Milchbauern schaffen Rettungsinseln für Insekten - Biodiversität
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Stefanie Ruep - 8. Juni 2020, 12:00 - Der STANDART Biodiversität Milchbauern schaffen Rettungsinseln für Insekten Damit die Kuh, aber auch der Schmetterling satt werden fördern Landwirte in der Region Mondsee die Artenvielfalt am Wiesenrand Die blühenden Wiesen sind ein Schmaus für die Heumilchkühe. Kleine Flächen dazwischen bleiben für Insekten brach. Foto: Franz Neumayr Gerrit Woerle will zusammen mit Milchbauern Biotope fördern. Foto: Franz Neumayr
Schon bei den ersten Landwirten haben er und seine Schüler wahre Schätze entdeckt, sagt der Biologe und Lehrer Konrad Steiner. Ein Knabenkraut, eine wilde Orchidee, sei da am Wiesenrand gestanden. "Der Bauer ist runtergelaufen und hat einen kleinen Zaun rundherum gebaut, bevor er die Kühe hineinlässt", erzählt Steiner. Er ist Lehrer an der HBLA in Elixhausen-Ursprung und kartiert zusammen mit seiner Klasse kleine Biotope am Rand von bewirtschafteten Wiesen im Mondseerland und im Flachgau. Gemeldet werden die für die Artenvielfalt wertvollen Flächen von den Heumilchbauern, die dort ihre Kühe grasen lassen. Das Nachhaltigkeitsprojekt hat die Henndorfer Käserei Woerle initiiert. "Wir sind seit Generationen in dieser Region verankert und abhängig von der Natur", sagt Gerrit Woerle, der Ende des Jahres das Familienunternehmen übernehmen wird. Die Käserei verwendet nur Milch von Kühen, die mit Heu und frischem Gras gefüttert werden, dafür sei die Artenvielfalt wichtig. "Wir wollen die größte landwirtschaftlich genutzte Artenvielfaltsregion schaffen." Tausend Kleinhabitate in zehn Jahren Bis 2030 sollen gemeinsam mit den Bauern der Region tausend neue, engmaschig vernetzte Kleinhabitate als Lebensraum für Pflanzen und Tiere entstehen, erklärt Projektleiterin Diana Reuter. Die so entstandenen Rettungsinseln für Insekten und Kleintiere werden bildlich auf einer Karte dargestellt. Für einen Schmetterling sei eine frisch gemähte Wiese, wo nichts wächst, wie eine grüne Wüste, erklärt Biologe Steiner. Wenn aber auf kleinen Flächen dazwischen Blumen stehen, dann könne er sich leichter fortbewegen und zu einem Weibchen fliegen. "Das ist wichtig, um den Genpool der Artenvielfalt, den wir so drastisch zum Überleben brauchen, zu erhalten", sagt Konrad. Für diese Rettungsinseln braucht es nicht viel: "Alleine dadurch, dass man Wiesenrandstrukturen, vergessene Böschungen, Altholzhaufen oder trockene Gstätten verwildert stehen lässt, werden neue Lebensräume für Insekten und Pflanzen geschaffen", erklärt der Biologe. Im Rahmen des Projekts besuchen geschulte Biodiversitätsvermittler, die selbst Landwirte sind, bäuerliche Betriebe und bestimmen nach einer Hofbesichtigung zusammen, welche Flächen sich als Biotope eignen. Gesunde Schlampigkeit beim Mähen "Das sind bei uns die Flächen, die einem Bauern lästig sind", sagt Elisabeth Schwaiger, die mit ihrem Hof an dem Projekt teilnimmt. Ein Spitz an der Grundstücksgrenze, der schwer zu mähen ist, oder das Gras rund um einen Strommast werde nun eben stehen gelassen. "Da geht es um eine gesunde Schlampigkeit." Schweighofer ist Volksschuldirektorin und Landwirtin in Zell am Moos am Irrsee. Ihr Betrieb liefert seit 20 Jahren Heumilch an die Käserei Woerle. "Wir lassen nun Hecken stehen, damit Insekten einen Nistplatz haben", sagt Schwaighofer. Auch die Mähweise habe sie überdacht. Sie verwende nun keinen Aufbereiter mehr. Der zerschlage zwar die Grashalme so, dass das Heu schneller trockne, aber es sei nicht klar, ob er so bienenfreundlich sei.
Bienen fliegen nicht nur auf Schnittlauchblüten, sondern brauchen die Artenvielfalt an Randstrukturen wie Böschungen und Gstätten. Foto: Stefanie Ruep Genau dieses Umdenken will Gerrit Woerle mit dem Projekt fördern. Jedoch nicht von oben herab, sondern mit den Landwirten gemeinsam. Denn gegen das Insektensterben könne jeder einen Beitrag leisten, sagt Woerle. "Dass die Kuh satt werden muss, ist klar, aber es sind Kleinigkeiten, die viel bringen." Es brauche einen Mix aus intensiven und extensiven Flächen, ohne dass der Landwirt einen wirtschaftlichen Nachteil hat. Das Projekt soll den kleinstrukturierten Bauernhöfen einen Mehrwert bringen. Durch das Nichtbewirtschaften der Flächen hätten die Bauern weniger Arbeit. "Wir wollen aber auch unsere Produkte so positionieren, dass der Konsument mehr dafür bezahlt." So soll das Engagement der Heumilchbauern gewürdigt werden. Eigentlich sollte das Projekt zunächst mit fünf Familien starten, nun haben bereits 40 Bauernhöfe freiwillig schützenswerte Flächen gemeldet. Wildbienen brauchen Randstrukturen Diese Kleinhabitate werden unter wissenschaftlicher Begleitung durch die Universität Salzburg und die HBLA Ursprung kartiert. Zum Bestimmen der Pflanzen nutzen die beteiligten Schüler und Biologen die vom Max-Planck-Institut entwickelte App Flora Incognita. Damit können Blühpflanzen zu 95 Prozent richtig bestimmt werden, sagt Konrad Steiner. Den Grundstein für das langfristige Projekt haben die Wildbienen gelegt. Denn 2017 hat Woerle eine Untersuchung des Wildbienenaufkommens in der Region finanziert. Das Projekt habe gezeigt, dass viele Wildbienenarten die Blüten bestäuben, erklärt der Bienenexperte Johann Neumayr. Damit sorgen sie dafür, dass sich auch seltene Arten vermehren. Dafür benötigen die Wildbienen ein artenreiches Blütenangebot sowie Nistplätze, die vor allem in den Randstrukturen wie dem Waldrand, Gstätten oder Hecken vorkommen. (Stefanie Ruep, 8.6.2020)
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