Stellungnahme zur neuen RTL Reality-Serie die Super Nanny

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Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zur neuen Reali... http://www.kinderschutzbund-nrw.de/StellungnahmeSuperNanny.htm

                                       Stellungnahme zur

                                neuen RTL Reality-Serie

                                          die Super Nanny

              Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zur neuen
                        Realityserie „Die Super Nanny“ bei RTL[1]

         Anlässlich der geplanten neuen Realityserie bei RTL „Die Super Nanny“, von der ein
         erster Teil bzw. der Pilotfilm bereits dreimal ausgestrahlt wurde (19.9, 25.9.2.10.), setzt
         sich der Deutsche Kinderschutzbund kritisch mit der Form und den Inhalten des
         Real-People-Formats auseinander.

         Der Deutsche Kinderschutzbund reagiert mit dieser Stellungnahme auf zahlreiche
         Beschwerden von Eltern und Fachkräften als Reaktion auf die Ausstrahlung. Da weitere
         Folgen geplant sind, sieht sich der Deutsche Kinderschutzbund in seiner Funktion als
         Lobby für Kinder gefordert, die Interessen der Mädchen und Jungen zu wahren und für
         die Einhaltung der Kinderrechte einzutreten.

         Der große Erfolg der Erstausstrahlung der „Super Nanny“ am 19.09.2004, der RTL
         knappe 5 Millionen Zuschauer bescherte, zeigt, dass es auf Seiten von Müttern und
         Vätern ein großes Bedürfnis nach Unterstützung und Hinweisen für den
         Erziehungsalltag mit ihren Kindern gibt. Diesen Bedarf bei Eltern durch die Medien
         aufzugreifen, ist grundsätzlich ein zu begrüßendes Unterfangen. Die Serie „Die Super
         Nanny“ wird jedoch weder in ihrer Form noch in ihren Inhalten diesem Anspruch
         unter Beachtung der Kinderrechte und der Menschenwürde gerecht.
         Kindererziehung stellt in der modernen Gesellschaft die Eltern vor hohe
         Anforderungen. Pluralisierung von Lebensstilen und Werten und Normen, rasante
         technische und wirtschaftliche Veränderungen, der Wegfall traditioneller Netzwerke,
         weniger Kinder etc. sind einige der Aspekte, die maßgeblichen Einfluss auf die
         Erziehung haben und die Anforderungen an Eltern steigen lassen. Diese
         Entwicklungen lassen sich nicht mit einfachen Lösungen beantworten, sollen die
         Kinder verantwortungsbewusste Gestalter und Mitglieder der Gesellschaft von morgen
         sein.
         Wir werden im folgenden unsere Kritik an der „Super Nanny“ konkretisieren (fett
         gedruckte Textteile), aber auch all die Fragen stellen, die uns durch die Ausstrahlung
         bisher unbeantwortet bleiben:

         Zu den Rahmenbedingungen beim Entstehen des Pilotfilms
         Vor Aufnahme der Filmarbeit: Vorbereitung der Familie
             Die Familien, die sich zu einer Intervention durch die Super Nanny entschließen
               und sich bewerben, müssen zunächst ein Casting durchlaufen. Welche Kriterien

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Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zur neuen Reali... http://www.kinderschutzbund-nrw.de/StellungnahmeSuperNanny.htm

               entscheiden darüber, welche Familie mit welchen Erziehungsschwierigkeiten
               und Problemen den Zuschlag bekommt?
              Versprochen werden den Familien für 2 Wochen Mitmachen 2000 Euro.
               Inwiefern sind dadurch Bestimmungen des Kinderarbeitsschutzes berührt bzw.
               die Richtlinie in NRW zur Mitwirkung von Kindern beim Film- und
               Fernsehproduktionen (Ausnahmegenehmigungen der staatlichen Ämter für
               Arbeitsschutz mit Auflagen)?
              Wird den Familien ein Honorar gezahlt, muss ein entsprechender Vertrag
               zwischen der Familie und der Produktionsgesellschaft Tresor TV abgeschlossen
               worden sein. Sieht dieser Vertrag die Möglichkeit des Abbruchs durch die
               Familie vor? Laut Aussage des Geschäftsführers der Freiwilligen Selbstkontrolle
               Fernsehen (FSF), Joachim von Gottberg müssen die Programmverantwortlichen
               folgendes beachten: „Die Regeln des Spiels müssen beinhalten, dass die
               Teilnehmer jederzeit freiwillig entscheiden können aus der Sendung
               auszusteigen.“ (diskurs 3/2004 7. Jahrgang, S. 23)

         Während der Aufnahmen – zeitlicher Rahmen
            Die Filmaufnahmen in der Familie für diese Doku-Soap dauern mindestens 2
              Wochen. Das bedeutet, dass während dieses Zeitraumes zumindest ein
              Kameramann/eine Kamerafrau mehr oder weniger ständig im Haus anwesend
              ist. Dies gilt insbesondere auch für die Situationen, in denen der 6jährige Max
              die Zeit alleine in seinem „Stillen Zimmer“ verbringen sollte. Den Jungen in
              diesen Situationen zu filmen und dies den Zuschauern vorzuführen, achtet
              nicht die Privatsphäre des Kindes und ist in besonderer Weise entwürdigend.
            Aufgrund der Erfahrungen bei Dreharbeiten kann davon ausgegangen werden,
              dass eine Vielzahl von Personen während des Drehzeitraumes von 2 Wochen
              im Haus der in der Zeit der Filmarbeit das Haus der 7-köpfigen Familie
              anwesend waren: Beleuchter, Tontechniker, Aufnahmeleitung, Regisseur,
              Regieassistenz, 1-2 Kameramänner, Kabelträger, etc. Wo haben sich die
              Familienmitglieder aufgehalten, gab es überhaupt Rückzugsmöglichkeiten für
              die anderen Kinder oder mussten sie das Haus verlassen? Es stellt sich auch die
              Frage, ob ein Drehbuch vorlag und wie die Regieanweisungen lauteten. Musste
              Max sein Verhalten wiederholen (worauf einige Kameraeinstellungen schließen
              lassen)? Welche Regieanweisungen hat er erhalten, als er auf den Schrank bzw.
              durch das offene Fenster kletterte? Wurde eine Gefährdung bewusst in Kauf
              genommen? Bei dieser Art intensiver Filmaufnahmen über einen Zeitraum
              von 2 Wochen muss ständig geprüft werden, ob dies für die beteiligten Kinder
              noch zumutbar ist. Gab es für Max und seine Geschwister eine
              Interessenvertretung, die ihre Bedürfnisse in den Blick genommen hat? Hier
              wäre eine medienpädagogische Fachkraft zur Begleitung der Kinder
              notwendig gewesen. Wie sah die Betreuung der übrigen Kinder aus, während
              die Mutter und die Nanny sich intensiv mit Max beschäftigten?

         Beteiligung der Familienmitglieder
             Sind Max und seine Geschwister gefragt worden, ob sie mit den Filmaufnahmen
                und der Ausstrahlung einverstanden sind?
             Es ist davon auszugehen, dass Filmaufnahmen für Kinder in der Regel als
                Spiel wahrgenommen werden. So muss es für den kleinen Max einen nicht
                aufzulösenden Widerspruch bedeuten, dass die Super Nanny und seine
                Mutter ihm klar machen wollen, dass es sich hier nicht um ein Spiel handelt.

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         Selektive Darstellung von Familie und Jugendhilfe
             Die Dramaturgie des ausgestrahlten Zusammenschnitts ist sehr simpel: Zu
                Beginn sind nur solche Szenen zu sehen, die Max schwieriges, unruhiges
                Verhalten demonstrieren und damit gleichzeitig die vermeintliche Unfähigkeit der
                Mutter verdeutlichen sollen. So muss der Zuschauer den Eindruck gewinnen,
                dass das Kind keine positiven Seiten und die Mutter keine Kompetenzen
                haben. Zum Ende werden dann die Szenen aneinandergereiht, die Max als
                angepasstes, ruhigeres Kind zeigen. So wird der Erfolg der Super Nanny durch
                die Art des Zusammenschnitts des Filmmaterials sichtbar gemacht.
             In der Ausstrahlung kommen einzelne Familienmitglieder und die Super Nanny
                zu Wort, die Max Verhalten aus ihrer Sicht beschreiben und bewerten. Max
                selber kommt in dieser Hinsicht niemals zu Wort. Nachdrücklich möchten wir
                darauf hinweisen, dass die Wirkung und Bedeutung dieser Aussagen für Max
                aus seiner Sicht berücksichtigt werden muss.
             Ohne weitere Hinterfragung wird zu Beginn der Ausstrahlung darauf verwiesen,
                dass sich die Familie wegen der Schwierigkeiten mit ihrem 6jährigen Sohn
                bereits an das Jugendamt gewandt habe, aber aufgrund der Überlastung der
                Beratungsstellen nichts passiert sei. Der Deutsche Kinderschutzbund erwartet
                von Ausstrahlungen, die auch den Anspruch haben, lehrreich und nicht nur
                unterhaltsam zu sein, dass solche Aussagen belegt und differenziert
                dargestellt werden. So entsteht der Eindruck, die „Super Nanny“ sei die
                Alternative für Familien zum bestehenden Hilfe- und Unterstützungsangebot,
                was Beratungsstellen und familienunterstützenden Dienste in keiner Weise
                gerecht wird. Dazu passt es, dass weder als Einblendung, noch im Abspann,
                noch auf den Internetseiten des Senders Hinweise auf bestehende Hilfe- und
                Unterstützungsangebote für Zuschauer erfolgen. Damit hat der Sender eine
                Chance zur Vermittlung von unterstützungsbedürftigen Eltern in bestehende
                Hilfeangebote vertan.
             Diesem Muster entspricht auch die isolierte Darstellung der Familie. Es gibt
                keinerlei Hinweise auf Nachbarn, Freunde, weitere Familienmitglieder oder
                Institutionen wie Schule und Kindergarten. So stellt sich die Frage, ob denn der
                6jährige Max, der kurz vor seiner Einschulung steht, nie einen Kindergarten
                besucht hat, was heute in der Regel alle drei- bis 6jährigen Kinder tun. Gibt es
                niemanden und nichts im Umfeld der Familie, der bzw. das als Unterstützung
                und somit als Ressource fungiert?
             Isoliert ist ebenfalls die Darstellung von Max Verhalten bzw. von jedem
                Einzelnen. Unumstritten ist, dass Familien als Systeme zu begreifen sind, was
                bedeutet, dass das Verhalten und die Entwicklungen der einzelnen
                Familienmitglieder in ihrer Wechselseitigkeit und Bezogenheit aufeinander
                betrachtet werden müssen. Eine isolierte Betrachtungsweise des Verhaltens
                einzelner Familienmitglieder ist schlichtweg unprofessionell.

         Wahrung der Privatsphäre
            Besonders beunruhigt ist der Deutsche Kinderschutzbund hinsichtlich der
              zu erwartenden Reaktionen aus dem Umfeld der Familie nach der
              Erstausstrahlung und zweifachen Wiederholung. Unter den mehreren
              Millionen Zuschauern werden zahlreiche Nachbarn, Familienmitglieder,
              Arbeitskollegen, MitschülerInnen, LehrerInnen etc. der Familie gewesen sein.
              Welche Konsequenzen hat es für die einzelnen Familienmitglieder,

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               insbesondere für die Kinder, wenn ihre Schwierigkeiten derart öffentlich
               geworden sind?
              Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Nachbetreuung der Familie. Es ist –
               gerade wegen der Beteiligung von Kindern - nicht hinnehmbar, dass die
               Familie sich nach der Ausstrahlung ohne Prüfung der Folgen selbst
               überlassen bleibt, während RTL den Erfolg der neuen Serie, ausschließlich
               festgemacht an Zuschauerzahlen, begrüßt. Es ist darüber hinaus zu prüfen,
               welchen weiteren Unterstützungsbedarf die Familie nach Beendigung der
               Intervention durch die Super Nanny hat.

         Die offensichtlich fehlende Reflexion der genannten Rahmenbedingungen ist
         gegenüber der Familie fahrlässig und würdelos.

         Zu den Inhalten

         Was ist die Botschaft der Serie?
            Kindliches Verhalten ist grundsätzlich als Reaktion bzw. als Antwort auf seine
               Lebensumstände und seine –situation zu begreifen, unabhängig von der Frage,
               ob dieses Verhalten von Erwachsenen als angemessen oder unangemessen
               bewertet wird. Der Deutsche Kinderschutzbund kritisiert aufs Schärfste, dass
               es keinerlei Nachfragen durch die Super Nanny nach den Gründen für das
               Verhalten des 6jährigen Max gibt. Somit erhalten auch die Zuschauer keine
               Erklärungen. Wiederum ist der fehlende Blick auf die Familie als Ganzes und als
               System zu bemängeln. Die an einer Stelle in der Ausstrahlung getroffene
               Aussage, diese auffällige Verhaltensänderung sei seit der Geburt von Max ca.
               3jähriger Schwester zu beobachten, bleibt völlig isoliert stehen. Es ist ein Gebot
               der Fachlichkeit, Verhaltensauffälligkeiten von Kindern gründlich
               diagnostisch abzuklären, d.h. beispielsweise in medizinischer,
               neurologischer und psychologischer Hinsicht, um so ggf. andere mögliche
               Ursachen auszuschließen.
            Die Ziele der Intervention durch die Super Nanny, die Erwartungen und die
               Erziehungsvorstellungen der Eltern sind kein Thema für die Super Nanny und
               finden demzufolge keinerlei Berücksichtigung im weiteren Prozess.
            Ebenso werden die kindlichen Bedürfnisse, insbesondere von Max, völlig
               ignoriert, ausgenommen der Bedürfnisse nach Struktur und Regeln. Nicht in
               einer Situation in der Ausstrahlung wird er überhaupt nach seinen Bedürfnissen
               gefragt, geschweige denn solche Überlegungen überhaupt miteinbezogen.
               Dabei muss sein Verhalten in direkten Zusammenhang mit seinen
               Bedürfnissen gestellt werden und die Frage müsste lauten: Wie können wir
               seine Bedürfnisse auf andere Art und Weise befriedigen als bisher und damit
               gleichzeitig erreichen, dass sein Verhalten angemessener wird und die
               Familienmitglieder sich alle besser fühlen.
            Der Deutsche Kinderschutzbund hält es darüber hinaus für unlauter, in
               Elternforen sowie auf den RTL Internetseiten Eltern für die Beteiligung an dieser
               Doku-Soap mit dem Hinweis zu gewinnen, die Super Nanny würde das
               Problemkind innerhalb von zwei Wochen therapieren. Erziehung, Therapie sind
               Prozesse, die nur dann nachhaltigen Erfolg zeigen, wenn sie nicht kurzfristig
               angelegt sind und vor allem das Tempo von Eltern und Kindern
               berücksichtigen. Beratung und Verhaltensänderungen, die auch mehr als

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               zwei Wochen danach noch wirken sollen, brauchen Zeit. Schnelle, einfache
               und übergestülpte Hilfen sind unseriöse Heilsversprechungen.
              Darüber hinaus wird der vermeintliche Erfolg als Leistung der Super Nanny
               dargestellt. Die Anstrengungen, insbesondere der Mutter finden
               demgegenüber keine Erwähnung, wie im übrigen ihre Erziehungsleistungen
               (sie hat immerhin 4 Kinder) größtenteils ausgeblendet werden.

         Welches Erziehungsmodell wird vorgestellt? (Methoden, Vokabular etc.)
         Grundsätzlich ist es richtig, dass eine Alltagsstruktur, gemeinsame Rituale und Zeiten
         miteinander, Regeln und konsequentes Verhalten wichtige Prinzipien in der
         Kindererziehung sind. Gleichwohl ist auch hier hinsichtlich der Ausstrahlung zu
         kritisieren, dass diese Prinzipien nicht in der Form umgesetzt werden, wie es zahlreiche
         andere verpflichtende Grundlagen fordern:
               Das Modell der Super Nanny sowohl gegenüber den Kindern als aber auch
                 gegenüber den Eltern ist ein autoritäres Modell. Als durchgreifendes Prinzip gilt
                 für den Deutschen Kinderschutzbund: Begegne den Familien in unseren
                 Angeboten so, wie Du möchtest, dass sie mit ihren Kindern umgehen. In
                 unserem Verständnis müssen Fachleute, Elternkursleitungen etc. für Eltern
                 Modellfunktion haben. Daraus ist zu schlussfolgern, dass der von der Super
                 Nanny propagierte, vermittelte und praktizierte Erziehungsstil ein autoritärer ist.
                 Dies wird bedauerlicherweise nicht beim Namen genannt, würde aber im
                 Hinblick auf die Zuschauer für mehr Klarheit sorgen. Hinweise auf diesen
                 autoritären Erziehungsstil gibt es reichlich. Man achte nur auf die Wortwahl der
                 Super Nanny sowie des Sprechers/Kommentators. Es geht vorrangig um
                 Gehorsamkeitserziehung und Disziplinierung! Erziehung wird auf Kampf und
                 Recht des Stärkeren reduziert!
               Als Methoden, den Schwierigkeiten von Max zu begegnen, gibt es neben den
                 Regeln eine einseitige Konsequenz: das stille Zimmer. Erziehung kommt nicht
                 mit Rezepten aus! Wie die Situation auf dem Spielplatz belegt: Keine
                 Möglichkeit eines stillen Zimmers und das Chaos beginnt aufgrund der Art der
                 Intervention durch die Super Nanny von vorn!
               Die weiteren zur Anwendung kommenden Methoden Max zu disziplinieren
                 umfassen Maßnahmen, die nach der Novellierung des § 1631 Abs. 2 BGB
                 nicht im engeren Sinne als „gewaltfrei“ und „nicht-entwürdigend“ bezeichnet
                 werden können. (Kinder haben das Recht auf gewaltfreie Erziehung.
                 Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende
                 Maßnahmen sind unzulässig.) Die Tür wird zwar – betonter Weise - nicht
                 abgeschlossen, aber von 2 Erwachsenen gleichzeitig zugehalten. Wo ist da ein
                 Unterschied? Die Super Nanny übt mit der Mutter geradezu das Anschreien des
                 Kindes! Das Kind wird immer wieder festgehalten an Schultern, Gesicht und
                 Händen und ständig in sein Stilles Zimmer getragen! Wie sind diese
                 Maßnahmen mit den Grundsätzen der Gewaltfreiheit und körperlichen Integrität
                 von Kindern zu vereinbaren? Sie sind nur dann in Ordnung, wenn anderweitig
                 Gefahr für das leibliche Wohl des Kindes oder seiner Mitmenschen besteht.
               Das pädagogische oder „therapeutische“ Konzept der Super Nanny ist eine
                 Vermischung verschiedener pädagogischer und therapeutischer Ansätze, die
                 teilweise unfachlich angewendet werden.

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Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zur neuen Reali... http://www.kinderschutzbund-nrw.de/StellungnahmeSuperNanny.htm

         Fehlende Beteiligung
             Die Super Nanny stülpt der Familie zu Beginn ihres zeitlich befristeten Einzugs
               ihr Regelwerk über. So wichtig Regeln im familiären Alltag sind, so sehr ist hier
               die Umsetzung abzulehnen: Regeln müssen Familien selber entwickeln und
               zwar unter Beteiligung aller Familienangehörigen. „Verabredungen, die alle
               mitentscheiden, werden eher eingehalten!“ (Ein Motto des Elternkurses Starke
               Eltern - Starke Kinder®) Die Familie muss die Chance haben, ihre individuellen
               und persönlichen Regeln zu formulieren und nicht die einer ansonsten
               außenstehenden Person zu übernehmen.
             Neben dem Vokabular, dass unter dem Aspekt von Macht eine besondere
               Betrachtung verdient, ist die Sprache der Nanny gegenüber dem gerade
               6jährigen Kind unangemessen. Welches Kind in diesem Alter versteht das Wort
               Konsequenz? Und der Junge muss sich anhören, dass er sich unfair verhält, weil
               er Vereinbarungen nicht einhält, an deren Zustandekommen er überhaupt nicht
               beteiligt war.
             Die fehlende Beteiligung zeigt sich auch hinsichtlich der Konsequenzen, die bei
               Regelüberschreitung erfolgen sollen. Das stille Zimmer wird von der Super
               Nanny vorgegeben. Es ist jedoch wesentlich sinnvoller, mit den Kindern
               gemeinsam zu überlegen, welche Konsequenzen bei Regelüberschreitungen
               zu erfolgen haben. Kinder sind in dieser Hinsicht außerordentlich
               erfindungsreich, abgesehen davon, dass Beteiligung an diesen Fragen die
               Akzeptanz solcher Absprachen erhöht.
             Die fehlende Beteiligung gerade der Kinder zeigt sich auch in der letzten
               Sequenz der Ausstrahlung: Die 10jährige Schwester wird überrascht, weil durch
               Initiative der Super Nanny ihr ein Zimmer durch die übrigen Familienmitglieder
               eingerichtet wurde. Aber gerade hier hätte sich die Riesenchance ergeben,
               mit dem Mädchen gemeinsam zu überlegen, wie sie sich ihr Zimmer vorstellt,
               welche Farben sie mag, welche Art der Dekoration. So schön und harmonisch
               diese Szene auch dargestellt wurde, warum wird ein 10jähriges Mädchen nicht
               dazu gefragt, wie sie sich ihr Zimmer vorstellt, es gestrichen und eingerichtet
               haben möchte?
             So werden die Eltern auch nicht angeregt, ihr eigenes Verhalten in
               Beziehung zu dem ihrer Kinder zu setzen und zu reflektieren und nach
               Gründen zu suchen, obwohl das Verhalten von Max abhängig davon scheint,
               ob der Vater anwesend ist oder nicht. Die Super Nanny weiß, was alle
               brauchen, ohne die individuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen.

         Defizitorientierung
             Mittlerweile hat sich in der Pädagogik und psychosozialen Beratung
                durchgesetzt, ressourcenorientiert zu arbeiten. Der Deutsche
                Kinderschutzbund hält es für wichtig, zunächst mit den Betroffenen zu
                ermitteln, welche Fähigkeiten und Kompetenzen sie haben und welche
                Unterstützungspotenziale im Umfeld vorhanden und zu aktivieren sind. Das
                bedeutet auch, immer an den vorhandenen Potenzialen anzusetzen, positive
                Ansätze herauszuarbeiten und auf diesen aufbauend gemeinsam mit den
                Betroffenen zu überlegen, wie diese Ressourcen weiterentwickelt, gefestigt
                und gestärkt werden können. Im Gegensatz zu dieser in der Fachwelt
                mittlerweile vorherrschenden Methode ist die Super Nanny ausschließlich
                defizitorientiert. Zum Thema wird ausschließlich alles das gemacht, was nicht
                funktioniert, nicht in Ordnung ist, fehlt ......etc. Dies zeigt sich gerade hinsichtlich

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Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zur neuen Reali... http://www.kinderschutzbund-nrw.de/StellungnahmeSuperNanny.htm

               der Eltern, denen beispielsweise „schonungslos“ gezeigt wird, was sie in
               Abwesenheit der Super Nanny alles „falsch“ gemacht haben oder denen
               eingangs von der Nanny bescheinigt wird, so etwas Schlimmes wie diese
               Familie noch nicht erlebt zu haben.
              Die Eltern bekommen keine Möglichkeiten, eigene Ideen für die Erziehung zu
               entwickeln, sondern ihnen wird alles von der Super Nanny übergestülpt. Dies
               zeigt sich sehr gut, als die Nanny aus dem Haus ist. Die Meßlatte wird von der
               Nanny angelegt, nicht die Mutter muss sich fragen, was sie sich zutraut.
              Die Autorität der Mutter (nicht zu verwechseln mit autoritärem Erziehungsstil)
               wird durch Anwesenheit der Nanny und deren Einmischung untergraben!

         Nachhaltigkeit und Folgen
         Und dann fragt man sich natürlich auch, wie nachhaltig war die Intervention der Nanny?
         Wie sieht es heute in der Familie aus? Und wie bewertet die Familie den Einsatz der
         Nanny heute? Erfolgreich? Ist es gelungen, das Objekt Kind zu „reparieren“?

         Was lernen die Eltern?
            Ist es als positive Entwicklung anzusehen, dass Max endlich weint? Vieles
               spricht dagegen. Vielmehr scheint sein Wille gebrochen.
            Den Eltern vermittelt die Sendung, dass nicht mehr reden mit Kindern zur
               Konfliktlösung angesagt ist, sondern vielmehr hartes Durchgreifen, notfalls auch
               unter Einsatz von Körperkraft. Der Deutsche Kinderschutzbund hält diese
               Botschaft für nicht vereinbar mit den Kinderrechten, insbesondere mit dem
               Recht auf gewaltfreie Erziehung.

         Was lernen die Kinder?
            Das Konzept steht im Widerspruch zu aktuellen in Schulen angewendeten
               Streitschlichterprogrammen.
            Wie wirkt sich das Bild des „Monster-Kindes“ auf Max Psyche aus?
            Und wie erleben Kinder, die Opfer von Erziehungsgewalt sind, diese Serie?
            Was hat Max aus dieser Intervention durch die Super-Nanny für sein späteres
               Leben gelernt? Vielleicht möglichst schnell groß zu werden, dann hat man die
               Macht von seinen Kindern zu verlangen, das zu tun, was man als Erwachsener
               von ihnen erwartet.

         Fazit:
         Die gesamte Ausstrahlung lässt jeglichen Respekt vor dem Kind und seiner Familie
         vermissen! Sowohl das Kind als auch die Familie wird würdelos dargestellt und im
         weiteren Verlauf immer weiter entwürdigt. Dies steht im krassen Widerspruch zum
         § 1631 Abs. 2 BGB.
         Als Deutscher Kinderschutzbund fordern wir, dass die bundesdeutschen Medien
         ihren Beitrag dazu leisten, die Kinderrechte zu achten, einzuhalten und für ihre
         Bekanntmachung und Umsetzung einzutreten! Es ist nicht Aufgabe der Kinder, dies
         für sich selbst zu reklamieren! Die vorliegende Ausstrahlung macht mehr als
         deutlich, dass Medien hier wesentliche Grundlagen nicht berücksichtigen und die
         Kinder keinerlei Interessenvertretung ihrer Bedürfnisse erhalten! Sie werden nicht
         als Subjekt mit gesetzlich verankerten eigenen Rechten ernst genommen und mit
         Respekt und Würde behandelt, sondern zu Objekten von überwunden geglaubten

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Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zur neuen Reali... http://www.kinderschutzbund-nrw.de/StellungnahmeSuperNanny.htm

         Erziehungsmethoden degradiert und dem breiten Zuschauerpublikum eben auch
         zur Unterhaltung vorgeführt.
         Der Sender RTL wäre gut beraten, nicht nur die Hinweise des Deutschen
         Kinderschutzbundes ernst zu nehmen, sondern – statt die Suche nach Familien in
         Elternforen im Internet zu bewerben -, die unterschiedlichen Reaktionen von
         Müttern und Vätern auf diese Serie ernst zu nehmen. Nach dieser Ausstrahlung
         fürchten sich einige Eltern nun vor den „Experten“. Es wird damit ein Bild von
         Fachleuten erzeugt, dass mit der Realität nicht übereinstimmt und die Frage
         aufwirft, inwieweit damit mögliche Hilfeersuchen verhindert werden.

         Erziehung ist ein komplexes Geschehen mit individueller Ausprägung in der
         einzelnen Familie. Simplifizierende Lösungen und Rezepte sind keine angemessene
         Antwort darauf. Vielmehr brauchen Kinder Liebe, Akzeptanz, Wertschätzung,
         Beteiligung, eine eigene Meinung, Verständnis, aktives Zuhören u.v.a.m. um sich zu
         verantwortungsbewussten Mitgliedern und Gestaltern der Gesellschaft von morgen
         zu entwickeln.

         Wuppertal/Hannover, 7. Oktober 2004

         [1] Erarbeitet vom DKSB Landesverband NRW in Kooperation mit Ortsverbänden und in
         Absprache mit dem Bundesverband

         [1] Erarbeitet vom DKSB Landesverband NRW in Kooperation mit Ortsverbänden und in Absprache mit dem
         Bundesverband.

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