Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz

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Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz
Untervazer Burgenverein Untervaz

       Texte zur Dorfgeschichte
            von Untervaz

                                                   1799

                Die Armee Suworoff im Churer Rheintal

Email: dorfgeschichte@burgenverein-untervaz.ch. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz
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1799   Die Armee Suworoff im Churer Rheintal   Joh. Ulrich Meng
       Bündner Kalender 1979. Seite 78-79.
Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz
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Als der Rest der Suwaroffschen Armee anfangs Oktober 1799 durchs
Churer Rheintal an der «Kleinen Rüfe» bei Trimmis vorbeizog

Ein Erlebnis von Landammann Johannes Salzgeber von Seewis i. P. dem
Trimmiser Heimatbuch entnommen                                  J. U. Meng

Landammann Salzgeber erzählt in seinen «Erinnerungen» ein Erlebnis, das
ihn ungewollt mit der zerbröckelten Armee des bekannten russischen
Generals Suwaroff in unliebsame Berührung brachte.

Der Heerführer Suwaroff stand im Sommer 1799 als Verbündeter der
Koalition mit seiner oft genannten Division in Norditalien. Da die
Verbündeten nordseits der Alpen mit den napoleonischen Armeen in
aussichtslosen Kämpfen verwickelt waren, sollte Suwaroff mit seinen
Russen die Alpen übersteigen und den bedrängten Hilfe verschaffen. In
zwei Heeresabteilungen überschritt die Division den Lukmanier,
anschliessend die Oberalp und mit einer Seitenkolonne den Gotthard. Aber
schon in der Schöllenen bei der Teufelsbrücke stiessen die Vorrückenden
auf heftigen Widerstand der Franzosen. Nach verlustreichen Kämpfen
erreichten die Russen den Ausgang des Schächentals, fanden den Ausgang
an den Vierwaldstättersee aber neuerdings abgeriegelt.
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Zudem hatten die Franzosen sämtliche Schiffe, Nauen und Barken bei
Flüelen abgezogen und verschleppt, was den Heerführer veranlasste, über
den unwegsamen Kinzigpass nach Schwyz vorzudringen. Aber auch der
Ausgang des Moutathals lag fest in den Händen der Franzosen. Es blieb
den Russen keine andere Wahl, als auch den Pragelpass zu überschreiten,
um durch das Linthtal an den Zürichsee vorzustossen. Die Franzosen waren
dem Russen aber auch dort zuvorgekommen. So blieb Suwaroff keine
andere Wahl, als den letzten Versuch aus dem Linthtal über den
Panixerpass auszuweichen und schliesslich durch das Rheintal hinunter und
über die Luziensteig den Anschluss mit den Truppen zu erlangen. Die
Russen erlitten durch die strapaziösen Überschreitungen der sechs
unwegsamen Alpenpässe, und frühzeitigen Schneefällen, bei
ungenügendem Verpflegungsnachschub sehr grosse Verluste an Menschen,
Tross, Kanonen und Munition.

Mit diesem kläglichen Rest einer einst stolzen Armee erreichte diese das
Vorderrheintal und flutete nun in ungeordneten Haufen aufgelöst auf der
neuerstellten Reichsstrasse über Chur, Maienfeld und Luziensteig nach
dem Vorarlberg und in den Bodenseeraum, um sich dort zu retablieren und
sich mit den Truppen der Koalition zu vereinigen. Wir lassen nun
Landammann Salzgeber, unser Gewährsmann, über seine Begegnung und
sein Abenteuer mit den ihm weltfremden Russen erzählen und wählen
dabei den Text und die Sprachformen, wie sie vor bald 200 Jahren
niedergeschrieben wurden:

«Im Herbst 1799 wollte ich meine Schwägerin, des Landammanns
Rascheinen Frau von Malix nach Hause begleiten, ihr Mann ward mit
vielen andern auch als Geissel nach Insprugg und Grätz deportiert. Sie
besuchte mich, um sich mit mir über verschiedenes zu berathen. Man
sprach schon einige Tage von dem Durchmarsch der russischen Armee
unter General Suwaroff, allein da dieses Gerücht wiederum erstillte,
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so glaubte man, er sey auf einer anderen Seite vom Kanton Tessin in die
kleinen Kantone der Schweiz gefallen. Wir begaben uns auf den Weg. Sie
war zu Pferd und ich zu Fuss. Zwischen Zizers und dem kleinen Wirtshaus
begegneten uns einige russische Reiter, deren jeder eine lange hölzerne
Stange im rechten Steigbiegel stehend und zu oberst mit einer Lantzen
versehen, am Arm in einem ledernen Riemen haltend, bey sich hatte.
Wir kehrten auf der Rüfe ein, um ein Glas Wein zu nehmen, und wir
hofften, die mehresten passieren zu lassen. Dort fanden wir Herrn Pfarrer
Bernath, der auch nach Chur gehen wollte. Da dieser einzelne Zug Russen
kein Ende nehmen wollte, sondern immer vermehrte, so begaben wir uns in
Gesellschaft besagten Herrn Pfarrer auf Weg. Bald kam alles
durcheinander. Reyterey Fussvölker, Packpferde, geladene Esel die gantze
breite Strasse voll. Gleich packten etliche Soldaten den Herrn Pfarrer und
nahmen ihn ein wenig bey Seite, ihn zu plündern. Es that mir sehr leid, dass
ich ihm nicht beystehen konnte und ihn als Freund unterstützen, allein
musste besorgt seyn, die Schwägerin aus der Gefahr zu bringen, sonst
hätten wir beyde das gleiche Schicksal erlebt. Ein Italliäner, der einen
geladenen Esel hatte, schüttelte den Kopf ruffte mir zu «el si tiri in su».
Zum Glück verstande (ich) seinem gutgemeinten Rath, ich solle mich
aufwerts (gegen das Dorf Trimmis begeben. Gleich führte ich das Pferd
durch eine Rüfe hinauf, sahe noch viele Soldaten um den Herrn Pfarrer
umstehen und ihn nötigen, herzugeben, was er hatte. Als ich noch ein wenig
stillgehalten, sah ich ihn endlich oberhalb der Strasse ohne Schuhe davon
laufen. Seithero habe ich ihn nie wieder gesehen. Wir begaben uns hinauf
ins Dorf und durch den grossen Fürstenwald nach Chur, sahen aber immer
wieder die Hauptmacht der Armee die Heerstrasse ziehen. Wir dankten
Gott, dass wir abseits der Strasse waren. Als wir nach Chur kamen, zogen
die letzten zwischen den Quadern vorbey. Wir waren über unsere
glückliche Ankunft in der Stadt sehr froh. Bey solchen Anlässen ist
Frauenzimmer Gesellschaft nicht die bequemste.»
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Anmerkungen:
Es bestehen einige unbedeutende Unterschiede zum Text bei: Pieth Friedrich:
Erinnerungen des Landammanns Johann Salzgeber auf Seewis i. P. (1748-1816) 109 S.
Chur 1902. Seite S. 62-63.
Nach einem Blick in die von J. R. Truog herausgegebenen Pfarrerlisten kann es sich nur
um Pfarrer Anton Bernhard von Untervaz, (1752-1818) handeln. Er war damals
Pfarrer in Maladers. Bereits sein Vater und sein Grossvater sowie weitere Mitglieder
der Familie Bernhard übten den Pfarrerberuf aus.

                                        Alexander Wassiljewitsch Suworow
                                        (1729–1800);
                                        Portrait von George Dawe (ca. 1830)

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