Populationserhebungen der Östlichen Smaragdeidechse (Lacerta viridis viridis) in West-Kärnten - ein Versuch der Bewertung des Erhaltungs

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Populationserhebungen der Östlichen Smaragdeidechse (Lacerta viridis viridis) in West-Kärnten - ein Versuch der Bewertung des Erhaltungs
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              ÖGH-Aktuell Nr. 54: 27–33 (April 2020)

              Populationserhebungen der Östlichen Smaragdeidechse (Lacerta viridis
              viridis) in West-Kärnten – ein Versuch der Bewertung des Erhaltungs-
                        zustandes hinsichtlich Flora-Fauna-Habitatrichtlinie

                                               Anna Karia SMOLE-WIENER
                  Durch das von der Arge NATURSCHUTZ Gegebenheiten (Zugänglichkeit im Siedlungs-
             durchgeführte und im August 2019 abgeschlos- raum, Ausdehnung des geeigneten Habitats
             sene Projekt zur Östlichen Smaragdeidechse etc.) erheblich in ihrer Länge (Tab. 1). Die
             (Lacerta viridis viridis) im Westen von Kärnten praktische Schwierigkeit, im Gelände die emp-
             (SMOLE-WIENER & KRAINER 2019) konnten fohlene Transekt-Länge von 500 m (GOLLMANN
             zahlreiche neue Fundstellen an der westlichen et al. 2007) an allen Standorten zu erreichen,
             Arealgrenze in Kärnten nachgewiesen werden. ist der Autorin schon bei der Untersuchung
             Aus dem Untersuchungsgebiet, welches das von Würfelnatter-Vorkommen (Natrix tessel-
             Mölltal, das Obere Drautal, das Gitschtal und lata) in Kärnten begegnet (SMOLE-WIENER
             das Gailtal westlich von St. Stefan umfasste, 2014). Auch HILL & KLEPSCH (2016) verwen-
             waren zuvor nur 12 Fundstellen (mehrheitlich deten bei ihrer Untersuchung zum Erhaltungs-
             Nachweise vor 1980, CABELA et al. 2001) bzw. zustand der Zauneidechse in Wien unterschied-
             9 Fundstellen (GUTLEB et al. 2011) der Östlichen liche Transektlängen.
             Smaragdeidechse bekannt. In den Untersu-              Die Methoden orientierten sich an den
             chungsjahren 2016 bis 2019 konnten insgesamt von GOLLMANN et al. (2007) empfohlenen
             114 aktuelle Smaragdeidechsen-Nachweise im Mindeststandards für Populationsuntersuchun-
             Untersuchungsgebiet gesammelt werden (SMO- gen an Smaragdeidechsen (Lacerta viridis).
             LE-WIENER & KRAINER 2019), wobei sich die        An jedem Standort wurden zumindest vier,
             Verbreitung der Smaragdeidechse sowohl im meist aber mehr Begehungen zur Erhebung
             Mölltal, im Gailtal und auch im Oberen Drautal der Aktivitätsabundanz entlang eines Transektes
             (im Bundesland Kärnten) weiter nach Westen durchgeführt (Tab. 2). Damit wurden die Stand-
             erstreckt als bisher bekannt (CABELA et al. orte öfter aufgesucht als die von GOLLMANN
             2001, GUTLEB et al. 2011). Eine vergleichbare et al. (2007) empfohlenen drei Begehungen.
             in Osttirol durchgeführte Untersuchung ergab Die Begehungen wurden auf die Untersu-
             keine aktuellen Funde der Smaragdeidechse chungsjahre 2017 bis 2019 verteilt, wodurch
             (GLASER 2017).                                   die Kartierungstage besser auf Tage mit güns-
                  An insgesamt 16 der aktuellen Smaragd- tigen Witterungsbedingungen gelegt werden
             eidechsen-Vorkommen in Kärnten wurden Po- konnten. Transekt-Begehungen fanden jährlich
             pulationsdaten zur Einschätzung des Erhal- im Zeitraum von Mitte April bis Mitte Juni
             tungszustandes gemäß Fauna-Flora-Habitat- sowie im September bei sonniger bis bewölkter
             Richtlinie (FFH-Richtlinie) erhoben. Es wurden Witterung, bei variierenden Windverhältnissen
             auch Habitatcharakteristika und aktuelle Ge- und Lufttemperaturen zwischen 10,0°C und
             fährdungsursachen erfasst, die für die Gesamt- 29,3°C statt (gemessen zu Beginn der jeweiligen
             bewertung des Erhaltungszustandes am jewei- Begehung). Smaragdeidechsen-Sichtungen ge-
             ligen Standort relevant sind. Der vorliegende langen bei jedem Grad der Bewölkung und
             Bericht soll sich aber auf den Aspekt der Be- Windstärke und bei Temperaturen von 11,0°C
             wertung der Populationsdaten beschränken. bis 29,0°C (Tab. 2). Mit einer Ausnahme (G4)
             Deshalb werden im Folgenden nur die Ergeb- kam es an allen Standorten zu Begehungen
             nisse der Populationserhebung präsentiert und ohne Sichtung von Smaragdeidechsen. An vier
             daraus die Einschätzung des Erhaltungszustan- Transekten gab es sogar drei Begehungen ohne
             des vorgenommen und diskutiert.                  Sichtung der Art. Hier könnte mit einer gerin-
                                                              geren Begehungsanzahl die Population schlicht-
                  Von den ausgewählten Standorten (Tab. weg „übersehen“ werden. Aus den vorliegenden
             1) lagen drei im Mölltal (M1 - M3), sechs im Ergebnissen erscheinen die von GOLLMANN et
             Oberen Drautal (D1 – D6), sechs im Gailtal al. (2007) empfohlenen drei Begehungen für
             (G1 – G6) und einer im Gitschtal (Gi1). Die die Populationsuntersuchungen an Smaragd-
             Transekte lagen zumeist entlang von Wegrän- eidechsen als zu gering.
             dern, variierten aber aufgrund der örtlichen

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             Männliche Smaragdeidechse (Lacerta v. viridis). Foto: Anna Karina SMOLE-WIENER

                   Zur Einschätzung des Erhaltungszustandes           tersuchung maximal 10 Smaragdeidechsen im
             der jeweiligen Populationen gemäß FFH-Richt-             Zuge einer einzelnen Begehung beobachtet
             linie wurde die maximale Anzahl beobachteter             wurden (= 14,4 Eidechsen pro Stunde, Tab.
             Smaragdeidechsen im Zuge einer Transekt-                 3), würden 15 der 16 untersuchten Populationen
             Begehung herangezogen (Tab. 3). Aufgrund                 als „mittel bis schlecht“ (=C) einzustufen sein.
             der variierenden Transekt-Längen wurde zur               Vielleicht beeinflussen aber auch andere Fak-
             besseren Vergleichbarkeit die maximale Anzahl            toren (Habitatstrukturen, Fluchtverhalten, etc.)
             an Beobachtungen pro 100 m Transektlänge                 in Kärnten die Auffindbarkeit der Art. Über
             berechnet (Tab. 3). Nach einer Vorgabe für das           die Sichtungswahrscheinlichkeit von Smaragd-
             FFH-Monitoring der Östlichen Smaragdeidechse             eidechsen gibt es bisher keine Untersuchungen
             (Lacerta viridis) in Deutschland (Bundesamt              (ELBING 2016). Die von ELBING (2016) ge-
             für Naturschutz 2017) wird die maximal be-               sammelten Angaben zur Populationsdichte von
             obachtete Individuenanzahl pro Stunde heran-             Smaragdeidechsen-Populationen variieren sehr
             gezogen, weshalb auch diese für die vorliegende          stark zwischen 2 bis 500 Tieren/ha. Hohe Dich-
             Untersuchung errechnet wurde (Tab. 3). Da                ten konnten vorwiegend in zentralen Vorkom-
             dieser Wert unabhängig von unterschiedlichen             mensgebieten beobachtet werden. Da die vor-
             Transektlängen ist und vermutlich auch der               liegende Untersuchung am inneralpinen Ver-
             unterschiedlichen Einsehbarkeit der Habitate             breitungsrand der Art durchgeführt wurde,
             Rechnung trägt (in offeneren Bereichen hält              wurden für die vorliegende Bewertung des Er-
             sich die kartierende Person weniger lang auf             haltungszustandes niedrigere Werte der maximal
             als in dicht verwachsenen), scheint er am besten         beobachteten Smaragdeidechsen pro Stunde
             vergleichbar zu sein.                                    herangezogen:            0         bis       2,5
                   Nach Vorliegen der verschiedenen Werte             Smaragdeidechsen/Stunde wurden als „C“,
             für die maximale Anzahl beobachteter Sma-                2,51 bis 5,0 Eidechsen als „B“ und mehr als 5
             ragdeidechsen stellt sich nun die Frage nach             Eidechsen/Stunde als „A“ gewertet. Entspre-
             der Bewertung hinsichtlich eines günstigen               chend wurde zwei der untersuchten Transekte
             oder schlechten Erhaltungszustandes.                     ein hervorragender Erhaltungszustand (A) zu-
                   Für die Bewertung des Erhaltungszustan-            gewiesen, je sieben ein guter (B) bzw. schlechter
             des der Östlichen Smaragdeidechse (Lacerta               (C) (Tab. 3, EZ 1).
             viridis) in Deutschland (Bundesamt für Na-                     Als weiteres Kriterium wird zur vorlie-
             turschutz 2017) gilt die relative Populations-           genden Bewertung die Gegenüberstellung der
             größe erst ab einer Anzahl von 20 beobachteten           Anzahl an Begehungen mit Sichtung von Sma-
             Eidechsen pro Stunde als „hervorragend“ (=A),            ragdeidechsen mit der Anzahl an Begehungen
             10 bis 19 beobachtete Eidechsen gelten als               ohne Eidechsensichtung zur Diskussion gestellt.
             „gut“ (=B), weniger als 10 als „mittel bis               Die Autorin nimmt an, dass ein regelmäßiges
             schlecht“ (=C). Da bei der vorliegenden Un-              Antreffen von Smaragdeidechsen in einem Ge-

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             biet (wenn auch in geringer Zahl) ebenfalls                      Für die Bewertung des Erhaltungszu-
             als Hinweis auf eine größere Population ge-                standes hinsichtlich der Populationsstruktur
             wertet werden kann. Wurden an zumindest                    gilt ein Reproduktionsnachweis durch Beob-
             75% der Begehungen Smaragdeidechsen am                     achtungen von juvenilen und subadulten Ei-
             Transekt gefunden, wertet das den Erhaltungs-              dechsen zusätzlich zu den adulten als „her-
             zustand um einen Grad auf. Das wirkt sich                  vorragend“ (=A). Wurden adulte zusammen
             auf fünf Transekte aus (M1, D2, D3, D6 und                 mit subadulten oder juvenilen Eidechsen be-
             G5; Tab.3) Im Gegenzug würden Smaragdei-                   obachtet, gilt die Populationsstruktur als „gut“
             dechsen-Sichtungen an nur 25% oder weniger                 (=B), bei Sichtung von nur adulten Tieren als
             der Begehungen den Erhaltungszustand um                    „mittel bis schlecht“ (=C) (Bundesamt für
             einen Grad abwerten. Das trifft für keinen der             Naturschutz 2017). Hinsichtlich der Popula-
             untersuchten Transekte zu. Nach dieser „Kor-               tionsstruktur wurden drei der untersuchten
             rektur“ würden drei der untersuchten Transekte             Smaragdeidechsen-Populationen als „hervor-
             einen hervorragenden Erhaltungszustand (A)                 ragend“ (=A), sechs Populationen als „gut“
             erreichen, zehn einen guten (B) und drei einen             (=B) und sieben Populationen als „mittel bis
             schlechten (C) (Tab. 3., EZ 1k).                           schlecht“ (=C) eingestuft (Tab. 3, EZ 2).

             Tabelle 1: Standorte mit Abundanzerhebungen der Östlichen Smaragdeidechse (Lacerta viridis viridis) an Transekten.

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             Tab. 2 (Seite 30 - 31): Datum, Uhrzeit und Witterung der durchgeführten Begehungen und Smaragdeidechsen-Beob-
             achtungen an den Transekten.
             Wind: 0 = windstill, 1 = leicht windig, 2 = windig
             LT = Lufttemperatur in °C, gemessen zu Beginn der Begehung
             Lv ges. = Summe der beobachteten Smaragdeidechsen (ad, m, f, sa, juv und tot gesamt)
             ad = adult, m = Männchen, f = Weibchen, sa = subadult, juv = juvenil (Schlüpfling)

             Abb. 2 (Bild Seite 32): Beobachtungen von juvenilen Individuen belegen eine erfolgreiche Reproduktion der Popula-
             tion. Foto: Karina SMOLE-WIENER

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             Tab. 3: Bewertung des Erhaltungszustandes je Standort.
             L.v. = maximal beobachtete Anzahl an Smaragdeidechsen bei einer Begehung
             L.v./100m = maximal beobachtete Anzahl an Smaragdeidechsen pro 100 m Transekt
             L.v./h = maximal beobachtete Anzahl an Smaragdeidechsen pro Stunde
             EZ 1 = Einstufung des Erhaltungszustandes auf Basis der Abundanz (L.v./h: 0-2,5 = C; 2,51-5,0 = B; >5,0 = A)
             B+S = Anzahl der Transekt-Begehungen mit Smaragdeidechsen-Beobachtungen
             B-S = Anzahl der Transekt-Begehungen ohne Smaragdeidechsen-Beobachtungen
             EZ 1k = Einstufung des Erhaltungszustandes korrigiert aufgrund der Begehungs-Anzahl mit bzw. ohne Smaragdei-
             dechsen-Beobachtungen
             ad = adulte, sa = subadulte, juv = juvenile Individuen
             EZ 2 = Einstufung des Erhaltungszustandes aufgrund der Populationsstruktur

             Literatur:                                               ELBING, K. (2016): Die Smaragdeidechsen:
                                                                       zwei (un)gleiche Schwestern. Beiheft zur
             Bundesamt für Naturschutz (BfN) und Bund-                 Zeitschrift für Feldherpetologie 3, Laurenti
              Länder-Arbeitskreis (BLAK) FFH-Monito-                   Verlag.
              ring    und      Berichtspflicht   (2017):              GOLLMANN, G., W. KAMMEL & A. MALETZKY
              Bewertungsschemata für die Bewertung des                 (2007): Monitoring von Lurchen und Kriech-
              Erhaltungsgrades von Arten und Lebens-                   tieren gemäß der FFH-Richtlinie: Vorschläge
              raumtypen als Grundlage für ein bundeswei-               für Mindeststandards bei der Erhebung von
              tes FFH-Monitoring. Teil I: Arten nach                   Populationsdaten. ÖGH-Aktuell, Nr.19,
              Anhang II und IV der FFH-Richtlinie (mit                 2007, Wien.
              Ausnahme der marinen Säugetiere). BfN-                  GLASER, F. (2017): Die Smaragdeidechse in
              Skripten 480: 374 Seiten.                                Osttirol – verschollen an einer regionalen
             CABELA, A., H. GRILITSCH & F. TIEDEMANN                   Verbreitungsgrenze? Projektbericht im Auf-
              (2001): Atlas zur Verbreitung und Ökologie               trag der Abteilung Umweltschutz des Amtes
              der Amphibien und Reptilien in Österreich:               der Tiroler Landesregierung, Absam, Dezem-
              Auswertung der herpetofaunistischen Daten-               ber 2017, 44 S.
              bank der Herpetologischen Sammlung des                  GUTLEB B., H. HAPP & M. EISANK (2011): Am-
              Naturhistorischen Museums in Wien. Um-                   phibien und Reptilien Kärntens. – Sonder-
              weltbundesamt, Wien.                                     reihe Natur Kärnten, Band 5. Verlag:

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              Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten,               ländliche Entwicklung 2007 - 2013, Arge
              Klagenfurt, 184 S.                                        NATURSCHUTZ, Klagenfurt: 11 S.
             HILL, J. & R. KLEPSCH (2016): Erhebung und                SMOLE-WIENER, K. & K. KRAINER (2019): Ar-
              Einschätzung des Erhaltungszustands der                   tenschutzprojekt für die Smaragdeidechse
              Zauneidechse (Lacerta agilis) und Erhebung                (Lacerta viridis) am inneralpinen Verbrei-
              der Schlingnatter (Coronella austriaca) in                tungsrand in Kärnten. Endbericht zum Pro-
              den Jahren 2015 und 2016 in Wien. Bericht                 jekt 761NSch-02 im Rahmen des
              im Auftrag des Magistrates der Stadt Wien -               Österreichischen Programmes für die länd-
              Magistratsabteilung 22: 36 S.                             liche Entwicklung 2014 – 2020, Arge NA-
             SMOLE-WIENER, K. (2014): Monitoring und                    TURSCHUTZ, Klagenfurt: 16 S.
              Maßnahmenplanung für die Würfelnatter
              (Natrix tessellata) in Kärnten. Endbericht
              zum Projekt Antragsnummer 18 im Rahmen                   Anna Karina SMOLE-WIENER
              des Österreichischen Programmes für die                  k.smole-wiener@arge-naturschutz.at

             Beobachtungen von juvenilen Individuen belegen eine erfolgreiche Reproduktion der Population. Foto: Karina
             SMOLE-WIENER

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