Familie im Zeitalter der Digitalisierung - fit-4-future Kids
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Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Deutsches Jugendinstitut München e.V. Mit Dank an Dr. Karin Jurczyk und Prof. Dr. Andreas Lange Familie im Zeitalter der Digitalisierung Deutsches Jugendinstitut e. V. Nockherstraße 2 D-81541 München Postfach 90 03 52 D-81503 München Telefon +49 89 62306-0 Kongress Kinder.Gesund.Aufwachsen, Bad Griesbach, 24.10.2019 Fax +49 89 62306-162 www.dji.de
Total.digital?! Familie im 21. Jahrhundert Gliederung 1. Herausforderungen an Familien heute 2. Digitale Medien in der Familie a. Medienausstattung b. Mediennutzung c. Medienerziehung – Strategien und Typen d. Digital Divide 3. Theoretischer Zugang zur Digitalisierung von Familie a. Das Konzept des Doing Family b. Empirische Evidenzen: Doing Family via digital Media 4. Fazit – wie verändern digitale Medien Familienbeziehungen? Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
1. Herausforderungen an Familien heute Karin Jurczyk und Josefine Klinkhardt, unter Mitarbeit von Christine Entleitner, Valerie Heintz-Martin, Alexandra Langmeyer und Johanna Possinger (2014): Vater, Mutter, Kind? Acht Trends in Familien, die Politik heute kennen sollte. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung
Trend 1: Zunahme vielfältiger Lebensformen ➢ Dynamisierung von Lebensverläufen ➢ Ehe nach wie vor meistgelebte Familienform (2018: 70,1%) ➢ aber andere Formen (NEL (2018: 11,4%), Alleinerziehende (2018: 18,5%), Stief-, Patchwork- oder Regenbogenkonstellationen (2018: ca. 15.000 Kinder)) gewinnen an Bedeutung (Statistisches Bundesamt 2019a) ➢ Rückläufige Heiratsneigung ➢ Anstieg nichtehelicher Lebensgemeinschaften und nicht-ehelich geborener Kinder (ca. jedes 3. Kind, Langmeyer/Walper 2013) ➢ Stagnation der Ehescheidungen auf hohem Niveau (ca. 35% seit 2002; BMFSFJ 2012) ➢ In knapp der Hälfte der Fälle sind minderjährige Kinder betroffen; in 90% aller Fälle verbleiben diese dann bei den Müttern ➢ Familien leben häufiger ‚multilokal‘ – nicht alle in einem Haushalt oder an einem Ort!
Trend 2: Erosion des Ernährermodells ➢ Steigende Erwerbsquoten bei Frauen/Müttern (Keller/Haustein 2014) ➢ Väter nicht mehr allein für das Familieneinkommen zuständig ➢ Sichert Familien ökonomisch ab ➢ Kinder werden nicht mehr nur von Müttern betreut ➢ Mütter werden nicht mehr nur auf Betreuung reduziert Quelle: https://tageswoche.ch/gesellschaft/vaterschafts-urlaub-es- ➢ Väter bekommen aktivere Rollen in lebe-das-maennliche-ernaehrermodell/ Betreuung/Erziehung (Li u.a. 2015) ➢ Bringt doppelte Vereinbarkeitswünsche aber –probleme mit sich! Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
Trend 3: Entgrenzte Erwerbsbedingungen ➢ Entgrenzung von Erwerbsbedingungen ➢ Anstieg an zeitlicher Flexibilität und räumlicher Mobilität ➢ Anstieg atypischer Beschäftigungsformen und –zeiten ➢ Intensivierung von Erwerbsarbeit mit Arbeits- und Zeitdruck: 41% der Beschäftigten zeigen vereinbarkeits- bedingte Stressphänomene (DGB- Index-Gute Arbeit 2017) Quelle: https://www.t-online.de/digital/smartphone/id_83969010/ warnung-eltern-schauen-zu-viel-aufs-handy-kinder-jammern-.html ➢ Erweiterte Erreichbarkeitserwartungen an Eltern (DJI-Survey, AID:A 2014) ➢ 1/3 der Mütter und fast die Hälfte der Väter bleiben für die Arbeit erreichbar und/oder erledigen auch Aufgaben für die Arbeit in der Freizeit ➢ Erwerbsarbeit dringt in private Räume ein! ➢ Anstieg an Berufsmobilität (Multilokale Familie, Pendeln, Dienstreisen, Arbeitszeit in Familienzeiten)
Trend 4: Eltern unter Druck (Nicht)-Vereinbarkeit von Familie, Beruf und neuer Elternschaft ➢ Mütter: Belastet durch die „second shift“ (Hochschildt/Machung 2012) ➢ Gender Care Gap: Frauen leisten täglich 52 Prozent mehr unbezahlte Tätigkeit für andere als Männer (Sachverständigenkommission zum zweiten Gleichstellungsbericht 2017) ➢ ‚Managerinnen des Alltags‘ (Gerhardt u.a. 2003) und ‚Hilfslehrerinnen des Schulsystems‘ (Ullich 1993) bzw. ‚Bildungscoaches‘ der Kinder (Lange/Thiessen 2017) ➢ Väter: Divergenz von Wunsch und Wirklichkeit ➢ Über 90% wollen aktive Betreuer ihrer Kinder sein (Li u.a. 2015) ➢ Trotzdem arbeitet jeder dritte Vater mehr als 45 Stunden die Woche; mehr als die Hälfte berichtet, der Beruf mache es Quelle: Danielle Guenther Photography ihnen schwer, den Anforderungen der Familie gerecht zu werden (Li u.a. 2015) ➢ Beide: Paradigma der verantworteten (Kaufmann 1990) oder intensivierten (Hays 1986, Shirani u.a. 2012) Elternschaft ➢ Wunsch/die Notwendigkeit, in allen Bereichen zu glänzen, setzt Mütter und Väter unter Druck!
Trend 5: Polarisierung der Lebenslagen Zunahme von Kinder- und Familienarmut ➢ Armutsrisikoquote liegt seit 2005 bei etwa 16% (BMAS 2017) ➢ Starke Divergenz in den Armuts- gefährdungsquoten von Familien (BMAS 2017, BMFSFJ 2017a und b) ➢ Familienarmut=Kinderarmut: rund 21% ➢ Zwei Elternteile erwerbstätig (VZ/TZ): 5% ➢ Haushalte von Alleinerziehenden (44%) ➢ kinderreichen Familien (25%) und ➢ Familien mit Migrationshintergrund (in D geboren: https://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publik ationen/a306-5-armuts-und- 28,2%; selbst gewandert: 54,3%) sind am reichtumsbericht.html häufigsten von Armut betroffen ➢ Familienleben in unteren sozialen Schichten belasteter: Mangel an (Bildungs-) Ressourcen, mehr Streit und Gewalt, weniger Lob, weniger Förderung → geringere Bildungschancen von Anfang an! Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
Trend 6: Kulturelle Diversifizierung - Familien mit Migrationshintergrund ➢ 31% der in Deutschland lebenden Familien mit Migrationshintergrund (BMFSFJ 2017b) ➢ Ost: 16%, West: 35% (BMFSFJ 2017b) ➢ 28% der Mütter, 27% der Väter, 34% der Kinder (89% davon sind bereits in D geboren) (BMFSFJ 2017b) ➢ Noch immer schlechtere Chancen der Kinder im Bildungssystem aber mehr innerfamiliale Bildungsaufstiege (BMFSFJ 2013) https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publ ➢ Mehr transnationale Elternschaften bzw. ikationen/gelebte-vielfalt--familien-mit- migrationshintergrund-in- deutschland/116882 multilokale Familien! Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
Trend 7: Neue Gestaltungsräume von Kindheit ➢ Eltern-Kind-Beziehung wird partnerschaftlicher gelebt (Alt/Lange 2013) ➢ vom Befehls- zum Verhandlungshaushalt (du Bois-Reymond u.a. 1994) ➢ Kinder als eigenständige Akteure wahrgenommen ➢ Veränderte Familienformen ➢ Kinder wachsen in sich verändernden Konstellationen auf ➢ Anzahl der Kinder zurückgegangen (BMFSFJ 2017a) 100 95 ➢ Kinder wachsen häufiger in öffentlicher 90 88 78 Verantwortung auf (Autorengruppe 80 Bildungsberichterstattung 2012) 70 64 58 60 50 ➢ Starke Unterschiede in den Möglichkeiten 42 40 36 der Freizeitgestaltung nach sozialem 30 Hintergrund (Leven/Schneekloth 2010) 22 20 12 10 5 ➢ Aufwachsen in digitalen Welten (z.B. KIM 0 Unterschicht Untere Mittelschicht Obere Oberschicht 2018, JIM 2018, FIM 2016) Mittelschicht Mittelschicht Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019 Vereinsmitgliedschaft keine Vereinsmitgliedschaft Quelle: Leven/Schneekloth 2010
Trend 8: Schwindende Passgenauigkeit von Infrastrukturen Kita – Schule – Medien ➢ Infrastruktur hat sich dem Wandel von Familien noch nicht angepasst ➢ Z.B. erhebliche Lücken in der U3-Betreuung und bei Grundschulkindern (Alt u.a. 2017) ➢ Digitale Medien sind selbstverständlicher Teil der kindlichen Lebenswelt, aber https://www.gutes-aufwachsen-mit- ➢ Tablets in Kindertagesstätten kaum verwendet medien.de/informieren/article.cfm/key.34 05/aus.2/uactive.2 (Trabandt 2019) ➢ Auch Grundschule macht sich gerade erst auf den Weg, digitale Medien für die Lernförderung nutzbar zu machen (Bertelsmann Stiftung 2017). ➢ Ihre Computerkenntnisse erwerben Schüler zuhause, in der Familie oder im Selbststudium, weniger in der Schule (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
2. Digitale Medien in der Familie Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
a) Medienausstattung Omnipräsenz digitaler Medien in der Familie ➢ Fast alle Familien mit Kindern und Jugendlichen haben einen Internetzzugang (98%), ein Smartphone (99%) und einen Computer/Laptop (98%) (MPFS 2017, 2019) → Keine andere Bevölkerungsgruppe ist so gut mit digitalen Medien ausgestattet ➢ Permanently online, permanently connected (Vorderer 2015) ➢ Rückläufig: eigene Laptops (2013: 80%, 2017: 69%) (JIM- Studie 2017) ➢ häufigste Gerät zur Internetnutzung (81%): das Smartphone (ebd.) ➢ Eigene Geräte: Übergang zur https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1106/umfrage/handybesitz-bei-jugendlichen Sek I -nach-altersgruppen/
b) Mediennutzung Was machen Kinder/Jugendliche – und ihre Eltern – wenn sie digitale Medien nutzen? ➢ Überwiegend: kommunizieren! Quelle: JIM-Studie 2017 Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019 Quelle: KIM-Studie 2016
c) Medienerziehung Überall ein Thema – unterschiedliche Strategien 4 Strategien elterlicher Medienerziehung (Livingstone/Helsper 2008): ➢ Aktives, gemeinsames Nutzen des Internets (95%) ➢ Regeln setzen bzw. beschränken (93%) ➢ Technische Beschränkungen (25%) ➢ Monitoring: Überwachen bzw. Beobachtung der Nutzung (62%) https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bulle tin/d_bull_d/bull117_d/DJI_3_17_Web.pdf Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
c) Medienerziehung Überall ein Thema – unterschiedliche Strategien Einsatz einzelner Strategien (Festl/Langmeyer-Tornier 2018; Langmeyer-Tornier/Zerle-Elsäßer 2017) abhängig von… ➢ …dem Alter (ältere Kinder werden weniger kontrolliert) ➢ …dem Geschlecht der Kinder (strengere Kontrolle von Jungs) ➢ …dem Geschlecht des Elternteils (Väter sind weniger restriktiv) ➢ …dem Bildungshintergrund der Eltern (mehr Kontrolle, weniger Beschränkung und differenziertere Erziehungsstrategien bei höherer Bildung) ➢ …den Einstellungen zum Internet (mehr Beschränkungen bei negativen Einstellungen) ➢ …den Erfahrungen und dem Kompetenzerleben (restriktivere, aber aktivere, gemeinsam Interneterziehung bei Eltern mit mehr Internet- Erfahrung) ➢ …und, wichtigster Aspekt, dem eigenem Nutzungsverhalten, denn Kinder lernen am Modell (Festl/Langmeyer-Tornier 2018, Boll/Lagemann 2018))!
d) Digital Divide – soziale Ungleichheit Mediennutzungsgewohnheiten variieren (nicht nur) mit dem Bildungshintergrund ➢ Eigentlich keine digitale Spaltung mehr nach on- und offlinern (DJI-Studie „Digital Divide“, 2010) ➢ Fast alle haben Zugang zu digitalen Geräten, unabhängig von der sozialen Situation (vgl. DIVSI 2015). ➢ In fast allen Familien werden Regeln vereinbart, die die Mediennutzung regeln (vgl. Grobbin 2015). ➢ ABER: Unterschiede in der Medienrezeption, der Art der Nutzung sowie den elterlichen Medienerziehungspraktiken (Kutscher 2013) ➢ ‚Informationselite‘ vs. ‚Unterhaltungsproletariat‘ (Eichmann 2000) löst sich auf – trotzdem Gefahr steigender Wissenskluft (Kutscher 2013; Zillien 2006) ➢ große Varianz von ‚Medienskeptikern‘ bis hin zu ‚Digital Souveränen‘ auch in der Ober- und Mittelschicht (DIVSI 2015) Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
3. Theoretischer Zugang zur Digitalisierung von Familie Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
a) Läuft (nicht)? - Familie muss getan werden! Das Konzept des Doing Family (z.B. Jurczyk 2017) ➢ Was muss alles getan werden, damit Familie im Alltag funktionieren kann? 5 Dimensionen: 1. Organisations- und Sportverein Balancemanagement Job Ehrenamt 2. Konstruktion von Job Gemeinsamkeit Hobby Termine… Freunde Schule/ a. Konstruktion von Intimität Hort und Zusammengehörigkeit Haus/ Kita (We-ness) Garten b. Grenzarbeit c. Displaying Family ➢ Doing-Family-Strategien werden vermehrt über digitale Medien ausgeübt (Schlör 2016) https://www.publicdomainpictures.net/de/view- image.php?image=37875&picture=strichmannchen-familie
b) Organisations- und Balancemanagement 1. „Within-family“ ➢ Alltagsorganisation ➢ Internet der Dinge: Saugroboter, digitaler Kühlschrank, Alexa… ➢ 74% der Eltern empfinden das Handy/Smartphone als ‚(sehr) wichtig‘ zur Organisation des Familienalltags (FIM Studie 2016) ➢ FamilienWhatsApp-Gruppen: Profanes wie „essen ist fertig!“, aber auch Ankündigungen von Verspätungen der Eltern und der Kinder (Lampert/Kühn 2016) ➢ Sicherheitsfunktion ➢ Eltern und Kindern gibt das Smartphone das Gefühl, bei Problemen ständig erreichbar zu sein (Urlen 2018; Knop u.a. 2015) ➢ Kontrollfunktion ➢ „digital leash“ oder „umbilical cord“ (Mascheroni/Cuman 2014, S. 11) ➢ Virtuelles und materielles „nachspionieren“ (Lampert/Kühn Quelle: http://www.ndr.de/info/ 2016; Knop u.a. 2015) whatsappchat102_v-portraitl.jpg ➢ Kinder und Jugendliche entwickeln funktionierende Praktiken, sich der elterlichen Kontrolle zu entziehen (Lampert/Kühn 2016) ➢ Medienpsychologe Vorderer 2015 warnt: Soziale Kontrolle ersetzt Vertrauen?
b) Organisations- und Balancemanagement 2. Between-family – und angrenzende Systeme ➢ Digitale Dienstleistungen: Online-Banking, Kita- Finder, Mami-Kreisel etc. ➢ Eltern zwischen Familie und Beruf ➢ Digitalisierung bietet Chancen zur besseren Vereinbarkeit (BMFSFJ 2016) ➢ Weitere Verflüssigung der Grenzen zwischen Familie und Beruf ➢ Kinder/Jugendliche: Einbindung in (digitale) Peergroups ➢ Entwicklungsaufgabe: Abnabelung vom Elternhaus und Aufbau stabiler (Peer-)Beziehungen (Havighurst 1948) ➢ Aber: 55% sind genervt sind von zu viel Nachrichten, 20% haben Angst ohne Smartphone etwas zu verpassen https://www.amazon.com/dp/0300199007/r (JIM-Studie 2016) ef=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85 %C5%BD%C3%95%C3%91&crid=1D5R66OLN ➢ Fear of Missing Out (Przybylski u.a. 2013; Knop u.a. MWDC&keywords=its+complicated+the+soci al+lives+of+networked+teens&qid=15713992 2015) 37&sprefix=Its+complicated+%2Caps%2C333 &sr=8-1
b) Herstellung von Gemeinsamkeit Konstruktion von Intimität und Zugehörigkeit (We-ness) Soziale Medien können Kopräsenz schaffen (Schlör 2016)…. ➢ Über Distanz hinweg ➢ Fürsorge/Care auf Distanz, z.B. bei berufsmobilen Eltern (Schier/Schlinzig 2019) ➢ (Trans-)nationale Elternschaft (Chib u.a. 2013; Baldassar 2008) ➢ Über den Tag hinweg ➢ Etwa 70% der Eltern und Kinder (12- bis 19-Jährige) kommunizieren, ‚häufig/gelegentlich‘ miteinander über das Handy-Smartphone (FIM 2016, S. 47). ➢ Austausch emotionaler Botschaften stabilisiert die Beziehung (Coyne u.a. 2011) ➢ Im weiteren (Familien-)Kontext ➢ Kinder lieben den Austausch mit Freunden und Verwandten, Oma/Opa (Urlen 2018) Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019 https://www.noz.de/deutschland-welt/gut-zu-wissen/artikel/615628/ fluch-oder-segen-whatsapp-facebook-skype-in-familien
b) Herstellung von Gemeinsamkeit Grenzarbeit ➢ Ein- und Ausschluss: Wer gehört (wann) zur Familie? ➢ abwesende Familienmitglieder mit in die Familiensituation hinein zu holen, betont dass andere ‚Subsystemen‘ eben doch ko-präsent sind (Schlör 2016) ➢ Ko-Präsenz ohne Kopräsenz ➢ UK-Studie zeigt Anstieg gemeinsamer Familienzeit (Mullan/Chatzitheochari 2019), jedoch stark von „alone-together-Zeit“ getrieben (Turkle 2011) ➢ Auf Elternseite: berufliche technoference stört die Eltern-Kind-Beziehung (McDaniel/Radesky 2018) ➢ auf Seite der Jugendlichen durch „segregative Praktiken“ im Abnabelungs- prozess vom Elternhaus (Schlör 2016) Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019 http://theconversation.com/alone-together-how-mobile-devices- have-changed-family-time-111478
b) Herstellung von Gemeinsamkeit Displaying Family In Bildmedien ➢ Darstellung und Dokumentation gemeinsamer Familienzeiten, wie Ausflüge, Urlaube, Familienevents etc. → bestärkt Familie nach Innen und Außen (Schlör 2016) ➢ Die ersten ‚digital natives‘ werden zu ‚digital parents‘, daher Fokussierung auf Bildmedien (Autenrieth 2014) ➢ ABER: Verletzung der kindlichen Persönlichkeitsrechte beim „Sharenting“ (Kutscher/Bouillon 2018) In Eltern-, Mami, Familienblogs ➢ Zentrales Motiv: Herstellung einer Verbindung mit Gleichgesinnten und Austausch über gemeinsame Anliegen (Knauf 2019) ➢ Besonders verhandelt werden dort die neuen Paradigmen von intensivierter und verantworteter Elternschaft (Knauf 2019) ➢ Regionale Blogs ermöglichen, dass aus Online- auch Offline-Beziehungen werden (Bizzarri 2016) Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019 https://www.isar-mami.de/
4. Fazit Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
4. Fazit Wie verändern sich Familienbeziehungen durch digitale Medien? 1. Familie verändert sich… ➢ Einbindung beider Elternteile in Erwerbstätigkeit und Familie ➢ Multilokalität von Familie (bedingt durch Trennung/Scheidung, berufliche Mobilität und Migration) ➢ Polarisierung von Lebenslagen – und von Teilhabechancen! 2. …dazu kommt: Die Digitalisierung! ➢ Mediatisierte Sozialisation: Kinder und Jugendliche wachsen in medialer Omnipräsenz auf → nicht alle nutzen das Web gleich! ➢ Familien rücken zusammen: Über Distanz, über den Tag hinweg, im weiteren (Familien-)kontext, aber auch… ➢ Phänomene der Abgrenzung: Abwesende Anwesenheit und „alone togetherness“ Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: zerle@dji.de Dr. Claudia Zerle-Elsäßer, Bad Griesbach, 24.10.2019
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