Trotz Corona: In zwei Wochen geht das Taping los - GLOBAL ...

Die Seite wird erstellt Julian Hensel
 
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Trotz Corona: In zwei
Wochen geht das Taping
los
Am 1. August tritt die neue FinVermV für freie
Finanzdienstleister (34f) in Kraft und damit die
Pflicht zur Aufzeichnung von Telefonaten und
elektronischer Kommunikation mit dem Kunden. Doch
das ist längst nicht alles. Eine Corona-Schonzeit
wie für Banken gibt es zudem nicht.

Ab dem 1. August beginnt eine neue Ära für
Finanzdienstleister mit Zulassung nach Paragraf 34f
Gewerbeordnung        zur     Vermittlung       von
Investmentvermögen und Vermögensanlagen. Zu diesem
Datum           tritt            die          neue
Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) in
Kraft, die erhebliche Veränderungen in der
Beratungspraxis mit sich bringt.

Die neu gefasste Verordnung passt die Vorschriften
für die 34f-Vermittler in wesentlichen Teilen an die
Anforderungen für Banken an, die schon seit 2018 im
Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) stehen und setzt
damit die europäische Finanzmarktrichtlinie MiFID II
um.

Anders als offenbar vielfach vermutet, hat dies
nichts mit dem anderen 34f-Regulierungsthema zu tun:
Der Verlagerung der Aufsicht über die Vermittler auf
die Finanzaufsicht BaFin. Dies war bislang für
Anfang 2021 vorgesehen und steht derzeit zumindest
bezüglich des Termins auf der Kippe. Die neue
FinVermV hingegen wurde bereits 2019 beschlossen,
der Termin 1. August 2020 steht und wird von keiner
Seite in Frage gestellt.

Keine Corona-Schonfrist

Ab diesem Tag müssen die 34f-Vermittler unter
anderem die telefonische Kommunikation mit ihren
Kunden, die sich auf die Anlagevermittlung oder -
beratung bezieht, aufzeichnen und systematisch
archivieren.      Dieses    „Taping“     wird    den
Vertriebsalltag wahrscheinlich am offensichtlichsten
verändern und steht daher vielfach im Mittelpunkt
der Diskussion – und der Vorbehalte der betroffenen
Finanzdienstleister.

Corona verschärft die Lage. Denn persönliche
Beratungsgespräche, die nicht aufgezeichnet werden
müssen, sind vielfach weiterhin nicht möglich oder
nicht gewünscht. Doch anders als für Kredit- und
Finanzdienstleistungsinstitute gibt es für die 34f-
Vermittler keine Corona-Schonfrist.

So hat die BaFin die Taping-Pflicht für die
Institute bereits Ende März weitgehend ausgesetzt,
nachdem die Banken ihre Filialen wegen Corona nahezu
flächendeckend geschlossen und die Mitarbeiter ins
Home Office oder Callcenter verfrachtet hatten. Sie
könne das Gesetz zwar nicht einfach abschaffen,
werde aber „bis auf weiteres“ Verstöße gegen die
entsprechenden WpHG-Vorschriften unter bestimmten
Voraussetzungen nicht verfolgen, teilte die BaFin
sinngemäß mit.

Ähnliche Erleichterungen für den freien Vertrieb,
die aus dem Wirtschaftsministerium oder von den
zuständigen Gewerbeämtern bzw. IHKs kommen müssten,
sind bislang nicht bekannt und wohl auch nicht zu
erwarten. So hat der Branchendienst „kapital-markt
intern“ (kmi) einem eigenen Bericht zufolge beim
Bundeswirtschaftsministerium nachgefragt. Demnach
sind   zumindest     keine   bundeseinheitlichen
Erleichterungen geplant und ob einzelne der lokalen
Behörden reagieren oder ein Auge zudrücken, ist
offen.

Ohne eine offizielle Ausnahmeregelung ist zudem
schon aus Haftungsgründen davon abzuraten, auf das
Taping zu verzichten. So könnte es dem
Finanzdienstleister durchaus zum Verhängnis werden,
wenn er später in einem eventuellen Haftungsfall
keine entsprechenden Aufzeichnungen vorweisen kann.
Selbst die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung
könnte dann herumzicken. Das bestätigte auch
Rechtsanwalt Dr. Martin Andreas Duncker aus der
Kanzlei Schlatter gegenüber kmi.

Nun ist die Ungleichbehandlung des freien Vertriebs
gegenüber den Banken ohne Zweifel eine ziemliche
Zumutung,     zumal     die    selbstständigen
Finanzdienstleister wesentlich unmittelbarer von den
Corona-Umsatzeinbrüchen betroffen sind als die
Bankangestellten und -manager. Doch lamentieren
nützt nichts und die meisten 34f-Vermittler werden
sich mittlerweile entsprechend vorbereitet haben.

Es geht nicht nur um das Taping

So stehen „MiFID-Rekorder“ zur Verfügung, Pools und
Plattformen bieten den angeschlossenen Vermittlern
entsprechende Lösungen an und auch die Verbände
sowie teilweise die Anbieter unterstützen ihre
Mitglieder bzw. Vertriebspartner. Wer darüber noch
nicht verfügt, muss sich ranhalten, doch die
technische Seite des Tapings dürfte mittlerweile das
kleinere Problem sein.

Die größere Herausforderung ist vielfach sicherlich
die praktische, organisatorische Umsetzung der neuen
Vorschriften, gerade in Hinblick auf Mobil-
Telefonate,      die    Abgrenzung     zu    nicht-
aufzeichnungspflichtigen Gesprächen wie zum Beispiel
reine Terminabsprachen oder Versicherungsberatung
und die Akzeptanz auf Kundenseite.

Doch bei der neuen FinVermV geht es nicht nur um das
Taping, sondern unter anderem auch um neue
Dokumentationspflichten             und        eine
„Geeignetheitserklärung“, die das bisherige
Beratungsprotokoll ersetzt. Ob diesem Thema
angesichts der Fokussierung vieler Vermittler auf
das Taping und der generellen Corona-Turbulenzen
bislang immer die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet
wurde, darf bezweifelt werden.

Die   Geeignetheitsprüfung,      bei   der   bestimmte
Ausprägungen des Produkts („Zielmarkt“) mit den
Zielen und Eigenschaften des Kunden in Einklang
gebracht werden müssen, ähnelt zwar dem bisherigen
Verfahren. Sie ist im Detail aber durchaus
anspruchsvoll – auch in Hinblick auf die
Konsequenzen, wenn es bei einem der Kriterien
„hakt“. Nicht wenige Fachleute sehen darin die
größere Herausforderung als das Taping.

Die meisten Vermittler werden die korrekte Umsetzung
der neuen Vorschriften nicht ohne externe
Unterstützung bewältigen können, zumal die neue
FinVermV vielfach direkt auf die delegierte
Verordnung (EU) 2017/565 verweist. Dabei handelt es
sich nicht um die MiFID II selbst, sondern um eine
Durchführungsverordnung dazu.
So dürften sich bislang die wenigsten Vermittler
selbst einen Eindruck der neuen Vorschriften
verschafft haben. Dies ist aber durchaus anzuraten,
zumal alle EU-Vorschriften kostenlos und ohne
Anmeldung online verfügbar sind. Die EU-Verordnung
ist unter diesem Link in verschiedenen Sprachen
verfügbar, darunter natürlich auf deutsch. Relevant
sind darin vor allem die Artikel 46ff.

Vorschriften größtenteils durchaus verständlich

Auch wenn Umfang und Diktion nicht wenige Vermittler
abschrecken werden und die EU-Verordnung wiederum
vielfach Bezug auf die MiFID II (Richtlinie
2014/65/EU) selbst nimmt, sind die Vorschriften mit
etwas Mühe auch ohne juristischen Sachverstand
größtenteils durchaus verständlich, jedenfalls in
ihren Kernaussagen.

Keine Frage: Das alles ist äußerst lästig, zumal
zusätzlich zu den Corona-Herausforderungen. Doch die
34f-Finanzdienstleister      müssen   sich   damit
auseinandersetzen. Schließlich handelt es sich bei
den Vorschriften – schon ab übernächsten Samstag –
um ihre künftige Berufs- und Arbeitsgrundlage. Und
die sollte man vielleicht zumindest mal gesehen
haben.
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