die Sexualität                   %          (8 %) und der Psychosomatik (8 %)
                                                  0   10 20 30 40 50         der Fall. Etwa die Hälfte der Frauen-                    Vor allem aber wünschen sich die
                                                                             ärzte (54%) bildet sich dann diesbe-                     Frauenärztinnen und Frauenärzte,
                                                                             züglich selbst weiter und besucht                        dass sie fachlich kompetent und si-
                         Abb. 8: Gewünschte Fortbildung zu Medika-
                         menten und Krankheiten, die die Sexualität
                         beeinflussen (n = 1.094)
                                                                              Fortbildungwünsche: weitere Themen
                         dung an den Medizinischen Fakultä-
                         ten der Universitäten in Deutschland                 sexuelle Funktions-
                                                                                                                                                         64,1
                                                                                        störungen
                         liegen keine aussagekräftigen Daten
                         vor. Deshalb war es das Ziel dieser                        Paraphilien/
                                                                                                                   20,2
                                                                                    Dissexualität
                         Erhebung, exakte Kenntnisse darüber
                         zu gewinnen, wo und wie Gynäkolo-                        Transsexualität                         26,8
                         ginnen und Gynäkologen in Deutsch-
                         land ausgebildet werden und ob die                      Sexualbiologie/                    23,2
                                                                               Sexualphysiologie
                         sexualmedizinische Basisbetreuung
                         im Fachgebiet gegeben ist.                                       andere        6,6
                                                                                                                                                                         %
                         Die Daten wurden bei zahlreichen                                           0         10      20         30       40      50      60     70      80
                         Weiterbildungsveranstaltungen von
                         Frauenärztinnen und Frauenärzten                    Abb. 9: Gewünschte Fortbildung zu weiteren Themen, die Sexualität betreffend (n = 1.094)

   798                   FRAUENARZT       52 (2011)    Nr. 8
der Anwendung von Medikamenten           nur unzureichend erfüllt. Somit ist

                                                                                                                                      Fortbildung + Kongress
 Fortbildungwünsche:                        (48 %), insbesondere von hormona-        eine fachgerechte sexualmedizinische
 ­Diagnostik und Therapie                   len Kontrazeptiva (42 %). Ebenso         Basisbetreuung in der Frauenheil­
                                            wichtig ist auch die Wissenserweite-     kunde nicht oder nur eingeschränkt
                                            rung bei der Sexualberatung der Pa-      möglich.
     Sexualtherapie            40           tientin mit chronischen Erkrankun-
                                            gen (37 %) oder der diesbezüglichen      Literatur
                                            prä- und postoperativen Betreuung        1. Ahrendt HJ, Friedrich C: Prävention und
 sexualmedizinische                                                                     Therapie sexueller Störungen. Journal für
          Beratung                  55,3    (46 %). Aber auch über seltener in
                                                                                        Frauengesundheit (2010), Nr. 1, 11–26.
                                            frauenärztlichen Praxis auftretende      2. Ahrendt HJ, Adolf D, Friedrich C: Inzi-
                                            Situationen, wie der Umgang mit             denz sexueller Probleme in der gynäkolo-
 sexualmedizinische                                                                     gischen Praxis. Sexuologie H 1–2, 2011.
         Diagnostik             49,7        transsexuellen Patienten, wollen im-     3. Ahrendt HJ, Friedrich C: Häufigkeit sexu-
                                            merhin 27 % der Frauenärzte mehr            almedizinischer Fragen und Probleme in
                                            Kenntnisse haben.                           der gynäkologischen Sprechstunde. Frau-
 sexualmedizinische                                                                     enarzt 52 (2011) 574–581.
 Anamneseerhebung            40,8                                                    4. Beier KM, Hartman U, Bosinski HAG: Be-
                                       %    Es kann also festgestellt werden,           darfsanalyse zur sexualmedizinischen
                                                                                        Versorgung. Sexuologie 7 (2000) Nr. 2,
                      0 10 20 30 40 50 60   dass mit dem derzeitigen Stand der          63–95.
                                            Aus- und Weiterbildung im Fach Se-       5. Beier KM, Ahlers CJ, Pauls A: Sexualme-
                                            xualmedizin die Medizinischen Fakul-        dizin als Bestandteil der Lehre im Medi-
Abb. 10: Gewünschte Fortbildung zur sexu-                                               zinstudium. Sexuologie 11 (374) (2004)
                                            täten an den meisten Universitäten          104–118.
almedizinischen Diagnostik und Therapie
(n = 1.094)                                 in Deutschland ihrer umfassenden         6. Hartmann U, Burkhart M: Ein Fragebogen
                                                                                        kann den Einstieg erleichtern. Tabuthe-
                                            Ausbildungspflicht zurzeit nicht            ma Sexualstörung: Wie spreche ich den
cher auf die Sexualprobleme und Se-         nachkommen. Dies setzt sich dann            Patienten darauf an? MMW Fortschritte
xualstörungen ihrer Patientinnen            oft fort in qualitativ und quantitativ      der Medizin 148 (2006) Nr. 21, 48–50.
                                                                                     7. Brandenburg U, Leeners B, Schulte-
eingehen können. Und diese erwar-           nicht angemessenen Möglichkeiten            Wefers H et al.: Sexualität – ein Tabu in
ten dies auch von ihren Ärzten (7).         der Weiterbildung nach dem Medizin-         der Gynäkologie? Eine Analyse der Inter-
                                                                                        aktion zwischen sexuellen und gynäkolo-
                                            studium. Damit werden in der aller          gischen Problemen. Geburtsh Frauenheilk
Dazu wollen die Frauenärzte vor al-         ­Regel die Inhalte der Weiterbildungs-      62 (2002) Suppl. 1, 1–4.
                                                                                     8. Weiterbildungsordnung Sachsen-Anhalt,
lem ausgebildet sein, sicher die se-         ordnung zum Facharzt für Gynäko­           3. Satzung zur Änderung. Ärzteblatt
xualmedizinische Anamnese erheben            logie und Geburtshilfe gar nicht oder      Sachsen-Anhalt (2011) Anlage S. 29–30.
(41 %), eine gezielte Diagnostik be-
treiben (50 %) und fachgerecht bera-
ten zu können (55 %) (s. Abb. 10).
Da viele Ärztinnen und Ärzte gerade
hierbei unsicher sind, vermeiden sie
von vornherein vertiefende Gesprä-
che zur Lösung der Sexualprobleme
ihrer Patientinnen. Frauenärzte be-
gleiten ihre Patientinnen durch alle
Lebensphasen, in denen sich indivi-
duell unterschiedlich immer wieder
neue Sexualfragen stellen. Deshalb
wünschen sich Frauenärzte auch, gut
auf diese Problemsituationen vorbe-
reitet zu sein. Insbesondere möchten
sie ihre Kenntnisse über Sexualprob-         Autoren
leme und deren Behandlung bei
Teenagern (36 %), in der Schwanger-
schaft und Postpartalzeit (34 %) und         Prof. Dr. med.                          Cornelia Friedrich
im Klimakterium (50 %) erweitern.            Hans-Joachim Ahrendt                    Praxis für Frauenheilkunde
Dabei ist der Wunsch, mehr Kennt-            Praxis für Frauenheilkunde              und Geburtshilfe
nisse über die Behandlung von sexu-          und Klinische Forschung                 Zentrum für sexuelle Gesundheit
ellen Funktionsstörungen (63 %) in           Zentrum für sexuelle Gesundheit         Schalaunische Str. 6
den verschiedenen Lebensphasen zu            Halberstädter Str. 122                  06366 Köthen
erhalten. Besonders praxisrelevant           39112 Magdeburg
sind dabei die Libidostörungen unter

                                                                                                  FRAUENARZT      52 (2011)   Nr. 8      799
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