RACIAL PROFILING IM EUROPÄISCHEN RAUM - Rassismus oder effektive Arbeit im Zusammenhang mit der Strafverfolgung? - JKU ePUB

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                                        Stefanie Wagner

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                                        Institut für Europarecht

                                        Beurteiler / Beurteilerin
                                        Univ.-Prof. Dr. Franz
                                        Leidenmühler

RACIAL PROFILING IM                     Monat Jahr
                                        05/21

EUROPÄISCHEN RAUM
Rassismus oder effektive Arbeit im
Zusammenhang mit der Strafverfolgung?

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magistra der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium
Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die
wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Amstetten, 17.05.2021

Stefanie Wagner

17. Mai 2021                                 Stefanie Wagner                                  2/65
Inhaltsverzeichnis

I.         EINLEITUNG ....................................................................................................................... 5

II.        BEGRIFFSDEFINITIONEN UND ALLGEMEINE ERKLÄRUNGEN .................................... 6

      A.        WAS VERSTEHT MAN UNTER "DISKRIMINIERUNG" UND "RASSISMUS"? .................................... 6
      B.        PROFILING IM ALLGEMEINEN ............................................................................................... 7
      C. CRIMINAL PROFILING .......................................................................................................... 8
      D. RACIAL PROFILING ............................................................................................................. 9
           1.        Definitionen und Abgrenzung zu Ethnic Profiling .........................................................10
           2.        Gibt es Racial Profiling in Europa überhaupt?..............................................................11
                a)      EU-MIDIS-I-Studie ...................................................................................................12
                b)      EU-MIDIS-II-Studie ..................................................................................................13
                c)      Studie "Lebenssituation von "Schwarzen" in urbanen Zentren Österreichs" .............14
           3.        Wann ist Profiling rechtswidrig? ...................................................................................14
           4.        Erscheinungsformen von Racial Profiling .....................................................................16

III. BESTEHENDER RECHTLICHER RAHMEN AUF INTERNATIONALER, EUROPÄISCHER
UND NATIONALER EBENE .....................................................................................................19

      A.        INTERNATIONALE EBENE ...................................................................................................19
           1.        Bestimmungen des Antidiskriminierungsrechts ............................................................19
           2.        Bestimmungen des Datenschutzes ..............................................................................23
           3.        Bestimmungen zum Schutz vor polizeilichen Befugnissen ...........................................26
      B.        EUROPÄISCHE EBENE .......................................................................................................28
           1.        Bestimmungen des Antidiskriminierungsrechts ............................................................28
           2.        Bestimmungen des Datenschutzes ..............................................................................31
           3.        Bestimmungen zum Schutz vor polizeilichen Befugnissen ...........................................33
      C. NATIONALE EBENE AM BEISPIEL ÖSTERREICH ....................................................................33

IV. EINSCHLÄGIGE RECHTSPRECHUNG AUF INTERNATIONALER, EUROPÄISCHER
UND NATIONALER EBENE .....................................................................................................37

      A.        INTERNATIONALE EBENE ...................................................................................................37
           1.        Williams Lecraft gegen Spanien...................................................................................37
           2.        Timishev gegen Russland............................................................................................38
      B.        EUROPÄISCHE EBENE AM BEISPIEL "MELKI UND ABDELI" .....................................................40

17. Mai 2021                                                            Stefanie Wagner                                                    3/65
C. NATIONALE EBENE AM BEISPIEL ÖSTERREICH ....................................................................41
        1.      Erkenntnis VfGH B 1128/02 .........................................................................................41
        2.      Erkenntnis VwGH 2012/01/0149 ..................................................................................43

V. (LANGFRISTIGE) FOLGEN VON RACIAL PROFILING IN BEZUG AUF GESELLSCHAFT
UND POLIZEIARBEIT ...............................................................................................................45

VI. AUSWIRKUNGEN DER COVID-19-MAßNAHMEN AUF DISKRIMINIERUNGEN DURCH
DIE POLIZEI ..............................................................................................................................48

VII. BEKÄMPFUNG VON RACIAL PROFILING .......................................................................50

   A.        DAS SYSTEM IM VEREINIGTEN KÖNIGREICH ........................................................................51
   B.        STEPSS-PROJEKT 2007 ..................................................................................................52
   C. EMPFEHLUNGEN ...............................................................................................................53
        1.      An die nationalen politischen Behörden .......................................................................54
        2.      An die nationalen Strafverfolgungsbehörden ...............................................................55

VIII. FAZIT .................................................................................................................................57

IX. LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS ....................................................................59

17. Mai 2021                                                       Stefanie Wagner                                                         4/65
I.    Einleitung

Racial Profiling ist schon seit langer Zeit eine gängige Strafverfolgungspraktik. Jedoch nimmt die
Zahl der Anwendungen seit den terroristischen Anschlägen in New York am 11. September
2001, in Madrid 2004 und London 2005, aber auch aufgrund der vielen illegalen
Einwanderungen, deutlich zu. Häufig lassen sich Polizeibeamte bei der Entscheidungsfindung
im Rahmen ihrer Ermittlungen und Einsätze von verallgemeinernden Faktoren wie Rasse oder
ethnische Zugehörigkeit beeinflussen.1

Erst Ende Mai 2020 ereignete sich in Minneapolis in den Vereinigten Staaten von Amerika ein
Fall, der weltweite Proteste gegen Polizeigewalt und institutionellen Rassismus auslöste. Dabei
wurde der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd verdächtigt, Zigaretten mit einem angeblich
gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben2, woraufhin Mitarbeiter die Polizei alarmierten.
Obwohl Floyd bei der Kontrolle kooperativ und unbewaffnet war, griffen die Beamten hart durch.
Er wurde mit Handschellen gefesselt und zu Boden gedrückt. Daraufhin kniete sich ein Polizist
für mehr als acht Minuten auf seinen Hals, obwohl Floyd mehrmals sagte, dass er keine Luft
mehr bekomme. Er verlor das Bewusstsein und verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus.3

Doch nicht nur in den USA, sondern auch in Europa ist Racial Profiling ein großes Problem.
Auch in ganz Europa stützen sich Polizisten im Rahmen ihrer Einsätze auf Faktoren wie Rasse
oder      ethnische   Zugehörigkeit,      obwohl     dieses       Vorgehen     gegen     eine    Vielzahl    von
Rechtsvorschriften verstößt und auch negative soziale Auswirkungen nach sich zieht. Vor allem
der Gleichheitssatz und das Verbot der rassischen Diskriminierung werden hierbei verletzt. 4 Das
Vereinigte Königreich ist derzeit das einzige Land in Europa, das systematisch Daten über die
Gründe für eine polizeiliche Kontrolle aufzeichnet.5 Trotz der weiten Verbreitung von Racial
Profiling in Europa, mangelt es allen anderen Mitgliedstaaten an der Auseinandersetzung mit
diesem Thema, weshalb hier noch zahlreiche Unklarheiten herrschen. Unklarheit herrscht vor
allem darüber, wann zulässiges Profiling endet und wann unzulässiges Racial Profiling beginnt.6

1
  Vgl OSJI/ENAR, Ethnisches Profiling (2009) 2.
2
  Vgl DW, Schuldzuweisungen im Fall George Floyd (12.09.2020), https://www.dw.com/de/schuldzuweisungen-im-fall-
george-floyd/a-54902449 (24.03.2021).
3
  Vgl Amnesty International, Gerechtigkeit für George Floyd, https://www.amnesty.de/mitmachen/petition/vereinigte-
staaten-von-amerika-gerechtigkeit-fuer-george-floyd-2020-06-04 (24.03.2021).
4
  Vgl OSJI/ENAR, Ethnisches Profiling (2009) 2.
5
  Vgl BUG, Dossier zum Thema Ethnic Profiling (2012) 7.
6
  Vgl OSJI/ENAR, Ethnisches Profiling (2009) 2.

17. Mai 2021                                          Stefanie Wagner                                         5/65
II. Begriffsdefinitionen und allgemeine Erklärungen

Da es im Zusammenhang mit Racial Profiling eine Vielzahl von Begriffen zu unterscheiden gibt,
ist es notwendig diese vorerst zu definieren und zu erläutern. Zu Beginn ist daher zu klären, was
man überhaupt unter Diskriminierung und Rassismus versteht und welche Arten des Profilings
neben dem Begriff "Racial Profiling" existieren. Grundsätzlich kann man Profiling im Allgemeinen
und Profiling im Zusammenhang mit der Strafverfolgung unterscheiden.7

A. Was versteht man unter "Diskriminierung" und "Rassismus"?

Der Begriff "Diskriminierung" lässt sich vom lateinischen Verb discriminare ableiten, was so viel
wie "unterscheiden, absondern, abgrenzen oder trennen" bedeutet. Erst seit dem späten 20.
Jahrhundert wird der Begriff mit einer negativen Bewertung verbunden und wird verwendet um
"jemanden zu benachteiligen oder herabzusetzen".8 Von der Diskriminierung zu unterscheiden
ist die Ungleichbehandlung. Von Ungleichbehandlung spricht man, wenn eine Person oder
Gruppe von Personen im Vergleich zu einer anderen Person oder Gruppe schlechter behandelt
wird, trotz Vorliegen derselben oder ähnlichen Situation.9 Eine ungleiche Behandlung wird nur
dann zur Diskriminierung, wenn die Ungleichbehandlung aufgrund von bestimmten rechtlich
geschützten Diskriminierungsgründen und ohne sachliche Rechtfertigung erfolgt.10 Eine
Diskriminierung ist lt Rsp des EuGH gegeben, wenn gleiche Sachverhalte unter unterschiedliche
Bestimmungen oder ungleiche Sachverhalte unter dieselben Bestimmungen subsumiert
werden.11 Man unterscheidet unmittelbare und mittelbare Diskriminierung. Wird eine Person
aufgrund eines bestimmten Merkmals (ethnische Herkunft, Weltanschauung oder Religion,
Geschlecht, Alter, Behinderung oder sexuelle Orientierung) in einer ähnlichen Situation
schlechter behandelt als eine andere Person, spricht man von unmittelbarer Diskriminierung.
Hier wird also direkt an einen Diskriminierungsgrund angeknüpft.12 Bei der mittelbaren
Diskriminierung wird an eine an sich neutrale Vorschrift angeknüpft, die sich üblicherweise
benachteiligend auf bestimmte Personengruppen auswirkt.13 Solche Vorschriften können aber

7
  Vgl FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 3.
8
  Vgl Schulz/Basler, Deutsches Fremdwörterbuch, Band IV, 666 f.
9
  Vgl Humanrights.ch, Definition des Begriffs "Diskriminierung" (23.04.2020),
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/diskriminierung/diskriminierungsverbot-dossier/definition-
diskriminierung/ (24.03.2021).
10                                                                                          3
   Vgl Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Handbuch "Rechtlicher Diskriminierungsschutz" (2017) 33.
11
   Vgl EuGH 14.02.1995 Rs C-279/93, Finanzamt Köln-Altstadt/Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31 (Rz 30).
12
   Vgl Vinzenz/Kollros, Diskriminierung (Stand 06.01.2021, Lexis Briefings in lexis360.at).
13
   Vgl Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Chancengleichheit. Das Gleichbehandlungsrecht in Österreich
(2007) 14.

17. Mai 2021                                          Stefanie Wagner                                             6/65
sachlich gerechtfertigt sein, wenn sie ein rechtmäßiges Ziel verfolgen und angemessene und
erforderliche Mittel zur Erreichung des Ziels vorliegen.14

Bei dem Begriff "Rassismus" handelt es sich um eine Ideologie, die Menschen aufgrund von
ihrer Hautfarbe, Herkunft etc in Gruppen einordnet, die explizit oder implizit bewertet und einer
bestimmten hierarchischen Stufe zugeteilt werden, wodurch es zur Schaffung von "Rassen"
kommt. Der omnipräsente und umstrittene Begriff "Rasse" bedeutet somit, dass Menschen
angesichts bestimmter körperlicher, persönlicher oder kultureller Merkmale unterschiedlichen
Hierarchie-Ebenen zugeordnet werden. Bei dieser Machtdifferenz der Rassen nehmen die
"Weißen" eine normierende und neutrale Stellung mit strukturellen Privilegien und Vorteilen ein.
Dies führt zur Legitimation und Aufrechterhaltung von benachteiligenden und rassistischen
Praktiken. Lebenschancen werden ungleichmäßig verteilt und gesellschaftliche Ressourcen
ungleichmäßig zugänglich gemacht. Rassismus als soziales Konstrukt zeigt sich auf sämtlichen
Ebenen des Zusammenlebens einer Gesellschaft, wenn auch in unterschiedlicher Form und
Intensität.15

Institutioneller Rassismus bedeutet, dass eine Institution kollektiv versagt, Menschen wegen
ihrer Hautfarbe oder ethnischen Zugehörigkeit professionelle und adäquate Dienstleistungen zu
ermöglichen. Handlungen und Unterlassungen durch Organe innerhalb einer Institution (etwa
innerhalb der Exekutive) können aufgrund von Ignoranz, Vorurteilen und Unachtsamkeit eine
Diskriminierung und folglich rassistische Stereotype begründen, wodurch Mitglieder von
ethnischen Minderheiten benachteiligt werden.16

B. Profiling im Allgemeinen

Beim allgemeinen Profiling werden einzelne Personen anhand von persönlichen Eigenschaften
kategorisiert. Diese Eigenschaften können sowohl unveränderlich als auch veränderlich sein.
Dazu zählen also beispielsweise neben Geschlecht und Alter, auch Kleidung oder
Gewohnheiten.17

Die Profile werden in drei Schritten erstellt. Zuerst werden zuvor gesammelte Informationen und
Daten (meist digital) in Datenlagern gespeichert. Bei diesen Datenlagern spricht man von "Data
Warehouses". Als nächstes kommt es zum "Data Mining".18 Hier werden mithilfe einer

14
   Vgl Tobler, Grenzen und Möglichkeiten des Konzepts der mittelbaren Diskriminierung (2008) 6.
15
   Vgl Hill, Migrationsfamilien und Rassismus. Zwischen Ausschließungspraxen und Neuorientierung (2020) 12;
Barskanmaz, Recht und Rassismus. Das menschenrechtliche Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse (2019)
20 ff.
16
   Vgl Amnesty International, Österreich: Opfer oder Verdächtige. Eine Frage der Hautfarbe (2009) 8 f.
17
   Vgl FRA, Unrechtmäßiges Profiling heute und in Zukunft vermeiden - ein Leitfaden (2019) 17.
18
   Vgl FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 8.

17. Mai 2021                                       Stefanie Wagner                                        7/65
Computersoftware in den bestehenden Datenbeständen Zusammenhänge gefunden. Es werden
also Personen mit gemeinsamen Eigenschaften zu Gruppen zusammengefasst.19 Den letzten
Schritt nennt man "Inferenz", der manchmal für sich allein schon als Profiling bezeichnet wird.
Dabei wird durch die Interpretation der ermittelten Informationen von den Personen ein
bestimmtes Verhalten abgeleitet. Es kommt also zu einer Schlussfolgerung. Durch die
Schlussfolgerung der Merkmale der Kunden auf deren Kaufverhalten und Wünsche wird den
Unternehmen ermöglicht, ihre Produkte und Dienstleistungen besser an den Kunden
anzupassen. Solch eine Kategorisierung findet etwa im Bereich des Marketings statt.
Marketingunternehmen können damit herausfinden, für welche Produkte sich welche Personen
besonders interessieren und für welche Produkte sie somit werben sollen.20

Obwohl Profiling im Allgemeinen zwar ein hilfreiches Instrument ist, kann hier eine Vielzahl von
Problemen auftreten. Es kommt zu allgemeinen und somit falschen Korrelationen, da sich nicht
jede einzelne Person entsprechend diesen allgemeinen erstellten Profilen verhält. Dadurch
können einzelne Personen diskriminiert werden. Um dies zu verhindern, sollte bei solchen
algorithmischen Profilerstellungen eine nachträgliche Korrektur der Information ermöglicht
werden. Diskriminierungen und Stereotype können auch entstehen, wenn personenbezogene
Daten wie Rasse oder ethnische Zugehörigkeit als Basis für die Erstellung von Profilen dienen.
Dies führt dazu, dass den Personen innerhalb der jeweiligen Rasse ein vergleichbares Verhalten
zugeschrieben wird, obwohl dies nicht verallgemeinert werden kann. Diese Diskriminierungen
kann man vermeiden, indem man solche sensiblen Daten nicht                                in den Datenbestand
aufnimmt.21

C. Criminal Profiling

Beim Criminal Profiling werden Täterprofile dadurch erstellt, indem Merkmale von physischer,
psychischer und verhaltensbezogener Natur, systematisch mit bestimmten Straftaten assoziiert
werden. Diese Profile werden folglich von den Strafverfolgungsbehörden als Grundlage für die
Setzung ihrer Maßnahmen verwendet.22

Es handelt sich dabei um ein gängiges und grundsätzlich rechtmäßiges Instrument im Rahmen
der Strafverfolgung, wobei polizeiliche Ermittlungen durch die Erstellung von Täterprofilen
unterstützt werden. Kriminaltechnisches Profiling spielt sowohl bei bereits begangenen als auch

19
    Vgl Luber/Litzel, Was ist Data Mining? (01.09.2016), https://www.bigdata-insider.de/was-ist-data-mining-a-593421/
(24.03.2021).
20
    Vgl FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 8 ff.
21
    Vgl FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 9 f.
22
    Vgl De Schutter/Ringelheim, Ethnic Profiling: A Rising Challenge for European Human Rights Law, MLR 2008, 358
ff (361).

17. Mai 2021                                           Stefanie Wagner                                            8/65
bei der Verhinderung zukünftiger Straftaten ein Rolle. Wurde bereits eine Straftat begangen,
also liegen bereits bestimmte Erkenntnisse vor, dann handelt es sich bei diesen Profilen um
"Verdächtigenbeschreibungen".23              Man      spricht      von     Strafverfolgungs-Profiling.24     Diese
Beschreibungen sind besonders wichtig, um verdächtige Personen festnehmen zu können.25 Sie
basieren vorwiegend auf Opfer- und Zeugenaussagen und vor allem auf dem persönlichen
Erscheinungsbild des Verdächtigen, das auch rassische und ethnische Eigenschaften
beinhaltet. Je allgemeiner und unkonkreter diese Profile sind, umso höher ist die
Wahrscheinlichkeit, dass sie auf Merkmalen wie Rasse oder ethnische Herkunft beruhen. Damit
steigt auch die Gefahr, dass die Polizei bei der Suche nach den Verdächtigen den Fokus zu
sehr auf Personen legt, die derselben Rasse oder ethnischen Gruppe wie die gesuchte Person
angehört. Folglich steigt auch die Wahrscheinlichkeit einer Diskriminierung. Um gegen kriminelle
Vereinigungen (mit Mitgliedern bestimmter Nationalität oder ethnischer Herkunft) oder illegale
Einwanderungen vorzugehen, erstellt die Polizei oft Täterprofile, die die bestimmte Gruppe
betreffen. Solche zu allgemeinen Profile führen jedoch zu Stereotypen und wirken sich negativ
auf die Polizeiarbeit aus.26

Profile, die erstellt werden, um Personen zu ermitteln, die vermutlich zukünftig straffällig werden,
basieren auf keinen konkreten Erkenntnissen. Grundlage bilden hier nicht Merkmale wie Rasse
oder ethnische Zugehörigkeit, sondern vor allem Verhaltensweisen, die sich aus den
Erfahrungswerten ableiten lassen. Man spricht von präventivpolizeilichem Verhaltens-Profiling.
Sowohl das Strafverfolgungs-Profiling als auch das präventive Verhaltens-Profiling stellen
wirksame und rechtlich zulässige Methoden zur polizeilichen Ermittlung dar. Rechtmäßigkeit ist
aber nur gegeben, wenn die Täterprofile auf konkreten Erkenntnissen oder auf relevanten und
statistisch nachgewiesenen Faktoren basieren, die sich aus dem Verhalten und nicht aus
rassischen oder ethnischen Merkmalen ergeben.27

D. Racial Profiling

Die Debatte über "Racial Profiling" hat ihren Ursprung in den USA. 28 Der Begriff wurde in den
1990er Jahren im Zusammenhang mit dem Ausdruck "driving while black" populär. Dies
beschreibt die polizeiliche Praxis, afroamerikanische oder lateinamerikanische Fahrer in
unverhältnismäßig hoher Anzahl zur Verkehrskontrolle anzuhalten, um nach Beweisen für

23
   Vgl FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 11 f.
24
   Vgl OSJI, Herkunftsbasierte Personenprofile in der EU: allgegenwärtig, ineffizient und diskriminierend.
Zusammenfassender Bericht und Empfehlungen (2009) 4.
25
   Vgl FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 11 f.
26
   Vgl OSJI/ENAR, Ethnisches Profiling (2009) 2 f.
27
   Vgl OSJI, Herkunftsbasierte Personenprofile in der EU: allgegenwärtig, ineffizient und diskriminierend.
Zusammenfassender Bericht und Empfehlungen (2009) 4.
28
   Vgl Naguib, "Racial Profiling" - Definitionen und Einordnung, Jusletter 2017, 2.

17. Mai 2021                                             Stefanie Wagner                                       9/65
andere Verbrechen (vor allem Drogenhandel) zu suchen. Die Praxis beruhte auf der Annahme,
dass diese Autofahrer eher an kriminellen Aktivitäten beteiligt seien als weiße Fahrer.29

1.    Definitionen und Abgrenzung zu Ethnic Profiling

Obwohl es auf der Ebene des Völkerrechts keine einheitliche Definition für Racial Profiling gibt,
erfassen die Begriffsdefinitionen in den verschiedenen einschlägigen Literaturen, Dokumenten
und Institutionen denselben Sinngehalt. Von Racial Profiling spricht man, wenn sich die
Strafverfolgungsbehörden bei ihrer Entscheidungsfindung vorwiegend oder sogar ausschließlich
auf Merkmalen wie Rasse, ethnische Herkunft oder religiöse Zugehörigkeit stützen und zwar
ohne sachliche Rechtfertigung.30 Nach der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung American
Civil Liberties Union (ACLU) handelt es sich bei Racial Profiling um die Praxis von
Strafverfolgungsbehörden,           Personen       gezielt     aufgrund      von     ihrer    Rasse,      ethnischen
Zugehörigkeit, Religion oder nationalen Herkunft einer Straftat zu verdächtigen.31 Die
Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) definiert die rassische
Profilerstellung in ihrer Empfehlung als "die ohne nachvollziehbare objektive und vernünftige
Gründe erfolgende polizeiliche Berücksichtigung von Merkmalen wie Rasse, Hautfarbe,
Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft im Rahmen von
Kontrollen, Überwachungen und Ermittlungen".32 Die Definition der ECRI wird in Europa am
ehesten anerkannt.33 Auch das Europäische Netz gegen Rassismus (ENAR) definiert Racial
Profiling als Handlungen im Rahmen des Ermessens von Polizei- und Ordnungsbeamten, die
sich nicht auf objektive Kriterien und Verhaltensweisen, sondern auf verallgemeinernde
rassische, ethnische oder religiöse Merkmale einer Person stützen. Dies gilt auch, wenn sich
polizeiliche Praktiken im Verhältnis zur Restbevölkerung ohne sachliche Rechtfertigung
unverhältnismäßig stark auf Gruppen bestimmter Rasse, ethnischer Zugehörigkeit oder Religion
auswirken, obwohl diese Praktiken eigentlich nicht in Bezug auf diese verallgemeinernden
Kriterien festgelegt wurden.34

Vom Begriff "Racial Profiling" ist der Begriff "Ethnic Profiling" abzugrenzen, der vor allem von
den europäischen Organisationen, Medien und Wissenschaftlern verwendet wird. Diese beiden
Begriffe werden häufig synonym verwendet. Aus soziologischer Sicht spricht man bei

29
    Vgl De Schutter/Ringelheim, Ethnic Profiling: A Rising Challenge for European Human Rights Law, MLR 2008, 358
ff (360 f).
30
    Vgl Schicht, Racial Profiling bei der Polizei in Deutschland. Bildungsbedarf? Beratungsresistenz?, ZEP 2/2013, 32 ff
(32).
31
    Vgl Naguib, "Racial Profiling" - Definitionen und Einordnung, Jusletter 2017, 2.
32
    Vgl ECRI, Allgemeine Politik-Empfehlung Nr 11: Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der
Polizei, CRI 2007, 4.
33
    Vgl FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 6.
34
    Vgl OSJI/ENAR, Ethnisches Profiling (2009) 3.

17. Mai 2021                                            Stefanie Wagner                                            10/65
Personengruppen, die dieselben kulturellen Merkmale wie Religion oder Sprache aufweisen,
von Ethnizität. Bei Personengruppen mit denselben körperlichen Merkmalen wie Hautfarbe
spricht man hingegen von Rasse. Der bedeutende Unterschied besteht darin, dass die
ethnische Zugehörigkeit durch die Gruppe selbst klassifiziert wird und die Klassifizierung der
Rasse durch andere erfolgt. Der Bereich der ethnischen Zugehörigkeit kann daher die Rasse
umfassen, muss er aber nicht. Racial Profiling wäre aus soziologischer Sicht eine Unterart des
Ethnic Profiling, da es auf physische Merkmale beschränkt ist. Der Begriff "Rasse" bezieht sich
im Folgenden auf das rein soziale Konstrukt und sollte sowohl zusammen mit der Hautfarbe als
auch      mit       der     ethnischen   und     nationalen        Zugehörigkeit   interpretiert    werden.        Das
Hauptaugenmerk im Zusammenhang mit Racial oder Ethnic Profiling liegt auf rassistischen
Zuschreibungen durch die Strafverfolgungsbehörden, weshalb man von Racial Profiling
spricht.35 In dieser Arbeit wird daher zum leichteren Verständnis nur mehr der Begriff "Racial
Profiling" verwendet, der sich sowohl auf die Rasse als auch auf die ethnische Herkunft bezieht.

2.    Gibt es Racial Profiling in Europa überhaupt?

Europaweit häufen sich mehrere Faktoren, die sowohl die Entstehung neuer als auch die
Begünstigung schon bestehender Formen von Racial Profiling fördern. Vor allem die steigende
Anzahl         an     Terroranschlägen,        illegalen      Einwanderungen       und     Flüchtlingen,       sowie
nationalistischen und konservativen Parteien in Europa, treiben Racial Profiling an.

Um Racial Profiling belegen zu können, müssen im Rahmen der Ausübung polizeilicher
Befugnisse, wie beispielsweise bei Personenkontrollen, auch rassische, ethnische oder religiöse
Daten erhoben und anschließend statistisch erfasst werden. Das Vereinigte Königreich ist
jedoch derzeit der einzige EU-Mitgliedstaat, der bei den polizeilichen Kontrollen Daten über die
Rasse          und        ethnische   Zugehörigkeit        systematisch      erfasst.    Eine      Eruierung       des
Verbreitungsausmaßes von Racial Profiling in Europa ist aufgrund der mangelnden
Datenerhebung durch die europäische Polizei deshalb nur schwer möglich. In den staatlichen
Institutionen Europas ist die Annahme weit verbreitet, dass das Erfassen von solchen sensiblen
Daten gegen das Recht auf Schutz der Privatsphäre, vor allem gegen das Datenschutzrecht,
verstößt. Diese Annahme stellt ein sehr großes Hindernis dar. Das Gesetz gewährleistet nämlich
einen Mittelweg solche sensiblen Daten erheben zu dürfen ohne das Recht auf Privatsphäre zu
verletzen.

35
  Vgl Hettrich, Racial Profiling in Europe: How well equipped is National, International and Supranational Human
Rights Law to counter it?, ZEuS 1/2018, 111 ff (115 f); Herrnkind, "Filzen Sie die üblichen Verdächtigen!",
Polizei&Wissenschaft 3/2014, 35 ff (36).

17. Mai 2021                                               Stefanie Wagner                                         11/65
Die ECRI hat die Praxis des Racial Profiling in ihren regelmäßigen Berichten über die
europäischen Staaten untersucht und auch systematisch belegt. Dabei übte die ECRI vor allem
Kritik gegen Österreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien, Russland und die Schweiz. Die
bedeutendsten Belege für die praktische Anwendung von Racial Profiling in Europa liefern die
EU-MIDIS-Studien.36

a)    EU-MIDIS-I-Studie

Bei der EU-MIDIS-Studie handelt es sich um die Erhebung der Europäischen Union zu
Minderheiten und Diskriminierung. Diese empirische Studie wurde von der FRA durchgeführt.37
Sie liefert die bislang umfassendste Datenbasis darüber, wie sehr die Mitglieder ethnischer
Minderheiten innerhalb der EU von Diskriminierung und Viktimisierung betroffen sind. Die EU-
MIDIS-I-Studie erfolgte im Jahr 2008 und stellt die erste Studie dar, die Zuwanderer und
Mitglieder       ethnischer       Minderheiten            aus         allen      Mitgliedstaaten      zu         ihren
Diskriminierungswahrnehmungen und -erfahrungen befragte. Es wurden 23 500 Zuwanderer
und Mitglieder von ethnischen Minderheiten aus den damals 27 EU-Mitgliedstaaten mittels
Fragebögen befragt. Sie wurden ua darüber befragt, welche Erfahrungen sie im Zusammenhang
mit       polizeilichen Kontrollen gemacht haben, ob sie im Rahmen dieser Kontrollen
diskriminierendes Verhalten wahrnehmen konnten und ob sie das Gefühl hatten, dass die
Kontrolle nur aufgrund von ihrer ethnischen Herkunft durchgeführt wurde, also Racial Profiling
stattgefunden hat. Um die Erfahrungen der Minderheiten- und Mehrheitsbevölkerung
vergleichen zu können, erfolgte in zehn EU-Mitgliedstaaten parallel eine Befragung von
zusätzlichen 5 000 Personen aus der Mehrheitsgesellschaft, die in den Wohngegenden der
Minderheiten leben.

Das Ergebnis der Studie zeigt, dass vor allem Roma in Griechenland und Ungarn bzw
Nordafrikaner      in   Frankreich     und     Italien      der     Meinung      waren,      nur   aufgrund      ihres
Migrationshintergrundes angehalten worden zu sein.38 Weiters zeigt sie, dass Personen, die der
Minderheitsbevölkerung         angehören,      eher       angehalten          wurden   als   Personen,     die    der
Mehrheitsbevölkerung angehören. Die Mitglieder der Mehrheitsbevölkerung fühlten sich von den
Polizeibeamten bei den Kontrollen grundsätzlich respektvoll behandelt, wogegen sich Befragte
aus der Minderheitsbevölkerung eher respektlos behandelt fühlten. Zusammenfassend lässt sich
zweifellos sagen, dass der diskriminierende Umgang im Alltag und im Rahmen der Polizeiarbeit

36
   Vgl Humanrights.ch, Rassistisches Profiling: Länderkontexte" (06.06.2016),
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/rassismus/dossier/rassistisches-profiling/laenderkontexte/
(24.03.2021); FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 27.
37
   Vgl FRA, EU-MIDIS. Erhebung der Europäischen Union zu Minderheiten und Diskriminierung. Bericht über die
wichtigsten Ergebnisse (2011) 6.
38
   Vgl FRA, EU-MIDIS. Bericht der Reihe "Daten kurz gefasst". Polizeikontrollen und Minderheiten (2010) 2 ff.

17. Mai 2021                                             Stefanie Wagner                                          12/65
gegenüber ethnischen Minderheiten ein massives Problem in Europa ist. Die Ergebnisse der
Studie zeigen weiters, dass dieses diskriminierende Verhalten das Vertrauen der Minderheiten
in die Effizienz der Polizeiarbeit deutlich schmälert und diese folglich kaum noch rassistisch
motivierten Straftaten bei der Polizei melden.39

b) EU-MIDIS-II-Studie

Im Jahr 2015 startete die FRA die Zweite Erhebung der Europäischen Union zu Minderheiten
und Diskriminierung, die sogenannte EU-MIDIS-II-Studie. Es soll die Entwicklung der letzten
Jahre gezeigt werden. Die FRA veröffentlichte schon vorab einzelne Berichte über bestimmte
Minderheiten. So konzentriert sich der erste veröffentlichte Bericht auf Roma in ausgewählten
Mitgliedstaaten, während der Schwerpunkt im zweiten veröffentlichten Bericht auf muslimischen
Zuwanderern liegt.40 Es wurden Informationen von über 25 000 Personen von unterschiedlicher
ethnischer Herkunft mittels Befragung in allen 28 Mitgliedstaaten gesammelt. Die Studie enthält
Fragen zu wahrgenommenen Diskriminierungen in verschiedenen Bereichen wie etwa im
Zusammenhang mit dem Zugang zu Beschäftigungen, mit Polizeikontrollen oder darüber, ob sie
in öffentliche Institutionen vertrauen.41

14 % aller Befragten gaben an, im vergangenen Jahr vor der Durchführung der Studie
mindestens einmal von einer Personenkontrolle betroffen gewesen zu sein, wobei 40 % dieser
Personen der Meinung waren, nur aufgrund von ihrer ethnischen Herkunft oder ihres
Migrationshintergrundes angehalten worden zu sein. In den fünf Jahren vor der Umfrage wurden
26 % aller Befragten von der Polizei angehalten, wobei 33 % das Gefühl hatten, dass
ausschlaggebender Grund ihre ethnische Zugehörigkeit war. 58 % der Befragten wurde in einem
privaten Auto angehalten. Ähnlich wie bei der EU-MIDIS-I-Studie wurden auch hier
Nordafrikaner und Roma am häufigsten angehalten und Befragte russischer ethnischer
Minderheiten waren eher nicht der Ansicht, aufgrund ihrer ethnischen Herkunft angehalten
worden zu sein. Die Studie verdeutlicht, dass die Häufigkeit der Wahrnehmung von Racial
Profiling in den letzten fünf Jahren vor der Umfrage zwischen den verschiedenen ethnischen
Gruppen in einigen Mitgliedstaaten variiert. In Österreich haben 37 % der Befragten
afrikanischer Herkunft und nur 6 % Mitglieder türkischer Herkunft angegeben, Racial Profiling
wahrgenommen zu haben. Ein ähnliches Muster zeichnet sich auch in den Niederlanden und in
Belgien ab. Die Befragungen haben in einem Zeitraum stattgefunden, in dem es in Europa zu
einigen Terroranschlägen und zu vielen Einwanderungen kam, was zu einer Zunahme von
polizeilichen Überwachungen, Identitätsprüfungen und Kontrollen führte. Vor allem Roma und
39
   Vgl FRA, EU-MIDIS. Erhebung der Europäischen Union zu Minderheiten und Diskriminierung. Bericht über die
wichtigsten Ergebnisse (2011) 6 ff.
40
   Vgl FRA, EU-MIDIS II. Second European Union Minorities and Discrimination Survey. Main results (2017) 10 f.
41
   Vgl FRA, EU-MIDIS II. Second European Union Minorities and Discrimination. Technical report (2017) 8.

17. Mai 2021                                          Stefanie Wagner                                            13/65
Nordafrikaner fühlten sich bei der Anhaltung von der Polizei respektloser behandelt als andere
Minderheiten.        Obwohl      ein    großer    Teil    der     Angehörigen          unterschiedlicher   ethnischer
Minderheiten bereits diskriminierendes Verhalten durch die Polizei erfahren musste, zeigt die
EU-MIDIS II, dass die Befragten aller Zielgruppen (mit Ausnahme der Roma) im Durchschnitt in
die Polizei und die nationalen Institutionen vertrauen.42

c)     Studie "Lebenssituation von "Schwarzen" in urbanen Zentren Österreichs"

Zwischen März und Oktober 2012 wurde diese österreichische Studie ua von der Universität
Graz       durchgeführt.      Befragt     wurden        717     Personen         mit   schwarzer     Hautfarbe      und
Lebensmittelpunkt in Österreich in den Städten Graz, Innsbruck, Salzburg und Linz. Die
Befragung erfolgte mittels Fragebögen. Es wurde analysiert, ob die Befragten wahrnehmen
konnten, in Lebensbereichen wie Recht oder öffentlichen Raum aufgrund von ihrer Hautfarbe in
der Ausübung ihrer Grundrechte beschränkt oder benachteiligt worden zu sein.

Die Ergebnisse zeigen, dass ein Drittel der befragten Personen von den Behörden nicht mit
Respekt behandelt wurde. 40 % der Interviewpartner fühlten sich bei den Gerichten respektlos
behandelt. Rund ein Viertel der Befragten beschwerte sich nicht über das respektlose Verhalten
bei Behörden und Gerichten, da es ihnen am Vertrauen in diese Institutionen mangelt. 70 % der
befragten        Personen      bezweifeln,       dass     Schwarze          im    österreichischen    Rechtssystem
gleichbehandelt werden, wobei der soziale Status der Befragten bei der Wahrnehmung eine
große Rolle spielt. Diejenigen, die bisher noch nie mit Gerichten und Behörden in Kontakt
getreten sind, sind eher von einer Gleichbehandlung im Rechtssystem überzeugt. In den letzten
12 Monaten vor der Studie hat die Polizei 57 % aller befragten Personen angehalten und
aufgefordert sich auszuweisen. Beinahe jeder Zweite davon hatte dabei das Gefühl, nicht
rechtmäßig behandelt worden zu sein. Die Studie zeigt, dass in allen vier Städten im
Rechtsbereich deutlich und sehr häufig bei der Inanspruchnahme von Grundrechten gegen das
Verbot rassistischer Diskriminierung verstoßen wird. Ein großer Teil von den in Österreich
lebenden Menschen mit schwarzer Hautfarbe konnte vor Verwaltung und Justiz keine
Gleichbehandlung erfahren.43

3.     Wann ist Profiling rechtswidrig?

Die FRA verwendet den Begriff "diskriminierendes Racial Profiling", um rechtswidriges Profiling
zu definieren. Nach ihrer Ansicht wird nicht zwingend gegen ein Gesetz verstoßen, wenn Rasse,

42
     Vgl FRA, EU-MIDIS II. Second European Union Minorities and Discrimination Survey. Main results (2017) 68 ff.
43
     Vgl Philipp/Starl, Lebenssituation von "Schwarzen" in urbanen Zentren Österreichs (2013) 3 ff.

17. Mai 2021                                              Stefanie Wagner                                           14/65
ethnische Herkunft oder Religion zur Erstellung eines Profils verwendet werden. Man spreche lt
FRA von diskriminierendem und somit unrechtmäßigem Racial Profiling, wenn eine Person eine
schlechtere Behandlung durchmachen muss als andere Personen in einer gleichen Situation
und Polizeibeamte sich beim Entschluss über die Ausübung ihrer polizeilichen Befugnisse
überwiegend oder sogar ausschließlich auf Faktoren wie Rasse, ethnische Zugehörigkeit oder
Religion einer Person stützen. Dies kann zB bei einer Identitätsfeststellung oder Untersuchung
im Rahmen der Polizeiarbeit der Fall sein. Jedoch ist es sowohl auf praktischer als auch auf
rechtlicher Ebene nicht einfach zu ermitteln, ob eine Entscheidung ausschließlich bzw
überwiegend auf Faktoren wie Rasse, ethnische Herkunft oder Religion basiert oder auch
andere Faktoren einbezogen wurden.44 Die FRA und auch andere Organisationen und Autoren45
gehen daher von einer engen Definition des Begriffs aus und beschränken Racial Profiling auf
einen engen Anwendungsbereich. Dieses liegt demnach ja nur vor, wenn Rasse oder ethnische
Herkunft die einzigen Kriterien sind, die als Entscheidungsgrundlage dienen. Somit werden
Praktiken, die dennoch rassistisch voreingenommen sind, von dieser engen Definition
ausgeschlossen.46

Der Begriff "diskriminierendes Racial Profiling" impliziert, dass es auch nicht-diskriminierendes
Racial Profiling geben kann, was jedoch irreführend ist, da der Begriff "Racial Profiling" für sich
schon eine Form der Diskriminierung darstellt. Hier werden Racial Profiling, das eine
diskriminierende Praxis der Strafverfolgungsbehörden darstellt, und Criminal Profiling, wobei es
sich um eine auf statistischen Schlussfolgerungen basierende Ermittlungstechnik handelt, die
Straftäter ermitteln kann und sensible personenbezogene Daten wie Rasse oder ethnische
Zugehörigkeit enthalten kann, vermischt.47 Feststeht, dass es diskriminierend ist, wenn eine
Person nur aufgrund der Rasse oder ethnischen Zugehörigkeit verdächtigt wird. Beruht der
Entschluss der Strafverfolgungsbehörden jedoch neben rassischen oder ethnischen Merkmalen
auch auf anderen Faktoren, ist das Risiko einer Diskriminierung nicht weniger gegeben. Der
Nichtdiskriminierungsgrundsatz erlaubt nur in Ausnahmefällen den Einfluss von solchen
persönlichen Merkmalen auf die Entscheidungsfindung.48 Andere Autoren gehen daher
richtigerweise von einer weiter gefassten Definition aus, wonach man bereits von Racial Profiling
spricht, wenn Rasse oder ethnische Herkunft eines von mehreren entscheidungsrelevanten
Kriterien ist. Hier wird die Entscheidung also aufgrund eines Motivbündels gefällt.49

44
    Vgl FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 15 ff.
45
    Vgl De Schutter/Ringelheim, Ethnic Profiling: A Rising Challenge for European Human Rights Law, MLR 2008, 358
ff (362).
46
    Vgl Hettrich, Racial Profiling in Europe: How well equipped is National, International and Supranational Human
Rights Law to counter it?, ZEuS 1/2018, 111 ff (115).
47
    Vgl OSJI, Reducing Ethnic Profiling in the EU. A Handbook of Good Practices (2012) 19.
48
    Vgl De Schutter/Ringelheim, Ethnic Profiling: A Rising Challenge for European Human Rights Law, MLR 2008, 358
ff (363).
49
    Vgl Hettrich, Racial Profiling in Europe: How well equipped is National, International and Supranational Human
Rights Law to counter it?, ZEuS 1/2018, 111 ff (115).

17. Mai 2021                                          Stefanie Wagner                                         15/65
Strafverfolgungsbehörden sind oft der Meinung, dass es sich bei der Profilerstellung, basierend
auf weitreichenden rassischen bzw ethnischen Kategorien, um eine wirksame Maßnahme der
Polizei handle. Demografische und sozioökonomische Eigenschaften wie Rasse oder ethnische
Herkunft verwendet die Polizei im Rahmen ihrer Tätigkeit oft als Indizien für Straftatenmuster,
wobei man davon ausgeht, dass gewisse Straftatbestände öfter von Angehörigen bestimmter
Minderheiten erfüllt werden. Folglich solle man die Vorgehensweisen der Strafverfolgung so
konfigurieren, dass sie betreffend bestimmter Straftaten auf gewisse Gesellschaftsgruppen
zugeschnitten sind. Plausibel ist, dass in gewissen Gesellschaften Minderheitsgruppen
unterschiedliche Straftatenprofile darstellen, die durch den ökonomischen oder sozialen Status
geprägt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Häufigkeit von Personenkontrollen und
Durchsuchungen zwingend "mit den Straftatenquoten der verschiedenen ethnischen oder
Rassengruppen einhergeht".50 Mithilfe von Studien, die in den USA und einigen europäischen
Staaten wie zB Großbritannien durchgeführt wurden, konnte man feststellen, dass diese
Profilingstrategien, die auf Kriterien wie Rasse oder ethnische Zugehörigkeit basieren und kein
bedeutenderes und sinnvolleres Ziel verfolgen, wirkungslos sind. Solche Ermittlungsstrategien
verhindern weder Terrorismus noch andere Straftaten. Sogar im Gegenteil: Auf Racial Profiling
basierende Ermittlungen verringern die Sicherheit.51 Darauf wird in Kapitel V noch näher
eingegangen.

Um diskriminierende Entscheidungen im Rahmen der Polizeiarbeit möglichst zu verhindern,
sollten sich diese auf andere Merkmale wie Rasse, ethnische Herkunft oder Religion beziehen,
auch wenn diese Faktoren für die jeweilige Maßnahme relevant sind. Dies stellt sicher, dass die
Polizeibeamten bzgl der betreffenden Person nur Maßnahmen setzen, die nicht automatisch
rassische, ethnische oder religiöse Merkmale mit kriminellem Verhalten verbinden. Das Risiko
von Racial Profiling minimiert sich, wenn bei der Wahrnehmung polizeilicher Befugnisse
Merkmale wie Rasse und ethnische Herkunft ausgeklammert und nur verhaltensrelevante
Faktoren berücksichtigt werden, durch die eine bestimmte Person heraussticht.52

4.    Erscheinungsformen von Racial Profiling

Racial Profiling kann verschiedene Formen annehmen - einige explizit, andere indirekt oder
sogar unbeabsichtigt.53 Allgemein differenziert man formelles und informelles Racial Profiling. 54
Wenn Racial Profiling auf einem Profil basiert, das von der zuständigen Behörde formell erstellt

50
   Vgl FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 35 ff.
51
   Vgl OSJI/ENAR, Ethnisches Profiling (2009) 8.
52
   Vgl FRA, Diskriminierendes "Ethnic Profiling" erkennen und vermeiden: Ein Handbuch (2010) 24.
53
   Vgl OSJI, Reducing Ethnic Profiling in the EU. A Handbook of Good Practices (2012) 21.
54
   Vgl Hettrich, Racial Profiling in Europe: How well equipped is National, International and Supranational Human
Rights Law to counter it?, ZEuS 1/2018, 111 ff (116).

17. Mai 2021                                            Stefanie Wagner                                             16/65
wurde, spricht man von formellem Racial Profiling.55 Hier werden die Beamten von den höheren
Organisationsebenen in schriftlicher oder mündlicher Form konkret angewiesen, in bestimmten
Gebieten nach Gruppen bestimmter Rasse oder ethnischen Zugehörigkeit zu fahnden.
Drogenumschlagplätze können beispielsweise solche Orte sein.56 Es wird auf bestimmte
Bereiche und Formen der Kriminalität abgezielt. Wird die Praxis auf ausdrücklichen Befehl hin
durchgeführt, lässt sich die Anwendung von Racial Profiling einfach nachweisen. Häufig ergibt
sich Racial Profiling jedoch aus den Entscheidungen einzelner Polizeibeamter, von denen einige
rassistische Ansichten vertreten (und somit bewusst Racial Profiling praktizieren), jedoch ist
vielen davon nicht bewusst, in welchem Ausmaß rassische bzw ethnische Stereotype und
Verallgemeinerungen ihre subjektive Entscheidungsfindung darüber, welche Personen sie
anhalten und kontrollieren sollen, beeinflusst.57 Hier handelt es sich um informelles Racial
Profiling.58 Während die Erstellung von formalen Profilen oft automatisch erfolgt, entstehen
informelle Rassenprofile meistens direkt vor Ort, etwa bei Identitätsüberprüfungen. Beim
informellen Racial Profiling ist der Nachweis der Faktoren, aufgrund deren die Entscheidung des
Beamten schlussendlich im Einzelfall ergangen ist, mangels ausreichender Transparenz
schwierig.59

Formelles und informelles Racial Profiling lässt sich noch in andere Erscheinungsformen
unterteilen. Diese Arbeit beschäftigt sich jedoch nur mit einer Auswahl dieser Formen.

In der Öffentlichkeit am häufigsten debattiert werden Personen- und Fahrzeugkontrollen.60 Hier
unterliegen       Personen         den       Überzeugungen              und     Anschauungen            einzelner
Strafverfolgungsbeamten. Personen, die von solchen Überprüfungen betroffen sind, streben
kaum gerichtlichen Schutz an, da Personen- und Fahrzeugkontrollen im Gegensatz zu Data
Mining schnell beendet sind. Es gibt somit womöglich eine hohe Dunkelziffer an Fällen, in denen
Personen bei Identitätsprüfungen und Fahrzeugkontrollen von Racial Profiling betroffen sind.

Weiters kann Racial Profiling im Bereich des Data Minings vorkommen. Dabei werden
gelegentlich sensible personenbezogene Daten zu ethnischer Zugehörigkeit, nationaler
Herkunft, Religion etc von der Polizei zu Ermittlungszwecken verwendet. Beim Data Mining wird
eine Vielzahl von individuellen personenbezogenen Daten automatisch verarbeitet. Es kann
aber durchaus notwendig und verhältnismäßig sein solche sensiblen personenbezogenen Daten
55
    Vgl De Schutter/Ringelheim, Ethnic Profiling: A Rising Challenge for European Human Rights Law, MLR 2008, 358
ff (362).
56
    Vgl Espahangizi, Racial/Ethnic Profiling: Institutioneller Rassismus - Kein Einzelfallproblem. Öffentliche
Stellungnahme zur institutionellen Verantwortung für diskriminierende Polizeikontrollen (2016) 5.
57
    Vgl OSJI, Reducing Ethnic Profiling in the EU. A Handbook of Good Practices (2012) 21.
58
    Vgl De Schutter/Ringelheim, Ethnic Profiling: A Rising Challenge for European Human Rights Law, MLR 2008, 358
ff (362).
59
    Vgl Hettrich, Racial Profiling in Europe: How well equipped is National, International and Supranational Human
Rights Law to counter it?, ZEuS 1/2018, 111 ff (117).
60
    Vgl Herrnkind, "Filzen Sie die üblichen Verdächtigen!", Polizei&Wissenschaft 3/2014, 35 ff (37 f).

17. Mai 2021                                          Stefanie Wagner                                         17/65
zu verwenden, wenn diese auf einer Grundlage, wie auf einer Opfer- oder Zeugenbeschreibung
oder auf zuverlässigen und aktuellen Erkenntnissen basieren, die die ethnische Zugehörigkeit
oder nationale Herkunft beinhalten. In diesen Fällen liegt kein Racial Profiling vor. Wenn es aber
bei     der    Verwendung       solcher      Daten     zur     Widerspiegelung        von     Stereotypen       und
Verallgemeinerungen kommt, die grundlegende persönliche Merkmale mit einer beleidigenden
Neigung verbinden, wird die Grenze zu Racial Profiling überschritten. Data Mining findet
beispielsweise bei der deutschen "Rasterfahndung" statt, wo die Polizei persönliche Datensätze
von privaten und öffentlichen Stellen überprüft, um Personen zu finden, die bestimmte
verdächtige Merkmale aufweisen.61

Auch bei Strategien zur Terrorismusbekämpfung kommt es nicht selten zu Racial Profiling. Im
Zuge dessen sollen Personen deradikalisiert werden oder es soll versucht werden, Personen zu
identifizieren, die für gefährdet gehalten werden, mit Terroristen zu sympathisieren. Solche
Strategien beruhen aber häufig auf umfassenden Verallgemeinerungen und Vorurteilen über
religiöse Praktiken. Strafverfolgungsbeamte und Nachrichtendienste setzen hier ihren Fokus oft
auf Personen, die bestimmte Grundsätze des Islams praktizieren, und setzten diese mit
terroristischen Aktivitäten in Verbindung, obwohl keine konkreten Beweise und Anhaltspunkte
gegeben sind.62

Während der Einwanderungskontrolle auf Flughäfen oder Bahnhöfen wählen Polizei- oder
Zollbeamte bei der Suche nach illegalen Einwanderern oft gezielt Personen nach körperlichen
Merkmalen wie der Hautfarbe oder aufgrund einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit aus.
Dies ist jedoch nicht einfach zu beweisen, da solche Kontrollen lt Regierung geheim zu halten
sind.

Razzien richten sich gegen eine unbestimmte Anzahl an Personen. Hier wird meistens eine
ganze Gruppe einer Straftat verdächtigt. Es handelt sich um umfassende Personenkontrollen,
die oft als vorbeugende Maßnahme dienen. Nach dem Open Society Institute waren in Europa
vor allem Roma von Razzien betroffen.63

61
   Vgl Hettrich, Racial Profiling in Europe: How well equipped is National, International and Supranational Human
Rights Law to counter it?, ZEuS 1/2018, 111 ff (117); OSJI, Reducing Ethnic Profiling in the EU. A Handbook of Good
Practices (2012) 20.
62
   Vgl OSJI, Reducing Ethnic Profiling in the EU. A Handbook of Good Practices (2012) 20.
63
   Vgl Herrnkind, "Filzen Sie die üblichen Verdächtigen!", Polizei&Wissenschaft 3/2014, 35 ff (38); Hettrich, Racial
Profiling in Europe: How well equipped is National, International and Supranational Human Rights Law to counter it?,
ZEuS 1/2018, 111 ff (118).

17. Mai 2021                                           Stefanie Wagner                                          18/65
III. Bestehender rechtlicher Rahmen auf internationaler, europäischer und
      nationaler Ebene

Das derzeit bestehende internationale und europäische Recht enthält keine Bestimmungen, die
sich explizit mit dem Konzept des Racial Profilings auseinandersetzen. Jedoch existiert eine
Reihe von international oder europaweit gesetzlich verankerten Menschenrechtsgarantien, die
dazu beitragen den rechtlichen Rahmen festzulegen, anhand dessen die Rechtskonformität
solcher Praktiken und Verfahren geprüft werden muss. Zu den wichtigsten Bestimmungen
gehören das Recht auf Gleichstellung jeder Person vor dem Gesetz und das Recht auf
Nichtdiskriminierung. Außerdem steht Racial Profiling, abhängig von den jeweiligen Umständen,
in Konflikt mit dem Recht auf auf Datenschutz oder mit polizeilichen Bestimmungen.64

Dieses Kapitel setzt den Schwerpunkt vor allem auf Personen- und Fahrzeugkontrollen und
Data Mining, da die Thematisierung weiterer Erscheinungsformen den Rahmen dieser Arbeit
sprengen würde. Im Folgenden werden die Bestimmungen des Antidiskriminierungsrechts, des
Datenschutzes und Bestimmungen zum Schutz vor polizeilichen Befugnissen auf internationaler
und europäischer Ebene sowie auf nationaler Ebene am Beispiel Österreich behandelt.

A. Internationale Ebene

1.    Bestimmungen des Antidiskriminierungsrechts

Obwohl im internationalen Recht kein explizites Verbot von Racial Profiling verankert ist, haben
mehrere internationale Organisationen und auch Gerichte die Völkerrechtswidrigkeit von Racial
Profiling ausgesprochen, da es das internationale Diskriminierungsverbot verletzt. Nach dem
Diskriminierungsverbot sind qualifizierte Ungleichbehandlungen verboten und es gewährleistet
den Schutz einer oder mehrerer Personen vor einer benachteiligenden Behandlung im Vergleich
zu anderen Personen in einer ähnlichen Situation. Personen- und Fahrzeugkontrollen aufgrund
der      Rasse     oder     ethnischen      Herkunft       stellen      solche   verbotenen        qualifizierten
                                65
Ungleichbehandlungen dar.            Zu den wesentlichsten internationalen Instrumenten, die sich mit
Diskriminierung und Gleichheit befassen, gehören neben der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte (AEMR) auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte

64
    Vgl De Schutter/Ringelheim, Ethnic Profiling: A Rising Challenge for European Human Rights Law, MLR 2008, 358
ff (363); OSJI, International Standards on Ethnic Profiling: Decisions and Comments from the UN System (2016) 6.
65
    Vgl Humanrights.ch, Rassistisches Profiling: Internationales Recht (06.06.2016),
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/rassismus/dossier/rassistisches-profiling/internationales-recht/
(31.03.2021).

17. Mai 2021                                          Stefanie Wagner                                        19/65
(ICCPR, UN-Zivilpakt), der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
(ICESCR, UN-Sozialpakt) und das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form
von Rassendiskriminierung (ICERD).66

Die AEMR von 1948 ist eine Resolution der UN-Generalversammlung und somit kein
völkerrechtlicher Vertrag. Die Erklärung stellt daher eine für die Staaten rechtlich nicht bindende
Rechtsquelle dar, wobei einige ihrer Garantien heute als Gewohnheitsrecht gelten. Sie bildet
das Fundament für die folgenden beschlossenen menschenrechtlichen Verträge. Nach Art 1 ist
jeder Mensch frei und seit Geburt an mit den gleichen Rechten und der gleichen Würde
ausgestattet und Art 2 gewährleistet allen Menschen einen Anspruch auf die in der AEMR
genannten Rechte unabhängig von ihrer Rasse, Religion, Hautfarbe oder Nationalität.67 Bei den
anderen oben genannten Rechtsquellen handelt es sich hingegen um völkerrechtliche Verträge,
die durch Ratifikation in den einzelnen Staaten verbindlichen Charakter erlangen.68

Der UN-Zivilpakt gewährt neben bürgerlichen und politischen Rechen auch Grundfreiheiten, die
in der AEMR enthalten sind. Art 2 Abs 1 verspricht die Gewährleistung der Rechte der
Konvention ohne Diskriminierung. Der UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) ist für die Umsetzung
des ICCPR verantwortlich. Bei der Auslegung des Gleichheitsrechts ist die Rechtsprechung des
UNHRC sehr hilfreich. Der wichtigste Artikel dieses Pakts betreffend Diskriminierung ist Art 26.
Demnach sind alle Personen gesetzlich gleichgestellt und haben einen diskriminierungsfreien
Anspruch auf den gleichen Schutz vor dem Gesetz. Somit verbietet Art 26 Diskriminierungen
und garantiert allen Personen gleichen und wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aufgrund
von Hautfarbe, Rasse, Religion, Sprache, ethnischer Herkunft etc. Es handelt sich um einen
eigenständigen Artikel, der weder ergänzend zu einem Artikel im Pakt noch zu einem Recht in
anderen internationalen Verträgen ist. Der Anwendungsbereich des Art 26 umfasst alle Rechte,
die in sonstigen menschenrechtlichen Bestimmungen enthalten sind und beschränkt sich im
Vergleich zu Art 14 EMRK nicht auf seine enthaltenen Rechte.69 Nach den Allgemeinen
Bemerkungen Nr. 18 des UNHRC stellt aber eine unterschiedliche Behandlung, die objektiv und
angemessen ein legitimes Ziel verfolgt, keine Diskriminierung dar.70

Der UN-Sozialpakt wurde zusammen mit dem Zivilpakt von der UN-Generalversammlung
verabschiedet. Die Staaten werden durch den Sozialpakt zur Gewährleistung von sozialen,

66
   Vgl Muhammad, Legal Framework of Racial Discrimination, Art Social Sci J/2017, 1.
67
   Vgl Humanrights.ch, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
https://www.humanrights.ch/de/ipf/grundlagen/rechtsquellen-instrumente/aemr/ (06.04.2021).
68
   Vgl Amnesty International, Österreich: Opfer oder Verdächtige. Eine Frage der Hautfarbe (2009) 14.
69
   Vgl Muhammad, Legal Framework of Racial Discrimination, Art Social Sci J/2017, 2 f.
70
   Vgl HRC, CCPR General Comment No. 18: Non-discrimination (1989).

17. Mai 2021                                           Stefanie Wagner                                  20/65
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