Medizinische Behandlung von Minderjährigen und die damit im Zusammenhang stehenden Rechtsprobleme
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Medizinische Behandlung von Minderjährigen und die damit im Zusammenhang stehenden Rechtsprobleme Diplomarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades einer Mag.a iur. an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck Vorgelegt von Paulina Wirth Eingereicht bei ao. Univ.-Prof. Dr. Christian Markl Institut für Zivilrecht der Universität Innsbruck Innsbruck, am 8. Oktober 2020
Eidesstattliche Erklärung Ich, Paulina Wirth, erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet und die den benützten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. ________________________________ Unterschrift Paulina Wirth
Gendererklärung Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Diplomarbeit die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.
Danksagung In erster Linie möchte ich Herrn ao. Univ.-Prof. Dr. Christian Markl für die Übernahme der Betreuung meiner Diplomarbeit danken. Ein spezieller Dank gilt auch Frau Dr. Karin Prutsch, die mir durch ihre Erfahrungen ein spannendes Diplomarbeitsthema vorgeschlagen hat. Der besondere Dank gebührt auch meinem Vater Alexander, meiner Mutter Katharina und meiner Schwester Anna- Katharina, die in jeder Gefühlslage für mich da waren. Auch danke ich ihnen für das kritische Korrekturlesen sowie ihre konstruktiven Vorschläge. Vielen Dank, dass ihr mich in den letzten Jahren auf so vielfältige Art unterstützt habt.
Abkürzungsverzeichnis ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Abs Absatz AngG Angestelltengesetz Art Artikel ÄrzteG Ärztegesetz ASVG Allgemeines Sozialversicherungsgesetz bspw beispielsweise bzgl bezüglich bzw beziehungsweise dh das heißt DHG Dienstnehmerhaftpflichtgesetz EFZG Entgeltfortzahlungsgesetz ELGA Elektronische Gesundheitsakte EMRK Europäische Menschenrechtskonvention etc et cetera f folgende ff folgenden gem gemäß idR in der Regel iSd im Sinne des iVm in Verbindung mit iwS im weiteren Sinn KAKuG Krankenanstalten- und Kuranstalten Gesetz OGH Oberster Gerichtshof PatVG Patientenverfügungs-Gesetz Rsp Rechtsprechung S Satz s siehe StGB Strafgesetzbuch StVO Straßenverkehrsordnung
usw und so weiter vgl vergleiche ZÄG Zahnärztegesetz zB zum Beispiel ZPO Zivilprozessordnung
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .............................................................................................................................................. 2 2. Minderjährige ........................................................................................................................................ 3 2.1. Unmündig minderjährig ....................................................................................................................... 3 2.2. Mündig minderjährig............................................................................................................................ 4 2.3. Handlungsfähigkeit .............................................................................................................................. 4 2.4. Entscheidungsfähigkeit ........................................................................................................................ 5 2.5. Gesetzliche Vertreter ............................................................................................................................ 6 3. Einwilligung in medizinische Behandlungen ........................................................................................... 7 3.1. Medizinische Behandlungen ................................................................................................................. 7 3.2. Einwilligung .......................................................................................................................................... 7 3.2.1. Allgemeines ..................................................................................................................................... 7 3.2.2. Einwilligung Minderjähriger ............................................................................................................ 8 3.3. Das Fehlen der Zustimmung nach § 173 Abs 2 ABGB ........................................................................... 9 3.4. Patientenverfügung ............................................................................................................................ 10 4. Behandlungsvertrag ............................................................................................................................. 12 4.1. Definition ............................................................................................................................................ 12 4.2. Zustandekommen ............................................................................................................................... 12 4.2.1. Vertragspartner ............................................................................................................................. 13 4.2.1.1. Vertragspartner auf Patientenseite ..................................................................................... 13 4.2.1.2. Vertragspartner auf Behandlerseite .................................................................................... 14 4.2.2. Willensmängel ............................................................................................................................... 15 4.2.3. Pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ......................................................................................... 16 4.3. Rechte und Pflichten ........................................................................................................................... 16 4.3.1. Rechte und Pflichten des Arztes .................................................................................................... 16 4.3.2. Rechte und Pflichten des Patienten .............................................................................................. 17 5. Behandlungs- und Aufklärungsfehler ................................................................................................... 17 5.1. Aufklärung .......................................................................................................................................... 18 5.1.1. Selbstbestimmungsrecht ............................................................................................................... 18 5.1.2. Sicherungsaufklärung .................................................................................................................... 19 5.1.3. Allgemeines ................................................................................................................................... 19 5.1.4. Arten und Inhalt der Aufklärung.................................................................................................... 20 5.1.4.1. Diagnoseaufklärung ............................................................................................................. 21 5.1.4.2. Verlaufsaufklärung ............................................................................................................... 22 5.1.4.3. Risikoaufklärung ................................................................................................................... 22 5.1.4.4. Sicherungsaufklärung ........................................................................................................... 23 5.1.5. Information über die Person des behandelnden Arztes ................................................................ 23 5.1.6. Selbstbestimmungsrecht ............................................................................................................... 24 5.2. Nicht lege artis Behandlung ............................................................................................................... 25 6. Arzthaftung im zivilrechtlichen Bereich ................................................................................................ 25 6.1. Rechtliche Grundlage der Arzthaftung ............................................................................................... 25 6.2. Deliktische und vertragliche Haftung ................................................................................................. 26 6.3. Beweis- und Behauptungslastpflicht im Allgemeinen ........................................................................ 27
6.3.1. Behauptungs- und Beweislastpflicht bei Behandlungsfehler ........................................................ 29 6.3.2. Behauptungs- und Beweislastpflicht bei mangelhafter Aufklärung .............................................. 30 6.4. Pflichtverletzung und ihre rechtlichen Folgen .................................................................................... 31 6.4.1. Schaden ......................................................................................................................................... 31 6.4.2. Kausalität ....................................................................................................................................... 32 6.4.3. Rechtswidrigkeit ............................................................................................................................ 34 6.4.4. Verschulden ................................................................................................................................... 36 6.4.5. Mitverschulden.............................................................................................................................. 37 6.4.6. Haftung mehrerer Schädiger ......................................................................................................... 38 6.4.7. Art und Umfang des Schadenersatzes ........................................................................................... 39 6.5. Schadenersatzrechtliche Ansprüche ................................................................................................... 39 6.5.1. Schmerzengeld .............................................................................................................................. 40 6.5.2. Heilungskosten .............................................................................................................................. 41 6.5.3. Verdienstentgang .......................................................................................................................... 42 6.5.4. Verunstaltungsentschädigung ....................................................................................................... 42 6.5.5. § 1327 ABGB .................................................................................................................................. 43 6.5.6. Trauerschaden und Schockschaden .............................................................................................. 43 6.5.7. Spät- und Dauerfolgen................................................................................................................... 44 6.6. Verjährung und Hemmung ................................................................................................................. 44 7. Klageweg ............................................................................................................................................. 46 8. Résumé................................................................................................................................................ 49 9. Literaturverzeichnis ............................................................................................................................. 51
1. Einleitung Mit der gegenständlichen Arbeit wird aufgezeigt, wann und unter welchen Voraussetzungen den behandelnden Arzt bzw Krankenhausträger eine Haftung gegenüber dem minderjährigen Patienten trifft. Jeder minderjährige Patient hat Anspruch auf eine lege artis Behandlung, welche auch umfasst, dass der Minderjährige ordnungsgemäß über die Risiken und Folgen der Operation bzw Behandlung aufgeklärt wird. In den letzten Jahren haben die Behandlungsfehlern in Krankenhäusern und bei Ärzten zugenommen. Die Zunahme ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die medizinischen Heilbehandlungen komplexer werden und zudem dem behandelnden Arzt zu wenig Zeit für eine ordnungsgemäße Behandlung und Aufklärung zur Verfügung steht. Die gegenständliche Arbeit soll darüber informierten, welche Pflichten die behandelnden Ärzte bei Ausübung ihrer Tätigkeiten treffen und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die minderjährigen Patienten von den behandelnden Ärzten bzw vom Krankenhausträger Schadenersatz begehrt werden kann. Im Einzelnen wird darauf eingegangen, wie und mit wem der Behandlungsvertrag zwischen dem Minderjährigen oder dem gesetzlichen Vertreter und dem behandelnden Arzt bzw Krankenhausträger zu Stande kommt und welche Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag abgeleitet werden können. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass der geschädigte Minderjährige aufgrund eines Behandlungs- und Aufklärungsfehlers Schadenersatz wie zum Beispiel Schmerzengeld, Heilungskosten, Verunstaltungsentschädigung etc fordern kann. 2
2. Minderjährige In Österreich sind minderjährige Personen, welche die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Diese werden auch schutzberechtigte Personen genannt, da sie unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen und sie alle oder einzelne Angelegenheiten nicht selbst gehörig zu besorgen vermögen. Dieser Grundsatz ist in § 21 Abs 1 ABGB verankert. Die 0 bis 18-Jährigen werden unterteilt in: 0 bis zum vollendeten 7 Lebensjahr, zwischen dem 7 und dem vollendeten 14 Lebensjahr und zwischen dem 14 und dem vollendeten 18 Lebensjahr. Ab dem 18- Lebensjahr besteht die Volljährigkeit und die volle Geschäftsfähigkeit.1 2.1. Unmündig minderjährig Unmündig minderjährig sind jene Personen, die das 14 Lebensjahr noch nicht erreicht haben.2 Somit sind es Personen unter vierzehn Jahre. Die unmündigen Personen sind zu unterteilen in solche, die das siebte Lebensjahr noch nicht erreicht haben und solche, die das siebte Lebensjahr zwar erreicht haben, aber noch nicht das Vierzehnte.3 Ein Kind, das noch nicht sieben Jahre alt ist, ist nicht geschäftsfähig, doch kann es nach § 170 Abs 3 ABGB (Taschengeldparagraph) Geschäfte, die man in diesem Alter üblicherweise tätigt, abschließen. Es muss sich jedoch um eine geringfügige Angelegenheit handeln. Hier ist zum Beispiel der Kauf einer Karte in einem öffentlichen Verkehrsmittel oder eines Jausenbrotes zu nennen. Ab dem siebten Lebensjahr bis zum vierzehnten sind diese unmündigen Minderjährigen beschränkt geschäftsfähig, da sie bei gewissen Rechtsgeschäften die Genehmigung ihres Vertreters brauchen. Beim Abschluss eines Rechtsgeschäftes, dass den Unmündigen verpflichten würde, ist das Geschäft als schwebend unwirksam anzusehen, da es die Zustimmung einer mit der Obsorge betrauten Person benötigt, dies bis zu dem Zeitpunkt der Zustimmung. Ebenso können Minderjährige in dieser Altersgruppe bloß zu ihren Vorteilen gemachtes Versprechen annehmen (siehe hinzu § 865 Abs 2 ABGB). Ein Beispiel dafür ist eine Schenkung, die für den Unmündigen keinen wirtschaftlichen Nachteil mit sich bringt.4 1 Vgl. Sabine Alvarez Privado, Aufklärung und Einwilligung von Minderjährigen in medizinische Behandlungen (2017) S 45ff. 2 Vgl. Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2018) S 58. 3 Vgl. Christine Rink/Edith Rink, Die Behandlung minderjähriger Patienten (2013) S 35f. 4 Vgl. Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2018) S 59f. 3
2.2. Mündig minderjährig Haben Personen das 14 Lebensjahr, aber das Achtzehnte noch nicht erreicht, so spricht man von mündigen Minderjährigen, die mit diesem Alter bzw mit der Mündigkeit die Deliktsfähigkeit gem § 176 ABGB erreichen. Die Geschäftsfähigkeit wird auch in diesem Alter beschränkt, aber dennoch erweitert. Gem § 170 Abs 2 ABGB und § 171 ABGB können diese mündige Minderjährige über Sachen verfügen, die ihnen zur freien Verfügung überlassen worden sind. Sie können über ihr Einkommen aus eigenem Erwerb insoweit verfügen und sich verpflichten, als sie dadurch nicht die Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse gefährden und sich durch vertragliche Dienstleistungen verpflichten.5 2.3. Handlungsfähigkeit „Die Handlungsfähigkeit ist die Fähigkeit, durch eigenes Verhalten Rechte und Pflichten zu begründen (§ 24 Abs 1 ABGB).“6 Sie gliedert sich in die Geschäfts- und Deliktsfähigkeit.7 Deliktsfähigkeit gem § 176 ABGB ist die Fähigkeit schadenersatzpflichtig zu werden. Schadenersatzpflichtig wird man grundsätzlich mit dem Erreichen des vierzehnten Lebensjahrs. Grundsätzlich deswegen, da es auch sein kann, dass kein Verstoß gegen die Aufsichtspflicht des Verpflichteten vorliegt und ein Unmündiger selbst für sein rechtswidriges Verhalten gem der Bestimmung des § 1310 ABGB ersatzpflichtig werden kann. Primär gilt, dass die Aufsichtspersonen für den Schaden haften, die der Unmündige verursacht hat. Dies aber nur dann, wenn die Aufsichtspflicht verletzt wurde (siehe § 1309 AGBG). Erst wenn die Haftung gem § 1309 ABGB nicht greift, wird der noch nicht Mündige aufgrund der Bestimmung des § 1310 ABGB selbst deliktsfähig.8 Abschließend wird noch auf § 1308 ABGB hingewiesen. Gemäß dieser Gesetzesbestimmung kann bei unmündigen Personen, die jemanden beschädigen, kein Ersatz gefordert werden, wenn die geschädigte Person selbst durch irgendein Verschulden Anlass dazu gegeben hat.9 5 Vgl. Sabine Alvarez Privado, Aufklärung und Einwilligung von Minderjährigen in medizinische Behandlungen (2017) S 47. 6 Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2018) S 57. 7 Vgl. Christine Rink/Edith Rink, Die Behandlung minderjähriger Patienten (2013) S 35. 8 Vgl. Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2018) S 66. 9 Vgl. Welser/Zöchling- Jud, Bürgerliches Recht II14 (2015) S 432. 4
2.4. Entscheidungsfähigkeit Der Begriff der Entscheidungsfähigkeit ist für die Beurteilung eines Sachverhaltes in rechtlicher Hinsicht von grundsätzlicher Bedeutung. „Entscheidungsfähig ist, wer die kognitive Fähigkeit aufweist, Bedeutung und Folgen der vorzunehmenden Rechtshandlungen zu verstehen, seinen Willen entsprechend dieser Einsicht zu bestimmen und sich entsprechend zu verhalten (§ 24 Abs 2 ABGB).“10 Im Gesetzestext sind drei wesentliche Fähigkeiten beschrieben, welche Voraussetzung für das Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit sind I. die kognitive Fähigkeit, den Grund und die Bedeutung der Handlung zu verstehen II. die Fähigkeit, seinen Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen und III. sich auch entsprechend verhalten zu können.11 Diese Fähigkeit ist für die Einwilligung in eine medizinische Behandlung insbesondere bei minderjährigen Personen von zentraler Bedeutung.12 Ob ein Minderjähriger entscheidungsfähig ist oder nicht, ist auf den Einzelfall abzustellen. Um die Entscheidungsfähigkeit bejahen zu können, müssen gewisse Faktoren vorliegen wie zum Beispiel die persönliche Reife, die kognitiv- intellektuelle Fähigkeit und das Alter. Auch die Komplexität der bevorstehenden Behandlung bzw die damit im Zusammenhang stehenden Folgen und Risiken ist von Bedeutung.13 „Ob der Minderjährige in der Lage ist, hinsichtlich der Diagnose, der therapeutischen Möglichkeiten und der denkbaren Alternativen sowie hinsichtlich der jeweiligen Chancen und Risiken den Wert der von der Entscheidung getroffenen Güter und Interessen zu erfassen und sein Verhalten nach dieser Einsicht auszurichten, hängt von all diesen konkreten Umständen und Faktoren ab. Allgemein kann man sagen, dass die Entscheidungsfähigkeit umso eher vorliegen wird, je geringfügiger die Behandlung oder der Eingriff ist.“14 Bestehen Zweifel an der Entscheidungsfähigkeit enthält § 173 Abs 1 ABGB eine Regel, die besagt, dass die Fähigkeit bei mündigen minderjährigen Personen vermutet wird, doch hat der jeweilige behandelnde Arzt primär selbst nach dem Einzelfall zu beurteilen, ob 10 Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2018) S 57. 11 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 17. 12 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 16. 13 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 18. 14 Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 18. 5
diese Person diese Fähigkeit besitzt oder auch nicht.15 Es kann somit gesagt werden, dass ein entscheidungsfähiger Minderjähriger gleichzeitig auch die Fähigkeit besitzt in eine medizinische Behandlung einzuwilligen (Einwilligungsfähigkeit).16 2.5. Gesetzliche Vertreter Gesetzliche Vertreter sind Personen die unmittelbar aufgrund des Gesetzes zur Vertretung eines Minderjährigen berufen werden. Nach dem dritten Hauptstück des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch sind dies die Eltern, wenn beide Elternteile mit der Obsorge betraut sind oder auch nach dem vierten Hauptstück des ABGB eine andere Person, die mit der Obsorge für eine minderjährige Person betraut wird (siehe gem § 204 ABGB). Wenn die Eltern nicht verheiratet sind und die Obsorge nicht beiden zusteht, wird die Mutter die gesetzliche Vertreterin des Minderjährigen gem § 177 Abs 2 ABGB. Die gesetzlichen Vertreter sind für die Pflege, Erziehung und die Vermögensverwaltung gem § 158 ABGB verantwortlich, weshalb die Geschäfte eines noch nicht voll geschäftsfähigen Minderjährigen, erst wirksam zustande kommen, wenn die gesetzlichen Vertreter die Zustimmung erteilen. Wenn beide Elternteile mit der Obsorge betraut sind, kann jedoch jedes Elternteil selbst das Kind vertreten und berechtigen, solange es sich nicht um eine wichtige Angelegenheit gem § 167 Abs 2 ABGB oder § 167 Abs 3 ABGB handelt. § 167 Abs 3 ABGB normiert, dass in Vermögensangelegenheiten, die nicht zu dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, nicht nur die Zustimmung der Obsorgeberechtigten braucht, sondern zusätzlich die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung.17 Ein Beispiel für Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören ist die Erhebung einer Klage eines Minderjährigen. Eine andere Person wird nur dann mit der Obsorge betraut, wenn weder Eltern noch Großeltern oder Pflegeeltern die Obsorge übernehmen können. Vorrangig werden nur solche Personen mit der Obsorge betraut, die zu diesem Minderjährigen verwandt sind, dem Kind nahestehen oder ein Wunsch der Eltern vorliegt. Wenn keine solchen Personen vorhanden sind, ist der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Obsorge zu betrauen (siehe gem § 209 ABGB). Bei der Entscheidung eine dritte Person mit der Obsorge zu betrauen, ist stets auf das Wohl des Kindes Bedacht zu nehmen.18 § 213 15 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 19f. 16 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 16. 17 Vgl. Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2018) S 221f. 18 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 70f. 6
ABGB normiert, dass in Angelegenheiten nach § 167 Abs 2 ABGB eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen ist.19 3. Einwilligung in medizinische Behandlungen 3.1. Medizinische Behandlungen Die Medizinische Behandlung wird in § 252 ff im Allgemein Bürgerlichen Gesetzbuch klar und deutlich angeführt. Der Gesetzestext unterscheidet zwischen einem Entscheidungsunfähigen und Entscheidungsfähigen. Nach dem neuen zweiten Erwachsenenschutzgesetz regeln diese Bestimmungen ob und unter welchen Voraussetzungen eine Vertretung in personenrechtlichen Angelegenheiten erlaubt ist.20 § 173 Abs 1 ABGB verwendet den Begriff medizinische Behandlungen. Unter solchen Behandlungen versteht man jede vorbeugende, diagnostische, therapeutische oder schmerzlindernde Maßnahme. Beispiele dafür sind Röntgenuntersuchungen, Blutabnahme, die Verabreichung von Medikamenten, Impfungen und Operationen (auch kosmetische Operationen, Piercings, Tätowierungen usw).21 Schwangerschaftsabbrüche werden vom § 173 Abs 1 ABGB jedoch nicht erfasst. Die aufgezählten medizinische Behandlungen sind auch dann medizinische Behandlungen, wenn sie nicht nur nach den Regeln der Schulmedizin erfolgen, wie beispielsweise die Homöopathie, die als alternative medizinische Methode zu nennen ist.22 3.2. Einwilligung 3.2.1. Allgemeines Nach Art 8 EMRK hat jedermann ein Anspruch auf ein Privat- und Familienleben. Daraus resultiert das Selbstbestimmungsrecht jedes Patienten. Dieses Recht auf Selbstbestimmung ist 19 Vgl. Welser/ Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2018) S 222. 20 Vgl. Kerstin Garbeis/Nikolaus Herdega, Spezielle Problembereiche der medizinischen Behandlung im Rahmen des Erwachsenenschutzrechts, ÖZPR 2020/ 28. 21 Vgl. Huber, Medizinische Behandlungen- Kind (Stand 03.4.2020, Lexis Briefings in lexis360.at) 22 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 12f. 7
ein höchstpersönliches Recht und deswegen nicht übertragbar und entspringt aus dem Persönlichkeitsrecht gem § 16 ABGB.23 Die Einwilligung in medizinische Behandlungen stellt einen Akt dar, der als Willenserklärung zu qualifizieren ist. Eine Willenserklärung des Patienten muss entweder ausdrücklich durch Worte, allgemein durch Zeichen oder auch stillschweigend vorgenommen werden. Das Gesetz selbst schreibt in manchen Fällen vor, dass die Einwilligung in medizinische Behandlungen eines schriftlichen Einverständnisses bedarf. Aus Nachweisgründen ist es immer ratsam die Zustimmung nicht nur mündlich einzuholen, sondern auch schriftlich. Die Einwilligung muss, wie in § 869 ABGB vorgegeben wird, frei, ernstlich, bestimmt und verständlich erfolgen.24 Bei der Vornahme von medizinischen Behandlungen hat jeder Patient das Recht sich behandeln zu lassen oder auch einen Eingriff abzulehnen. Die Einwilligung in medizinische Behandlungen muss vor Beginn der Behandlungen erteilt werden. Wie schon erwähnt ist das Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit mit gleichzeitiger Einwilligungsfähigkeit entscheidend, nicht jedoch das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit. Grundlage für eine wirksame Einwilligung ist somit die Entscheidungsfähigkeit, die schon oben erwähnt wurde (s 2.3.) und die hinreichende ordnungsgemäße Aufklärung in medizinische Behandlungen. 3.2.2. Einwilligung Minderjähriger Ein einwilligungsunfähiger Minderjähriger kann nicht wirksam in eine medizinische Behandlung einwilligen. Wirksam in die Behandlung einwilligen kann nur der gesetzliche Vertreter, der mit der Pflege und Erziehung gem § 158 Abs 1 iVm § 173 Abs 1 ABGB betraut ist. Vor der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters in eine medizinische Heilbehandlung ist stets auf das Wohl des Kindes Bedacht zu nehmen. Sollte es zu einer Gefährdung des Kindeswohl kommen, ist gem § 181 ABGB auf jeden Fall das Pflegschaftsgericht zu benachrichtigen. Anders verhält es sich bei einem entscheidungsfähigen Minderjährigen, der selbst in der Lage ist in die medizinische Behandlung einzuwilligen. Eine medizinische Behandlung kann demnach nur durchgeführt werden, wenn die Einwilligung von ihm selbst ausgeht. Das heißt, dass wenn ein gesetzlicher Vertreter das Gegenteil ausspricht es keinen Unterschied darstellt. Zu unterscheiden sind die Einwilligungen in gewöhnliche und schwerwiegende Behandlungen. Bei 23 Vgl. Wallner, Medizinrecht (2019) S 196. 24 Vgl. Sabine Alvarez Privado, Aufklärung und Einwilligung von Minderjährigen in medizinische Behandlungen (2017) S 58. 8
gewöhnlichen Behandlungen gem § 173 Abs 1 ABGB braucht es bei entscheidungsfähigen Minderjährigen keine zusätzliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters im Gegensatz zu schwerwiegenden Behandlungen. Eine schwerwiegende Behandlung nach § 173 Abs 2 ABGB sind Behandlungen, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden sind. Eine erweiterte Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nach § 173 Abs 2 ABGB ist nur dann notwendig, wenn der Minderjährige in die medizinische Behandlung einwilligt. Sollte diese Person die Behandlung ablehnen, braucht es in diesem Fall keine zusätzliche Zustimmung. Eine Ausnahme von der Einwilligung des minderjährigen entscheidungsfähigen Kindes und der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters stellt § 173 Abs 3 ABGB dar. Wenn die Erlangung der Einwilligung der Personen zu lange dauern würde und Lebensgefahr besteht oder auch die Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit, können die Ärzte mit der medizinischen Behandlung beginnen ohne zuvor die Einwilligung einzuholen.25 Der Arzt, der eine rechtswidrige medizinische Behandlung durchgeführt hat, da er schuldhaft die Einwilligung des Minderjährigen nicht eingeholt hat, wird schadenersatzpflichtig.26 Daraus folgt, dass sich jeder behandelnde Arzt die Mühe machen muss, vor dem jeweiligen Eingriff des Minderjährigen, den sogenannten informed consent einzuholen.27 3.3. Das Fehlen der Zustimmung nach § 173 Abs 2 ABGB In der Praxis wird kontroversiell diskutiert, wie sich das Fehlen der Zustimmung auf die Einwilligung des Minderjährigen auswirkt oder welche haftungsrechtlichen Folgen eine fehlende Zustimmung nach sich zieht. Welche Auswirkung die fehlende Zustimmung hat, wird in diesem Kapitel näher beleuchtet. Häufig kommt es vor, dass der behandelnde Arzt die Zustimmung einer mit Obsorge betrauten Person nicht einholt obwohl § 173 Abs 2 ABGB dies normiert. Das Fehlen einer solchen Zustimmung des gesetzlichen Vertreters macht die Behandlung, in der das entscheidungsfähige Kind eingewilligt hat, nicht ungerechtfertigt und stellt keinen Behandlungsfehler dar. Eine Zustimmung einer solchen Person wird zwar in § 173 Abs 2 ABGB vorgeschrieben, doch der Paragraph bestimmt, dass die mit der Obsorge betrauten Personen durch ihre Zustimmung den Minderjährigen nur unterstützen sollen. Somit ist es auch 25 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 3ff. 26 Vgl. Christine Rink/Edith Rink, Die Behandlung minderjähriger Patienten (2013) S 54. 27 Vgl. Christine Rink/Edith Rink, Die Behandlung minderjähriger Patienten (2013) S 52. 9
klar, dass es sich bei § 173 Abs 2 ABGB nicht um ein Recht der Eltern, sondern lediglich um eine Unterstützung durch die Eltern handeln soll. Dem Arzt ist die Pflicht aufgetragen, die Eltern bzw die Obsorgeberechtigten über den Eingriff zu informieren und sich um die Zustimmung zu bemühen. Es gibt jedoch konträre Meinungen. Wenn man die Meinung vertritt, dass es sich bei der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter nur um eine dienende Funktion handelt, dann wird die medizinische Behandlung durch die Einwilligung des Minderjährigen gerechtfertigt und die Haftung des Arztes ausgeschlossen. Der Arzt wird jedoch haftbar, wenn die Vertreter nicht beigezogen werden und der Patient beweist, dass er seine Einwilligung nicht erteilt hätte, wenn die gesetzlichen Vertreter ihn unterstützt hätten. Demnach liegt in diesem Fall ein Aufklärungsfehler vor und der Arzt muss somit die Zustimmungsberechtigten anhören und ihnen die Chance geben an der Seite des Minderjährigen zu sein. In der Literatur wird auch die Meinung vertreten, dass das Nichteinbeziehen der gesetzlichen Vertreter der Minderjährigen als ein Behandlungsfehler anzusehen ist. Der Arzt verstößt tatsächlich auch in diesem Fall gegen die ihn treffenden Sorgfaltspflichten, wenn er bei einem schwerwiegenden Eingriff eines entscheidungsfähigen Minderjährigen die Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter missachtet. Diskussionswürdig erscheint, inwieweit die unterlassene Einbeziehung der gesetzlichen Vertreter für einen durch die Behandlung eingetretenen körperlichen Schaden des Minderjährigen kausal ist. Hier ist zum Beispiel an Fehler bei der Stellung einer Diagnose oder mangelhafte Nachsorge zu denken. Grundsätzlich ist der Kausalitätsbeweis, obwohl an diesen geringen Anforderungen gestellt sind, schwer zu erbringen. Für den Minderjährigen ist es sicherlich zielführender, in den Fällen, in denen er beweisen kann, dass er bei Beratung und Einbeziehung seiner gesetzlichen Vertreter selbst nicht in die Behandlung eingewilligt hätte, den obgenannten Weg, nämlich sich auf die eigene fehlerhafte Einwilligung zu berufen, zu ermöglichen.28 3.4. Patientenverfügung Eine Patientenverfügung ist eine Verfügung, die jeder Minderjährige, der einsichts- und urteilsfähig (Entscheidungsfähigkeit) erstellen kann. Es handelt sich dabei um eine Willenserklärung des Minderjährigen, die schriftlich vor einem Rechtsanwalt, Notar oder einem Patientenvertreter aufzunehmen ist. Wirksam ist die Patientenverfügung dann, wenn der 28 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 52ff. 10
Minderjährige über die Folgen und den jederzeitigen Wiederruf aufgeklärt worden ist. Zudem ist das Datum der Erstellung anzugeben. Eine Errichtung einer solchen Verfügung ist vorteilhaft, da jeder Patient im Vorhinein selbst bestimmen kann, welche medizinischen Behandlungen er ablehnen will, falls er, wenn er die medizinische Behandlung benötigt, in der Zeit nicht einsichts- urteils- oder äußerungsfähig ist. Es gibt zwei Arten einer Patientenverfügung. In einer verbindlichen Verfügung gem § 4 ff PatVG müssen die Behandlungen, die abgelehnt werden genau beschrieben werden und zuvor muss der Patient aufgeklärt werden, was es für Folgen haben kann, wenn er die medizinische Behandlung ablehnt. Der Arzt selbst hat diesen Vorgang sorgfältig zu dokumentieren. Wenn die Voraussetzungen einer wirksamen Patientenverfügung fehlen, wird die Verfügung als eine beachtliche Patientenverfügung gem § 8 f PatVG angesehen. Eine Verfügung ist in der Krankengeschichte zu dokumentieren.29 Eine Patientenverfügung kann ein Minderjähriger demnach wirksam errichten, wenn er nach § 173 Abs 1 ABGB die Entscheidungsfähigkeit besitzt.30 Ein entscheidungsfähiger Minderjährige ist somit fähig eine Patientenverfügung zu errichten, zu erneuern und zu widerrufen. 8 Jahre lang gilt die Verfügung, solange die minderjährige Person entscheidungsfähig ist. Verliert die Person diese Fähigkeit während dieser Zeit, dann kann die Patientenverfügung weiter verbindlich bleiben. Eine Patientenverfügung, die gültig zustande gekommen ist, ist für die behandelnden Ärzte verbindlich. Das Risiko, dass der behandelnde Arzt Kenntnis von der Verfügung erlangt, liegt bei der Person, welche die Patientenverfügung errichtet hat. Die Patientenverfügungen werden in bestimmten Registern, der Notariats- und Rechtsanwaltskammern sowie der Patientenvertreter eingetragen. Es besteht keine Pflicht des Arztes in die Register einzusehen. Zukünftig soll es jedoch technisch möglich sein, diese Verfügungen, in den elektronischen Gesundheitsakt (ELGA) aufzunehmen, damit die Ärzte direkt von dieser Verfügung Erkenntnis erlangen.31 29 Vgl. Nigl, Arzthaftung3, Lexis Nexis (2016) S 99f. 30 Vgl. Sabine Alvarez Privado, Aufklärung und Einwilligung von Minderjährigen in medizinische Behandlungen (2017) S 118. 31 Vgl. Wallner, Medizinrecht (2019) S 199. 11
4. Behandlungsvertrag 4.1. Definition Ein Behandlungsvertrag ist ein Vertrag, der das Verhältnis zwischen dem behandelnden Arzt oder dem Rechtsträger einer Krankenanstalt und dem Patienten bzw des gesetzlichen Vertreters regelt. Es handelt sich um einen zivilrechtlicher sui generis Vertrag und setzt sich aus verschiedenen Elementen von freiem Dienst- und Werkvertrag sowie aus einem Beratungsvertrag zusammen. Der synallagmatische Vertrag regelt den Austausch von Leistungen der Vertragspartner, folglich die Behandlung auf der einen Seite und die Bezahlung auf der anderen Seite. Das Abschließen eines Behandlungsvertrages ist die Grundlage der Haftung eines Arztes oder Krankenhausträger, damit ein Patient vertragliche Schadenersatzansprüche geltend machen kann.32 In den meisten Fällen wird bei ärztlichen Behandlungen ein freier Dienstvertrag angenommen, da der Verpflichtete die Dienstleistungen persönlich auszuführen hat wie beim Werkvertrag, jedoch wird hier kein Erfolg geschuldet, sondern ein Bemühen, also eine lege artis Behandlung. Ein reiner Werkvertrag wird dann angenommen, wenn dem Patienten ein Zahnersatzstück angefertigt wird oder bei Herstellen orthopädischen Einlagen oder auch Prothesen, da bei solchen Tätigkeiten ein Erfolg vereinbart worden ist.33 4.2. Zustandekommen Nach § 861 ABGB kommt ein Vertrag durch die übereinstimmende Willenserklärung mindestens zweier Personen zustande.34 Gem § 863 ABGB kann man seinen Willen entweder ausdrücklich, durch Worte oder auch Zeichen, oder schlüssig (stillschweigend/ konkludent) abgeben. Ein Behandlungsvertrag wird in den meisten Fällen mündlich abgeschlossen.35 Eine weitere Voraussetzung für das Zustandekommen eines Behandlungsvertrages ist, dass die Vertragspartner die Fähigkeit besitzen müssen Geschäfte abzuschließen.36 Das Nichtvorliegen 32 Vgl. Nigl, Arzthaftung3, Lexis Nexis (2016) S 23. 33 Vgl. Karin Prutsch, Die ärztliche Aufklärung (2004) S 12ff. 34 Vgl. Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2018) S 127. 35 Vgl. Karin Prutsch, Die ärztliche Aufklärung (2004) S 29. 36 Vgl. Alfred Tanczos/Dalia Tanczos, Arzthaftung (2016) S 32. 12
der Einwilligung eines Minderjährigen im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages, wird so behandelt, dass der Vertrag als schwebend unwirksam angesehen wird, bis die Einwilligung des Minderjährigen erteilt wird. Wenn es zu keiner Einwilligung kommt, dann kommt der Vertrag nicht zustande.37 In Notsituationen, in denen ein Minderjähriger nicht in der Lage ist sich zu äußern, wird gem § 1036 ABGB eine Geschäftsführung ohne Auftrag angenommen und nicht ein Behandlungsvertrag.38 4.2.1. Vertragspartner 4.2.1.1. Vertragspartner auf Patientenseite Ein Minderjähriger, der die Geschäftsfähigkeit besitzt, kann einen Behandlungsvertrag gültig abschließen. Somit ist die Geschäftsfähigkeit, die erforderlich ist, solch einen Vertrag abschließen zu können stets von der Einwilligung in eine medizinische Behandlung (Entscheidungsfähigkeit) zu unterscheiden. Der Minderjährige ist dann als Vertragspartner auf der Seite des Patienten anzusehen, wenn er die Geschäftsfähigkeit gem § 865 ABGB besitzt. Personen, die das vierzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, sind nicht imstande einen Behandlungsvertrag abzuschließen und bedürfen somit der Zustimmung einer Obsorge betrauten Person. Mündig Minderjährige, die über ein eigenes Einkommen verfügen und nicht die Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse gefährden, sind in der Lage einen gültigen Behandlungsvertrag abzuschließen und können damit Vertragspartner sein.39 Zu beachten ist jedoch, dass es einen Unterschied darstellt, wenn ein Elternteil einen Minderjährigen zu einem Arzt begleitet oder auch im zweiten Falle, dass die minderjährige Person selbst den Arzt aufsucht. Im zweiten Fall liegt ein Eigengeschäft des mündigen Minderjährigen vor, da er selbst die Willenserklärung abgibt und im eigenen Namen handelt. Dies wird allerdings nur angenommen, wenn der Minderjährige fähig ist einen Behandlungsvertrag abzuschließen. Sonst bedarf es der Zustimmung des Elternteiles. Im ersten Fall ist es nach dem Einzelfall zu untersuchen, ob ein Vertrag der Eltern zugunsten Dritter bzw zugunsten des Minderjährigen gem § 881 ABGB vorliegt oder auch ein Eigengeschäft des Minderjährigen, das die Eltern in dessen Namen als seine gesetzlichen Vertreter abgeschlossen haben. Zu beachten sind 37 Vgl. Christine Rink/Edith Rink, Die Behandlung minderjähriger Patienten (2013) S 145. 38 Vgl. Nigl, Arzthaftung3, Lexis Nexis (2016) S 32. 39 Vgl. Christine Rink/Edith Rink, Die Behandlung minderjähriger Patienten (2013) S 140. 13
maßgeblich das Alter, die Art der Einlassung des Minderjährigen, Ort und Zeit der Erklärung und das Gesamtverhalten der Beteiligten. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass je nachdem welcher Fall vorliegt, der Arzt entweder mit dem Minderjährigen oder mit einem Elternteil den Vertrag abgeschlossen hat bzw als Vertragspartner hat und daher den Anspruch auf das Honorar gegen diese Person richten wird.40 Das oben Gesagte bezog sich auf Seite des Patienten. 4.2.1.2. Vertragspartner auf Behandlerseite Im Folgenden wird geklärt, wer Vertragspartner auf Behandlerseite steht. Gem § 52a ÄrzteG wird der Vertrag im Fall einer Gruppenpraxis, das ist ein Zusammenschluss von freiberuflichen Ärzten zu einer OG oder GmbH, mit der Gesellschaft abgeschlossen. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts stellen die Ordinations- und Apparategemeinschaften dar, mit denen man direkt keinen Vertrag abschließt, sondern nur mit den jeweiligen Ärzten. Krankenhausträger (Rechtsträger der Krankenanstalt) sind juristische oder natürliche Personen, welche eine Krankenanstalt errichten und betreiben und der die mit dem Betrieb der Krankenanstalt verbundenen Rechte und Pflichten zugeordnet sind.41 In den meisten Fällen wird das Krankenhaus Vertragspartner und zwar dann, wenn der Patient ambulant oder stationär in einem Krankenhaus behandelt wird. Wird der Patient stationär aufgenommen, dann wird der Vertrag als Krankenhausaufnahmevertrag bezeichnet. Mit den dort behandelnden Ärzten bzw Personen steht der Patient in keinem Vertragsverhältnis. Diese werden dem Krankenhausträger als Erfüllungsgehilfe zugerechnet.42 Dieser Vertrag wird als totaler Krankenhausaufnahmevertrag bezeichnet.43 Zwei Verträge liegen dann vor, wenn der Patient in einem Krankenhaus den Wunsch äußert sich von einem ausgewählten Arzt behandeln zu lassen und diese Vertragsgestaltung eindeutig gemacht hat. So liegt mit dem Krankenhausträger nur der Vertrag vor mit der Leistung der Pflege, Beherbergung und Infrastruktur und mit dem jeweiligen Arzt die Leistung auf Behandlung, Betreuung und Pflege (Belegarzt). Es handelt sich hier um einen gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag.44 Auf der Behandlerseite kann natürlich auch ein freiberuflicher Arzt stehen, der selbständig zur 40 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 197ff. 41 Vgl. Nigl, Arzthaftung3, Lexis Nexis (2016) S 25. 42 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 194. 43 Vgl. Nigl, Arzthaftung3, Lexis Nexis (2016) S 71. 44 Vgl. Alfred Tanczos/Dalia Tanczos, Arzthaftung (2016) S 9. 14
Ausübung des ärztlichen Berufes tätig wird. Solch eine Tätigkeit dürfen gem § 3 Abs 1 ÄrztG nur Allgemeinmediziner, approbierte Ärzte und Fachärzte durchführen. Der Vertrag wird dann mit diesem freiberuflichen Arzt abgeschlossen. Es kann auch vorkommen, dass ein freiberuflicher Arzt den Patienten an einen Facharzt weiterleitet. In solchen Fällen schließt der Patient mit dem Facharzt einen eigenen Behandlungsvertrag ab und derjenige Arzt, der die Übermittlung veranlasste, haftet für die Auswahl des Arztes.45 Zu erwähnen ist die Rolle der Krankenversicherung beziehungsweise der Träger der Krankenversicherung, die zu keinem Zeitpunkt Vertragspartnerin wird. Sozialversichert ist ein mündiger Minderjähriger, der Dienstnehmer ist oder sich in der Lehre befindet und somit fähig ist, Rechtsgeschäfte (insbesondere auch einen Behandlungsvertrag) abzuschließen. Ansprüche des mündigen Minderjährigen auf Leistung aus der Krankenversicherung sind gleichzuhalten mit dem Einkommen aus eigenem Erwerb gem § 170 Abs 2 ABGB. § 170 Abs 2 ABGB findet bei mitversicherten Schülern grundsätzlich keine Anwendung, da diese aufgrund mangelnder eigener Erwerbstätigkeit keinen eigenen Anspruch auf Leistungen aus der Sozialversicherung haben. Trotzdem wird § 170 Abs 2 ABGB bei diesen Minderjährigen analog angewendet, sodass für den Fall der Kostendeckung durch die Krankenversicherung auch der mündige mitversicherte Schüler selbständig einen Behandlungsvertrag mit einem Vertragsarzt abschließen kann.46 4.2.2. Willensmängel Ein Vertrag über eine medizinische Behandlung, der entweder durch den Minderjährigen selbst oder durch einen gesetzlichen Vertreter abgeschlossen wird, muss frei von Willensmängel sein. Nur in diesem Fall ist der ärztliche Eingriff nicht rechtswidrig.47 Der Behandlungsvertrag kommt somit nur dann rechtsgültig zustande, wenn dem Patienten weder bei der Willensbildung noch beim Erklärungsvorgang Fehler unterlaufen sind.48 45 Vgl. Alfred Tanczos/Dalia Tanczos, Arzthaftung (2016) S 5f. 46 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 259f. 47 Vgl. Vrba/Unger in Vrba (Hrsg), Schadenersatz in der Praxis (42. Lfg 2020) Haftung der Ärzte, Krankenanstalten und Heime 48 Vgl. Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2018) S 156. 15
4.2.3. Pflegschaftsgerichtliche Genehmigung Gem § 167 Abs 3 ABGB braucht es für einen gültigen Behandlungsvertrag die Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes, wenn der Behandlungsvertrag nicht zu dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb des Minderjährigen gehört und der Minderjährige selbst den Vertrag abschließt. Zusätzlich zu der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass, wenn beide Elternteile mit der Obsorge betraut sind, auch der Andere die Zustimmung erteilen muss. Zu untersuchen ist, ab wann eine Behandlung zum außergewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Entscheidend ist in welcher Relation die finanzielle Belastung zu den Vermögensverhältnissen der minderjährigen Person steht. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass es zu einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung und zu der erweiterten Zustimmung des Elternteiles nur dann kommt, wenn der Minderjährige auch selbst den Vertrag abschließt.49 4.3. Rechte und Pflichten 4.3.1. Rechte und Pflichten des Arztes Die Rechte und Pflichten des Arztes hängen von der Ausbildung ab und zwar dürfen nur Ärzte für Allgemeinmedizin, approbierte Ärzte und Fachärzte die Medizin ausüben. Zu dieser Ausübung gehören die Untersuchung von Krankheiten, die Beurteilung zur Verwendung medizinisch- diagnostischer Hilfsmittel, die Vornahme operativer Eingriffe, die Vorbeugung operativer Eingriffe usw. Zu einem weiteren Recht eines Arztes gehört auch ärztliche Zeugnisse auszustellen oder ärztliche Gutachten zu erstellen.50 Die Erhebung einer Anamnese ist die Grundlage für eine gute Beziehung zwischen Arzt und Patient. Anamnese ist die Erfragung von medizinischen Informationen und das Ziel ist es die Krankengeschichte jedes Patienten zu erfassen.51 Die Pflichten eines Arztes unterteilen sich in Haupt- und Nebenleistungspflichten. Zu den Hauptleistungspflichten gehören, dass der Arzt den Patienten pflichtgemäß betreut, keinen Unterschied macht, von welcher Herkunft dieser Patient stammt, die fachgerechte 49 Vgl. Anja Stahr, Die medizinische Behandlung Minderjähriger (2019) S 214f. 50 Vgl. Nigl, Arzthaftung3, Lexis Nexis (2016) S 37. 51 Vgl. VwGH 24.04.2019, Ra 2015/11/0113 16
Erstellung einer Diagnose und die lege artis Behandlung. Weiters wird dem Arzt die Pflicht vorgeschrieben den Patienten aufzuklären über die Diagnose, Behandlungs- und Verlaufsverläufe sowie Risikoverläufe. Auch die Organisations- und Informationspflichten sowie die Verschwiegenheitspflichten gehören dazu. Die Pflicht zur Dokumentation ergibt sich daraus, dass der Behandlungsvertrag dies vorschreibt. Der Arzt muss den Verlauf, den Zustand des Patienten, die Behandlung etc schriftlich festhalten. Jeder Arzt ist verpflichtet dem Patienten eine fachgerechte, geeignete, dem objektiven Standard des jeweiligen Faches entsprechende Behandlung zu gewähren und zwar unter der Berücksichtigung seines fachlichen Wissens und Könnens. 4.3.2. Rechte und Pflichten des Patienten Dem Patienten selbst trifft die Pflicht für die Behandlung ein Honorar zu bezahlen. Die Mitwirkungspflicht eines Patienten wird zwar verlangt, kann aber nicht eingefordert bzw eingeklagt werden. Für den Fall, dass der Patient bei der Förderung der Behandlung nicht mitwirkt, wird dieses Verhalten als Mitverschulden des Patienten angelastet. Dies deshalb, da der Patient in diesem Falle die Obliegenheit zur Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten vernachlässigt hat52. 5. Behandlungs- und Aufklärungsfehler Allgemein kann gesagt werden, dass von Behandlungsfehler dann gesprochen wird, wenn sie mit einer fehlerhaften medizinischen oder sonst gesundheitsbezogenen Behandlung oder einer unrichtigen Unterlassung einer Behandlung in Verbindung stehen. Von einer Fehlbehandlung wird dann gesprochen, wenn ein Arzt die medizinische Behandlung nicht lege artis durchführt, sohin gegen die allgemeinen medizinischen Vorgaben verstoßt.53 Beispiele für eine Fehlbehandlung sind unrichtige ausgeführte Operationsschritte, die Erstellung einer fehlerhaften Diagnose, die fehlerhafte Medikamentation oder das nicht ausreichende informieren des Patienten über die Mitwirkungspflicht.54 Für die Annahme eines 52 Vgl. Nigl, Arzthaftung3, Lexis Nexis (2016) S 46ff. 53 Vgl. Nigl/Janschitz, Behandlungsfehler (Stand 23.1.2020, Lexis Briefings in lexis360.at) 54 Vgl. Nigl, Arzthaftung3, Lexis Nexis (2016) S 2. 17
Behandlungsfehlers, reicht es aus, dass der Arzt gegen die allgemein anerkannten Regeln der Medizin verstößt, ohne dass ein Schaden eingetreten ist. Es ist bei der Bewertung der ordnungsgemäßen Behandlung stets auf die Sorgfalt eines ordentlichen, pflichtgetreuen Durchschnittsarztes Bedacht zu nehmen, der sich in einer bestimmten Lage und in der jeweiligen Berufsgruppe befindet.55 In der gerichtlichen Praxis bilden die Behandlungs- und die Aufklärungsfehler die größten Bereiche. Im Allgemeinen wird zwischen Kunstfehler und dem Aufklärungsfehler unterschieden. Im folgenden Abschnitt werden auf diese zwei Problembereiche näher eingegangen. Zu den Behandlungsfehler im weiteren Sinne gehören auch die Infektionsschäden, Unfallschäden, Medikamentenschäden, Schäden durch fehlerhafte Medizinprodukte und Schäden durch die fehlerhafte Organisation des Krankenhauses.56 In nicht seltenen Fällen wird ein Aufklärungsfehler dann aufgegriffen, wenn ein Behandlungsfehler nicht unter Beweis gestellt werden kann.57 Die Behandlungsfehler werden unterteilt in Kunstfehler, Organisationsfehler und Beratungsfehler.58 Der Begriff der Aufklärung wird im Folgenden behandelt. 5.1. Aufklärung 5.1.1. Selbstbestimmungsrecht Die Aufklärung stellt ein wichtiger Akt in der Medizin dar. Es kann gesagt werden, dass eine medizinische Behandlung dann rechtmäßig ist, wenn es zuerst zu einer fachgerechten Aufklärung gekommen ist und in der Folge der Patient wirksam in die Behandlung eingewilligt hat. In erster Linie benötigt der Patient Informationen über die Heilbehandlung, sodass er selbst entscheiden kann, ob er sich auf eine medizinische Behandlung einlässt oder nicht. Nur dann kann der Patient sein Selbstbestimmungsrecht (höchstpersönliches Recht) tatsächlich ausüben. Die Entscheidungsbasis wird dem Patienten aufgrund einer fachgerechten Aufklärung des behandelnden Arztes oder von solchen Personen gegeben, die zu dieser Aufgabe befugt sind. Der Patient kann eine wirksame Entscheidung nur dann treffen, wenn er zuvor über die Bedeutung des vorhergesehenen ärztlichen Eingriffes und seiner möglichen Folgen 55 Vgl. Alfred Tanczos/Dalia Tanczos, Arzthaftung (2016) S 77. 56 Vgl. Nigl, Arzthaftung3, Lexis Nexis (2016) S 3. 57 Vgl. Alfred Tanczos/Dalia Tanczos, Arzthaftung (2016) S 77f. 58 Vgl. Resch/ Wallner, Handbuch Medizinrecht3 (2020) Kap IX Rz 22. 18
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