Integration behinderter Menschen durch Fußball?

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„Integration behinderter Menschen durch Fußball?“
   Eine empirische Studie zur Untersuchung der integrativen Wirkung des Fußballs am
Beispiel der Deutschen Fußball-Meisterschaft der Werkstätten für behinderte Menschen

                                        Wissenschaftliche Arbeit
                    zur Erlangung des akademischen Grades Magister Artium (M.A.)
                 am Institut für Politische Wissenschaft der Leibniz Universität Hannover

 Kontakt:
 rkolbe@gmx.de
Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis                                         3
Tabellenverzeichnis                                           4
Abbildungsverzeichnis                                         7

1 Einleitung                                                  8

 1.1 Integrationsdefinition                                   9
 1.2 Relevanz des Themas und methodische Vorgehensweise      11

2 Das Turnier der Deutschen Fußball-Meisterschaft der WfbM   13

 2.1 Werkstätten für behinderte Menschen                     13
 2.2 Die Veranstalter des Turniers                           14
     2.2.1 Bundesarbeitsgemeinschaft: WfbM                   15
     2.2.2 DFB und die DFB-Stiftung Sepp Herberger           15
     2.2.3 Special Olympics Deutschland                      17
     2.2.4 Deutscher Behindertensportverband                 18
 2.3 Die Entwicklung des Turniers                            18
 2.4 Zusammenfassung                                         20

3 Behinderung, Gesellschaft und Sport                        21

 3.1 Funktion des Sports in der Gesellschaft                 21
 3.2 Bedeutung des Fußballs in Deutschland                   24
 3.3 Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft          25
 3.4 Integration behinderter Menschen mit Hilfe des Sports   29
 3.5 Zusammenfassung                                         35

4 Empirische Umsetzung der Studie zur DM der WfbM            37

 4.1 Wahl der Methodik                                       37
 4.2 Beschreibung des Fragebogens                            39
 4.3 Datenerhebung                                           41

5 Datenanalyse der Studie zur DM der WfbM                    43

 5.1 Struktur der Befragten                                  43
5.2 Ergebnisse und Deutung der Umfrage                                  49
     5.2.1 Analyse der Bekanntheit und Wahrnehmung der DM der WfbM       50
     5.2.2 Bewertung der DM der WfbM                                     53
     5.2.3 Integrative Wirkung des Fußballs                              55
     5.2.4 Integrative Wirkungen und Bewertung der DM der WfbM           57
     5.2.5 Kooperation mit Sportvereinen und die integrative Wirkung     58
     5.2.6 Kontakt während des Sports mit Nicht-Werkstattmitarbeitern    61
     5.2.7 Wirkungen des Fußballs auf die Persönlichkeit des Sportlers   62
     5.2.8 Auswirkungen des Leistungsdrucks auf die Sportler             64
     5.2.9 Bewertungen der unterschiedlichen Berufsgruppen               65
     5.2.10 Bewertungen der unterschiedlichen Einrichtungsgrößen         67
     5.2.11 Bewertungen der Bundesländer                                 70
     5.2.12 Bewertungen der unterschiedlichen Altersgruppen              72
     5.2.13 Bewertungen der aktiven Fußballer                            73
     5.2.14 Bewertungen der fußballbegeisterten Probanden                75
     5.2.15 Weitere Ergebnisse                                           76
 5.3 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse                          79

6 Studie zur DM der WfbM und „Integration durch Sport“                   81

7 Fazit und Ausblick                                                     85

Literaturverzeichnis                                                     87

Eidesstattliche Erklärung                                                91

Anhang                                                                   92
Abkürzungsverzeichnis
      ______________________________________________________________________

Abkürzungsverzeichnis

AGG                 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

BAG: WfbM           Bundesarbeitsgemeinschaft: Werkstätten für behinderte Menschen

DBS                 Deutscher Behindertensportbund

DFB                 Deutscher Fußball-Bund

DM der WfbM         Deutsche Fußball-Meisterschaft der Werkstätten für behinderte
                    Menschen

DOSB                Deutscher Olympischer Sportbund

GG                  Deutsches Grundgesetz

ICD                 International Classification of Diseases

ICF                 International Classification of Functioning, Disability and Health

INAS-FID            International Federation for sport for athletes with an intellectual
                    disability

IPC                 International Paralympic Committee

IOC                 International Olympic Committee

NPC                 Nationales Paralympisches Komitee

SGB IX              Neuntes Sozialgesetzbuch

SOD                 Special Olympics Deutschland

WfbM                Werkstatt für behinderte Menschen bzw. Werkstätten für behinderte
                    Menschen

WHO                 World Health Organization

WM                  Fußball-Weltmeisterschaft

                                                                                           3
Tabellenverzeichnis
      ____________________________________________________________________

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3.2:  Fußball-Ligen der Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft
              der Menschen mit Behinderung bei der INAS-FID Fußball WM 2006      30
Entnommen aus:
Fediuk, Friedhold: Sport in heterogenen Gruppen. Integrative Prozesse in
Sportgruppen mit behinderten und benachteiligten Menschen. Aachen: Meyer & Meyer
Verlag 2008. S.105.

Tabelle 5.1:   Einteilung der Probanden in Berufsgruppen                          44

Tabelle 5.2:   Einteilung der Probanden in Altersgruppen                          45

Tabelle 5.3:   Größenstruktur der Werkstätten                                     46

Tabelle 5.4:   Teilnehmende Werkstätten sortiert nach Bundesländern               47

Tabelle 5.5:   Erfassungsquote der Bundesländer in der Studie zur DM der WfbM
               in Bezug auf den Organisationsgrad der BAG: WfbM                   48

Tabelle 5.6:   Beziehung zwischen Fußballbegeisterung und Sportbegeisterung
               der Befragten                                                      49

Tabelle 5.7:   Bekanntheit der DM der WfbM und der Qualifikation                  50

Tabelle 5.8:   Teilnahme an der Qualifikation zur DM der WfbM 2010 und geplante
               Teilnahme 2011                                                     51

Tabelle 5.9:   Wahrnehmung der DM der WfbM und der Qualifikationsturniere
               innerhalb der WfbM                                                 52

Tabelle 5.10: Bewertung des Turniers der DM der WfbM                              54

Tabelle 5.11: Bewertung der Organisation und des Erlebnischarakters der DM der
              WfbM                                                                54

Tabelle 5.12: Integrative Wirkung durch den Fußball                               56

Tabelle 5.13: Auswirkungen der positiven Bewertung der DM der WfbM auf die
              integrative Wirkung durch den Fußball                               58

Tabelle 5.15: Kooperation mit Sportverein                                         58

Tabelle 5.16: Kontakt der Sportler mit Personen außerhalb der WfbM beim Sport, bei
              mit Sportvereinen kooperierenden und nicht kooperierenden WfbM       59

Tabelle 5.17: Wahrnehmung der integrativen Wirkungen des Fußballs durch mit
              Sportvereinen kooperierenden WfbM                                   59

                                                                                        4
Tabellenverzeichnis
      ____________________________________________________________________

Tabelle 5.18: Wahrnehmung der integrativen Wirkungen des Fußballs durch nicht
              mit Sportvereinen kooperierenden WfbM                                 60

Tabelle 5.19: Bewertung der integrativen Wirkung des Fußballs von WfbM, bei denen
              die Sportler beim Sport Kontakt zu Nicht-Werkstattbeschäftigten haben 61

Tabelle 5.20: Bewertung der integrativen Wirkung des Fußballs von WfbM, bei denen
              die Sportler beim Sport keinen Kontakt zu Nicht-Werkstattbeschäftigten
              haben                                                                  62

Tabelle 5.21: Förderung der Persönlichkeit des Sportlers durch den Fußball          63

Tabelle 5.22: Bewertung des Einflusses des Fußballs auf die Teamfähigkeit und das
              Konfliktmanagement der Sportler                                       63

Tabelle 5.23: Auswirkungen des Leistungsdruck auf die Sportler                      65

Tabelle 5.24: Positiv empfundener Leistungsdruck und integrative Wirkung
              durch den Fußball                                                     65

Tabelle 5.25: Integrative Wirkung durch den Fußball, geordnet nach Berufsgruppen    66

Tabelle 5.26: Bewertung des Turniers der DM der WfbM durch die Berufsgruppen        67

Tabelle 5.27: Integrative Wirkung durch den Fußball, geordnet nach der
              Einrichtungsgröße                                                     68

Tabelle 5.28: Kooperation mit Sportvereinen, geordnet nach Einrichtungsgröße        69

Tabelle 5.29: Kooperationen mit Vereinen von „großen“ und „kleinen“
              Einrichtungen                                                         69

Tabelle 5.30: Kooperation mit Sportvereinen, geordnet nach Bundesländern            71

Tabelle 5.31: Bewertung der DM der WfbM durch die verschiedenen Altersgruppen       72

Tabelle 5.32: Integrative Wirkung durch den Fußball, geordnet nach Altersgruppen    73

Tabelle 5.33: Wahrnehmung der aktiven Fußballer zur integrativen
              Wirkung durch den Fußball                                             74

Tabelle 5.34: Bewertung des Turniers der DM der WfbM durch
              die aktiven Fußballer                                                 74

Tabelle 5.35: Bewertung des Turniers der DM der WfbM durch die sport- und
              fußballbegeisterten Probanden                                         75

Tabelle 5.36: Einschätzung der fußballbegeisterten Probanden zur integrativen
              Wirkung des Fußballs                                                  76

Tabelle 5.37: Sportangebot als Arbeitszeit                                          76

                                                                                          5
Tabellenverzeichnis
      ____________________________________________________________________

Tabelle 5.38: Trainer der Werkstattmannschaften                                77

Tabelle 5.39: Kooperation von WfbM, die von einem Vereinstrainer trainiert
              werden                                                           77

Tabelle 5.40: Durchschnitt der Fußballspieler in „großen“ und „kleinen“ WfbM   78

Tabelle 5.41: Zusammenhang der Wahrnehmung und integrativen Wirkung
              der DM der WfbM                                                  78

                                                                                    6
Abbildungsverzeichnis
_________________________________________________________________________

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 3.1: „Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit,
              Behinderung und Gesundheit“ (ICF) der WHO                      27
In Anlehnung an:
http://www.who.int/classifications/icf/training/icfbeginnersguide.pdf S.9.
(14.11.2010)

                                                                                  7
1 Einleitung
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    1 Einleitung

                                     „Fußball ist mehr als ein 1:0“1

    In diesem Zitat des Ehrenpräsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Egidius
    Braun wird der Fußball nicht nur als ein Spiel betrachtet, sondern als ein Sport, der über
    das Spielen hinaus eine Bedeutung innerhalb der Gesellschaft einnimmt. Dem Fußball
    werden    Funktionen      und    Eigenschaften      zugeordnet,      die    Lösungsansätze       für
    gesellschaftliche Probleme bieten. Dementsprechend ist aus diesem Zitat auch ableitbar,
    dass der Fußballsport eine gesellschaftliche Verantwortung hat.2
    Eines dieser gesellschaftlichen Probleme ist die fehlende Teilhabe vieler Bürger3 am
    gesamtgesellschaftlichen Leben. In diesem Zusammenhang wird oft der Begriff der
    „Integration“ verwendet. Im öffentlichen politischen Diskurs wird vor allem in den
    letzten Jahren kaum ein anderes Thema so häufig diskutiert wie das der Integration. In
    diesem Kontext wird Integration zumeist auf die Eingliederung von Menschen mit
    Migrationshintergrund in die deutsche Gesellschaft bezogen. Dies ist vor allem aus dem
    „Nationalen Integrationsplan“4 der Bundesregierung aus dem Jahr 2007 ableitbar. In
    diesem Dokument werden ausschließlich Ziele formuliert, wie eine Integration von
    Menschen mit Migrationshintergrund in die Gesellschaft vorangetrieben werden soll.
    Auch innerhalb des DFB wird das Wort Integration in der öffentlichen Diskussion fast
    ausschließlich   im     Zusammenhang         mit    Menschen       mit     Migrationshintergrund
    verwendet.5 Durch diese beiden Beispiele, aber auch durch die aktuelle öffentliche
    Diskussion des Themas, ist eine Vereinnahmung des Begriffs der „Integration“ zu
    erkennen. Integration scheint sich nur auf Migranten zu beziehen. Der Begriff ist
    allerdings vielfältiger anwendbar, denn auch viele Menschen mit Behinderungen haben
    keine volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Im Deutschen Grundgesetz (GG)6

1
      Lachmund, Horst: Fußball ist mehr als ein 1:0. Biografie des DFB-Ehrenpräsidenten Dr.h.c. Egidius
      Braun. Hrsg. von der Egidius-Braun-Stiftung 2001. S.95.
2
      Vgl. Soziales Engagement. Einführung. http://www.dfb.de/index.php?id=11242 (14.11.2010).
3
      Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird sich in dieser Arbeit nur auf die männlichen Ausdrucksformen
      beschränkt. Weibliche Personen sind in der Bedeutung jederzeit mit einbezogen.
4
      Vgl. Nationaler Integrationsplan. Neue Wege – Neue Chancen.
      http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Publikation/IB/Anlagen/nationaler-
      integrationsplan,property=publicationFile.pdf (14.11.2010).
5
      Vgl. Soziales Engagement. Integration. http://www.dfb.de/index.php?id=508798 (14.11.2010).
6
      Grundgesetz Artikel 3 Absatz 3.

                                                                                                           8
1 Einleitung
      ______________________________________________________________________
     sowie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG),7 welches im August 2006 in
     Kraft getreten ist, ist zwar festgelegt, dass niemand wegen seiner Behinderung
     benachteiligt werden darf, allerdings sind viele Menschen mit Behinderung häufig von
     Stigmatisierung betroffen, wenn sie nicht den normativen Erwartungen ihrer Umwelt
     entsprechen.8 Um der daraus resultierenden fehlenden gesellschaftlichen Teilhabe von
     Menschen mit Behinderungen zu begegnen, bedarf es, wie bei Menschen mit
     Migrationshintergrund, einer Integration in alle Gesellschaftsbereiche. Das Ziel einer
     erfogreichen Integration von behinderten Menschen sollte sein, ihnen unabhängig von
     der Art und vom Schweregrad ihrer Behinderung in allen Lebensbereichen die gleichen
     Zutritts- und Teilhabechancen zu gewähren wie Menschen ohne Behinderungen.9

     1.1 Integrationsdefinition
     Bezogen auf das beschriebene facettenreiche Integrationkonzept ist eine Definition des
     dieser Arbeit zugrunde liegenden Integrationsbegriffs erforderlich.
     Laut REISER stellt Integration ein Ziel dar, bei dem eine dynamische Balance zwischen
     der „Tendenz der Gleichheit aller Menschen“ und der „Tendenz der Differenz aller
     Menschen“ hergestellt werden soll.10 Gleichheit umschreibt hierbei das Grundpostulat
     der Gleichheit von behinderten und nicht behinderten Menschen, Differenz das
     Grundpostulat der Wahrung der besonderen, individuellen Bedürfnisse des Menschen.11
     Diese beiden Tendenzen sind dialektisch aufeinander angewiesen, das heißt sie stehen
     sich nicht als Pole gegenüber, sondern bedingen sich gegenseitig. Laut REISER ist diese
     Dialektik der „Motor integrativer Prozesse.“12 Diese integrativen Prozesse sind Wege,
     die von Individuen und Gruppen selbst gegangen werden müssen. Daher ist Integration
     ein psychisches und soziales Ziel. Voraussetzung dieser Betrachtungsweise von
7
       Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Deutscher Bundestag 14.08.2006: http://www.gesetze-
       im-internet.de/bundesrecht/agg/gesamt.pdf (14.11.2010).
       Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, Benachteiligungen aus Gründen der
       Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer
       Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Der Schutz vor
       Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf ist entsprechend den EU-Richtlinienvorgaben der
       Schwerpunkt des AGG. Umgangssprachlich wird das AGG auch Antidiskriminierungsgesetz genannt.
8
       Vgl. Eugster Büsch, Francisca: Integration von Menschen mit Behinderung im und durch Sport im
       Kontext von Identität, Lebensqualität und sozialer Wirklichkeit. Osnabrück: Der Andere Verlag 2003.
       S.20.
9
       Vgl. Cloerkes, Günter: Soziologie der Behinderten. Eine Einführung. Heidelberg: Universitätsverlag
       Winter 2007. S.212.
10
       Vgl. Reiser, Helmut: Wege und Irrwege zur Integration. In: Integration und Sonderpädagogik. Hrsg.
       von Alfred Sander & Peter Raidt. St. Ingbert: Werner J. Röhrig Verlag 1991. S.14.
11
       Vgl. Fediuk, Friedhold: Sport in heterogenen Gruppen. Integrative Prozesse in Sportgruppen mit
       behinderten und benachteiligten Menschen. Aachen: Meyer & Meyer Verlag 2008. S.28 f.
12
       Reiser, Helmut: Wege und Irrwege zur Integration. (1991). S.14.

                                                                                                               9
1 Einleitung
      ______________________________________________________________________
     Integration ist, dass dem Individuum ein Eigencharakter, eine eigene Identiät und eine
     grundsätzliche Gleichberechtigung auch bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit
     zugestanden wird.13
     Was REISER mit den psychischen und sozialen Zielen umschreibt, nennt SPECK
     „personale“ und „soziale Integration“.14 Mit „personaler Integration“ ist eine Integration
     auf individueller Ebene als Ausbildung des Selbstkonzepts zu verstehen. Die
     persönliche Akzeptanz der eigenen Identität stellt das Ziel der „personalen Integration“
     dar.15 „Soziale Integration“ umschreibt die Eingliederung des einzelnen Menschen in
     bestimmte soziale Gruppen, so dass eine Teilhabe am sozialen Ganzen ermöglicht
     wird.16 Auch SPECK sieht diese „Integrationstypen“ in Abhängigkeit voneinander. Erst
     wenn die „personale Integration“ zustandekommt, ist eine „soziale Integration“ möglich
     und umgekehrt.17 Hierbei betont SPECK, dass

            […] soziale Integration keine Einpassung behinderter Menschen in die
            Lebenszusammenhänge nicht behinderter Menschen darstellt, sondern einen
            Wechselwirkungsprozess, bei dem sich beiden Seiten aufeiander zu verändern,
            so dass gegenseitig adäquate Beziehungen und Verbindlichkeiten, kurzum mehr
            Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit entstehen.18

     Der Grad der Integriertheit ist demzufolge von persönlichen und sozialen
     Gegebenheiten abhängig und wird im Wesentlichen subjektiv bestimmt, ist dabei aber
     gleichzeitig an die Schaffung grundlegender Voraussetzungen und äußerer Bedingungen
     gebunden.19
     Die in dieser Arbeit häufig verwendete Bezeichnung der „integrativen Wirkung“ bezieht
     sich dieser Defintion zur Folge sowohl auf die „personale“ als auch auf die „soziale
     Integration“. Integrative Wirkungen sind demnach Wirkungen, die die gleichberechtigte
     Teilhabe behinderter Menschen am sozialen Ganzen begünstigen und fördern.
     Bezogen auf Menschen mit Behinderungen wird in der internationalen Diskussion der
     Begriff „Integration“ zunehmend zusammen mit dem Konzept „Inklusion“ diskutiert
     oder durch dieses sogar abgelöst. Die Inklusion hat sich aus der integrativen Pädagogik
     heraus entwickelt, weist aber begriffliche und konzeptionelle Unterschiede auf.

13
       Vgl. Reiser, Helmut: Wege und Irrwege zur Integration. (1991). S.16.
14
       Vgl. Speck, Otto:System Heilpädagogik. Eine ökologisch reflexive Grundlegung. München: Ernst
       Reinhardt 1987. S.292.
15
       Vgl. Speck, Otto:System Heilpädagogik. (1987). S.288 f.
16
       Vgl. Ebd. S.292.
17
       Vgl. Rheker, Uwe: Spiel und Sport für alle. Aachen: Meyer und Meyer Verlag 1995. S.52.
18
       Speck, Otto:System Heilpädagogik. (1987). S.288.
19
       Vgl. Scheid, Volker: Chancen der Integration durch Sport. Aachen: Meyer & Meyer Verlag 1995.
       S.16.

                                                                                                      10
1 Einleitung
      ______________________________________________________________________
     Befürworter der Inklusion betonen die Verschiedenheit im Gemeinsamen und
     betrachten Heterogenität als eine Gegebenheit, die die Normalität darstellt, wohingegen
     Integration   die   Eingliederung     von    bisher    ausgesonderten      Personen     in   die
     Mehrheitsgesellschaft meint. Mit dem Konzept der Inklusion werden Menschen nicht
     mehr in Gruppen (behindert, nicht-behindert) eingeteilt und stattdessen versucht, allen
     Menschen innerhalb einer Gesellschaft in ihren individuellen Bedürfnissen Rechnung
     zu tragen.20 Die Inklusion ist in vielen Ländern verbreitet und gesetzlich reguliert. In
     Deutschland ist sie noch relativ wenig bekannt und wird kaum praktiziert. Da zudem
     auch in der deutschen behindertenorientierten Forschungsliteratur vorrangig das
     vorangestellt erklärte Konzept der Integration, welches von einer Wechselwirkung
     ausgeht, die eine Veränderung des sozialen Ganzen bewirken soll, benutzt wird, wird
     sich auch in dieser Arbeit auf das Konzept der Integration beschränkt.

     1.2 Relevanz des Themas und methodische Vorgehensweise
     Mit Blick auf den Fußball und dessen besondere Stellung in der Gesellschaft stellt sich
     die Frage, ob dieser Sport auch für Menschen mit Behinderungen „mehr als ein 1:0“
     sein kann. Um diese Frage zu beantworten, wird in der vorliegenden Arbeit untersucht,
     ob vom Fußball integrative Wirkungen auf Menschen mit Behinderungen ausgehen
     können. Zu diesem Zweck wird eine Umfrage unter den Werkstätten für behinderte
     Menschen (WfbM) in Deutschland durchgeführt. Diese Einrichtungen sind die
     geeigneten Probanden für eine solche Studie, da in WfbM der Fußballsport für viele
     behinderte Menschen organisiert und von vielen Beschäftigten21 aktiv ausgeübt wird.
     Anhand der Deutschen Fußball-Meisterschaft der Werkstätten für behinderte Menschen
     (DM der WfbM) werden die integrativen Wirkungen einer speziellenVeranstaltung für
     Fußballer in WfbM untersucht. Mit Hilfe der Ergebnisse dieser Arbeit könnte es
     möglich sein, die integrative Wirkung durch den Fußball für die Sportler in WfbM
     besser zu fördern. Die empirischen Befunde könnten Richtlinien herausstellen, welche
     in Werkstätten Umsetzung finden.

20
       Vgl. Walter Krög: Herausforderung Unterstützung. Perspektiven auf dem Weg zur Inklusion. EQUAL
       – Entwicklungspartnerschaft MIM, 2005.
       http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:H-uR-
       rEKxPQJ:bidok.uibk.ac.at/library/mim-
       broschuere.html+Walter+Kr%C3%B6g:+Herausforderung+Unterst%C3%BCtzung.+Perspektiven+au
       f+dem+Weg+zur+Inklusion&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=de&client=firefox-a (14.11.2010).
21
       Mit Beschäftigten sind ausschließlich Menschen gemeint, die aufgrund einer Behinderung in einer
       WfbM arbeiten. Mitarbeiter der Werkstätten die keine Behinderungen haben, werden meist als
       Fachkräfte bezeichnet.

                                                                                                         11
1 Einleitung
 ______________________________________________________________________
In diesem Sinne lautet die für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit aufgestellte
These, dass der Fußballsport der Integration behinderter Menschen in die Gesellschaft
dient. Die daraus abgeleiteten zentralen Fragestellungen dieser Arbeit lauten:

  Hat der Fußball innerhalb einer WfbM und die DM der WfbM eine integrative
  Wirkung für die Sportler?

  Wie können sich diese Wirkungen bemerkbar machen?

  Geht vom Fußball in den Werkstätten eine integrative Wirkung aus, die auch von
  der theoretischen Behindertenforschung angenommen wird?

  Welche Möglichkeiten gibt es, die Integrationskraft des Fußballs in WfbM zu
  erhöhen?

Um diese Fragen beantworten zu können, wird zunächst im theoretischen Teil dieser
Arbeit die Bedeutung des Sports, speziell des Fußballs, in der Gesellschaft untersucht.
Des Weiteren wird die Stellung von behinderten Menschen in der Gesellschaft
analysiert und herausgestellt, wie diese Stellung in der behindertenorientierten
Forschung    interpretiert   wird.   Welche   wissenschaftlichen   Zugangsweisen     von
Integration und Sport diskutiert werden, wird im letzten Teil des Theorieteils erläutert.
Im Hauptteil der Arbeit werden die Ergebnisse der empirischen Studie herausgestellt
und gedeutet. Diese Ergebnisse werden im Anschluss in Bezug zu dem
behindertenorientierten Forschungsstand von Integration und Sport gesetzt. Zunächst
wird allerdings dem Leser als Grundlage ein Überblick über WfbM in Deutschland und
das Turnier der DM der WfbM gegeben. Hierbei werden die Veranstalter und das
Turnier beschrieben.

                                                                                            12
2 Das Turnier der Deutschen Fußballmeisterschaften der WfbM
      ______________________________________________________________________

     2 Das Turnier der Deutschen Fußball-Meisterschaft der
     WfbM

     Die Deutsche Fußball-Meisterschaft der Werkstätten für behinderte Menschen (DM der
     WfbM)     ist   das   Finalturnier    zur    Austragung      des    Deutschen     Meisters     der
     Fußballmannschaften der WfbM.
     Seit der erstmaligen Austragung des Turniers im Jahr 2000 findet das Turnier jährlich in
     der Sportschule Wedau in Duisburg statt. Innerhalb von vier Tagen wird der Deutsche
     Meister ermittelt. In jedem Bundesland wird die teilnehmende Mannschaft für das
     Turnier in Duisburg in einem Landesentscheid ausgespielt, sodass 16 Landesmeister an
     dem   Endturnier      teilnehmen.    Je     nach   Bundesland      gibt     es   unterschiedliche
                           22                                               23
     Qualifikationsmodi.        Gespielt wird auf einem Kleinfeld                mit jeweils sechs
     Feldspielern und einem Torwart nach offiziellen Regeln, wobei die Abseitsregelung
     aufgehoben wird. Die Spieler der Mannschaften sind ausschließlich Beschäftigte einer
     WfbM.
     In diesem Kapitel werden die Rahmenbedingungen der DM der WfbM herausgestellt.
     Zunächst wird erklärt, worum es sich bei WfbM genau handelt. Anschließend werden
     die Veranstalter des Turniers anhand eines kurzen Überblicks porträtiert. Abschließend
     wird die Entwicklung des Turniers von 2000 bis zum Jahr 2010 nachgezeichnet.

     2.1 Werkstätten für behinderte Menschen
     In Deutschland gibt es insgesamt 719 WfbM.24 Sie sind gemeinnützige Dienstleister für
     Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung nicht fähig sind, auf dem allgemeinen
     Arbeitsmarkt eine Tätigkeit auszuüben.25 Laut dem Neunten Sozialgesetzbuch (SGB
     IX) gelten Menschen als behindert,

             […] wenn ihre körperliche Funktion, geistigen Fähigkeiten oder seelische
             Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für
             das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am

22
       Je nach Größe und Werkstattdichte des Bundeslandes gibt es entweder ein Ligasystem, ein
       Ausscheidungsturnier oder auch nur Finalspiele, um die teilnehmende Mannschaft in Duisburg zu
       ermitteln.
23
       Mit „Kleinfeld“ ist gemeint, dass die Länge des Platzes der Breite eines normalen Fußballplatzes
       entspricht.
24
       Vgl. BAG: WfbM: Menschen in Werkstätten. http://www.bagwfbm.de/page/25 (14.11.2010).
25
       Vgl. BAG: WfbM: Was sind Werkstätten für behinderte Menschen. http://www.bagwfbm.de/page/41
       (14.11.2010).

                                                                                                          13
2 Das Turnier der Deutschen Fußballmeisterschaften der WfbM
      ______________________________________________________________________
            Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht,
            wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.26

     Dieser Definition folgend arbeiten Menschen mit geistigen, psychischen und schweren
     körperlichen Behinderungen in WfbM. Hierbei verfolgen die Werkstätten das Ziel, ihre
     Beschäftigten in allen Lebensbereichen zu fördern. Die Leistungsfähigkeit der
     Beschäftigten soll entwickelt, wiedergewonnen und erhöht werden, um innerhalb der
     Werkstatt eine wirtschaftliche Verwertbarkeit der Arbeitsleistung zu erzielen. Diese
     Verwertbarkeit ist nicht definiert und kann sich auf ein Minimum beschränken, je nach
     den individuellen Voraussetzungen eines jeden Beschäftigten. Bei WfbM handelt es
     sich in erster Linie nicht um Erwerbsbetriebe, sondern um Einrichtungen zur
     beruflichen    Rehabilitation.     Nicht     die     Wirtschaftlichkeit,      sondern     die
     Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen steht im Vordergrund. Jedem Beschäftigten
     einer Werkstatt wird eine zweijährige berufliche Förderung und im Anschluss ein
     Beschäftigungsplatz angeboten. Hierdurch soll eine volle Teilhabe am Arbeitsleben und
     am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden. Die Eingliederung ins
     gesellschaftliche Arbeitsleben gilt hierbei als das höchste Ziel einer WfbM.27 Angebote,
     die eine solche Eingliederung unterstützen, wie beispielsweise Unterricht im Lesen,
     Rechnen und Schreiben oder Hilfen durch Sport und Gymnastik, gehören ebenfalls zum
     Dienstleistungsspektrum der Werkstätten. Da die Produktivität nicht im Vordergrund
     steht, sondern die arbeitsfördernden Leistungen, ist es nicht möglich, den Beschäftigten
     existenzsichernde Arbeitsentgelte zu zahlen. Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei
     etwa 159 Euro.28

     2.2 Die Veranstalter des Turniers
     Die DM der WfbM wird von vier verschiedenen Verbänden zusammen organisiert und
     veranstaltet. Die Kooperation besteht aus der Sepp Herberger-Stiftung des Deutschen
     Fußball-Bundes,      dem      Deutschen       Behindertensportverband         (DBS),      der
     Bundesarbeitsgemeinschaft: Werkstätten für behinderte Menschen (BAG: WfbM) und
     Special Olympics Deutschland (SOD).

26
       Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX): Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen.
       Freiburg: Lambertus-Verlag 2008.
27
       Vgl. BAG: WfbM: Was sind Werkstätten für behinderte Menschen. http://www.bagwfbm.de/page/41
       (14.11.2010)
28
       Vgl. BAG: WfbM: Menschen in Werkstätten. http://www.bagwfbm.de/page/25 (14.11.2010).

                                                                                                     14
2 Das Turnier der Deutschen Fußballmeisterschaften der WfbM
      ______________________________________________________________________
     2.2.1 Bundesarbeitsgemeinschaft: WfbM
     Die BAG: WfbM ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Frankfurt am Main, welcher
     1975 gegründet wurde, um als Interessenvertretung der Werkstätten in Deutschland zu
     fungieren.29 Die BAG: WfbM beschreibt sich selbst als

            […] freiwilliger und selbstloser bundesweiter Zusammenschluss der Träger
            aller Einrichtungen, die den Menschen die Teilhabe an Arbeit und Gesellschaft
            ermöglichen, welche sich ihr Leben aufgrund ihrer Behinderung nicht, noch
            nicht oder noch nicht wieder durch Erwerbsarbeit auf dem allgemeinen
            Arbeitsmarkt sichern können.30

     Die BAG: WfbM dient den Werkstätten hierbei als Berater und Interessenvertretung in
     fachlichen und politischen Angelegenheiten. Weiterhin beteiligt sich die BAG: WfbM
     an der Entwicklung des Werkstattnetzes und der Rechtsgrundlagen für WfbM.
     Sie wird von den Spitzen- und Fachverbänden der freien Wohlfahrtspflege mitgetragen.
     Zur Zeit sind 672 Hauptwerkstätten Mitglied in der BAG: WfbM. Diese Zahl entspricht
     einem Organisationsgrad von 93%. In diesen 672 Werkstätten arbeiten ca. 280.000
     behinderte Menschen, davon sind 34.000 zu ihrer beruflichen Bildung im
     Berufsbildungsbereich beschäftigt und 230.000 im Arbeitsbereich. 12.000 Beschäftigte
     in den Mitgliedswerkstätten der BAG: WfbM sind so schwer behindert, dass sie
     spezielle Betreuung, Förderung und Pflege benötigen.31

     2.2.2 DFB und die DFB-Stiftung Sepp Herberger
     Der Deutsche Fußball-Bund ist der größte Sportbund der Welt. Er hat 6,7 Millionen
     Mitglieder, welche in knapp 26.000 Vereinen organisiert sind.32 Er wurde im Jahr 1900
     gegründet und ist der Dachverband der Fußballvereine in Deutschland. Laut der Satzung
     des DFB stützt sich die Arbeit des Verbandes auf insgesamt drei Säulen: Elitefußball,
     Breitenfußball und soziale Verantwortung. Um dieser Arbeit gerecht zu werden,
     verfolgt der DFB fünf Leitziele:33
     1. Erfolgreiche und Image fördernde National- und Auswahlmannschaften
     2. Sportlich und wirtschaftlich erfolgreicher Berufsfußball
     3. Zukunftsfähiger Amateur-/Jugendfußball

29
       Vgl. BAG: WfbM: Die BAG: WfbM. http://www.bagwfbm.de/page/24 (14.11.2010).
30
       Ebd.
31
       Vgl. Ebd.
32
       Vgl. DFB: Der DFB. Mitglieder-Statistik. http://www.dfb.de/index.php?id=11015 (14.11.2010).
33
       Vgl. DFB: Fußball ist Zukunft. Konzeption des DFB-Fußballentwicklungsplan. S.15.
       http://www.dfb.de/uploads/media/DFB-Fussballentwicklungsplan.pdf (14.11.2010).

                                                                                                     15
2 Das Turnier der Deutschen Fußballmeisterschaften der WfbM
      ______________________________________________________________________
     4. Leistungsfähige Organisationsebene als Dienstleister der Fußballvereine
     5. Aktive Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung.34
     Aufgrund seiner Größe und seines Selbstverständnisses hat der DFB eine soziale und
     gesellschaftliche Verantwortung. Diese Verantwortung ist auch in der Satzung des DFB
     festgeschrieben:

            Zweck und Aufgabe des DFB ist es insbesondere, in Anerkennung der
            gesellschaftspolitischen Bedeutung des Fußballsports soziale Aktivitäten
            durchzuführen, gerade auch zur Hilfeleistung für bedürftige Personen und zur
            Wahrnehmung humanitärer Aufgaben.35

     Der Wahrnehmung dieser Verantwortung versucht der Verband mit Hilfe von zwei
     Stiftungen gerecht zu werden. Zum einen durch die im Jahr 2001 offiziell gegründete
     und nach dem DFB-Ehrenpräsidenten benannte Egidius Braun Stiftung. Der
     Schwerpunkt der Stiftung liegt in der Jugendhilfe, der Integration ausländischer
     Mitbürger und der humanitären Hilfe, wie beispielsweise die Betreuung von
     Kinderheimen in Mexiko. Zum anderen durch die 1977 auf gemeinsame Initiative des
     DFB und des früheren Bundestrainers Sepp Herberger gegründete Sepp Herberger-
     Stiftung. Sie verfolgt das Hauptziel, die integrative Kraft des Fußballsports für die
     Gesellschaft zu nutzen.36 Zum genaueren Stiftungszweck zählt die Unterstützung des
     Sports im Allgemeinen und des Fußballs im Besonderen. Diese Unterstützung soll
     insbesondere    in    Verbindung      mit    Schulen      und    Vereinen,      im    Bereich     des
     Behindertensports oder im Zuge der Resozialisierung erfolgen. Des Weiteren engagiert
     sich die Stiftung bei der Unterstützung von ehemaligen Sportlern und ehrenamtlichen
     oder hauptamtlichen Mitarbeitern, die durch den Sport Schäden erlitten haben oder in
     Not geraten sind.37 Weitere Förderbeispiele sind das Resozialisierungsprojekt „Anstoß
     für ein neues Leben“, durch das jugendstrafrechtlich verurteilte junge Männer und
     Frauen mit Hilfe des Fußballs auf das Leben nach der Haft vorbereitet werden sollen.
     Im Bereich des Behindertensports engagiert sich die Stiftung zusammen mit ihren
     Kooperationspartnern für die Förderung und Organisation des Blindenfußballs in

34
       Aufgrund der Übersichtlichkeit wird sich im weiteren Verlauf dieses Kapitels auf die Arbeit des DFB
       innerhalb des fünften Leitzieles beschränkt, da dieses für das Thema dieser Arbeit die höchste
       Relevanz aufweist.
35
       DFB: Satzung des DFB. S.5. http://www.dfb.de/uploads/media/02_Satzung-2010.pdf (14.11.2010).
36
       Vgl. Sepp Herberger-Stiftung: Die Sepp Herberger-Stiftung des DFB.
        http://www.sepp-herberger.de/main.php?id=310 (14.11.2010).
37
       Vgl. Sepp Herberger-Stiftung: Förderung sozialer Projekte und Maßnahmen im Fußballsport.
       http://www.sepp-herberger.de/main.php?id=320 (14.11.2010).

                                                                                                             16
2 Das Turnier der Deutschen Fußballmeisterschaften der WfbM
      ______________________________________________________________________
     Deutschland und veranstaltet die DM der WfbM sowie das Projekt „Fußballfreunde“38,
     bei dem junge Menschen mit und ohne Behinderung miteinander Fußball spielen.39

     2.2.3 Special Olympics Deutschland
     Special Olympics ist die größte Sportbewegung für Menschen mit geistiger und
     mehrfacher Behinderung, welche vom International Olympic Comitee (IOC) offiziell
     anerkannt ist. Eunice Kennedy-Shriver gründete 1968 den Verein, um Menschen mit
     geistiger Behinderung eine Teilhabe an sportlichen Aktivitäten und Veranstaltungen zu
     ermöglichen. Mittlerweile ist Special Olympics in 175 Ländern vertreten und umfasst
     mehr als 3,1 Millionen Athleten. Am 3. Oktober 1991 wurde der gemeinnützige Verein
     Special Olympics Deutschland gegründet. Der Verein umfasst 38.000 Menschen,
     welche in 13 Landesverbänden organisiert sind und in 685 Mitgliedsorganisationen
     regelmäßig sportlichen Aktivitäten nachgehen.40 Seit dem Jahr 2007 gehört SOD als
     Verband mit besonderen Aufgaben dem Deutschen Olympischen Sportbund an.
     Hauptziel von SOD ist, dass alle Menschen mit geistiger Behinderung die Chance
     haben, Bürger zu werden, die von ihrem gesellschaftlichen Umfeld akzeptiert und
     respektiert werden. Mit Hilfe des Sports soll dieses Ziel erreicht werden. Erwachsenen
     und Kindern mit geistiger Behinderung sollen durch regelmäßiges Sporttraining und
     durch Wettbewerbe in verschiedenen Sportarten Wahl- und Zugangsmöglichkeiten zur
     Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Sie können sich aus dem
     Sportangebot selbstbestimmt und nach eigenen Bedürfnissen, Interessen und Wünschen
     orientiert verschiedene Sportarten auswählen. SOD veranstaltet jährlich mehr als 150
     Veranstaltungen, wobei das Angebot von wettbewerbsfreien Veranstaltungen über die
     Teilnahme an Wettkämpfen bis zu integrativen Mannschaften reicht. 41 Typisch für SOD
     ist der jede Veranstaltungen begleitende Sportlereid:

            Lasst mich gewinnen, doch wenn ich nicht gewinnen kann, so lasst mich mutig
            mein Bestes geben!42

     Dieser Eid soll die Prioritäten des Sportgedankens von SOD widerspiegeln.

38
       Vgl. Fußballfreunde: Worum geht`s? Freu(n)de am Ball – Freu(n)de im Leben.
       http://www.fussballfreunde.de/?id=100 (14.11.2010).
39
       Vgl. Sepp Herberger Stiftung: Fußball als integrative Kraft. http://www.sepp-
       herberger.de/main.php?id=522 (14.11.2010).
40
       Vgl. SOD: Die Idee. Was ist Special Olympics?
       http://www.specialolympics.de/special_olympics/die_idee.html (14.11.2010).
41
       Vgl. Ebd.
42
       Ebd.

                                                                                              17
2 Das Turnier der Deutschen Fußballmeisterschaften der WfbM
      ______________________________________________________________________
     SOD versteht sich selbst nicht nur als reine Sportbewegung, sondern eher als eine Art
     Alltagsbewegung mit einem ganzheitlichen Angebot. So werden auf Veranstaltungen
     beispielsweise    kostenlose,       umfassende      gesundheitliche     Kontrolluntersuchungen
     angeboten.43

     2.2.4 Deutscher Behindertensportverband
     Für   den      Sport        von   Menschen    mit     Behinderungen       ist   der     Deutsche
     Behindertensportverband der zuständige Fachverband. Er setzt sich aus 17
     Landesverbänden, zwei Fachverbänden und sieben weiteren Organisationen als
     außerordentliche Mitglieder zusammen. Er ist Teil des Deutschen Olympischen
     Sportbundes (DOSB) und als nationales paralympisches Komitee (NPC) tätig. Daher ist
     der DBS Mitglied im International Paralympic Committee (IPC).44
     Der DBS wurde 1951 gegründet und ist mit rund 510.000 Mitgliedern weltweit eine der
     größten Sportorganisationen für Menschen mit Behinderungen. Der Verband teilt sich
     in die Bereiche Leistungs-, Breiten- sowie Rehabilitationssport ein. Mit der Deutschen
     Behinderten-Sportjugend           hat   der   DBS        eine    sich     selbst      verwaltende
                            45
     Jugendorganisation.         Ziel des DBS ist es, allen Behinderten die Möglichkeit einer
     Teilnahme am Sport zu bieten. Hierbei wird das Ziel verfolgt, den Sport für Menschen
     mit Behinderungen weiterzuentwickeln und dabei Kooperationen mit Partnern aus
     Wirtschaft, Gesundheitswesen, Politik und Medien zu nutzen.46 Es wird der Zweck
     verfolgt, den Behindertensport als ein Mittel der Prävention und Rehabilitation sowie
     gesellschaftlicher Integration zu fördern und einzusetzen.47

     2.3 Die Entwicklung des Turniers
     Zunächst unter dem Namen „Bundeswettbewerb Fußball der Werkstätten für behinderte
     Menschen“ wird seit dem Jahr 2000 ein Turnier ausgetragen, bei dem die Landesmeister
     der Fußballmannschaften der WfbM unter sich einen Sieger ausspielen. Im Jahr 2008

43
       Vgl. SOD: Healthy Athletes Program. http://www.specialolympics.de/mehralssport.html
       (14.11.2010).
44
       Vgl. DBS: Struktur des Deutschen Behindertesportverbands.
       http://www.dbs-npc.de/DesktopDefault.aspx?tabindex=1&tabid=182 (14.11.2010).
45
       Vgl. DM der WfbM: DBS. http://www.fussball-wfbm.de/index.php?SiteID=51 (14.11.2010).
46
       Vgl. DBS: Positionspapier des Deutschen Behindertesportverbandes (DBS) e.V. und Nationalen
       Paralympischen Komitees für Deutschland (NPC). S.2.
       http://www.dbs-npc.de/ourfiles/datein/woelk/Handbuch/1b-Positionspapier.pdf (14.11.2010).
47
       Vgl. DBS: Satzung des DBS. S.1.
       http://www.dbs-npc.de/DesktopDefault.aspx?tabindex=4&tabid=44 (14.11.2010).

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2 Das Turnier der Deutschen Fußballmeisterschaften der WfbM
      ______________________________________________________________________
     erfolgte die offizielle Umbenennung des Turniers in „Deutsche Fußball-Meisterschaft
     der Werkstätten für behinderte Menschen“. Diese Namensänderung erfolgte aufgrund
     mehrerer Motive. Zum einen sollte durch die Umbenennung die sportliche Wertigkeit
     des Turniers an sich, aber insbesondere auch für die teilnehmenden Sportler erhöht
     werden. Darüber hinaus sollte der Leistungsgedanke des Turniers klarer herausgestellt
     werden. Zum anderen diente die Umbenennung der Kommunikation nach außen:

            Im Sinne der gesellschaftlichen Integration war es eine logische Konsequenz,
            die Veranstaltung nach mehreren erfolgreichen Turnieren zu einer Deutschen
            Meisterschaft auszugestalten. Die Rückmeldungen sind durchweg positiv: In
            den Werkstätten findet das Turnier eine weiter gesteigerte Beachtung. Dies gilt
            im Übrigen für die externe Kommunikation der Veranstaltung insgesamt: Die
            Deutsche Fußball-Meisterschaft der Werkstätten hat ihren festen Platz im
            Kalender des Behindertenfußballs gefunden und erfreut sich entsprechender
            medialer Resonanz. Durch die Umbenennung konnte vor allen Dingen aber
            auch die Wertigkeit nach innen gesteigert werden: Die mehr als 250
            Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind nun besonders stolz an einer „echten“
            Deutschen Meisterschaft teilnehmen zu können.48

     Das Turnier wurde von Anbeginn von der DFB-Stiftung Sepp Herberger, dem DBS,
     SOD und der BAG: WfbM organisiert und fand mit einer Ausnahme49 immer viertägig
     in der Sportschule Wedau in Duisburg statt.
     In diesen vier Tagen wurde den Mannschaften immer ein Rahmenprogramm angeboten.
     Hierbei wurde beziehungsweise wird versucht den Sportlern durch Besuche von
     Fußballspielen oder Stadionbesichtigungen eine Abwechslung zum individuellen
     Lebensalltag in den WfbM zu bieten. Weiter gab es in der Vergangenheit
     Veranstaltungen zum Beispiel zu den Gefahren des Tabakkonsums, um die Spieler
     diesbezüglich aufzuklären. Auf diese Art von Veranstaltungen wird allerdings seit dem
     Jahr   2009    komplett     verzichtet.    Im     Sinne    der    Normalisierung       sollen       im
     Rahmenprogramm keine Arten von „Belehrungsveranstaltungen“ mehr stattfinden.
     Schirmherren der Veranstaltung waren bisher DFB-Ehrenpräsident Egidius Braun, der
     Bundesligist FC Schalke 04 sowie die derzeitige Schirmherrin Hannelore Kraft,
     Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen.50

48
       Wrzesinski; Tobias (Stv. Geschäftsführer der Sepp Herberger Stiftung). Telefonisches Interview,
       geführt vom Verfasser dieser Arbeit. (14.11.2010).
49
       Im Jahr 2006 fand die DM der WfbM in der Sportschule Kamen Kaiserau statt.
50
       Alle Informationen in diesem Kapitel wurden aus einem Telefoninterview vom 3.11.2010 mit dem
       stellvertretendem Geschäftsführer der Sepp Herberger Stiftung, Tobias Wrzesinski, entnommen.

                                                                                                              19
2 Das Turnier der Deutschen Fußballmeisterschaften der WfbM
 ______________________________________________________________________

2.4 Zusammenfassung
Bei der DM der WfbM spielen Menschen mit- und gegeneinander Fußball, die aufgrund
ihrer Behinderung nicht bzw. noch nicht dazu fähig sind, eine Tätigkeit auf dem
gesellschaftlichen Arbeitsmarkt auszuüben, und die daher in einer WfbM beschäftigt
sind. Innerhalb der WfbM haben die Beschäftigten die Möglichkeit, Sport zu treiben.
Dieser gehört zum pädagogischen Gesamtkonzept der Einrichtung.
Die vier Organisatoren des Turniers der DM der WfbM verfolgen Ziele, die eine volle
Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft ermöglichen sollen. Sie
bieten den Fußballmannschaften der WfbM eine Plattform, ihre Leistungen auf höchster
Ebene zu testen und den Deutschen Meister auszuspielen. In den zehn Jahren, die das
Turnier besteht, hat es sich vom anfänglichen Bundeswettbewerb zu einer offiziellen
Deutschen Meisterschaft entwickelt. Diese Namensänderung ist in erster Line auf eine
vereinfachte und verbessete Kommunikation nach außen sowie auf die Betonung des
Leistungsgedankens zurückzuführen.
Dieses Kapitel bildet für das Verständnis des weiteren Verlaufs dieser Arbeit die
Grundvoraussetzung. Es wurde herausgestellt, worum es sich bei der DM der WfbM
handelt und welche Rahmenbedingungen bei dem Turnier herrschen.

                                                                                       20
3 Behinderung, Gesellschaft und Sport
      ______________________________________________________________________

     3 Behinderung, Gesellschaft und Sport

     Behinderung, Gesellschaft und Sport – wie diese drei Themen zusammen agieren, wird
     innerhalb dieses Kapitels untersucht. Die zentrale Frage ist hierbei, welche integrative
     Wirkung Sport für Menschen mit Behinderungen erzielen kann, um ihnen eine Teilhabe
     an der Gesellschaft ermöglichen zu können.
     Zunächst wird herausgestellt, welchen möglichen Beitrag der Sport zur Lösung von
     Problemen in verschiedenen Gesellschaftsbereichen leisten kann. Da es sich bei der DM
     der WfbM um ein Fußballturnier handelt, wird darauf aufbauend anschließend in einem
     kurzen Exkurs die besondere Bedeutung von Fußball in Deutschland beschrieben. Im
     weiteren Verlauf wird sowohl die gesellschaftliche Wahrnehmung wie auch die
     wissenschaftliche Betrachtung von Menschen mit Behinderungen erläutert. Welche
     Ansätze es gibt, behinderten Menschen eine Teilhabe an der Gesellschaft mit Hilfe des
     Sports zu ermöglichen, wird schließlich im letzten Teil dieses Kapitels herausgearbeitet.

     3.1 Funktion des Sports in der Gesellschaft
     Bei der Betrachtung der Beziehung von Sport und Gesellschaft gibt es mehrere Ebenen,
     auf denen eine Analyse stattfinden kann. ANDERS beschreibt hierzu drei Hauptgebiete
     der Sportsoziologie.51 Zum einen benennt er das Gebiet „Sport als eigenständiges
     gesellschaftliches Subsystem“.52 Dieses Gebiet bezieht sich auf die dem Subsystem
     Sport innewohnenden eigenen Strukturen. Die „Abhängigkeit des Sports von Kultur und
     Gesellschaft“53 ist ein weiteres Forschungsfeld, in welchem der Standort des Sports
     innerhalb einer Gesellschaft und dessen Abhängigkeit von anderen gesellschaftlichen
     Daseinsbereichen wie Politik und Wirtschaft untersucht wird. Als drittes Hauptgebiet
     nennt ANDERS die „Funktionen des Sports und Einflüsse auf andere gesellschaftliche
     Daseinsbereiche und soziale Institutionen“.54 Hierbei wird der Schwerpunkt der
     Untersuchung auf die Beiträge des Sports zur Lösung von Problemen anderer
     Gesellschaftsbereiche gelegt.55

51
       Anders, Georg: Sportsoziologie. In: Handbuch Sport. Hrsg. von Klaus Clark, Dietrich Kayser, Heinz
       Mechling und Wulf Preising. Düsseldorf: Schwann 1984. S.193-231. S.206. Vgl. hierzu auch
       Heinemann, Klaus: Einführung in die Sportsoziologie. Schorndorf: Hofmann 2007. S.46 f.
52
       Vgl. Anders, Georg: Sportsoziologie. In: Handbuch Sport. (1984). S.206.
53
       Vgl. Ebd.
54
       Vgl. Ebd.
55
       Vgl. Ebd.

                                                                                                           21
3 Behinderung, Gesellschaft und Sport
      ______________________________________________________________________
     Mit Blick auf die Forschungsfragen dieser Arbeit ist vor allem die letztgenannte
     Untersuchung der Funktionen des Sports von Bedeutung. Die mangelnden Teilhabe
     behinderter Menschen an der Gesellschaft ist ein Problem, welches nicht direkt den
     Sport betrifft, dieser aber dennoch Lösungen bereitstellen kann. Daher wird sich bei den
     folgenden Ausführungen ausschließlich auf dieses Hauptgebiet bezogen.
     ANDERS stellt heraus, dass Sport die verschiedensten Beiträge zur Lösung von
     Problemen       und    Erfüllung       von       Aufgaben      anderer       Institutionen     oder
     Gesellschaftsbereiche leisten kann.56 Bereits 1972 stellten STEVENSON und NIXON fünf
     grundlegende Funktionen des Sports innerhalb der Gesellschaft heraus.57 Zum einen
     nennen sie die „sozio-emotionale Funktion des Sports“. Demnach könne der Sport
     eine Art Ventilfunktion übernehmen, welche zur Abfuhr von Aggressionen in sozial
     unschädliche Bahnen dient. Er könne Spannungen regulieren und trage somit zur
     Entschärfung     von    Konflikten      bei.     Des    Weiteren      habe     der    Sport    eine
     Ausgleichsfunktion, welche der Langeweile und Monotonie des Alltags entgegenwirke.
     Auch Risiko und Abenteuer können im Sport gesucht werden.58
     Eine weitere Funktion des Sports ist die „sozialisationsfunktion“. Laut dieser Funktion
     könne der Sport zu einer Formung der Persönlichkeit beitragen. Er fördere die Fähigkeit
     zu sozial-normativem Handeln, zu Solidarität und Kooperation und der Einübung
     demokratischer Verhaltensweisen. Er könne zu einer Resozialisierung beitragen, also
     unvollständige und fehlgeleitete Sozialisation ausgleichen.59 Durch die „sozial-
     integrative Funktion“ wird die Integrationsleistung des Sports beschrieben.
     STEVENSON und NIXON nennen diese Funktion eine der wichtigsten Funktionen des
     Sports. Unterschiedliche Individuen und unterschiedliche Gruppen, sei es aus
     verschiedenen    sozialen     Schichten,       aus   unterschiedlichen     Nationen     oder    mit
     unterschiedlichen körperlichen und psychischen Beschaffenheiten, werden in ein
     Kollektiv integriert, es entstehen Zusammengehörigkeitsgefühle und die soziale Distanz
     zwischen Personen werde abgebaut.
     Auch das Zuschauen könne durch eine Identifikation mit den Siegern oder Fan-
     Gruppierungen zu einer integrativen Wirkung des Sports führen. Allerdings lassen sich
     hierbei auch Diskriminierungs- und Segregationsphänomene feststellen, so dass ein

56
       Vgl. Anders, Georg: Sportsoziologie. (1984). S.222.
57
       Vgl. Stevenson, C. und J. Nixon: A Conceptual Scheme of the Social Functions of Sport. In:
       Sportwissenschaft2(1972), H. 2. S.119-132. und Anders, Georg: Sportsoziologie. (1984) S.222-224.
58
       Vgl. Anders, Georg: Sportsoziologie. (1984). S.222.
59
       Vgl. Ebd.

                                                                                                           22
3 Behinderung, Gesellschaft und Sport
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     differenziertes Bild der Integration durch Sport vorherrsche.60 Sportvereinen wird eine
     besondere integrative Funktion zugeschrieben, da sie

             [...] sich als Mittelstruktur zwischen dem familiären Privatbereich und den
             formalen zweckrational orientierten Großorganisationen (Verwaltung,
             Unternehmen) der Gesellschaft platzieren und so Probleme der
             Identitätsbildung und expressiven Verhaltens lösen können, die sich aus dieser
             Polarität ergeben, zumal die alten Quellen der Identitätsfindung und
             Gemeinschaftsbildung wie Verwandtschaft und Nachbarschaft an Bedeutung
             verloren haben.61

     Die „politische Funktion“ verdeutlicht, dass der Sport auch Einfluss auf die
     politischen Faktoren eines Staates nimmt. Selbstdarstellung politischer Systeme und
     nationale Repräsentation sind Funktionen, die auf den Sport übertragbar sind. Vor allem
     Spitzensport könne Konsens schaffen und Massenloyalität bewirken und dadurch
     Herrschaften stabilisieren.62 Die fünfte und letzte Funktion, die dem Sport
     zugeschrieben wird, ist die „Mobilitätsfunktion“. Sport könne beim sozialen Aufstieg
     hilfreich sein. Er könne Schichtschranken überwinden, wie beispielsweise durch
     Stipendien. Vor allem im Spitzensport bestehe ein großer Anteil aufwärts mobiler
     Personen.63 Die fünf sozialen Funktionen des Sportes werden von EUGSTER BÜSCH um
     die „biologische Funktion“ des Sports ergänzt. Der Sport trage zur individuellen
     Gesundheit und einem gesunden Lebensstil bei. EUGSTER BÜSCH begründet diese
     Ergänzung damit, dass die Gesundheit heute eine wichtige Rolle spiele und im
     sozialpolitischen Umfeld immer wieder Aspekte der Gesundheit diskutiert würden.64
     ANDERS merkt zu den von STEVENSON und NIXON beschriebenen Funktionen an, dass
     viele Funktionen des Sport weder ausreichend empirisch geprüft noch in einer
     differenzierten Form beschrieben seien, so dass häufig unklar bleibe, welche
     Ausprägungsformen des Sports für welchen Gesellschaftsbereich welchen Beitrag
     leisten.65
     RHEKER betont die Funktionen des Sports innerhalb einer Gesellschaft vor allem auf der
     Ebene des Individuums. Sport eigne sich wie kaum ein anderes Handlungsfeld zur
     Vermittlung von Werten für den Menschen innerhalb einer Gesellschaft.66 RHEKER

60
        Vgl. Anders, Georg: Sportsoziologie. (1984). S.223.
61
        Ebd. S.223.
62
        Vgl. Ebd.
63
        Vgl. Ebd. S.224.
64
        Vgl. Eugster Büsch, Francisca: Integration von Menschen mit Behinderung im und durch Sport im
        Kontext von Identität, Lebensqualität und sozialer Wirklichkeit. (2003). S.8.
65
        Vgl. Anders, Georg: Sportsoziologie. (1984) S.224.
66
        Vgl. Rheker, Uwe: Spiel und Sport für alle. (1995). S.43.

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3 Behinderung, Gesellschaft und Sport
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     nennt als einen Aspekt die Förderung der Fairness. Da Sport nach Einhaltung von
     Spielregeln ausgetragen wird, trage er zu einem friedlichen „Miteinander“ bei, bei dem
     jeder gleich behandelt wird. Teamgeist und Kooperationsbereitschaft würden ebenfalls
     durch den Sport gefördert. Gerade in Mannschaftssportarten ist man auf die
     Kooperation mit anderen angewiesen. Bei solchen Sportarten sei Teamgeist für das
     erfolgreiche Ausüben der Sportart erforderlich. Sport biete laut RHEKER auch die
     Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Vor allem im Leistungssport, aber auch im
     Freizeitsport sehen viele Sportler Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen. Sie
     können gezielt Fähigkeiten erlernen und verbessern. Dies gelte vor allem für die
     körperliche Leistungsfähigkeit. Aber auch die Zielstrebigkeit und das Erkennen eigener
     Grenzen würden durch den Sport gefördert. Die Anerkennung eigener Grenzen
     beschreibt RHEKER als einen wichtigen Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung. Weitere
     Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung, die durch den Sport gefördert würden, sind das
     Erlenen von Verantwortungsbewusstsein und das Anerkennen anderer Sportler und
     derer Leistungen.67

     3.2 Bedeutung des Fußballs in Deutschland
     Die DM der WfbM ist ein Fußballturnier. Daher wird kurz separat auf den Fußballsport
     eingegangen, um seine gesellschaftliche Bedeutung in Deutschland herauszustellen.
     Fußball gilt in Deutschland als Volkssport Nummer Eins und es ist davon auszugehen,
     dass er daher bei der Untersuchung der Funktionen des Sports eine besondere Stellung
     einnimmt. Diese Stellung kann vor allem mit dem großen Interesse der Menschen an
     dieser Sportart begründet werden. Mit Hilfe des Fußballs können sehr viele Menschen
     erreicht werden. Fußball als Volksspiel ist laut SCHULZE-MARMELING in der Lage, für
     soziale und gesellschaftliche Probleme zu sensibilisieren. Er sieht im Fußball ein
     Spiegelbild    der    aktuellen     Tendenzen       der    Leistungsgesellschaft.68       In    den
     Nachkriegsjahren und den 1950er Jahren war dieses Bild geprägt von Kollektivität. In
     den 1960er und 1970er Jahren stand die Individualisierung des Einzelnen im
     Mittelpunkt. Ab den 1990er Jahren herrsche eine zunehmende ökonomische Ideologie.69
     Dieser Vergleich von Fußball und Gesellschaft wurde bei der Verleihung des „Silbernen

67
       Vgl. Rheker, Uwe: Spiel und Sport für alle. (1995) S.44.
68
       Vgl. Schulze-Marmeling: Fußball und Leistungsgesellschaft. Spiel und Spaß contra Leistungs- und
       Ergebnisorientierung? In: Quo vadis, Fußball? Vom Spielprozess zum Marktprodukt. Hrsg. von W.
       Ludwig Tegelbeckers und Dietrich Milles. Göttingen: Verlag die Werkstatt 2000. S.42-53. S.52.
69
       Vgl. Ebd.

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