Weidemast - ein Produktionssystem mit Zukunft

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Weidemast - ein Produktionssystem mit Zukunft
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Weidemast – ein Produktionssystem mit Zukunft
Lohnende Bioabsatzkanäle für Kälber aus Milchbetrieben sind rar. Der Verkauf an konventionelle Mäster
ist nicht nachhaltig und widerspricht dem Tierwohlanspruch der Biobranche. Einen Lösungsweg zeigt die
Schweizer Bioweidemast auf. Sie holte Handelsgrößen wie Migros, Aldi und Lidl mit ins Boot.

Von Verena Bühl und Franz J. Steiner

Eine erfolgreiche Vermarktung von          Weidemasttieren über die Ladentheken       und hatte gerade einen Alpbetrieb dazu-
Bioochsen und -rindern aus Weide-          von Migros, Aldi, Lidl sowie Metzgerei-    gepachtet. Die anspruchsvollen Böden
haltung, die ohne Kraftfutter gemästet     en. Die Fidelio-Biofreiland AG beliefert   waren für schwere Tiere wenig geeignet,
wurden – dass das möglich ist, beweist     Fachgeschäfte und Restaurants. Etwa        und der Arbeitsaufwand für die Milch-
seit gut zwei Jahrzehnten das Schweizer    800 Betriebe zählen zu den Produzen-       produktion wurde schlicht zu hoch. Auf
Produktionssystem der Bioweidemast,        ten. Die Migros-Partnerbetriebe sind in    der Suche nach einer Lösung für seinen
aus dem verschiedene Label hervorge-       der IG Bio Weide-Beef organisiert, die     Betrieb stand Meinrad Steiner vor der
gangen sind. Unter dem Namen „Bio          nicht nur die Preisverhandlungen führt,    Entscheidung, entweder die Vertragsauf-
Weide-Beef“ vertreibt die Migros, der      sondern zum Beispiel auch Weiterbil-       zucht von Rindern für Milchviehbetrie-
größte Schweizer Lebensmitteleinzel-       dungen für Mitglieder anbietet.            be aus- oder einen neuen Betriebszweig
händler, seit 1999 den Löwenanteil des                                                aufzubauen. Seine Entscheidung fiel auf
Rindfleischs aus der Bioweidemast. Vor                                                die Weidemast mit zugekauften Abset-
Kurzem sind auch Aldi (unter dem La-       Weidemast – ein Wagnis?                    zern. Die damalige staatliche Milchkon-
bel „Bio Weiderind“) sowie Lidl („Bio                                                 tingentierung erleichterte das Wagnis,
Organic Weiderind“) als weitere große      Den Stein ins Rollen gebracht hat 1997     denn das eigene Milchkontingent durfte
Player auf dem Schweizer Lebensmit-        ein Landwirtschaftsbetrieb in der Zen-     an einen Partnerbetrieb vermietet wer-
telmarkt in den Verkauf von Biowei-        tralschweiz. Milchproduzent Meinrad        den, der im Gegenzug die Kälber aufzog
derindfleisch eingestiegen. Aktuell geht   Steiner bewirtschaftete damals überwie-    und im Alter von circa 150 Tagen an
jede Woche das Fleisch von circa 200       gend steile oder flachmoorige Flächen      den Mastbetrieb verkaufte.
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Bei der Suche nach Absatzwegen für         bis nach dem Abtränken auf dem Ge-         Schlachtqualität entspricht nach EU-
ihre Bioweiderinder und -ochsen fand       burtsbetrieb deren Gesundheit. Damit       ROP etwa R bis E.
die Familie Steiner mit Eric Meili vom     geht einher, dass der Antibiotikaeinsatz
FiBL Schweiz, dem Vermarkter Li-           für diese Tiere erheblich unter demjeni-   Wenn ab 2022 für Schweizer Biobetrie-
nus Silvestri AG und dem Abnehmer          gen für Kälber liegt, die während ihrer    be die Kraftfutterlimitierung auf fünf
Hermann Blaser von der Migros Ost-         Tränkephase den Betrieb wechseln.          Prozent verschärft wird (bei gleichzeitig
schweiz die richtigen Partner. Letzte-                                                eingeschränkter Fütterung von Mais-
re war interessiert daran, nachhaltig      Ein entscheidender Faktor der Weide-       und anderen Ganzpflanzensilagen), wer-
erzeugtes Rindfleisch anzubieten, und      mast ist die Auswahl geeigneter Rassen.    den die Karten bei der Rassenwahl noch
Hermann Blaser war überzeugt, genau        Meinrad Steiner erzielte die besten Er-    einmal neu gemischt. Der sich bereits
das in der Weidemast gefunden zu ha-       gebnisse mit Original Schweizer Braun-     abzeichnende Trend hin zu Tieren, die
ben.                                       vieh und Simmentaler, für die steilen      Raufutter effizienter verwerten können,
                                           Alpflächen waren leichtere Tiere wie       könnte sich dann auch auf Milchvieh-
                                           Grauvieh und Hinterwäldler ideal. Die      betrieben mit einem steigenden Einsatz
Nachhaltig und                             Realität auf den meisten Milchbetrie-      von Zweinutzungsrassen fortsetzen.
ressourcenschonend                         ben sind jedoch milchleistungsbetontere
                                           Kühe. Hier bringt wiederum eine Be-
Die Weidemast erweist sich als ausge-      legung mit geeigneten Maststieren wie      Wer bezahlt die Kälberaufzucht?
sprochen nachhaltiges Produktions-         Limousin den großen Vorteil des He-
system, insbesondere wenn Alpweiden        terosiseffekts: Die Kälber zeichnen sich   Im Jahr 2009 wurde die Milchkontin-
und Flächen mitgenutzt werden, die für     durch eine überdurchschnittliche Leis-     gentierung in der Schweiz aufgehoben,
schwere Tiere nicht geeignet sind. Auf     tung aus.                                  was die Frage der kostendeckenden Käl-
Kraftfutter wird verzichtet, im Winter                                                beraufzucht mit sich brachte. Die Basis
werden die Tiere mit Heu und Grassi-       Spätestens im Alter von 26 bis 30 Mona-    der Bioweidemast, das Abtränken auf
lage gefüttert. Diese effiziente Nutzung   ten (je nach Label) müssen die Tiere den   dem Geburtsbetrieb, wurde praktisch
betriebseigener Ressourcen mit einer       Ausmastgrad erreicht haben. Das ange-      aufgegeben. Die Milchbauern verkauf-
hohen Fleischleistung je Hektar Weide-     strebte Schlachtgewicht für Bio Weide-     ten ihre Kälber im Alter von drei Wo-
fläche ist sowohl der reinen Milchvieh-    Beef liegt aktuell bei 260 bis 280 (max.   chen an einen konventionellen Mäster
haltung als auch der Mutterkuhhaltung      320) Kilogramm mit einer Fettabde-         und die Bioweidemäster mussten sich
mit intensiven Mastrassen überlegen und    ckung von 2 bis 3, für das Bioweiderind    daher neu aufstellen. Einige stiegen auf
darf für sich in Anspruch nehmen, na-      von Aldi Schweiz bei 310 Kilogramm         Mutterkuhhaltung um, die anderen
hezu klimaneutral zu produzieren. Nicht    (schwerere Tiere werden angenommen,        kauften vermehrt Absetzer aus der Mut-
zuletzt fördert die Aufzucht der Kälber    jedoch mit Abzügen). Die erwünschte        terkuhhaltung zu.
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Dank leichterer Tiere eignet sich die Bioweidemast besonders gut für   Damit die Tiere innerhalb von 26 bis 30 Monaten den Ausmastgrad
die Nutzung steiler Alpflächen und anspruchsvoller Böden.              erreichen können, ist ein gutes Weide- und Futtermanagement
Alle Fotos © Franz J. Steiner                                          unerlässlich.

Um die ursprüngliche Idee der Weide-             Gründen ist es in jedem Fall notwendig,      der Marktwert der auf dem Aufzuchtbe-
mast mit Aufzucht auf dem Geburtsbe-             Bullenkälber für die Weidemast früh zu       trieb eingesetzten Milch.
trieb wieder aufzunehmen, betreute das           kastrieren.
FiBL von 2018 bis 2020 ein Projekt für                                                        Es besteht die Hoffnung, dass mit einer
Aldi Schweiz, aus dem das Label „Bio             Herausfordernd für die Produzenten ist       größeren Anzahl an Biomilchbetrieben
Weiderind“ hervorging. Der sehr er-              es, eine gleichmäßige Lieferung über         in Zukunft mehr Kälber auf Milchvieh-
folgreiche Markteinstieg stimmt hoff-            das ganze Jahr zu gewährleisten. Erfah-      betrieben aufgezogen werden. Weil im
nungsvoll. Zurzeit fehlen noch Plätze            rungsgemäß sind die Tageszunahmen            Schweizer Biolandbau das Spermasexing
für die Aufzuchtkälber. Die Bioweide-            im Winter besser als im Sommer, das          nicht erlaubt ist, setzen Milchbetriebe
mäster stehen außerdem zunehmend in              heißt, es gibt oft mehr fette Tiere im       zunehmend auf fleischigere Milchrassen,
Konkurrenz mit Intensivmästern, die              Spätwinter bis Frühling und nur knapp        deren Kälber sich auch gut für die Wei-
wegen der sinkenden Milchkuhbestän-              gedeckte Tiere im Sommer und Herbst.         demast eignen.
de auch auf Biobetrieben Kälber suchen           Schlachtreife Tiere für den Spätsommer
und gute Preise zahlen. Die Nachfrage            zu produzieren, ist nicht einfach. Die       Die Zuverlässigkeit der Abnehmer er-
nach Bioweidefleisch kann daher aktuell          Rinder und Ochsen müssen auf guten           laubt es den Bioweidemastbetrieben,
nicht gedeckt werden.                            Weiden gehalten werden und immer             langfristige Partnerschaften mit Milch-
                                                 genügend Gras zur Verfügung haben.           viehbetrieben, aber auch mit Mutter-
                                                 Tiere für Sommerschlachtungen bedeu-         kuhhaltern einzugehen, denen ein Ab-
Fette Rinder, magere Ochsen?                     ten damit grundsätzlich mehr Aufwand,        satz ihrer Kälber garantiert werden kann.
                                                 sind also teurer in der Produktion. Übers
Ohne ein gutes Weidemanagement und               Jahr gesehen lässt sich ein knappes Fut-
gezielte Fütterung besteht bei der Wei-          terangebot im Sommer mit geringeren           K U R Z Z U S A M M E N G E FA S S T
demast die Gefahr, dass Rinder verfet-           Tageszunahmen durch das „kompensa-
ten oder Ochsen unter ihrer möglichen            torische Wachstum“ während der Win-          Die Weidemast von Rindern und Och-
Mastleistung bleiben. Meinrad Steiner            terfütterung ausgleichen – vorausgesetzt,    sen ohne Kraftfuttereinsatz hat sich in
teilte seine Masttiere für die Winter-           es steht ihnen dann im Stall genügend        der Schweiz als ressourceneffizientes Be-
fütterung in Gewichtsgruppen ein. Die            gutes Futter zur Verfügung.                  triebskonzept für Biobetriebe etabliert.
jüngsten Tiere und die in der Ausmast                                                         Für Milchbetriebe eröffnet sie die Chan-
bekamen das beste Futter, die mittle-                                                         ce, die Kälber aufzuziehen und im Sinne
ren Gruppen die weniger gute Qualität            Eine Gleichung, die aufgeht                  des Tierwohls in die Biomast zu geben.
(Ökoheu). Neben der getrennten Fütte-                                                         Zu den Erfolgsfaktoren zählen geeigne-
rung von Rindern und Ochsen hilft auch           Das Produktionssystem Bioweidemast           te Rassen, ein gutes Futtermanagement
die Auswahl fleischbetonter Rassen, um           ist eine Gleichung, die sehr gut aufgehen    und zuverlässige Marktpartner.
Verfettung zu vermeiden. Bei optima-             kann – aber auch eine mit vielen Vari-
lem Management können die meisten                ablen. Zu den entscheidenden Faktoren
Tiere bereits zum Ende des Alpsommers            einer wirtschaftlichen Produktion zählen     Verena Bühl und Franz J. Steiner,
in den Schlachthof geliefert werden.             Tränker- und Absetzerpreise, die erziel-     Departement Nutztierwissenschaften,
Aus arbeits- und sicherheitstechnischen          baren Schlachterlöse sowie nicht zuletzt     FiBL Schweiz
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