Stunde der Kirchenmusik - Sonntag, 6. März 2022 17.00 Uhr, Kirche Enge

Die Seite wird erstellt Greta Brinkmann
 
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Kirchenkreis zwei

          Stunde der Kirchenmusik
              Sonntag, 6. März 2022
             17.00 Uhr, Kirche Enge

Fac ut tecum lugeam - ... dass ich mit dir trauere
Aus dem Stabat Mater von Antonin Dvorak, Teile 3,4,5,7
Olga Zhukova, Orgel
Santiago Garcon Arredondo, Bass
Kantorei Enge
Leitung: Ulrich Meldau
Wort: Pfarrerin Jacqueline Sonego Mettner

Ich hoffte auf Gutes, und Böses kam,
ich wartete auf Licht, und es kam Finsternis.
Aufgewühlt ist mein Inneres, und es kommt nicht zur Ruhe,
Tage des Elends haben mich ereilt.
Hiob, Kap 30, Vers 26 und 27

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Kirchenkreis zwei

In diesem Jahr hat die Passionszeit bereits eine Woche früher begonnen.

Nicht wie im Kirchenjahr vorgesehen am Aschermittwoch am 2. März,
sondern eine Woche davor, am Donnerstag, dem 24. Februar, als die
Menschen in Kiew und der ganzen Ukraine aus ihrem bisherigen Leben
herausgerissen wurden durch einen terroristischen Überfall und
Angriffskrieg Putins.

Die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus, sagte dazu in ihrer
Morgenandacht im Deutschlandfunk, „Die Passionszeit hat eine Woche
früher begonnen, ... denn die Christenheit hat die Passionszeit in den
Kalender geschrieben, damit wir das Leid an uns heranlassen. Das
Leiden Gottes an seiner Welt. Das Leiden von Menschen, denen Gewalt
und Unrecht geschieht.“

Diese Stunde der Kirchenmusik war lange geplant; lange geplant auch,
dass an diesem ersten Passionssonntag im Jahr 2022 Teile aus dem
Stabat Mater von Antonin Dvorak gesungen werden würden. Der
mittelalterliche Text vom Schmerz Marias am Kreuz ihres Sohnes –
Antonin Dvorak hat ihn vertont unter dem Eindruck des Verlusts von
seinen drei erstgeborenen Kindern im Jahr 1876.
Wir hören ihn heute eingedenk des Leidens der Menschen in und aus der
Ukraine, und auch eingedenk des Mutes von Menschen in und aus
Russland, die gegen diesen Krieg protestieren.

     Wir sind zusammen im Namen Gottes, der Kraft zum Frieden
              Dem Grund zur Hoffnung in Jesus Christus
            Dem Ruf zur Caritas in der Heiligen Geistkraft.
                               Amen.

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Kirchenkreis zwei

Wenn Sie fragen, ob wir als reformierte Christinnen und Christinnen Maria
ansprechen können in einem Gebet:
Wir beten sie nicht an, wir sprechen zu ihr als einer Frau, einer Mutter,
welche die tiefste Trauer kennt und die wir uns zum Vorbild nehmen für
Mitgefühl und Menschlichkeit.

Chor: Eja mater, fons amoris (Nr. 3)

Meditation 1
Eia, mater, fons amoris,
Me sentire vim doloris
Fac, ut tecum lugeam.
Du, Mutter, Brunnen der Liebe
Mach mich fühlen die Gewalt des Schmerzes
Auf dass ich mit Dir klage.

Maria am Fuss des Kreuzes, an dem ihr Sohn den qualvollsten Tod
erleidet.
Das Gesicht dieses Sohnes trägt heute die Züge der ermordeten
Menschen in den bis vor kurzem friedlichen Städten in der Ukraine.

Es trägt die Züge der verschreckten Kinder in den Kellern und U-Bahn-
Stationen.
Es trägt die Züge der alten und kranken Menschen, die nicht fliehen
können aus Mariupul und andern Orten, die unter nicht endendem
Beschuss von russischer Seite stehen.
Es trägt die Züge der Familienangehörigen, die sich trennen mussten, auf
den Weg zu einer immer gefährlicheren Flucht oder den Weg in einen
Kampf auf Leben und Tod.
Es trägt auch die Züge der Mutigen in Russland, welche den Krieg Krieg
nennen und das nicht nur im Stillen, sondern auf den Strassen.

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Kirchenkreis zwei

Und es trägt die Züge der vielen Menschen, die die Folgen noch spüren
werden; überall auf der Welt, allen voran die Hungernden, denen das
Getreide aus der Ukraine, der Kornkammer der Welt, in der Hungerhilfe
bald fehlen wird.

Die Gewalt des Schmerzes ist unermesslich für uns, die wir aus der Ferne
zuschauen. Was es heisst, so elementar bedroht zu sein, kein Wasser,
keine Wärme, keine medizinische Versorgung, kein Essen, aber Angst,
grosse Angst, in einem Wort keinen Frieden mehr zu haben, das ist
unvorstellbar für uns.

Und doch, mir scheint, dass wir zur Zeit diese Bitte an Maria, uns die
Gewalt des Schmerzes empfinden zu lassen, auf dass wir mit ihr klagen,
weniger benötigen als in früheren Zeiten. Denn wenn wir es uns auch
nicht vorstellen können, dieses Kreuz, es trifft uns doch zuinnerst, dass
es da ist und wir setzen alles daran, zu helfen wo immer es geht.
Die Solidarität und die Hilfsbereitschaft sind gewaltig.
Grossartig die Geschlossenheit in ganz Europa und dem Westen
überhaupt, dass die böse Saat Putins nicht aufgehen kann, auch wenn
sie unendlich und unfassbar viel Leid verursacht und noch verursachen
wird.

Lesung aus Psalm 7, 1-3 und 9-18
71Ein Klagelied Davids, das er dem Herrn sang wegen des Benjaminiten
Kusch.
           Höchster, mein Gott, bei dir suche ich Zuflucht,
           hilf mir vor allen meinen Verfolgern und rette mich,
           3
             damit mich nicht einer wie ein Löwe zerreisst,
           mich zerfleischt, und keiner ist da, der rettet.
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             Der Herr richtet die Völker.
           Schaffe mir Recht, Lebendiger, nach meiner Gerechtigkeit,
           und nach meiner Unschuld geschehe mir.
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              Zu Ende gehe die Bosheit der Frevler,

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           doch dem Gerechten gib Bestand,
           du, der du die Herzen und Nieren prüfst, gerechter Gott.
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              Mein Schild ist Gott,
           der denen hilft, die aufrichtigen Herzens sind.
           12
              Gott ist ein gerechter Richter
           und ein Gott, der täglich zürnt.
           13
              Fürwahr, schon wieder schärft einer sein Schwert,
           hat seinen Bogen gespannt, bereit zum Schuss,
           14
              Todeswaffen hält er sich bereit,
           seine Pfeile macht er zu Brandgeschossen.
           15
              Sieh, er empfängt Frevel, geht schwanger mit Unheil
           und gebärt Lug und Trug.
           16
              Er grub eine Grube und hob sie aus,
           doch er stürzte in das Grab, das er machte.
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              Sein Frevel kommt zurück auf sein Haupt,
                auf seinen Scheitel fährt seine Untat herab.
           18
              Ich will den Herrn preisen für seine Gerechtigkeit,
           will singen dem Namen des Ewigen, des Höchsten.

Das Gespräch mit Maria geht weiter: Mach, dass mein Herz brennt,
liebend

Fac ut ardeat cor meum (Nr. 4)

Meditation 2
Unsere Herzen brennen. In der Anrede an Maria ist die Bitte, es möge
Liebe sein, in der sie brennen. Liebe zu Gott, in Jesus Christus.
Was bedeutet das?
Mit Liebe ist hier nicht die romantische Liebe der Verliebten gemeint und
auch nicht das Reden von Liebe im Sinne von «Seid lieb zueinander»
Es geht um das tiefe Wissen der Verbundenheit, um das bewusste
Festhalten an den Grundwerten von Demokratie und Menschenrechten
und darum, sich nicht dem Hass zu ergeben.

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Kirchenkreis zwei

Das tiefe Wissen der Verbundenheit. Deutlich sehe ich das vor mir,
wenn ich an die Flüsse denke in der Schweiz. In unserem Land entspringt
der Rhein. Auf seinem langen Weg in die Nordsee verbindet er die
zentralen Länder Europas, die starken Demokratien der EU, mit denen
wir uns verbunden wissen. In unserem Land entspringt die Rhone, der
grosse Fluss ins Mittelmeer, unserem Sehnsuchtsort, der in den letzten
Jahren für viele zum Friedhof geworden ist. Auch diese Verbindung ist
stark.
Und in unserem Land entspringt der Inn, Zufluss der Donau, die ins
Schwarze Meer mündet; damit sind wir ganz nah bei Odessa, bei
Mariupol, bei den Menschen in der Ukraine. Unsere Flüsse verweisen auf
die menschliche Verbundenheit, die uns ausmacht, die Verbundenheit
heute ganz besonders mit der Ukraine.

In Liebe sollen unsere Herzen brennen und damit zum zweiten auf den
Grundwerten von Demokratie und Menschenrechten.
Der Krieg Putins zeigt uns, dass wir falsch gelegen haben, wenn wir
meinten, schon die bisherige Brutalität in Tschetschenien, in Syrien, in
Georgien, auf der Krim übersehen zu können. Carolin Emcke schreibt in
der Süddeutschen Zeitung: «Es sind nicht Menschenrechte und
Demokratie, die versagt haben im Angesicht von Wladimir Putin, es ist
jene Form der internationalen Politik, die die Missachtung von
Menschenrechten und Demokratie glaubte einpreisen und verharmlosen
zu können.»
Damit ist es nun vorbei. Die neue Entschlossenheit zeigt die Kraft der
Demokratie, welche eine Form der Liebe im biblischen Sinne ist.

Und drittens lehrt uns Maria, an die wir uns wenden mit unserm
brennenden Herz und der Bitte, dass es ein liebendes Herz sei, dass aus
dem Brennen der Betroffenheit und der Empörung über Unrecht und
Zerstörung nicht der Hass zum dominierenden Faktor werden darf. Auch
das sagt sich leichter von der sicheren Schweiz aus als mitten im Angriff

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Kirchenkreis zwei

und der brutalen Invasion des Krieges.

Tui nati vulnerati, / Iam dignati pro me pati, / Poenas mecum divide.
Dass ich weiß, was ich verschuldet, / was dein Sohn für mich erduldet,
gib mir Teil an seinem Schmerz!

Das wird als Nächstes gesungen werden.

Lassen Sie mich heute dieses «für mich erduldet» ganz unreligiös deuten.
Einfach mit dem Gedanken, dass es auch wir sein könnten, die von
einem Tag auf den andern alles verlieren. Dass es auch mein Sohn sein
könnte, der anstatt ein Studium zu beginnen, nun seine Stadt verteidigt
und dies vielleicht mit dem Leben bezahlt. Dass es auch uns treffen
könnte.
Die Menschen in der Ukraine erleiden es «für uns», an unserer Stelle.
Und wenn im Stabat Mater Menschen zu Maria sprechen und sagen, sie
möchten Teil haben an den Schmerzen Jesu, so ist das im Verlauf der
Frömmigkeitsgeschichte oft ein in meinen Augen unerträglicher und
heuchlerischer Kitsch gewesen, wir können es aber heute mitsprechen,
mitsingen und mithören als tiefer Wunsch, das Empfinden des Mitleidens
und der Verantwortung nicht zu verlieren, sondern immer in uns wach zu
halten.
Gib mir Teil an seinem Schmerz!

     Tui nati vulnerati (Nr. 5)

     Fürbitten mit Kerzen
     Wir sammeln uns zur Fürbitte. Ich lade Sie ein, nach vorne zu
     kommen und ein Gebet zu sprechen. Leise oder auch zum Hören
     für alle. Sie können eine Kerze anzünden.

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Kirchenkreis zwei

Gott, unsere Herzen brennen für die Menschen in der Ukraine, für
die Menschen auf der Flucht, für die Menschen in Not auch an
andern Orten dieser Welt

Gott, höre uns, lass es nicht zu, dass ein Despot gewinnen kann.
Du trotzt den Kräften von Hass und Zerstörung. Dir vertrauen wir
uns und alle Menschen, um die wir in Sorge sind, an. Dank und Lob
sei Dir. Amen.

Kollekte für Hilfe vom Heks für die Menschen in und aus der Ukraine

Unser Vater

Segen
Gott segne und behüte uns
Gott lasse ihr Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig
Gott bewahre unsere Herzen in brennender Liebe und tätiger
Anteilnahme
Gott erhebe sein Angesicht freundlich über uns und schenke uns
und den Menschen in Krieg und Angst seine Kraft und seinen
Frieden. Amen.

Virgo virginum praeclara (Nr.7)

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