Vitamin D zur Prävention von Osteoporose und Periodontitis - DLG-Expertenwissen 2/2014

Die Seite wird erstellt Wehrhart Meister
 
WEITER LESEN
Vitamin D zur Prävention von Osteoporose und Periodontitis - DLG-Expertenwissen 2/2014
DLG-Expertenwissen 2/2014

Vitamin D zur Prävention
von Osteoporose und
Periodontitis

                                www.DLG.org
DLG          Expertenwissen vitamin d
 Vitamin D zur Prävention von
 Osteoporose und Periodontitis
Abstract                                                            legt, um das individuelle Frakturrisiko abzuschätzen (Woolf &
                                                                    Pfleger, 2003). Osteoporose ist von globaler Bedeutung, auch
    Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D (Calciferole)        vor dem Hintergrund einer höheren Lebenserwartung und
ist in der Vergangenheit vielfach nur im Zusammenhang mit           alternden Gesellschaft in vielen Teilen der Welt (Übersicht 1).
dem Calcium- und Knochenstoffwechsel gesehen worden.                Die steigende Industrialisierung mit zunehmend „westlichem“
Ein Mangel an Vitamin D mit erniedrigtem Plasmaspiegel des          Lebensstil lässt auch in Schwellenländern die Prävalenz von
25-Hydroxycholecalciferol [25(OH)D] ist aber auch mit einer         Osteoporose steigen. Neben dem individuellen Leiden kommt
Reihe von chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Krebs         eine hohe sozio-ökonomische Belastung zum Tragen. Nach
und Diabetes assoziiert. Eine ausreichende Vitamin D Versor-        neueren Daten gaben die sechs größten Länder Europas 2010
gung führt zur Stärkung der Muskelkraft sowie der körpereige-       bereits 31 Mrd. Euro zur Behandlung osteoporotischer Kno-
nen Immunabwehr. Beides schützt unabhängig voneinander              chenbrüche aus (Hiligsmann et al., 2013). Das Lebensrisiko, in
vor Osteoporose. Personen mit niedrigem Vitamin D-Status            westlichen Ländern für über 50-Jährige eine Fraktur zu erleiden,
haben eine geringere Knochendichte und erleiden häufiger            liegt aktuell für Frauen bei 50 % und für Männer bei 20 %. Zu
Knochenfrakturen. Oft findet auch eine Rückbildung des Zahn-        den vielschichtigen Risikofaktoren gehören solche, die nicht be-
halteapparates statt. Zahnverlust führt zu Schwierigkeiten beim     einflussbar sind, wie Alter und weibliches Geschlecht, daneben
Kauen und in der Folge zu einer ungesunderen Lebensmittel-          beeinflussbare Faktoren wie Lebensstil einschließlich Mangel
wahl und Ernährungsweise mit Folgekosten für Zahnerhalt und         an Bewegung und falsche Ernährung.
Kosten für Folgekrankheiten. Das gemeinsame Auftreten von              Periodontitis ist eine entzündliche Erkrankung von Paro-
Periodontitis und Osteoporose geht wahrscheinlich auf gleiche       dont, Zahnfleisch und Kieferknochen, die den Schwund des
metabolische Prozesse zurück, die ihren Ursprung in einem           Zahnhalteapparates einschließlich des Knochens zur Folge hat.
Entzündungsgeschehen haben. Derzeit findet eine Diskussion          Periodontitis ist nach der Karies die zweithäufigste Erkrankung
darüber statt, wie hoch eine ausreichende Vitamin D Zufuhr sein     der Mundhöhle und ist die Hauptursache für Zahnverlust.
sollte, denn die aktuellen Empfehlungen orientierten sich an der    In den USA wurde bei fast jedem zweiten über 30-Jährigen
Sicherstellung der Knochengesundheit. Bislang gibt es keine         eine Periodontitis festgestellt. Der Rückgang von Knochen-
ausreichende Datenlage, die die Festlegung einer bestimmten         struktur, wie er im Verlauf einer Osteoporose eintritt, trägt zur
Vitamin D-Zufuhr (Cholecalciferol / Ergocalciferol) und den         Verschlimmerung des Schwundes des Zahnapparathaltes bei.
mit ihr zu erzielenden Plasmaspiegeln an 25(OH)D rechtfertigt.      Periodontitis hat ebenfalls vielseitige Ursachen, zu denen auch
Zurzeit wird von einigen Fachgruppen ein Plasmaspiegel von          das vermehrte Auftreten bestimmter Bakterien in der Mundhöhle
mindestens 75 nmol/L 25(OH)D favorisiert, ein Wert, der bei         gehört. Das Milieu im Mundraum und damit das Vorherrschen
den meisten Menschen erst bei einer täglichen Zufuhr von 25 µg      bestimmter Bakterien wird über Ernährungsformen und -fakto-
bzw. 1000 IE Vitamin D und unter sonst günstigen Umständen          ren beeinflusst. Periodontitis geht häufig mit dem Auftreten von
erreicht wird. Interventionsstudien am Tiermodell, in denen         Osteoporose einher (Kaye 2007), aber auch mit Krankheiten
störende Einflussgrößen besser kontrolliert werden können als       oder Funktionsstörungen, die nicht primär durch Knochenmas-
in Humanstudien, liefern wertvolle Daten, um Zusammenhänge          seabbau gekennzeichnet sind, wie Fettstoffwechselstörungen
zwischen Vitamin D-Zufuhr und Vitamin D-Status einerseits,          oder Diabetes (Nagasawa et al., 2010).
sowie Vitamin D-Status und den Auswirkungen auf Organsyste-
me und Stoffwechselstörungen andererseits erklären zu helfen.       Übersicht 1: Bedeutung der Osteoporose - Schätzwerte
Darüber hinaus sind kontrollierte Langzeit-Interventionsstudien
mit verschiedener Vitamin D-Zufuhr und definierten Endpunk-          • Global: 9 Mio Frakturen; 1 von 3 Frauen und 1 von
ten insbesondere bei jungen Erwachsenen erforderlich, um über          10 Männern der über 54-Jährigen werden im Laufe
Änderungen der Empfehlungen der Tageszufuhr entscheiden zu             ihres Lebens an Osteoporose erkranken
können. Eine Vielzahl neuerer Studien untermauert den aktuel-        • Westliche Länder: 1 von 2 Frauen und 1 von 5 Männern der
len Kenntnisstand, auf dessen Basis die Deutsche Gesellschaft          über 50-Jährigen werden im Laufe ihres Lebens
                                                                       eine Fraktur erleiden
für Ernährung (DGE) ihre Empfehlungen für die tägliche Zufuhr
                                                                     •	USA: 10 Mio Amerikaner haben Osteoporose,
bei fehlender endogener Synthese 2012 auf 20 µg/Tag anhob.
                                                                       mit geschätzten Kosten von $ 17.9 Mrd jährlich
                                                                     •	UK: 3 Mio Betroffene
Relevanz von Osteoporose und Periodontitis
                                                                     •	EU: geschätzte Kosten > € 13.9 Mrd jährlich
   Osteoporose ist eine Erkrankung des Skeletts, bei der es durch    •	EU: Ausgaben 2010 für Frakturen in den sechs
                                                                       größten Ländern betragen € 31 Mrd
Abnahme von Knochenmasse und -dichte sowie Verschlechte-
                                                                     • D: 25 % aller über 50-Jährigen ( 7,8 Mio)
rung der Mikroarchitektur des Knochens zu vermehrten Kno-
chenbrüchen kommt. Die WHO hat für diagnostische Zwecke             Nach Johnell & Kanis, 2006; Lanham-New, 2006;
eine Definition auf der Basis der Knochenmineraldichte festge-      Kuratorium Knochengesundheit, 2008, Hiligmann et al., 2013.

DLG-Expertenwissen 02/2014                                                                                                         1
DLG           Expertenwissen vitamin d
Fehlernährung und Knochenschwund                                        wahl ungesunder Lebensmittel und Ernährungsweisen (Abb. 1).
                                                                        Wenn kauintensive Lebensmittel wie Rohkost und knackiges
    Bestimmte Ernährungsweisen (faser- und strukturreich ge-            Obst gegen hochverarbeitete, häufig stärke- und energiereiche,
genüber zucker- und stärkereich) sowie die Zufuhr bestimmter            jedoch in der Regel nährstoff- und wirkstoffärmere getauscht
Nähr- und Wirkstoffe (Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine           werden, fehlt das Zugtraining am Kauapparat und die Hygie-
einschließlich Vitamin D) und Pflanzeninhaltsstoffe mit entzün-         newirkung durch Kauen und Speichelfluss. In Kombination mit
dungshemmender oder östrogener Wirkung (Flavonoide, Phy-                einem Nährstoffmangel führt die resultierende Zahnlockerung
toöstrogene) führen zu einer geringeren Osteoporoseprävalenz.           zunächst zu Kosten für den Zahnerhalt. In der Folge kommen zu-
Ein Mangel an Calcium, Phosphor und Vitamin D wirkt sich                sätzliche Kosten für andere chronische Erkrankungen hinzu, die
direkt negativ auf die Knochenmineraldichte aus. Andererseits           ihren Ausgang in ernährungsabhängigen Störungen haben wie
wurde bei Osteoporosepatienten vermehrt Periodontitis beob-             z.B. des Fett- und Glukosestoffwechsels einschließlich Diabetes,
achtet (Swoboda et al., 2008, Passos et al., 2013). Bei einer bes-      sowie Gicht, Rheuma und Bluthochdruck. In einer zunehmend
seren Vitamin D-Versorgungslage war der Knochendichtewert               alternden Gesellschaft kommt der Zahngesundheit mit Erhalt
höher und der Schweregrad von Periodontitis geringer (Bischoff-         des Zahnhalteapparates daher eine besondere Bedeutung zu.
Ferrari et al., 2006, Garcia et al., 2011, Jimenez et al., 2013). Das
assoziierte Auftreten von Periodontitis und Osteoporose geht            Vitamin D-Aufnahme –
wahrscheinlich auf gleiche metabolische und zelluläre Prozesse          Empfehlung und Realisierung
zurück, die ihren Ursprung in einem Entzündungsgeschehen ha-
ben. Entsprechende Metabolite oder Zytokine wie TNF-α, IL-6                 Bislang lagen die Empfehlungen der DGE bei 10 µg/Tag für
und RANKL führen durch Aktivierung des Osteoklastenpools                Kleinkinder und Senioren älter als 64 Jahre, und bei 5 µg/Tag
zu einer Entgleisung des gesunden Knochenturnovers und zu               bei allen anderen Altersgruppen. Diese Empfehlungen wurden
einer Knochendichteabnahme in verschiedenen Skelettorten                2012 auf 20 µg/Tag angehoben (DGE 2012). In den USA wurde
einschließlich des Zahnhalteapparates. Ernährungsweisen,                dem erhöhten Bedarf bei unzureichender Sonnenlichtexpo-
die neben der Versorgung mit knochenbildenden Nähr- und                 sition durch höhere Empfehlungen (15 µg/Tag für alle Alters-
Wirkstoffen eine antioxidative und antiinflammatorische                 gruppen bis 70 Jahre und 20 µg/Tag für Senioren, die älter sind)
Stoffwechsellage stützen, beugen nicht nur Osteoporose vor,             bereits 2010 Rechnung getragen (Institute of Medicine, IOM,
sondern tragen auch dazu bei, Periodontitis zu mildern (Jenzsch         2010), während es in Großbritannien für gesunde Erwachsene
et al., 2008).                                                          keine besonderen Empfehlungen zur Aufnahme mit der Nah-
    Zu den klassischen Auswirkungen eines Vitamin D-Mangels             rung gibt. Im Gegensatz zu anderen Vitaminen muss Vitamin
zählen die Beeinträchtigung der luminalen Resorption und                D nicht ausschließlich mit der Nahrung zugeführt werden,
renalen Rückresorption von Calcium und Phosphor, sowie die              da es aus Vorstufen vom Körper synthetisiert werden kann.
homöostatische Regulation beider Elemente (De Luca 1988,                Hierbei entsteht Vitamin D3 in der Haut aus dem Provitamin
Norman 2008). Darüber hinaus können entzündliche Prozesse               D3 (7-Dehydrocholesterol) unter Einwirkung von Sonnenlicht
ausgelöst oder verstärkt werden. In beiden Fällen resultiert ein        (UVB) und nach thermischer Isomerisierung des entstandenen
erhöhtes Auftreten von Osteoporose und Periodontitis. Die Lo-           Previtamin D3. Sowohl das mit der Nahrung aufgenommene als
ckerung und der Verlust von Zähnen führen zu Schwierigkeiten            auch durch Eigensynthese entstandene Vitamin D wird durch
beim Kauen und in der Folge oft zu einer Fortschreibung der Aus-        zwei weitere Hydroxylierungsschritte in Leber und Niere in
                                                                        den aktiven Metaboliten 1,25(OH)2 Vitamin D3 umgewandelt.
Abbildung 1: Fehlernährung und Folgen                                   Um eine Aussage zum Vitamin D-Status zu machen, wird die
                                                                        Plasmakonzentration des 25(OH) Vitamin D3 herangezogen, da
    Kosten für Folgekrankheiten                                         es die Vitamin D-Versorgung besser reflektiert als das 1,25(OH)
                                                                        Vitamin D3, dessen Plasmakonzentration durch andere Faktoren
             Ungesunde                                                  stark beeinflusst wird, wie die Höhe der Calciumzufuhr oder
             Ernährung,                      Verlust an                 die des Parathormonspiegels im Blut.
             Vitamin D-                      Knochen-                       Von einigen Experten (Dawson-Hughes et al., International
               Mangel                          dichte                   Osteoporosis Foundation, IOF, 2010) wird darauf hingewiesen,
                                                                        dass ein optimaler Vitamin D-Status erst besteht, wenn der Plas-
                                                                        maspiegel des 25(OH)D mindestens 75 – 80 nmol/L erreicht.
                                                                        Dies wird offensichtlich bei den meisten Menschen erst bei
                                                                        einer täglichen Zufuhr von 25 µg bzw. 1000 IE und unter sonst
                                                                        günstigen Umständen erzielt.
      Lebensmittel-                                   Zahn-                 Die Vitamin D-Versorgung in Deutschland wird laut Natio-
        auswahl                                     lockerung           naler Verzehrsstudie II (2008) überwiegend durch Lebensmittel
                                                                        gedeckt, die von Natur aus relativ viel Vitamin D enthalten.
                                                                        Hierzu zählen Fisch und Fischgerichte, Butter, Käse und Eier
                              Probleme
                                                                        (Übersicht 2). Auch spielen Backwaren eine gewisse Rolle. Ei-
                             beim Kauen                                 nige Pilze können ebenfalls beachtenswerte Mengen Vitamin D
                                                                        enthalten, wobei es sich jedoch um Vitamin D2 (Ergocalciferol)
                                        Kosten für Zahnersatz           handelt, dessen Bioaktivität als geringer eingestuft wurde. Bis-
                                                                        lang ging man davon aus, dass Cholecalciferol nur in Produkten

2                                                                                                       DLG-Expertenwissen 02/2014
DLG           Expertenwissen vitamin d
tierischer Herkunft vorkommt. Inzwischen stehen bessere Ana-           Übersicht 2: Vitamin D-haltige Lebensmittel
lysentechniken zur Verfügung, und es konnten Vitamin D3 und            (Gehalte µg/100 g) sowie Supplemente
Metabolite in verschiedenen Pflanzen nachgewiesen werden.
In den Blättern bestimmter Nachtschattengewächse (Solanum                Vitamin D-reiche Lebensmittel*)
glaucophyllum Desf.) wurden besonders hohe Konzentrationen               – Fettreicher Fisch                             10-26
gemessen (Jäpelt et al., 2013). Ein Einsatz der hieraus gewon-           – Leber                                         2
                                                                         – Eigelb                                        3
nenen Vitamin D aktiven Substanzen wird in der Tierernährung
                                                                         – Butter, Käse                                  1-3
bereits praktiziert und ist in der Humanernährung als Nahrungs-          – Champignons (D2)                              2
ergänzungsmittel denkbar (Autzen & Bachmann, 2011). Durch
Lagerung oder Erhitzung bei der Zubereitung wird die Aktivität           Vitamin D-angereicherte Lebensmittel
von Vitamin D kaum reduziert, ist jedoch gegenüber Sonnen-               – Margarine                                     2,5
                                                                         – Milch1)                                       0,5
licht empfindlich. Synthetisches Ergocalciferol scheint eine
                                                                         – Frühstückszerealien2)                         1,7
weniger gute Wirkung zu besitzen als Cholecalciferol (Armas
et al., 2004), jedoch liegen kaum Daten zur Bioverfügbarkeit             Vitamin D-Supplemente
des Vitamin D2 aus pflanzlichen Lebensmitteln vor. In der Ratte          – Tabletten (je Stück z.B.)                     2,5-10
führte der Verzehr von Pilzen, bei denen durch UV-Bestrahlung
eine Anreicherung von Ergocalciferol erreicht worden war, zu           *) Souci, Fachmann, Kraut 2008; 1) z.B. USA, UK, FI; 2) z.B. USA, UK
einem Anstieg von 25(OH)D (Koyyalamudi et al., 2009). Somit
konnte ein Nachweis erbracht werden, dass Vitamin D2 techno-           (Milch, Käse, Brot, Orangensaft) mit 3-20 µg Vitamin D/Tag über
logisch in Pilzen erzeugt / erhöht werden kann und dieses auch         einen Zeitraum von 3 Wochen bis 24 Monate zu einem signi-
biologisch wirksam ist. Eine Vergleichsgruppe, die Vitamin D3          fikanten Anstieg des Plasmaspiegles von 25(OH)D führte. Der
erhielt, wurde jedoch nicht mitgeführt. Auch ist unklar, ob die        Anstieg lag zwischen 14 und 35 nmol/L (O’Donnell et al., 2008).
Ratte als nachtaktiver Nager, der sich als überwiegend Ergocalci-      Die Daten zeigen, dass durch Anreicherung von Lebensmitteln
ferol verstoffwechselndes Tier entwickelt hat, für diesen Bereich      der Vitamin D-Status verbessert werden kann.
ein geeignetes Modell für den Menschen darstellt.                          Die Bedeutung von Calcium und Vitamin D bei der Präven-
    In einigen Ländern werden außer Margarine auch Milch und           tion von Osteoporose ist ein andauernder Diskussionspunkt.
Milchprodukte, Fruchtsaftgetränke sowie Frühstückszerealien            In der RECORD-Studie (Grant et al., 2005) wurden z.B. keine
angereichert, wodurch eine Erweiterung der Lebensmittelpa-             Unterschiede in der primären Zielgröße „neue Frakturen“
lette entsteht, aus der die Verbraucher ihren Vitamin D-Bedarf         zwischen den Gruppen beobachtet, unabhängig davon, ob sie
decken können.                                                         Vitamin D, Calcium, beides oder ein Plazebo bekamen. In der
    Der Versorgungsgrad liegt laut Nationaler Verzehrsstudie           Studie wurden mehr als 5000 Personen (85% Frauen) im Alter
(2008) deutlich unter den Empfehlungen, insbesondere bei               von  70 Jahren über 2-5 Jahre verfolgt. Bei der Interpretation
Senioren. Die empfohlene Zufuhr erreichen deutlich weniger             der Daten ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Therapietreue
als die Hälfte der Befragten in allen Altersgruppen. Ältere Men-       nach 2 Jahren nur 55 % betrug und die Ergebnisse daher wenig
schen sind durch abnehmende Organfunktion charakterisiert.             aussagekräftig sind. In einer weiteren Metaanalyse mit 29 ran-
Ferner haben sie aufgrund eingeschränkter Beweglichkeit oder           domisierten Studien und insgesamt 63 897 Teilnehmern über
institutionalisierter Unterbringung oft weniger Möglichkeiten          50 Jahre wurde festgestellt, dass durch Behandlung mit Calcium
zum Aufenthalt im Freien. Somit wird sowohl die Bildung von            und/ oder Vitamin D der Knochendichteverlust geringer war und
Vitamin D in der Haut als auch die weitere Umwandlung in die           weniger Frakturen auftraten. Die Behandlungstreue und die
funktionalen Metabolite in Leber und Niere deutlich reduziert.         Dosis hatten einen signifikanten Einfluss. Aus den Ergebnissen
Weitere Risikogruppen sind Kleinkinder und Menschen mit                wurden als Mindestmenge 1200 mg Ca und 50 µg Vitamin D
starker Hautpigmentierung, insbesondere wenn sie in nörd-              pro Tage abgeleitet (Tang et al., 2007).
lichen Breiten leben und durch religiöse Gebote / kulturelle               Eine weitere Metaanalyse (Boonen et al., 2007) wies nach,
Gewohnheiten die Haut der Sonne wenig aussetzen. In allen              dass die Supplementation mit Vitamin D allein nicht ausrei-
Altersgruppen sind Frauen besonders gefährdet, insbesondere            chend war, um Frakturen zu reduzieren. Wurden hingegen
während Schwangerschaft und Stillzeit. Ungenügend versorgte            Studien ausgewertet, die zusätzlich Calcium verabreichten, so
Schwangere und Stillende gefährden ihre Säuglinge, die mit             wurde das Risiko für Hüftfrakturen signifikant gesenkt.
einer schlechteren Vitamin D-Versorgung und Knochenminera-                 Wegen der bekanntermaßen geringer werdenden Behand-
lisierung starten. Ein weiterer Risikofaktor ist die Jahreszeit. Auf   lungstreue mit fortschreitender Dauer könnten funktionelle
der nördlichen Halbkugel findet nördlich des 52. Breitengrads          oder angereicherte Lebensmittel durch eine höhere Akzeptanz
in den Wintermonaten praktisch keine Vitamin D-Synthese                als die für Tabletten zu einer besseren Versorgung insbesondere
statt (auf der Südhalbkugel entsprechend entgegengesetzt). Die         von Risikogruppen beitragen. Bei älteren Heimbewohnern
effektivste Umwandlung geschieht zwischen 11–15 Uhr. Hier              wurde Brot in deren Speisenplan eingefügt, das mit Vitamin
reichen bereits 5–20 Minuten Bestrahlung, wenn 10–20 % der             D angereichert war und zu einer zusätzlichen täglichen Auf-
Haut der Sonnenbestrahlung ausgesetzt werden (Holick 2004).            nahme von 125 µg führte. Nach 12 Monaten war der Vitamin
                                                                       D-Status deutlich verbessert. Das Plasma 25(OH)D war von
Vitamin D Supplementierung                                             unter 30 nmol/L auf 125 nmol/L angestiegen. Hierdurch
                                                                       wurde die Knochenmineraldichte in der Lendenwirbelsäule
   Eine Metaanalyse unter Einbeziehung von 7 Studien mit 585           und mehr noch in der Hüfte signifikant erhöht (Mocanu et al.,
Teilnehmern zeigte, dass die Anreicherung von Lebensmitteln            2009, Abbildung 2).

DLG-Expertenwissen 02/2014                                                                                                                    3
DLG           Expertenwissen vitamin d
Abbildung 2: Langzeiteffekt von mit Vitamin D ange-                    Miniaturschwein ist ein gutes Tiermodell auch für den Calcium-
reichertem Brot (+125 µg bzw. 5000 IE pro Tag) auf die                 und Knochenstoffwechsel des Menschen. An ihm lässt sich der
Knochenmineraldichte (KMD) in Lendenwirbelsäule (LWS)                  Einfluss verschiedener Vitamin D Zufuhren auf Veränderungen
und Hüfte bei älteren Erwachsenen. (Mocanu et al., 2009).              von Vitamin D Metaboliten im Plasma und den Auswirkungen
                                                                       auf Organsysteme im Zeitverlauf sehr gut studieren. In kont-
1,20                                                                   rollierten Interventionsstudien konnten wir zeigen, dass die
                                                                       Supplementation mit 6500 IE Vitamin D3/kg Futter gegenüber
1,00                                                                   einer Standarddiät mit 2000 IE /kg Futter über einen Zeitraum
0,80                                                                   von 10 Monaten zu einem signifikanten Anstieg von 25(OH)
                                                                       Vitamin D führte und sich erst anschließend ein Plateau
0,60                                               Basiswert           einstellte, ohne dass die Knochendichte erhöht wurde. Eine
                                                                       absolute Unterversorgung mit Vitamin D kombiniert mit einer
                                                   nach 12 Monaten
0,40                                                                   Mangelversorgung mit Calcium führte bereits nach 5 Monaten
                                                                       zu deutlich erniedrigten 25(OH)D Plasmaspiegeln (moderate
0,20
                                                                       Hypovitaminose D), die ihren Tiefststand nach 10 Monaten
0,00                                                                   erreichten. Der kombinierte Calcium/Vitamin D-Mangel führte
           LWS KMD           Hüfte KMD                                 gleichzeitig zu einer Verschlechterung der Calciumresorption
                                                                       und Minderung der Knochenqualität (experimentelle Osteo-
   Kontrollierte Langzeit-Interventionsstudien mit verschiede-         malazie; Scholz-Ahrens et al., 2010, 2013). Es wird deutlich,
nen Vitamin D Zufuhren und Formulierungen sowie definierten            dass die Anpassung an Ernährungsumstellungen viele Monate
Endpunkten liegen bei jüngeren Erwachsenen und anderen                 in Anspruch nehmen kann.
Zielgruppen kaum vor. Sie sind aber erforderlich, um über eine
Änderung der Empfehlungen der Tageszufuhr entscheiden zu               Schlussfolgerung
können. Kürzlich wurde berichtet, dass die Zufuhr von 25 µg
Cholecalciferol bei jungen Mädchen mit einem Vitamin D-                    Vitamin D ist ein wichtiger Wirkstoff im Rahmen der Ge-
Status, der bei Erwachsenen als unzureichend gilt, zu einem            sunderhaltung des Skeletts. Einerseits fördert es die Resorption
Anstieg von 25(OH)D im Plasma, nicht jedoch zu einer Ver-              von Mineralstoffen und trägt zum Aufbau von Knochenmasse
besserung der Calciumretention führte und keinen Einfluss auf          und -dichte bei. Andererseits greift es in Entzündungskaska-
den Plasmaspiegel von Parathormon und 1,25(OH)2 Vitamin D              den hemmend ein und schützt vor Knochenmasseabbau. In
hatte (Park et al., 2010). Hier stellte sich auch die Frage, ob die    beiden Fällen wird das Risiko gemindert, an Osteoporose oder
maximale Parathormonsuppression, die bislang als ein Kriterium         Periodontitis zu erkranken. Dies sprach für die Anhebung der
bei der Festlegung des optimalen Vitamin D-Status befürwortet          Empfehlungen für die Vitamin D-Zufuhr und die Annahme, dass
wurde, generell und für alle Altersgruppen gilt (Hill et al., 2010).   höhere Plasmaspiegel von 25(OH)D als bislang angenommen,
                                                                       erstrebenswert sind. Durch bedachten Aufenthalt im Freien und
Toxizität                                                              durch eine gezielte Lebensmittelauswahl kann ein ausreichend
                                                                       hoher Vitamin D-Status erreicht werden. Gefährdete Personen
    Die als sicher geltenden Obergrenzen liegen für Säuglinge          haben die Möglichkeit, durch Nahrungsergänzungsmittel
und Kleinkinder bei 25 µg Vitamin D pro Tag und für Erwach-            - insbesondere in den Wintermonaten – einem Mangel vor-
senen bei 50 µg/Tag. Auch hier plädieren Experten für eine             zubeugen. Trotzdem bleiben Fragen offen, insbesondere wie
Anhebung der Höchstwerte, die mit 250 µg/Tag beziffert wird.           hoch die Zufuhr an Vitamin D sein muss (D2, D3, Metabolite
Diese Zufuhr erzeugt einen Plasmaspiegel, der maximal auch             aus tierischer und pflanzlicher Nahrung), um eine bestimmte
durch Sonnenbestrahlung erzielt werden kann (200–220 nmol              Anhebung des Plasma 25(OH)D zu erreichen, und welche
/L). Toxische Wirkungen wurden bislang nur nach Dosen be-              Langzeiteffekte eine bestimmte Anhebung des Plasma 25(OH)
obachtet, die über 500 µg/Tag lagen (Heaney 2008). In den              D auf Mineralstoff- und Knochenstoffwechsel hat. Auch die
Empfehlungen der USA wurde die tolerierbare Obergrenze der             Möglichkeit und Bedeutung der Speicherung von Vitamin D
langfristigen täglichen Zufuhr (UL) von Vitamin D von 2000 auf         durch Eigensynthese während des Sommers („Sommerdepot“,
4000 IU (100 µg) /Tag angehoben (Institute of Medicine 2010).          „Urlaubsdepot“) ist noch unverstanden.

Tiermodelle                                                               Autorin: Dr. Katharina E. Scholz-Ahrens, Max Rubner-
                                                                       Institut (MRI), Bundesforschungsinstitut für Ernährung und
   In kontrollierten Studien an geeigneten Tiermodellen las-           Lebensmittel, Kiel
sen sich grundsätzliche Fragen zum Vitamin D-Stoffwechsel
sehr gut untersuchen, die in Studien am Menschen etwa aus               Die verwendete Literatur kann bei der Autorin angefordert werden.
ethischen Gründen nicht durchführbar wären. Das Göttinger

                        DLG e.V., Fachzentrum Ernährungswirtschaft
                        Eschborner Landstraße 122, 60489 Frankfurt am Main
                        Telefon: 069/24788-360, Fax: 069/24788-8360
                        H.Buckenhueskes@DLG.org; www.DLG.org/Food

4                                                                                                       DLG-Expertenwissen 02/2014
Sie können auch lesen