Lebensmittelbedingter Ausbruch von Norovirus in einer Kaserne, Österreich 2008
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Lebensmittelbedingter Ausbruch von Norovirus in einer Kaserne, Österreich 2008 Peter Much1, Sabine S. Kasper1, Juliane Pichler1, Rainer Fretz1, Alexander Indra1, Ulrike Winter2, Adolf Polivka2, Franz Allerberger1 1 Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), Wien 2 Österreichisches Bundesheer, Kommando Einsatzunterstützung, Abteilung Militärisches Gesundheitswesen, Wien Kontaktadresse: Dr. Peter Much, Kompetenzzentrum Infektionsepidemiologie Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) Währingerstraße 25a, 1090 Wien E-Mail: Peter.Much@ages.at Tel: 0664-8398065 Zusammenfassung Im Oktober 2008 untersuchte die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ein gehäuftes Auftreten von Erbrechen und Durchfall in einer Militärkaserne in Wien. Ziel war es, ursächliches Agens, Infektionsquelle und Übertragungsweg abzuklären. Die deskriptive epidemiologische Untersuchung ergab 63 Fälle aus sechs der sieben Kompanien der Kaserne, die zwischen 8. und 10. Oktober 2008 erkrankt waren. Eine Fall- Kontroll-Studie wurde mit 53 Fällen und 133 Kontrollpersonen durchgeführt. Die Fragebögen wurden auf Basis der angebotenen Menüs im Speisesaal erstellt, um potentielle Risikomahlzeiten oder einzelne Risikospeisen zu identifizieren. Es wurden 99 Stuhlproben von 56 Fällen und von 43 Kontrollpersonen auf Norovirus mittels PT-PCR untersucht; bei 47 Fällen wurde Norovirus nachgewiesen. Bei dem 24-köpfigen Küchenpersonal, alle asymptomatisch, wurden zwei Personen als Ausscheider von Noroviren erkannt. Keine von 126 bakteriologisch getesteten Stuhlproben enthielt Enteritiserreger oder Staphylokokken-Enterotoxine. Zwei der im Speisesaal angebotenen Mahlzeiten waren mit den Norovirus-Erkrankungen assoziiert: Frühstück und Mittagessen am Dienstag, den 7. Oktober. Die Schätzrisiken lagen bei 5,4 (95% KI 2,0-14,5), beziehungsweise bei 17,2 (95% KI 2,3-129,0), mit p-Werten von jeweils
Schlüsselwörter: Norovirus, lebensmittelbedingter Ausbruch, Militärkaserne Abstract During October 2008, the Austrian Agency for Health and Food Safety (AGES) investigated a cluster of gastroenteritis at a military base in Vienna. The objective was to find the causative agent, source, and mode of transmission of the outbreak. Descriptive epidemiology identified 63 cases, which fell ill between October 8 and October 10, from 6 of 7 companies stationed at the base. A case control study was performed on 53 cases and 133 controls. Questionnaires were created based on the menu served in the dining hall at the military base to identify potential risky meals and food items. A total of 99 stool samples from 56 cases and 43 controls were examined for norovirus using PT-PCR; 47 cases tested positive. Of 24 kitchen staff members, all of them asymptomatic, two carried norovirus. None of 126 stool specimens tested yielded bacterial pathogens or staphylococcal enterotoxin. Two meals were associated with becoming ill with norovirus: breakfast and lunch served in the dining hall on Tuesday October 7 (odds ratios of 5.4 (95% CI 2.0-14.5) and 17.2 (95% CI 2.3-129.0), respectively (p
Kompanien, wobei fünf Kompanien der Waffengattung X mit 553 Rekruten (Stand 6.10.2008) zuzuzählen waren. Der Waffengattung X waren 77 der 86 Erkrankungsfälle zuzurechnen. Die Küche dieser Kaserne bereitet täglich Frühstück, Mittagessen und Abendessen für circa 700 Personen zu. Warme Speisen werden in einer auswärtigen Großküche nach dem Cook and Chill- Verfahren zubereitet. In der Kasernenküche wird die benötigte Anzahl Packungen aufgewärmt und portioniert. Salate werden dort frisch zubereitet. Methodik Epidemiologische Untersuchungen: Ein Lokalaugenschein von den Verpflegungseinrichtungen der Kaserne (Küche und zentraler Speisesaal, Soldatenheim, Unteroffiziersmesse, Offiziersmesse) wurde am 10.2.2008 durchgeführt. Zur Klärung, ob es sich um einen lebensmittelbedingten Ausbruch handelte sowie zur Ermittlung der ursächlichen Mahlzeit bzw. Speise wurde eine Fall-Kontroll Studie durchgeführt. In dieser Fall-Kontroll Studie wurden alle Rekruten der Waffengattung X (n = 553) als Quellpopulation einbezogen. Die Stichprobengrößen wurden auf Basis einer ungematchten Fall-Kontroll Studie mit einem -Fehler = 0,05, einer Exposition in der Kontrollgruppe = 0,50, einer Studienpower von 0,90 und einem minimalen detektierbaren Odds Ratio (OR) = 3 ermittelt: 66 Erkrankte sowie 132 nicht erkrankte Rekruten wurden mithilfe eines Randomisierungsverfahrens namentlich zur Befragung ausgewählt. Da sich Fälle zum Zeitpunkt der Befragung noch stationär im auswärtigen Heeresspital (HSP) aufhielten, einige der Rekruten zudem auf Übungen außerhalb der Kaserne waren, musste die Vorgabe, die nach dem Randomisierungsprozess namentlich ausgewählten Fälle und Kontrollen befragen zu können, aufgebrochen werden. Ein Fragebogen wurde erstellt, mithilfe dessen die ausgewählten Studienteilnehmer nach Erkrankungsstatus, Symptomen und Speisenkonsumationen zwischen 6.10. morgens und 8.10.2008 abends befragt wurden, basierend auf den angebotenen Speisen im Speisesaal sowie anderen Konsumationen innerhalb oder außerhalb der Kaserne. Die Befragung der Studiengruppe wurde in der Kaserne am 14. und 15.10. in mehreren Gruppen durchgeführt. Die Auswertung der Fragebögen erfolgte mit EpiInfoTM Version 3.5.1. (CDC, Atlanta), die multivariate Analyse der statistisch signifikanten Resultate der univariaten Analyse mit vorwärts und rückwärts gerichtetem, schrittweisem logistischem Regressionsmodell (0,05 als Signifikanzlevel für das Einfügen/Entfernen von Variabeln aus dem Model) mittels STATA IC 10 (StataCorp, 4905 Lakeway Drive, College Station, Texas 77845 USA). Ein klinisch-labordiagnostisch bestätigter Ausbruchsfall war definiert als (i) eine Person, die in der Zeit von 6. bis inklusive 8.10.2008 in der betroffenen Kaserne Mahlzeiten zu sich genommen hat, (ii) in der Zeit von 8. bis inklusive 10.10.2008 an Erbrechen oder Durchfall erkrankte, und (iii) in dessen untersuchter Stuhlprobe Noroviren mittels RT-PCR nachgewiesen wurden. Ein klinisch-epidemiologischer Ausbruchsfall war definiert als (i) eine Person, die in der Zeit von 6. bis inklusive 8.10.2008 in der betroffenen Kaserne Mahlzeiten zu sich genommen hat, (ii) in der Zeit von 8. bis inklusive 10.10.2008 an Erbrechen oder Durchfall erkrankte, und (iii) in dessen untersuchten Stuhlprobe Noroviren nicht nachgewiesen wurden oder dessen Stuhl nicht auf Noroviren untersucht worden war. 3
Mikrobiologische Untersuchungen: Es wurden 126 Stuhlproben von Erkrankten sowie von gesunden Mitarbeitern der Verpflegungseinrichtungen der Kaserne (Küche des zentralen Speisesaales, Soldatenheim, Unteroffiziersmesse, Offiziersmesse) auf Salmonellen, Campylobacter, Shigellen, Yersinien und auf Staphylokokken-Enterotoxine untersucht; 84 Stühle von 81 Erkrankten, 42 Stühle von 24 nichterkrankten Mitarbeitern der Versorgungseinrichtungen der Kaserne [3]. Von diesen Stühlen wurden 99 Proben zudem mittels RT-PCR (AnDiaTec GmbH & Co. KG, Germany) auf Noroviren untersucht. An Lebensmitteln wurden von den amtlichen Kontrollorganen sechs Rückhalteproben von Speisen (Balkangemüse, Blunzengröstl, Karotten-Sonnenblumenlaibchen, Rollini tricolore, Kräutersauce, Pfefferrindsragout), die nach einem Cook and Chill-Verfahren in einer auswärtigen Großküche hergestellt und am 8.10.2008 in der Kaserne konsumiert wurden zur mikrobiologischen Untersuchung gebracht. Zudem wurden Reste von neun Speisen (Fisolensalat, Gurken geschnitten, Sauerkraut, Rinderwaldviertler, Pariserkartoffeln, Balkangemüse, Erbsenreis, Pfefferrindsragout, Joghurt), die am 9.10.2008 in der Kaserne konsumiert wurden, amtlich auf Salmonellen, Campylobacter, Staphylokokken, Clostridium perfringens, Pseudomonas aeruginosa, Bacillus cereus, Listerien, Schimmel, Hefen, Laktobazillen, Enterokokken, Enterobacteriaceae, aerophile mesophile Gesamtkeimzahl und Staphylokokkentoxine untersucht. Die Proben Joghurt, geschnittene Gurken und Fisolen wurden zudem auf Noroviren untersucht. Ergebnisse Deskriptive Epidemiologie: Mit Stand 9.10.2008 nachmittags waren 63 Erkrankungsfälle bekannt. Die ersten drei Fälle traten in der Kaserne am Nachmittag des 8.10.2008 auf, in der Nacht von 8.10. bis 9.10 kam es zu weiteren 48 Erkrankungen. Am 10.10.2008 wurden noch zwei Fälle registriert. Der genaue Erkrankungszeitpunkt (6-Stundenintervalle) wurde für 53 Erkrankte der Waffengattung X erhoben und ist als Ausbruchskurve in Abbildung 1 dargestellt. In den untersuchten Lebensmitteln (sechs Rückstellproben aus der Großküche und neun Proben aus der Küche der betroffenen Kaserne) wurden weder bakterielle Erreger lebensmittelbedingter Infektionskrankheiten noch Staphylokokken-Enterotoxine nachgewiesen. Noroviren waren in Joghurt, geschnittenen Gurken und Fisolensalat nicht detektierbar. In den 126 Stuhlproben wurden keine bakteriellen Durchfallerreger nachgewiesen. Noroviren wurden in 47 der 56 Proben von Erkrankten (83,9%) gefunden. Stuhlproben von zwei der 24 asymptomatischen Küchenmitarbeiter enthielten Noroviren (ein Mitarbeiter zweimal positiv, letzte Probe negativ; ein Rekrut erste Probe negativ, zweite positiv, dritte negativ). Diese beiden Mitarbeiter gaben an, in den letzten Wochen nicht an Brechdurchfall erkrankt gewesen zu sein 4
bzw. nicht mit Personen in Kontakt gestanden zu haben, die vor diesem Ausbruch an einer gastrointestinalen Erkrankung litten. Mittels aktiver Fallsuche konnten unter den Rekruten insgesamt 86 Fälle identifiziert werden; 77 Fälle bei der Waffengattung X, 9 bei anderen 2 Waffengattungen der Kaserne. Fall-Kontroll Studie: Insgesamt wurden 186 Rekruten über jene Speisen befragt, die sie zwischen Montag 6. und Mittwoch 8.10.2008 konsumiert hatten. Der Fragebogen wurde von 53 Fällen und 133 Kontrollen beantwortet; 94 Kontrollen nach Randomisierungsverfahren ausgewählt (70,7%), der Rest der Kontrollen setzte sich aus willkürlich ausgewählten, in der Kaserne verfügbaren Rekruten der Waffengattung X zusammen. Das Alter der Studienteilnehmer betrug im Median 19 Jahre (min: 18a, max: 30a). Der Erkrankungsgipfel lag am 8. auf 9. Oktober in der Zeit zwischen sechs Uhr abends und sechs Uhr morgens (41 Erkrankungsfälle) (Abbildung 1). Die Symptome der 53 befragten Erkrankten sind in Tabelle 2 angeführt. Von den befragten 53 Fällen wurden 40 (75,5%) stationär im Krankenhaus behandelt. Die Dauer der Hospitalisierung betrug im Median sechs Tage (min: 3 Tage, max: 7 Tage). Die Ergebnisse der univariaten tagesspezifischen Analyse von den jeweiligen Mahlzeiten im Speisesaal oder Konsumationen am Abend im Soldatenheim zwischen 6. und 8.10. 2008 ergab zwei Mahlzeiten, deren Teilnahme mit einem höherem Risiko zur Erkrankung assoziiert war, Frühstück und Mittagessen im Speisesaal am Dienstag, 7.10., hatten eine Odds Ratio von 5,4 (95% KI 2,0-14,5) bzw. von 17,2 (95% KI 2,3-129,0), mit p-Werten kleiner 0,001 (Tabelle 3). Eine signifikante negative Assoziation konnte zwischen Krankheitssymptomen und der Konsumation von Speisen im Soldatenheim beobachtet werden. Damit weist die Konsumation von Speisen, die im Soldatenheim hergestellt wurden, auf einen bedeutenden Schutzfaktor hin, kein Erkrankungsfall in diesem Ausbruch zu werden. Das Abendessen am 7.10. sowie Frühstück und Mittagessen am 8.10. wiesen ursprünglich ebenfalls signifikante Odds Ratios auf, die jedoch unter jenen für Frühstück bzw. Mittagessen am 7.10. lagen. Die multivariate Fall-Kontroll Analyse von den Risiko-Mahlzeiten in der Kaserne ergab nochmals dieselben beiden Mahlzeiten als die Risiko-Mahlzeiten (Frühstück am 7.10. mit OR = 3,4; 95% KI 1,2-9,4 und Mittagessen am 7.10. mit OR = 10,3; 95% KI 1,3-80,7; p 1 war. 5
Tabelle 1. Verteilung der Fälle je Kompanie (Kp) der Waffengattung X (AR = Befallsrate) Einheit Fälle unter Rekruten Gesamtzahl an Rekruten AR Kp A 41 219 18,7% Kp B 15 87 17,2% Kp C 6 84 7,1% Kp D 10 56 17,9% Kp E 5 106 4,7% Gesamt 77 552 13,9% Tabelle 2: Häufigkeit von Symptomen bei den 53 Fällen der Fall-Kontroll-Studie Symptom Anzahl % Übelkeit 47 88,7 Durchfall 42 79,2 Erbrechen 40 75,5 Fieber, nicht spezifiziert 29 54,7 Magenkrämpfe 25 47,2 Tabelle 3: Odds-Ratios (OR) von einzelnen Mahlzeiten im zentralen Speisesaal der Fall-Kontroll Studie (KI = Konfidenzintervall) Fälle (n = 53) Kontrollen (n = 133) OR 95% KI p-Wert Exposition Ja Nein Ja Nein Früh 6.10. 45 8 95 38 2,3 0,97-5,22 0,026 Mittag 6.10. 47 6 101 32 2,5 0,97-6,34 0,025 Abend 6.10. 25 28 52 81 1,4 0,73-2,64 0,159 Konsumationen im 2 51 30 102 0,1 0,03-0,58
Tabelle 4. Speisenspezifische Odds Ratios (OR) mit unterem Konfidenzintervall (KI) von >1 (Werte gerundet auf 1 Kommastelle). Datum Mahlzeit Speisen OR 95% KI 6.10. Frühstück Kakao 3,3 1,5-7,0 6.10. Frühstück Milch 2,4 1,2-4,9 6.10. Mittagessen Käsespätzle 2,0 1,0-3,9 6.10. Mittagessen Röstizwiebel 2,6 1,0-6,5 6.10. Mittagessen Salatbuffet 4,6 2,4-9,1 6.10. Mittagessen Tomatensalat 2,8 1,3-6,4 7.10. Frühstück Kakao 3,8 1,7-8,1 7.10. Frühstück Milch 3,2 1,5-6,6 7.10. Frühstück Semmeln 3,4 1,6-7,6 7.10. Mittagessen Erbsenreis 2,5 1,3-4,9 7.10. Mittagessen Hühnerschnitzel 4,5 2,0-10,2 7.10. Mittagessen Petersilerdäpfel 2,3 1,2-4,3 7.10. Mittagessen Salatbuffet 4,8 2,4-9,7 7.10. Mittagessen Tomatensalat 2,5 1,1-5,8 7.10. Abendessen Geflügelaufstrich 6,7 2,2-20,4 7.10. Abendessen Rauchfleisch 3,8 1,2-11,4 8.10. Frühstück Butter 2,0 1,0-3,9 8.10. Frühstück Kakao 3,5 1,6-7,5 8.10. Frühstück Milch 2,3 1,1-4,7 8.10. Frühstück Semmeln 2,2 1,1-4,4 8.10. Mittagessen Blunzengröstl 2,4 1,1-5,4 8.10. Mittagessen Salatbuffet 2,9 1,5-5,7 7
Abbildung 1. Epidemiekurve von 50 der 53 Erkrankten in der Fall-Kontroll Studie nach Erkrankungszeitpunkt (6- Stundenintervalle); für 3 Fälle war der genaue Zeitpunkt der Erkrankung nicht eruierbar (Kp = Kompanie). 30 28 26 Kp A (N=22, bei 2 Fällen keine Angabe des Erkrankungsbeginns) Kp B (N=12, bei 1 Fall keine Angabe des Erkrankungsbeginns) 24 Kp C (N=5) Kp D (N=9) 22 Kp E (N= 5) 20 Exposition Frühstück oder Mittagessen am 7.10.2008 18 Anzahl der Fälle 16 14 12 10 8 6 4 2 12 - 18 18 - 24 12 - 18 18 - 24 12 - 18 18 - 24 12 - 18 18 - 24 12 - 18 18 - 24 6 - 12 6 - 12 6 - 12 6 - 12 6 - 12 0 -6 0-6 0-6 0-6 0-6 Uhrzeit 07.10.2008 08.10.2008 09.10.2008 10.10.2008 11.10.2008 Datum Diskussion Anfang Oktober 2008 wurde die AGES beauftragt, eine Häufung von Brechdurchfällen in einer Kaserne des Österreichischen Bundesheeres in Wien abzuklären. Die epidemiologische Abklärung belegte einen lebensmittelbedingten Punktquellen-Ausbruch. Die mikrobiologischen Untersuchungen zeigten Noroviren als ursächliche Erreger. Noroviren konnten in Stuhlproben von 47 der 56 untersuchten Erkrankten (83,9%) gefunden werden. In der Fall-Kontroll Studie zeigte sich eine statistisch signifikante Assoziation zwischen den Erkrankungsfällen und zwei Mahlzeiten (Frühstück und Mittagessen) welche am 7.10.2008 im Speisesaal der Kaserne angeboten wurden. Verzehr von Speisen im Soldatenheim wies eine negative Assoziation (i.e. Schutzfaktor) mit den Erkrankungsfällen auf. Dieser Bericht ist der erste über einen bestätigten lebensmittelbedingten Norovirus-Ausbruch in einer österreichischen Kaserne. Krankheitsausbrüche bei Präsenzdienern wurden in den Medien wiederholt als ‚nicht lebensmittelbedingt’ dargestellt weil nicht alle Personen, die die Gemeinschaftsverpflegung in Anspruch nahmen, erkrankten. Eine Befallsrate von unter 100% darf nicht als Beleg für den Ausschluss eines lebensmittelbedingten Ausbruchs missverstanden 8
werden. Im hier beschriebenen Ausbruch betrug die Befallsrate 12%, bezogen auf circa 700 Verpflegte. Nur mittels analytisch-epidemiologischer Ausbruchsabklärung kann man lebensmittelbedingte Ausbrüche von solchen mit Mensch zu Mensch Übertragung differenzieren. Norovirus gilt in Österreich als der häufigste Erreger infektiöser Gastroenteritiden [4]. Im Rahmen einer Sentinellstudie in einer Gemeinde im Burgenland wurden in 71 von 306 Gastroenteritis-Stuhlproben ursächliche Erreger nachgewiesen; Norovirus war für 36,5% der positiven Laborbefunde verantwortlich und wurde bei 8,4% der Erkrankten nachgewiesen [4]. Thornton et al. zeigten, dass Norovirus im Rahmen der Operation Iraqi Freedom sogar in 23% der Stuhlproben von Soldaten mit Gastroenteritis nachweisbar war [5]. Thornton et al. zeigten zudem, dass im Rahmen von 24 Ausbrüchen durch virale Gastroenteritis, die von 1999 bis 2004 bei der US Navy dokumentiert wurden, Norovirus als Ursache der viralen Ausbrüche in allen jenen Ausbrüchen belegbar war, wo danach gesucht wurde [5]. Durchfallerkrankungen sind in Militäreinrichtungen und bei militärischen Einsätzen häufig zu beobachten [5,6]. Die Übertragung kann dabei sowohl durch Mensch zu Mensch-Kontakt als auch durch Lebensmittel erfolgen. Überbelegung von Unterkünften und mangelhafte sanitäre Einrichtungen sind bei militärischen Einsätzen oft nicht vermeidbar und steigern das Risiko von Norovirus-Übertragungen [6,7]. Koch et al. beschreiben als häufigste Symptome bei Norovirus- Erkrankten Übelkeit (ca. 95%), Durchfall (ca. 83%), Erbrechen (ca. 81%) und Fieber (ca. 55%) [8]. Die im Zuge dieses Ausbruchs festgestellten Symptome korrelieren gut mit diesen beschriebenen Krankheitszeichen. In den untersuchten Lebensmitteln konnten Noroviren nicht gefunden werden. Da die untersuchten Speisen erst am 9.10. zubereitet wurden, also 2 Tage nach der postulierten Exposition, muss die Sinnhaftigkeit einer derartigen amtlichen Lebensmitteluntersuchung kritisch hinterfragt werden. Negativen Laborbefunden von Speisen, für die kein epidemiologischer Zusammenhang zu einem Ausbruch besteht, kommt keine Aussagekraft bezüglich Vorliegen oder Ausschluss lebensmittelbedingter Genese zu. Dieser lebensmittelbedingte Ausbruch war lediglich auf eine Kaserne begrenzt. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die Kontamination von Speisen nicht in der auswärtigen Großküche, die mehrere Kasernen beliefert, ihren Ausgang nahm, sondern in der Kaserne Vorort. Der Nachweis von Noroviren im Stuhl von zwei Personen des Küchenpersonals in der Kaserne erhärtet diese Annahme. Der Vermeidung lebensmittelbedingter Norovirus-Infektionen kommt im Rahmen der Küchenhygiene primäre Bedeutung zu. Fretz et al. konnten in 54 von 73 Norovirus-Ausbrüchen (ca. 74%) in der Schweiz zwischen 2001 und 2003 als Transmissionsweg Mensch zu Mensch identifizieren, wobei nur sieben Ausbrüche als lebensmittelbedingt galten [9]. Asymptomatische Ausscheider sind als mögliche Infektionsquelle gut dokumentiert, wobei Kontaminationen von Lebensmitteln grundsätzlich auf Mängel in der Händehygiene zurückgeführt werden [2]. 9
In der vorliegenden Studie war es nicht möglich außer den inkriminierten Mahlzeiten auch eine bestimmte Speise oder ein bestimmtes Lebensmittel als Vehikel zu identifizieren. Konsum von mit Noroviren kontaminiertem Salat in der zentralen Speisehalle war in einem lebensmittelbedingten Punktquellenausbruch in einem Militärstützpunkt in Israel für einen Gastroenteritis-Ausbruch verantwortlich, der 13,3% der gesamten Mannschaft betraf [10]. Ein weiterer lebensmittelbedingter Punktquellenausbruch durch Konsum von mit Noroviren kontaminiertem Salat ereignete sich an Bord des British Royal Fleet Ship Argus, wo 10% der Mannschaft betroffen war [11]. In der Literatur wird bei ähnlichen Ereignissen in geschlossenen oder halbgeschlossenen Institutionen zum Teil von höheren Erkrankungsraten berichtet [9,12]. Der Grund für die dort beschriebenen höheren Erkrankungsraten scheint zu sein, dass es sich bei diesen Ereignissen um gemischte Ausbrüche handelt, mit anfänglichen Punktquelleninfektionen und nachfolgenden Person zu Person Übertragungen [12]. Das Vorkommen von Person zu Person Übertragungen konnte im gegenständlichen Ausbruch nicht belegt werden; alle dokumentierten Fälle ließen sich auf die inkriminierten Mahlzeiten zurückführen. Die prompte Intervention der Verantwortlichen, i.e. die umgehende Schließung der Küche, hat mit großer Wahrscheinlichkeit weitere lebensmittelbedingte Erkrankungsfälle verhindert. Die Absonderung der Erkrankten in die Sanitätsstation und die Überweisungen von Patienten in ein auswärtiges Heeresspital können zur Vermeidung von Sekundärfällen beigetragen haben. Nur mittels epidemiologischer Ausbruchsabklärung ist es möglich, hygienische Schwachstellen zu identifizieren und durch Implementierung zielgerichteter Maßnahmen künftigen Krankheitsausbrüchen vorzubeugen. Im konkreten Ausbruch ist aus hygienischer Sicht eine entsprechende Adaptierung der baulichen Gegebenheiten (i.e. Einrichtung von Waschgelegenheiten mit berührungslosen Armaturen im Sanitärbereich der Küche) zu fordern. Im Hinblick auf den hohen Personalwechsel ist zudem ein vertieftes Augenmerk auf eine dokumentierte Einschulung des Küchenpersonals (besonders im Hinblick auf die Bedeutung von Händehygiene) zu richten. 10
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