PHILOSOPHIEREN spezial - STAUNEN " FRAGEN " WIDERSPRECHEN - Klett Kita

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PHILOSOPHIEREN spezial - STAUNEN " FRAGEN " WIDERSPRECHEN - Klett Kita
spezial       Theorie und Praxis
                                          der Sozialpädagogik
                                        Sonderheft Frühling 2020

       PHILOSOPHIEREN
       STAUNEN – FRAGEN – WIDERSPRECHEN
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                   EUR 9,50
PHILOSOPHIEREN spezial - STAUNEN " FRAGEN " WIDERSPRECHEN - Klett Kita
TPS SPEZIAL   4|20                                                EDITORIAL

                                   Liebe Leserin, lieber Leser,

                                   ein Junge, elf Jahre alt, hat nur einen gro- hilft einem dabei? Die bekannte Illustra-
                                   ßen Wunsch an diesem Sonntagnachmit- torin und Autorin Antje Damm sagt in
                                   tag: Er will einen Fensterplatz im Zug unserem Interview ab Seite 36: Weg mit
                                   ergattern, um seine Mama noch einmal der Ehrfurcht vor Büchern, her mit den
                                   zu sehen, bevor es für eine weitere lange Fragen. Also nicht nur vorlesen, sondern
                                   Woche ins Internat geht. Dass er dabei das Bücher als Hilfmittel begreifen und Brü-
                                   Gepäck einer Frau umstößt, bemerkt er gar cken von den dort erzählten Geschichten
                                   nicht. Die Frau aber schon! Sie beschwert zur Lebenswelt der Kinder bauen.
                                   sich bitter bei seiner Mutter. Diese schreibt     Auch Hans-Joachim Müller ist da-
                                   ihrem Sohn daraufhin einen Brief, in dem von überzeugt, dass beim Philosophie-
                                   sinngemäß steht: Als Kind darf man Er- ren mit Kindern das Fragen eine gro-
                                   wachsenen gegenüber                                           ße Rolle spielt. Er

        SILKE WIEST
      Chefredakteurin
                                   nie frech sein – auch
                                   wenn man im Recht ist.
                                      Der Junge aus dieser
                                                                  Jede und jeder                 berichtet ab Seite 8 da-
                                                                                                 von, von wem wir hier
                                                                                                 lernen können: von den
    s.wiest@klett-kita.de          Geschichte ist mittler-
                                                              hat die Pflicht, selbst            Kindern! Sie sehen et-
                                   weile längst erwach-          zu denken – mit                 was, staunen und fra-
                                   sen, heißt Lothar Klein                                       gen. Leider reagieren
         Im Sturm                  und wir sind glücklich,
                                                              allen Konsequenzen.                wir Großen darauf viel
Was für turbulente Zeiten! Mit-    dass er auch in dieser                   Lothar Klein         zu oft genervt. Oder wir
ten in der Corona-Krise steht      TPS-Ausgabe zum The-                                          bemühen uns, umfas-
unser Leben Kopf. Was völlig       ma Philosophieren mit Kindern unser Au- sende Antworten zu geben, anstatt mit
normal war, ist plötzlich tabu.    tor ist. In seinem bewegenden Text „Sand klugen Rückfragen die Kinder zum Wei-
Und das neue Normal macht          im Getriebe“ (Seite 12) erzählt er von seiner terdenken anzuregen. Denn eins ist klar:
Angst. Wie wird unsere Welt        Jugend, die eine Maxime hatte: Kinder Wenn es ums Philosophieren geht, um die
sein nach Corona? Wir wissen       müssen sich unterordnen, ihre Meinung großen Menschheitsfragen, wissen wir
es nicht. Was wir aber ganz        zählt nicht. Aber autoritäre Erziehung nicht mehr als die Kinder. Wir sind auf
sicher wissen: Wir sind für Sie    mündet in autoritärer Gesinnung und in Augenhöhe mit ihnen. Und das sollten wir
da. Auch und gerade jetzt.         einer Gesellschaft voller Menschen, die immer sein. Oder?
                                   die Welt als feindlichen Ort sehen. Was
Ihre TPS-Redaktion                 das alles mit dem Philosophieren zu tun Herzliche Grüße
                                   hat? Für Lothar Klein ist die Antwort klar: Ihre
Wie Ihre Kita und Sie die Krise    Philosophieren ist Anstiftung zum Sel-
besser überstehen und wie es       berdenken, zum Widerstand und zu der
anderen gerade geht, lesen Sie     Erkenntnis: Ich bin etwas wert. Kinder, die
hier: https://www.klett-kita.de/   mit diesem Wissen aufwachsen, müssen Silke Wiest
tps-download/                      andere nicht abwerten. Nicht heute und
                                   nicht morgen, wenn sie groß sind. Philoso-
Was bewegt Sie in diesen un-       phieren mit Kindern ist also nicht nur für
sicheren Zeiten? Schreiben Sie     die Kinder gut – sondern für alle!
uns: tps-redaktion@klett-kita.de      Aber wie fängt man so ein philosophi-
                                   sches Gespräch an im Kita-Alltag und was

                                                                                                                        1
PHILOSOPHIEREN spezial - STAUNEN " FRAGEN " WIDERSPRECHEN - Klett Kita
INHALT                                                 TPS SPEZIAL    4|20

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                                      Was hilft
                            beim Denkenlernen?
        Die persönliche Meinung prüfen, Fragen stellen, seine
     eigene Weltdeutung erschaffen – Philosophieren hilft bei                         52 Sag mal, wie schlafen
         all diesen Dingen ungemein. Und es birgt einen ganz                                         Fische eigentlich?
       besonderen Schatz: Es hilft Kindern, denken zu lernen.
           Wie das genau funktioniert, erklärt unsere Autorin.                Nicht erst seit Fridays for Future wissen wir: Kindern
                                                                              und Jugendlichen ist der Umgang des Menschen mit
                                                                               ihrer Umwelt wichtig. Warum wir schon in der Kita
                                                                              mit Kindern über die Natur und das Zusammenleben
                                                                                  aller Lebewesen reden sollten, erfahren Sie hier.

         STAUNEN UND FRAGEN                                                  TPS IM GESPRÄCH
                                                                             HEIDE GREHL
         KERSTIN MICHALIK                                        20          Die Augenöffner
4        „Mama, wie kommt die Klotür in mein Auge?“                          Was macht Philosophieren mit den Erwachsenen?
         Auf dem Weg zur demokratischen Gesprächskultur
                                                                                                                                       Foto: © gettyimages/ImagineGolf, Illustration: Maren Profke

         HANS-JOACHIM MÜLLER                                                 MENSCHEN UND METHODE
8        Ich wär gerne auf dem Mond,
         denn der ist unbewohnt                                              ANDREAS LORENZ
         Warum Rückfragen besser als Erklären ist                24          Flieg, kleiner Schmetterling
                                                                            BU U[dYUbU^Q\cCSXe\VQSXVÛb6QSX[bÄVdU
         LOTHAR KLEIN
12       Sand im Getriebe                                                    ANNE ESSLAGE
         Kinder, widersprecht uns bitte!                         28          Die Frage hinter der Frage
                                                                             Dialoge mit ungewissem Ausgang aushalten
         SUSANNA MAY-KRÄMER
16       Was kommt nach unendlich?                                           KATRIN ALT
         Vom Glück, selbst denken zu können                      32          Wenn ich ein Haustier wär …
                                                                             Mit Literatur argumentieren lernen

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PHILOSOPHIEREN spezial - STAUNEN " FRAGEN " WIDERSPRECHEN - Klett Kita
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                                              Auf Umwegen zu
                                            den großen Themen

                                               Warum, warum, warum? Kinder
                                              fragen viel und wenn wir ehrlich
                                                 sind, nervt uns das manchmal.
                                              Und selbst wenn wir uns die Zeit
                                               für Antworten nehmen, werden
                                                   die oft viel zu ausufernd und
                                               ersticken so kindliche Fragelust.
                                                   Unser Autor kennt hier einen
                                              besseren Weg und weiß, wie wir
                                                  uns mit klugen Nachfragen in
                                                Richtung Philosophie bewegen.

                                           TPS IM GESPRÄCH                                                  SUSANNE SCHUBERT
                                           HEIDE GREHL                                           52         „Manche Pflanzen mögen auch den Menschen“
                                      36   „Traut euch, Bücher zu benutzen“                                 Wie wir alle friedlich zusammenleben können
                                           Die Illustratorin Antje Damm über ihr Herzensthema
                                                                                                            BETTINA UHLIG
                                           INGE PAPE                                             56         Vergiss mein nicht
                                      40   Etwas Weiches braucht der Mensch                                 Ein historisches Kunstwerk und viele große Fragen
                                           Was macht Kinder eigentlich glücklich?
                                                                                                            HANS HILT
                                                                                                 60         Die Weisen aus dem Kinderland
                                           GOTT UND DIE WELT                                                Nachdenken über Gott im Kita-Alltag
Foto: © gettyimages/Adventure_Photo

                                           HANS-JOACHIM MÜLLER                                   64         Autorinnen und Autoren
                                      44   Die Welt gehört … wem noch mal?
                                           Nachdenken über die Natur                             65         Vorschau und Impressum

                                           STEFFEN OTTOBERG
                                      48   Teddy Ted und die einsame Insel
                                           Von der Technik zur Philosophie

                                                                                                                                                                3
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STAUNEN UND FRAGEN            TPS SPEZIAL   4|20

Mama, wie kommt
die Klotür in mein Auge?
Deine Fragen sind bedeutsam. Das sollten Kinder von Anfang an
spüren, glaubt unsere Autorin. Denn sie ist überzeugt: Auf der
gemeinsamen Suche nach Antworten lernen Kinder demokratische
Gesprächskultur, die für den Umgang mit anderen unverzichtbar ist.

KERSTIN MICHALIK

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PHILOSOPHIEREN spezial - STAUNEN " FRAGEN " WIDERSPRECHEN - Klett Kita
TPS SPEZIAL   4|20                                      STAUNEN UND FRAGEN

                             D
                                      ie Natur der philosophischen Frage? Es gibt keine ein-      Suche zu begeben, eigene Vorstellungen und Weltdeutungen zu
                                      deutige Antwort, sondern ganz viele verschiedene. Phi-      hinterfragen.
                                      losophische Gespräche mit Kindern können deshalb               Philosophieren mit Kindern bedeutet, ihr Fragenstellen wert-
                             kein bestimmtes Ziel verfolgen, ihr Verlauf hängt ganz von den       zuschätzen und sie dazu zu ermutigen. Fragen sind für die
                             Kindern, ihren Interessen und Beiträgen ab. Hier werden auch         geistige Entwicklung und das selbstständige Lernen von Kindern
                             keine bestimmten Lernergebnisse verfolgt. Wozu sollte man            von großer Bedeutung. Dem Fragen kommt als geistige Aktivität
                             dann eigentlich mit Kindern philosophieren? Für das Philoso-         und Suchhandlung in der kindlichen Entwicklung in verschie-
                             phieren mit Kindern gibt es sehr viele gute Gründe und einige        dener Hinsicht eine Schlüsselstellung zu: Jede gestellte und
                             spannende Forschungsergebnisse, die zeigen, dass das regelmä-        beantwortete Frage, jedes gemeisterte Problem ist ein geistiger
                             ßige Philosophieren viele positive, teilweise auch ganz erstaun-     Fortschritt. Fragen treiben den eigenständigen Wissenserwerb
                             liche Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern – und             voran und sind im Gegensatz zur passiven Aufnahme von Wis-
                             auch Erwachsenen – haben kann.                                       sen eine Methode der selbstständigen und daher auch nachhal-
                                Kinder haben viele philosophische Fragen, mit denen man sie       tigen Informations- und Erkenntnisgewinnung. Fragen sind nicht
                             nicht alleinlassen sollte. Schon deshalb ist es wichtig und wert-    nur erkenntnisfördernd und tragen zum selbstständigen Lernen
                             f_\\jecQ]]U^]YdYX^U^jefUbceSXU^1^dg_bdU^je ^TU^          bei, sie haben auch eine wichtige soziale und kommunikative
                             Solche Fragen von Kindern sind Ausdruck des Staunens über            Funktion. Sie sind ein Mittel, um sich über Sachverhalte zu
                             die Welt, des Bestrebens, in der verwirrenden Vielfalt des Daseins   verständigen, mit anderen auszutauschen, eigene Sichtweisen
                             und in einer komplexen Wirklichkeit Sinn und Bedeutung her-          zur Diskussion zu stellen und die Sichtweisen anderer kennen-
                             zustellen: „Mama, wie kommt die Klotür in mein Auge? Woher           zulernen. Je älter Kinder werden, umso mehr nimmt das Fra-
                             weiß ich eigentlich, ob ich wach bin oder träume? Kann mein          genstellen ab. Bereits in der Grundschule werden kaum noch
                             Kaninchen mich verstehen, kann es denken? Warum müssen               eigene Fragen der Kinder in den Unterricht eingebracht. Umso
                             wir Tiere essen? Gibt es Engel? Warum gibt es Krieg?“                wichtiger ist es, Kinder von klein auf darin zu bestärken, dass
                                Die Frage mit der Klotür wurde von einem Enkel der Schrift-       ihre eigenen Fragen wichtig und bedeutsam sind.
                             stellerin Christa Wolf gestellt; sie berichtet darüber in ihrem
                             Werk „Störfall“. Was steckt dahinter? Das Kind hat sich Gedanken
                             darüber gemacht, wie das Bild der Klotür im Auge verarbeitet                 Das Selbstverständliche ist
                             wird und wie das so viel kleinere Auge das Bild des großen
                             Gegenstandes quasi aufnehmen kann. Nachdem der Vater eine
                                                                                                       für Kinder fragwürdig, rätselhaft
                             optische Skizze angefertigt hat, fragt das Kind, wie man denn                 und erklärungsbedürftig.
                             sicher sein könne, dass das Gehirn die Klotür wirklich auf die
                             richtige Größe bringe. Das Kind zweifelt daran, dass wir sicher
                             sein können, die Welt so wahrzunehmen, wie sie wirklich ist.            Nachdenkliche Gespräche mit Kindern fördern ihr selbststän-
                             Damit ist ein zentrales Problem der Erkenntnistheorie ange-          diges Denken, geben ihnen Selbstvertrauen in die eigenen Ver-
                             sprochen, das die Philosophinnen und Philosophen seit der            standeskräfte und regen dazu an, eigene Standpunkte zu entwi-
                             Antike beschäftigt hat: Was können wir wissen von dieser Welt?       ckeln, zu begründen und zu hinterfragen. Sie tragen zur
                             Wie sicher ist unsere Erkenntnis?                                    Vermittlung eines komplexen Weltbildes bei, indem die Kinder
                                                                                                  erfahren, dass nicht alles in dieser Welt geklärt und erklärbar
                             Auf der Suche nach Orientierung                                      ist und dass es im Leben nicht auf jede Frage eine eindeutige
                                                                                                  Antwort, sondern eine Vielfalt von Sichtweisen und Deutungs-
                             Kinder haben viele Fragen. Für sie ist alles noch neu. Sie begin-    möglichkeiten gibt.
                             nen erst damit, sich die Welt denkend anzueignen. Kindern fehlt         Es geht um die gemeinsame Suche nach möglichen Antworten,
                             noch jenes Wissen, mit dem Erwachsene meinen, die Welt er-           um die bedächtige und nachdenkliche Annäherung an ein Pro-
                             klären zu können. Das scheinbar Selbstverständliche ist für          blem, den Verzicht auf rasche Lösungen zugunsten einer Kultur
                             Kinder noch fragwürdig, rätselhaft und erklärungsbedürftig.          der Nachdenklichkeit. Kinder sollen die Vielfalt von Denkmög-
                             Kinderfragen sind Ausdruck jenes tiefen Erstaunens, mit dem          lichkeiten erfahren, verschiedene Antwortmöglichkeiten und
Illustration: Maren Profke

                             nach den alten Griechen das Philosophieren als Nachdenken            Deutungen erwägen und neue, ungewohnte Sichtweisen ken-
                             über Mensch und Welt beginnt. Kinderfragen in Gesprächen             nenlernen. Dass es auf eine Frage keine eindeutige Antwort gibt
                             aufzugreifen, bedeutet, Kinder ernst zu nehmen und sie bei           und diese offen bleiben muss, ist eine wichtige Einsicht. Dies
                             ihrer Suche nach Orientierung zu unterstützen. Es bedeutet auch,     trägt zur Entwicklung einer fragenden, nachdenklichen und
                             sich auf Augenhöhe mit den Kindern selbst noch einmal auf die        problemsichtigen Einstellung gegenüber Sachen, Personen und

                                                                                                                                                               5
PHILOSOPHIEREN spezial - STAUNEN " FRAGEN " WIDERSPRECHEN - Klett Kita
TPS SPEZIAL   4|20

Phänomenen bei und damit zu einer differenzierten geistigen          nisse werden die beobachteten Effekte überwiegend im Kontext
Grundhaltung in besonderem Maße.                                     sozio-konstruktivistischer Theorien der kognitiven Entwicklung
  Durch die gemeinsame Suche nach schwierigen Antworten              und des Lernens gesehen, zum Beispiel des russischen Psycho-
in einer „Gemeinschaft von Forschenden“ lernen die Kinder, sich      logen Lew Wygotsky oder des US-amerikanischen Psychologen
verständlich mitzuteilen, anderen zuzuhören, das, was andere         Jerome Bruner. Demnach entwickeln Kinder ihr Denken kollek-
denken, aufzunehmen und weiterzudenken. Sie erwerben Ele-            tiv durch Sprache in sozialen Kontexten. Das Philosophieren mit
                                       mente einer demokra-          Kindern ist eine Methode und ein pädagogischer Ansatz, bei
                                           tischen Gesprächs-        dem sich kognitive Herausforderungen auf der inhaltlichen
                                            kultur, die für die      Ebene mit einem konsistenten Prozess des gemeinsamen For-
                                             Verständigung und       cSXU^c>QSXTU^[U^ce^TBU U[dYUbU^cY]1ecdQecSX]YdQ^TU-
                                            einen offenen und        ren verbinden. Es handelt sich hier um einen Zugang, der Kinder
                                           respektvollen Um-         auf eine besondere Art und Weise darin zu unterstützen scheint,
                                  gang mit anderen Menschen          ihre kognitiven, metakognitiven, sozialen und emotionalen
                   von fundamentaler Bedeutung sind. Das             Fähigkeiten zu entwickeln. In der philosophischen Gesprächs-
              Philosophieren kann auch als eine Art Übung            gemeinschaft werden Potenziale entfaltet, die in anderen Ge-
             demokratischer Umgangsformen betrachtet werden.         sprächs- und Unterrichtssituationen nicht in vergleichbarem
                         Es kommt nicht darauf an, recht zu          Maße aktiviert werden können.
                             haben und eigene Interessen                Wie neuere Forschungsergebnisse zeigen, kann das Philoso-
                               durchzusetzen, sondern sich ge-       phieren auch Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten und Förder-
                               meinsam auf den Weg zu ma-            bedarf im Bereich der sozialen und emotionalen Entwicklung
                              chen, ein Problem zu bearbeiten.       bis hin zum Autismus besondere Entfaltungsmöglichkeiten und
                          Perspektiven zu wechseln und ande-         Entwicklungschancen bieten. Kinder, die normalerweise Prob-
re Standpunkte einzunehmen, ist auch eine wichtige Grundlage         leme in der Interaktion mit Gleichaltrigen haben, konnten sich
und Übung für die Entwicklung von Empathiefähigkeit, die in          in philosophische Gespräche konstruktiv einbringen. Sie ver-
;_^ Y[dVÄ\\U^TQcCeSXU^^QSXUY^Ub[_^cdbe[dYfU^
Hinterm Horizont geht’s weiter                                    schätzender dem Gedankengang des Kindes gegenüberstehe“,
                                                                                                 sagte eine Grundschullehrerin, die das Philosophieren mit Kin-
                               Auch die Erwachsenen verändern ihre Wahrnehmung und ihr           dern schon seit mehreren Jahren in ihren Unterricht integriert
                               Verhalten. Überraschung und Erstaunen über die Denkfähig-         hat. Viele Lehrerinnen und Erzieherinnen betrachten das Phi-
                               keiten und die Tiefe der Fragen und Gedanken der Kinder wer-      losophieren mit Kindern auch als eine große persönliche Berei-
                               den oft als Auslöser eines veränderten Blicks beschrieben. So     cherung. Was immer wieder betont wird, ist die Erweiterung
                               sagen Grundschullehrerinnen, die in Interviews auf ihre ersten    des eigenen Horizontes und die Veränderung des eigenen Den-
                               Schritte auf dem Weg des Philosophierens mit Kindern zurück-      kens, ausgelöst sowohl durch die Ansprüche des Philosophierens
                               blicken: „Ich war sehr erstaunt darüber, mit welcher Ernsthaf-    an sich als auch speziell durch den Austausch mit den Kindern
                               tigkeit und Tiefe die Kinder über existenzielle Fragen nachden-   und deren Sicht auf die Welt. So stellte eine Vorschulpädagogin
                               ken konnten.“ – „Es hat mich überrascht, als ich dann mitbekam,   in einem Interview fest: „Für mich persönlich ist es immer ein
                               dass die Kinder ganz, ganz viel zu sagen haben, ganz tiefsinnig   großes Geschenk, mit den Kindern zu philosophieren, weil ich
                               eigentlich schon sich Gedanken machen, über viele Dinge schon     die Welt immer wieder auch aus Kinderaugen und Kindersicht
                               nachdenken können, auch gemeinsam.“ Obwohl die Grundschul-        widergespiegelt bekomme. Und ich werde immer wieder an das
                               lehrerinnen ihre Kinder bereits gut zu kennen meinten, entdeck-   Wesentliche im Leben erinnert.“
                               ten sie im philosophischen Gespräch ganz neue und erstaunliche       Das philosophische Gespräch, obgleich es weder auf bestimm-
                               Fähigkeiten der Kinder.                                           dUJYU\UQecWUbYSXdUd^_SXYbWU^TgU\SXU^JgUS[U^fUb` YSXdUd
                                  Solche Erfahrungen wirken sich aus auf das eigene pädagogi-    ist, bietet viele Entwicklungschancen sowohl für das einzelne
                               sche Selbstverständnis und Handeln. Denn der veränderte Blick     Kind als auch die Gemeinschaft der Kinder. Und es kann auch
                               auf Fähigkeiten und Potenziale der Kinder geht auch einher mit    bei Erwachsenen dazu beitragen, eigene Wahrnehmungen von
                               einer neuen Wertschätzung und einem verstärkten Interesse an      ;Y^TUb^e^TUYWU^U`ÄTQW_WYcSXUF_bcdU\\e^WU^jebU U[dYUbU^
Illustrationen: Maren Profke

                               den Gedanken der Kinder. Die beschriebene veränderte Wahr-        und zu erweitern und sich für das eigene Leben von den Gedan-
                               nehmung gegenüber den Denkfähigkeiten und Gedanken der            ken der Kinder anregen und bereichern zu lassen.
                               Kinder hat in der Folge Konsequenzen für das pädagogische
                               Handeln und auch das professionelle Selbstverständnis: „Ich
                               habe eine ganz andere Haltung in Gesprächssituationen auch        Sie interessieren sich für die verwendete Literatur? Fordern Sie gern die Liste an:
                               mit kleinen Kindern als vor zehn Jahren. Weil ich einfach wert-   tps-redaktion@klett-kita.de

                                                                                                                                                                                  7
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                                                                             Mission Zukunft           geht alle an                Netzwerk                  Welt verstehen               nach Verbundensein
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                                                                             Mitreden und gehört       TPS spezial Frühjahr 2019   Begabung und              Tagesabläufe                 Gute Arbeit
                                                                             werden                    Freiheit aushalten          Expertise                 Bestell-Nr. 15600            sichtbar machen
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