Pro 2|2008 - Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen - pro Medienmagazin
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pro Christliches Medienmagazin 2|2008 www.pro-medienmagazin.de Debatten um den Glauben Die neue Medienprominenz der Christen Im Interview Was Kinder brauchen Der Genetiker Francis S. Collins Vorlesen! Jetzt!
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EDITORIAL | INHALT Liebe Leser, Auch in dieser pro-Ausgabe befassen wir uns mit dem Thema – seit der Veröffentlichung der ersten Aus- und gehen noch einen Schritt weiter. Wolfgang Stock zeigt in sei- gabe der pro in diesem Jahr ist viel pas- nem hervorragenden Beitrag auf, dass sich Christen in Zukunft auf siert. Die Debatte um ein schon lange ab- derartige Debatten einstellen müssen. Mehr noch: Der erfahrene gesagtes Seminar über den Umgang mit Journalist schreibt auch, wie das geschehen kann (Seite 5). Homosexualität bei dem Jugendkongress „Christival“ in Bremen hat selbst den Besonders empfehlen möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang Bundestag erreicht. In einer so genann- auch das Interview mit Mark Greene (Seite 7). Er war viele Jahre in ten „Kleinen Anfrage“ an die Bundesre- einer Werbeagentur beschäftigt und leitet seit 1999 ein evange- gierung brachten Abgeordnete der Fraktion Bündnis90/Die Grünen likales Institut in London, das sich zum Ziel gesetzt hat, Christen das Thema in den Bundestag ein. Das Bundesfamilienministerium sehr praktisch darin zu fördern, ihren Glauben am Arbeitsplatz und musste seine finanzielle Unterstützung für das „Christival“ und die im Alltag zu leben und zu bekennen. „Wir Christen müssen wieder Schirmherrschaft über den Kongress verteidigen. Auch andere Ver- lernen, so von unserem Glauben zu sprechen, dass es jeder säku- bände wie etwa „Pro Familia“ störten sich an der christlichen Ver- lare Mensch versteht und nachvollziehen kann, was wir meinen“, anstaltung. Kritisiert wurde etwa ein Seminar, in dem über Abtrei- sagt Mark Greene im Gespräch mit pro-Autorin Katrin Gülden und bung gesprochen wird. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls pro-Redakteur Andreas Dippel. Es sind sehr wichtige Impulse, die die Haltung von Christen, die sich für das Lebensrecht ungebore- von dem Londoner Institut ausgehen – und von denen wir Christen ner Kinder einsetzten, öffentlichkeitswirksam kritisiert. in Deutschland nur lernen können. Gerade dann, wenn die Debat- ten um den Glauben hohe Wellen schlagen. Bereits in der Ausgabe 1/2008 unseres Christlichen Medienmaga- zins pro haben wir uns ausführlich mit den Initiativen des Grünen- Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihr großes Interesse an der pro. Abgeordneten und bekennenden Homosexuellen Volker Beck be- Insbesondere freuen wir uns über die zahlreichen Zuschriften, die fasst. Auf zwei Seiten haben wir dargestellt, in welchen Bereichen wir nach jeder Ausgabe erhalten. Sollten Sie von dieser Ausga- sich Volker Beck als engagierter Gegner jeglicher Meinung ein- be weitere Exemplare benötigen, um sie an Bekannte oder in Ih- setzt, die nicht der seinen entspricht. Zahlreiche Leser haben uns rer Gemeinde weiterzugeben oder auszulegen, rufen Sie uns gerne daraufhin geschrieben und weitere Ausgaben der pro erbeten, um an: Telefon (06441) 915 151 oder schreiben Sie uns eine E-Mail an diese an Politiker weiterzugeben. Für Aufsehen sorgte auch das info@pro-medienmagazin.de Bild, das wir zu dem Beitrag veröffentlicht haben. Es zeigt Volker Herzlichst, Ihr Beck beim Fasching in Köln, verkleidet als „Teufel im Kardinalsko- stüm“. Ein Leser schrieb uns dazu: „Ich hätte nicht erwartet, dass ein derartiger Auftritt lange kritiklos von Kirchen und Christen hin- genommen wird. Beck fordert von anderen, ihre Meinung der sei- nen anzupassen oder zu schweigen. Doch selbst äußert er seine Wolfgang Baake Meinung auch noch per Faschingskostüm!“ Inhalt Gesellschaft Pädagogik Die Relevanz des Glaubens 4 Was Kinder brauchen: Vorlesen! Jetzt! 22 Wolfgang Stock: Mediale Erregunsgesellschaft 5 Pädagogik LICC-Direktor Mark Greene im pro-Interview: Der Holocaust im Comic 25 Wie Christen Glauben leben können 7 Gesellschaft Debatte Neues Buch über Scientology: Verbotene Kindheit 26 Im Interview: Herr Collins, glauben Sie an die Schöpfung? 11 Gesellschaft Reinhard Junker: Was ist dran an Collins‘ Thesen? 12 Carolin Briem: Gestatten, wir sind Elite! Oder? 28 Nachrichten Rezensionen Informationsoffensive über Evangelikale 15 Musik, Bücher und mehr 30 Christlicher Medienverbund KEP e.V. - Neues Logo 15 Journalismus Medien Informationen, bitte... 32 Ingo Langner: STRIZZ oder Mission is possible 16 Meldungen Gesellschaft Der Glaube in den Medien 34 Michael Stollwerk über „Gott“ von Manfred Lütz 18 Nachrichten Kommentar Politikertagung 38 Uwe motzt über „Falsche Pfaffen und Rottengeister“ 20 Impressum 39 Impuls B. Richter: „Gott sei Dank!“ 21 PLUS: „Der Israelreport“ pro | Christliches Medienmagazin 2|2008 3
GESELLSCHAFT Die Relevanz des Glaubens Der Glaube ist Thema in der Öffentlichkeit, in Talkshows und politischen Diskussionen. Aus einer an- fänglichen Wertedebatte ist längst eine Glaubensdebatte geworden – die Christen herausfordert. ner Glaubensdebatte. Lange wurde aus- schließlich über Werte gesprochen, die für eine Gesellschaft wichtig und im christ- lichen Glauben zu finden sind: Ehrlich- keit, Respekt, Hilfsbereitschaft. Selbstver- ständlich sind diese Werte nämlich nicht, und daher ist es gut, dass Christen auf derlei Tugenden hinweisen. Doch längst geht es um grundlegendere Fragen: Gibt es Gott? Was bringt der Glaube? Wozu brauchen wir überhaupt Religion? Die- se Fragen haben es aus den Kirchen und Gemeinden auf die Titelseiten von Zei- Foto: Christival tungen und in die Top-Talksendungen des Fernsehens geschafft. Das neue Fragen nach Gott wird nicht pauschal freudig aufgenommen. Im Ge- genteil, die erklärten Gegner jeglicher In der Debatte: „Christiva l“ Religion sind längst auf dem Plan, um Andreas Dippel eben jene Öffentlichkeit des Glaubens zu verhindern – oder zumindest den D ass ein Thema die Tagesordnung Jetzt ist der Glaube ein Thema, das Christen die Mission nicht einfach zu in den Medien bestimmt, wird vielbeschriebene „Comeback der Religi- machen. Glaube ist ein Thema, aber er von vielen gewünscht. Etwa von on“ eingetreten – doch anders, als von wird nicht kritiklos aufgenommen. Das Politikern, die sich für oder gegen einen vielen vermutet und gewünscht. Fakt ist: lassen die Titel der Sendungen durch- Gesetzesentwurf aussprechen. Kommt Gerade in den vergangenen Jahren wird blicken, die dennoch ein Signal für das der Name der Partei oder des Abgeord- der Glaube in Fernsehsendungen, in Ar- „Comeback des Glaubens“ sind: „Angriff neten in den Zeitungen und Internetpor- tikeln in Zeitungen und Zeitschriften der Gottlosen: Vergiftet die Religion die talen vor, ist das Ziel erreicht. Firmen, und erst recht im Internet auf breiter Ba- Welt?“ lautete ein Thema des Talks bei die ein neues Produkt vorstellen, be- sis thematisiert. Kaum eine Redaktion „Menschen bei Maischberger“. Über „Das schäftigen große Presseabteilungen da- kommt daran vorbei, über Glaubensthe- neue Interesse am Atheismus“ diskutier- mit, möglichst viele Beiträge über eben men zu schreiben und zu berichten. Der te Johannes B. Kerner. Der Hörfunksen- jenes Produkt in den Medien publik zu Glaube ist wieder Gesprächsthema, und der HR2 widmete kürzlich gar ein The- machen. das in beinahe allen Medien. Selten zu- menwochenende dem „Streit um Gott“ Bei Christen ist das ähnlich. Viele ha- vor wurde über Religion und Gott über und der Frage „Die Wiederkehr des Re- ben gehofft und gebetet, dass die christ- einen so langen Zeitraum öffentlich ge- ligiösen?“. liche Botschaft endlich mehr Beachtung sprochen. Beispiele dafür gibt es zuhauf. Wer meinte, das Thema Glaube sei in der Öffentlichkeit findet. Ist es doch Doch wie kommt Glaube in der Öffent- „durch“, passé, nicht mehr aktuell, der wunderbar, wenn auch Journalisten ein lichkeit vor? So, wie sich viele Christen hat sich getäuscht. Im Gegenteil. Nur ist Thema aufgreifen, das meist nur in Kir- das gewünscht haben? aus dem Thema „Glaube“ ein „Streit um chen und Gemeindehäusern – und damit den Glauben“ geworden. Denn Atheisten in einem eingeschränkten Bereich - Be- Von der Wertedebatte zur haben sich längst zum publikumswirk- achtung findet. Freilich, Mission gehört Glaubensdebatte samen „Gegenangriff“ formiert, der sich zu den Kernaufgaben der Christen, auch von vielfach beleidigenden Auftritten in Deutschland. Mission bedeutet nichts Nein, eben nicht. Die seit vielen Jah- von selbsterklärten Glaubenshassern in anderes, als mit den eigenen Glaubens- ren wichtige Wertedebatte, in der es um Talkrunden bis hin zur Veröffentlichung überzeugungen in die Öffentlichkeit zu die Wiederentdeckung von christlichen von verunglimpfenden Büchern gegen gehen, den Glauben publik und zum Tugenden und Moralvorstellungen geht, den Glauben erstreckt. Die Bandbreite ist Thema in Gesprächen zu machen. wandelt sich mehr und mehr zu ei- groß – und reicht bis in die Politik, in- 4 pro | Christliches Medienmagazin 2|2008
GESELLSCHAFT dem einzelne Abgeordnete die Meinung Meinungsliberalismus antritt - und zwar chen ausgeschüttet wird, lässt die Frage, und Überzeugung von Christen als „ex- mit gut begründeten Positionen –, wird ob Gott tatsächlich existiert, die Men- tremistisch“ verdächtigen. Das zeigt die verbale Gegenwehr erleben. Doch nie- schen nicht los. Die existentiellste Fra- „Christival“-Debatte deutlich. mand hat Christen jemals versprochen, ge, die Menschen bewegt, wird offen ge- So sieht es aus, das „Comeback des dass ihr Bekenntnis ohne Kritik aufge- stellt, nicht nur in Internetforen. Es ist Glaubens“. Es findet in Debatten statt, nommen wird. Im Gegenteil: Der Auf- die Frage, die Redaktionen dazu bringt, die medienwirksam ausgetragen wer- trag lautet, „hinzugehen“ zu allen Völ- den Glauben zu thematisieren – ob po- den. Jetzt merken Christen, wie wichtig kern, das Evangelium zu erläutern, die sitiv oder kritisch. Immer geht es da- es ist, nicht nur klar positioniert, sondern eigenen christlich begründeten Positi- rum, dass Menschen die Antwort darauf auf kritische Anfragen auch vorbereitet onen zu vertreten. Für viele ist genau das suchen, ob es mehr gibt als nur das ir- zu sein. Denn eine Lehre kann aus den bis heute ein „Ärgernis“, seit 2.000 Jah- dische Leben. Von Christen erwarten sie vergangenen und noch immer aktuellen ren. Daran hat sich nichts geändert. eine gut begründete Antwort auf die Pa- Debatten gezogen werden: Die Kritik an Wirft man einen Blick in die Inter- rolen der Atheisten, die den Glauben als Glaubensüberzeugungen wird härter, je netforen, in denen Sendungen von Zu- „Wahn“ und Glaubensüberzeugungen massiver sich Christen als solche beken- schauern oder Zuhörern diskutiert wer- als „extremistisch“ bezeichnen. nen und öffentlich ihre Meinung äußern. den, die sich mit Glaubensthemen befas- Das ist die Aufgabe der Christen im 21. Darauf sollten sich Christen einstellen, sen, zeigt sich eines: Trotz aller Debat- Jahrhundert. Denn die Debatten zeigen: wenn sie es nicht schon längst getan ha- ten um den Glauben, trotz aller Kritik an Der Glaube ist kein Randthema, sondern ben. Wer gegen die Konformität und den Christen, trotz aller Häme, die über Kir- nach wie vor relevant. Mediale Erregungsgesellschaft Christen müssen sich auf rohe Sitten in der Debattenkultur einstellen. Indem sie sich angesichts von Angriffen positionieren - und nicht alles hinnehmen, was Kritiker ihnen vorhalten. Wolfgang Stock er einen „selbstgerechten Hassprediger“ die es aus ihrer Sicht mit aller politischer nannte. Die grüne Parteisprecherin Clau- Kraft zu bekämpfen gilt. Deshalb müssen D as hat es so in der Bundesrepu- dia Roth folgte kurz darauf und nann- diese massiven politischen Angriffe ge- blik noch nicht gegeben: In meh- te den Augsburger Bischof Walter Mixa gen engagierte Christen in Deutschland reren „Anfragen“ an die Bundes- einen „durchgeknallten, spalterischen ernstgenommen werden. regierung und im Internet hat die Frak- Oberfundi“. Viele Christen sind zunächst verwirrt, tion „Bündnis 90/Die Grünen“ seit Janu- denn die letzten heftigen öffentlichen ar scharfe Angriffe gegen evangelikale Die plötzliche Medienprominenz Auseinandersetzungen über grundle- Gruppen geführt, die in der Seelsorge für der Christen gende gesellschaftliche Fragen wie Ab- Homosexuelle aktiv sind. In parlamenta- treibung liegen viele Jahrzehnte zurück. rischer Frageform fallen Begriffe, die au- In allen Fällen hatten es die beiden Mancher hat sich wohl auch irgendwie ßerhalb des Bundestages als Beleidigung katholischen Hirten „gewagt“, sich an- gemütlich daran gewöhnt, politisch gar verstanden würden: von „fundamentali- ders zu äußern, als es den beiden grü- nicht mehr zur Kenntnis genommen zu stischen ‚Heilungs‘-Scharlatanen“ ist die nen Spitzenpolitikern offenbar genehm werden. Doch die Vokabeln „Hasspre- Rede, die in einem Atemzug mit der Sci- ist: Bischof Mixa hatte sich sehr deut- diger“, „Oberfundi“ oder „‘Heilungs‘- entology-Bewegung genannt und in den lich für Mutterschaft und eine gerechte Scharlatane“ und die Angriffe auf den Geruch „mangelnder ‚Grundgesetzfähig- Familienpolitik geäußert, Kardinal Meis- Jugendkongress „Christival“ lassen keine keit‘“ gesetzt oder gar als „extremistisch“ ner ebenso deutlich gegen Homosexua- Wahl: Auch die evangelischen Christen verdächtigt werden. An solche heftigen lität und Abtreibung. Auch die jetzt im müssen sich angesichts der Angriffe po- Angriffe gegen Christen, vor allem von Vorfeld der evangelikalen Großveran- sitionieren und über christliche Strate- grünen Politikern, muss man sich offen- staltung „Christival“ kritisierten evan- gien nachdenken. bar gewöhnen. In den letzten Monaten gelischen Christen vertreten im Einklang So ungewohnt unsere plötzliche Me- haben sie erkennbar zugenommen: Zu- mit der Lehrmeinung fast aller Kirchen dienprominenz ist - dass Christen den nächst richtete sich die Attacke von Vol- in Deutschland eine klare Haltung gegen „Weltkreis erregen“, ist spätestens seit ker Beck, dem Ersten Parlamentarischen Homosexualität und Abtreibung. den Tagen des Apostels Paulus bekannt Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Unsere prominenten grünen Kritiker (Apostelgeschichte 16,20) – und das ist von Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied sagen offen, dass sie unsere christlichen gut so. Denn in der Nachfolge Jesu ha- im Parteirat der Grünen und menschen- Haltungen als „eine sehr randständige ben wir den ausdrücklichen Auftrag, Ge- rechtspolitischer Sprecher der Fraktion, Meinung“ ablehnen und dahinter eine genposition gegen alle und alles zu be- gegen den Kölner Kardinal Meisner, den „religiös begründete Politik“ vermuten, ziehen, das Gottes Schöpferwillen wider- pro | Christliches Medienmagazin 2|2008 5
GESELLSCHAFT Rücknahme einer Schirmherr- gegen falsche Tatsachenbehauptungen schaft oder zur Streichung von verzichtet, gibt damit aus Sicht der Ge- staatlichen Zuschüssen „zwin- richte und der Journalisten die Vorwürfe gen“. zu. Jeder darf dann die falschen Tatsa- Die zwei katholischen Bi- chenbehauptungen wiederholen und sie schöfe haben sich daher im über das Internet weiter verbreiten. Denn vergangenen Herbst gegen aus Sicht der Justiz bedeutet Schweigen die durchsichtigen politischen Zustimmung – Schweigen zu Beginn ei- Angriffe sofort gewehrt. Bi- ner Kampagne macht es deshalb später schof Mixa ließ über einen fast unmöglich, sich gegen Steigerungen Sprecher scharf antworten: der Vorwürfe doch noch zur Wehr zu In den persönlichen Atta- setzen. cken Roths sehe er den Ver- Nicht zu schweigen, sondern die Stim- such, dass sich Frau Roth zur me zum Protest gegen unfaire Vorwür- „Zensurbehörde“ der gesell- fe oder falsche Tatsachenbehauptungen schaftspolitischen Diskussi- zu erheben, ist auch eine Aufgabe nicht on in Deutschland machen nur für die Verantwortlichen, sondern wolle. Darin erkenne man unbedingt für jeden einzelnen Christen. „beunruhigende faschisto- Die Möglichkeit zum sachlichen Protest ide Züge“. Kardinal Meis- ist heute einfacher denn je – eine E-Mail ner wehrte sich gegen die an den Chefredakteur einer Zeitung oder „Kritik“ Becks gerichtlich: eines Senders ist schnell geschrieben (die er erreichte beim Kölner Mailadressen findet man im Internet), Landgericht per einstwei- ebenso fix ist ein Eintrag auf der Web- liger Verfügung, dass Beck seite eines Abgeordneten vorgenommen. Foto: picture alliance ihn nicht mehr als „Hass- Und solche Meinungen haben enormes prediger“ bezeichnen darf. Gewicht, denn in der heutigen Hektik Auch dies ist neu in des Redaktionsalltages spitzt mancher der deutschen Debatten- Redakteur zu – was er oder zumindest Glaubensdabatte, auch im Bundestag “Kultur“: persönliche Ent- sein Chefredakteur später bereuen und gleisungen in den Medien Besserung geloben mögen. spricht. Eines aber ist völlig anders als können erfolgreich durch Gerichte kor- Wenn sich Christen auf diese neuen, damals, als Paulus in Thessalonich pre- rigiert werden. Manfred Stolpe – als ehe- rohen Sitten der Debattenkultur einstel- digte: Während er mühsam von Stadt zu maliger stellvertretender Vorsitzender des len, dann bedeutet dies keinesfalls, die Stadt wandern und dort predigen mus- Bundes der Evangelischen Kirchen in der Debatte anzuheizen. Im Gegenteil wer- ste, verbreitet sich heute jedes Wort, ob DDR – und Gregor Gysi haben das in den den Christen immer zuerst und andau- freundlich oder verleumderisch, augen- neunziger Jahren bis hin zum Bundes- ernd versuchen, im Gespräch mit Ver- blicklich über das Internet in alle Welt. verfassungsgericht (Urteil 2005) erfolg- leumdern und auch im Gebet für sie zu Und vor allem bleiben die Verleum- reich durchgesetzt: kein Journalist wird einer Verständigung zu kommen. Das dungen und falschen Tatsachenbehaup- heute mehr über mögliche Stasi-Kon- gilt auch aktuell: Viele haben etwa mit tungen im Internet auch ständig und takte schreiben wollen – es gäbe sofort Volker Beck das Gespräch gesucht. global recherchierbar und damit an den enormen (und teuren) juristischen Ärger. Christen sollten jedoch nicht verges- Verleumdeten kleben – wenn wir nicht Sicherlich: Christen sollten auch hef- sen, dass Politiker – und gerade Vol- etwas dagegen unternehmen. tige Kritik an ihren Positionen gelassen ker Beck oder Claudia Roth – ernsthaft Diese grundlegende Veränderung in ertragen können. Doch wenn die Ver- glauben, dass sie bei ihren Wählern Er- unserer heutigen Mediengesellschaft leumdungen zu persönlich oder wenn folg haben, wenn sie christliche Positi- müssen Christen zur Kenntnis nehmen: Tatsachenbehauptungen schlicht wahr- onen und Führungspersönlichkeiten an- „Papier ist geduldig“ war früher einmal heitswidrig sind, dann dürfen auch greifen. Einsicht sollten wir daher nicht eine zutreffende Einschätzung, als das Christen zu weltlichen Mitteln greifen immer erwarten – das Wunder, das einst bedruckte Papier zur Meinungsbildung und sich mit Hilfe der Gerichte Recht Saulus widerfuhr und das ihn dann als breit informierter Kreise gehörte. In un- verschaffen – und das heißt vor allem: Paulus zum Erreger des Weltkreises wer- serer medialen Erregungsgesellschaft da- Verleumdungen aus dem Gedächtnis den ließ, schon! gegen scheint es oft nur noch auf schnel- des Internets löschen. Ich glaube sogar, le, dramatisch klingende Schlagzeilen dass wir im Zeitalter des Internets dazu anzukommen. Falsche Tatsachenbehaup- eine Verpflichtung haben. Denn in den Prof. Dr. Wolfgang Stock ist Hochschullehrer für tungen, von Meinungsmacher-Profis ge- Regeln der Massenkommunikation sind Kommunikation und Be- schickt platziert, können Führungsper- gerichtliche Schritte seit Stolpe und Gysi rater in Berlin sowie im sönlichkeiten daher heute innerhalb von leider völlig normal geworden. Schlim- Vorstand des Christlichen Minuten und Stunden zum Rücktritt, zur mer noch: wer auf gerichtliche Schritte Medienverbundes KEP e.V. 6 pro | Christliches Medienmagazin 2|2008
Wie Christen Glauben leben können Mark Greene (Foto) ist Direktor des „London In- stitute for Contemporary Christianity“ (LICC). Das evangelikale Institut ist ein „Ressourcenpool“: Ak- tuelle gesellschaftliche Themen werden unter christ- lichen Gesichtspunkten beleuchtet, artikuliert und verständlich gemacht. Im Zentrum steht die Fra- ge: Welche Relevanz hat der christliche Glaube im 21. Jahrhundert? Katrin Gülden und Andreas Dip- pel haben in London mit Mark Greene gespro- chen. Foto: pro pro: Herr Greene, den meisten deutschen Lesern wird das London Christen, wie sie ihren Glauben mitten am Arbeitsplatz ein- Institute of Contemporary Christianity kein Begriff sein. Könnten bringen können. Natürlich sprechen wir auch mit Politikern Sie bitte Ihre Arbeit kurz zusammen fassen? und Parlamentsabgeordneten, stehen in Kontakt mit Wissen- Mark Greene: LICC wurde vor 25 Jahren von John Stott schaftlern und Akademikern. Unser Ziel ist es aber, Christen begründet. Wir sind ein Ort, an dem Theologie und die Welt zu helfen, ihren Glauben im Alltag zu leben und sich in The- sozusagen frontal aufeinander treffen. Wir artikulieren die men des 21. Jahrhunderts mit ihrem Glauben einzubringen. christliche Botschaft und christliche Antworten in der Aus- Und somit die Kultur der heutigen Kirche zu ändern – wir ar- einandersetzung mit aktuellen relevanten gesellschaftlichen, tikulieren und informieren mit und für Christen und die Kir- politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen des che. 21. Jahrhunderts. Mit unseren Materialien und Workshops Aber sollten Christen genau das nicht in ihren Gemeinden er- sprechen wir Kirchen unterschiedlicher Konfessionen, christ- fahren? Dort gibt es doch die Predigt mit hoffentlich praktischem liche Einrichtungen, Organisati- Bezug? onen und Ausbildungsstätten, Eigentlich ja. Doch in Gemeinden in Großbritannien ist aber auch die einzelne Person an. das nicht immer der Fall. „Whole-Life-Discipleship“ (Jün- Dabei sind wir kein wissenschaft- gerschaft, die das ganze Leben umfasst) ist die Kernauf- licher „Think Tank“, der theore- gabe der Kirche und jeder Gemeinde, also die Artikulati- tische Abhandlungen entwirft on und praktische Umsetzung des Glaubens für und in All- und Empfehlungen ausspricht. tag, Kunst, Weltmission, Hilfe für Arme, Politik, Medien oder Wir helfen Christen, ihr Wissen natürlich das Berufsleben. In Gemeinden werden diese Le- in die Praxis umzusetzen. Das bensbereiche wie „Rosinen“ behandelt, nach dem Motto: kann ein Jungunternehmer Oh gut, das ist ein interessantes Thema, lasst uns einmal oder Angestellter einer Bank darüber sprechen. Der Pastor predigt eventuell zweimal im sein, der in seinem Beruf äu- Jahr über die Frage, wie Christsein und Beruf zu vereinbaren ßerst erfolgreich ist. Wir un- sind. Doch dazwischen geraten all diese Bereiche in Verges- terstützen und vermitteln senheit. Der Beruf ist aber nicht nur ein Thema, über das ab und an einmal gesprochen werden sollte. Menschen verbrin- gen 50 Prozent ihres gesamten Lebens an ihrer Arbeitsstel- Weitere Informationen: le. Der Beruf ist ein Lebensbereich, in dem der Glaube nicht www.licc.org.uk verloren gehen darf. pro | Christliches Medienmagazin 2|2008 7
GESELLSCHAFT John Stott John Stott wurde 1921 geboren. Der Engländer ist ei- ner der prominentesten evangelikalen Christen des 20. Jahrhunderts. Er wurde als Autor von über 50 Büchern bekannt, die in Millionenauflage in über 70 Sprachen übersetzt wurden. Stott war maßgeblich an der Aus- arbeitung der Lausanner Verpflichtung zur Weltevan- gelisation im Jahre 1974 beteiligt. Er war viele Jahre Vorsitzender des Church of England Evangelical Coun- cil und Präsident der Britischen Evangelischen Allianz. Mehr als 25 Jahre war er Pastor an der All Souls Church in London. Von 1959 bis 1991 betreute er als persön- licher Pastor Königin Elisabeth II. Im Jahr 1982 grün- dete er das London Institute for Contemporary Chris- tianity als Ausbildungsstätte für Christen. Seine be- kanntesten Bücher: „Einführung in das Christentum“, „Christsein in den Brennpunkten unserer Zeit“, „Die große Einladung - Sieben Gründe, warum ich Christ ge- worden bin“. Fotos: pro Was bietet das LICC denn an? Kommen Christen einfach zu Ih- Und was hat das mit unserem Leben und Alltag zu tun? nen und lassen sich „beraten“? Ganz einfach: Es gibt nichts Wichtigeres für Menschen, als Wir äußern uns zu aktuellen Themen, entwickeln Arbeits- in einem Umfeld zu leben und zu arbeiten, in dem sie sich materialien für die oben genannten Zielgruppen und bie- entfalten können. Eltern haben die Aufgabe, ihre Kinder zur ten auch Kurse, Vorträge und Seminare hier im Institut an. Entfaltung ihrer Gaben zu bringen. Das sollten Ehemänner Dazu kommt eine intensive Reisetätigkeit – meine Kollegen und Ehefrauen tun: Mit ihrem Partner in einer Gemeinschaft und ich sind regelmäßig unterwegs und halten Vorträge, vor zu leben, in der sich beide in Freiräumen entfalten können Pastoren, Geschäftsleuten etc. Eine große Initiative, die wir und niemand unterdrückt wird. Und genau das ist auch die hier lanciert haben, ist unser „Imagine“-Projekt. Eine Vision, Kernaufgabe eines Managers. Was kann ich tun, damit mei- wie wir als Christen und eine Kirche das entchristianisier- ne Mitarbeiter ihr Bestes für die Firma geben? Wer als Lei- te Großbritannien wieder auf Glauben aufmerksam machen ter einer Firma oder eines Teams diese Frage nicht anhand können und für Glauben interessieren. Unser einwöchiger konkreter Maßnahmen beantworten kann oder sich gar noch Kurs „Toolbox“ vermittelt anschaulich, wie Christen ihren nie diese Frage gestellt hat, wird keinen langfristigen Erfolg Glauben in allen Bereichen ihres Lebens umsetzen können. haben. Ein Senior Manager einer internationalen Finanzbe- Nennen Sie uns doch einmal ein Beispiel dafür. ratung sagte mir einmal: „Meine Aufgabe ist es, die Steine Gerne. Da wäre zum Beispiel das Thema „Entfaltung“. auf der Startbahn wegzuräumen, damit meine Leute fliegen Werfen wir einen Blick auf den Schöpfungsbericht in 1. können!“ Mose 1. Warum hat Gott den Menschen nicht am ersten Dennoch: Auch das klingt noch alles sehr theoretisch... Tag erschaffen, warum hat er bis zum sechsten Tag gewar- ...dann gebe ich Ihnen ein Beispiel, eine wahre Geschichte. tet? Ganz einfach: Hätte Gott Adam am ersten Tag geschaf- Eine Wissenschaftlerin, die auch Christin ist, in einem Phar- fen, hätte er in völliger Dunkelheit leben müssen und, noch maunternehmen. Alle Mitarbeiter ihres Teams forschten in- entscheidender, es wäre nichts da gewesen, kein Land, auf dividuell in kleinen, abgetrennten Räumen, in die sie jeden dem er hätte stehen können. Es war noch nichts erschaffen Morgen – im wahrsten Sinne des Wortes - huschten und worden. Am sechsten Tag aber gab es alles, was der Mensch dann nicht wieder gesehen wurden. Also, kein förderliches brauchte: Land, Wasser, Licht, Nahrung. Und die Beziehung Arbeitsumfeld: Kommunikation untereinander fand kaum zu Gott, der, wie es in der Schöpfungsgeschichte heißt, in statt, niemand unterstützte den anderen, die Kollegen hat- der „Kühle des Abends“ auf die Erde kam und sich nach ten keinerlei Bezug zueinander, es gab kein Teamwork. Wo- dem Befinden seiner Schöpfung erkundigte. Gott hatte sich für entschied sich diese Managerin? Sie machte von nun an also um alles gekümmert, was Adam brauchte – mit einer jeden Freitagmorgen für ihre Mitarbeiter Kaffee und brachte Ausnahme, die Adam selbst erkennen sollte, nämlich seinen Schokoladenkekse in die Firma. In diesen 15 Minuten fingen Wunsch nach Beziehung. Erst daraufhin schuf Gott Eva, als die Kollegen an, sich auszutauschen: Über das Wetter, Fuß- Gegenüber und Partnerin Adams. Doch was hatte Gott in ball, über ihre Erfolge und Misserfolge, sie tauschten Ideen den ersten Tagen der Schöpfung grundsätzlich getan? Er aus. Der Managerin war es gelungen, ein Umfeld zu schaf- hatte ein Umfeld geschaffen, in dem sich der Mensch voll fen, in dem sich ihre Mitarbeiter nach und nach entfalten entfalten konnte. können. Wie? Mit Schokoladenkeksen. Genau das ist es, was 8 pro | Christliches Medienmagazin 2|2008
GESELLSCHAFT Unternehmen mehr denn je wollen: Dass sich Mitarbeiter unterhalten, direkt miteinander sprechen und nicht nur per E-Mail kommunizieren. Unternehmen wissen, dass durch ein kreatives Umfeld, in dem sich Mitarbeiter mit ihren Ideen und Gaben voll einbringen können, auch der Umsatz steigt. Doch die Geschichte geht weiter: Sechs Monate nach Einführung der gemeinsamen Kaffeepause wechselte sie ih- ren Arbeitgeber und weitere sechs Monate später beauftrag- te die Firmenleitung eine Unternehmensberatung, die Team- arbeit und Atmosphäre zu fördern. Denn nachdem die Leite- rin des Teams das Unternehmen verlassen hatte, hörte auch der kreative Austausch in ihrem Team wieder auf. Und was machten die Berater? Sie stellten ein Programm auf die Bei- ne, bei dem die Mitarbeiter am Spätnachmittag und Abend im effizienten Teamwork geschult werden sollten. Stellen Sie sich diese Botschaft vor! „Ihr müsst länger im Büro blei- ben, um Teamwork zu lernen.“ Das ist fatal. Die Beratung Bücher mit Substanz hat das Unternehmen ein Vermögen gekostet – wobei die Aufgabe doch eigentlich, überspitzt formuliert, mit Keksen sich für die Verantwortung seinen Mitarbeitern gegenüber geregelt hätte werden können. Christen können in ihrem und ein Umfeld, in dem diese sich auch nach Verkauf des Alltag ein Umfeld schaffen, in dem sich Menschen entfal- Unternehmens weiterhin entfalten konnten. ten können. Seien wir ehrlich: In der heutigen Welt des Superkapitalismus Spannend! Haben Sie noch ein anderes Beispiel? denken die meisten Menschen doch zwangsläufig daran, wie sie Aber klar. Ein IT-Unternehmer, mit dem ich eng befreun- in kürzester Zeit das meiste Geld für ihre Firma und damit auch det bin, verkaufte kürzlich eine seiner Firmen. Wir spra- für sich selbst erwirtschaften können. Das ist nicht als Wirt- chen kurz vor den Verkaufsverhandlungen über 1. Mose schaftskritik gemeint, sondern die Bestandsaufnahme der Re- 1 und auch über die Idee des so genannten „Erlassjahres“, alität, oder nicht? das Gott für die Juden eingeführt hatte: Alle sieben Jahre Natürlich ist das die Realität. Besonders hier in London. sollten Menschen, die Schulden haben, diese Schulden er- Bei all der wirtschaftlichen Kraft, die sich in dieser Stadt lassen werden. Die Idee dahinter: Kein Mensch sollte jemals als europäisches Zentrum des Kapitalismus sammelt, gibt in eine Situation geraten, aus der es für immer keinen Aus- es auch eine Gegenseite: In Großbritannien, so das Ergeb- „Ich bin der Überzeugung, dass wir Christen wieder lernen müssen, so von unserem Glauben zu sprechen, dass es jeder säkulare Mensch versteht und nachvollziehen kann, was wir meinen.“ weg gab. Christen haben die Verantwortung, anderen Men- nis soziologischer Erhebungen, leben die unglücklichsten schen konkret zu helfen. Mein Freund fasste den Entschluss, Menschen Europas. Gleichzeitig arbeiten die Briten durch- zwei Bedingungen an den Verkauf seiner Firma zu knüpfen. schnittlich vier Stunden mehr pro Woche als ihre europä- Erstens: Seine Mitarbeiter sollten auch unter der Ägide des ischen Nachbarn. Und es geht weiter: Laut Unicef bezeich- neuen Besitzers in einem Umfeld arbeiten, in dem sie sich nen sich in England die meisten Kinder als unglücklich, entfalten können – das heißt, es sollte zu keinen betriebs- und das im weltweiten Vergleich. Wir haben ein enormes bedingten Kündigungen nach der Übernahme kommen. Und Drogenproblem, die dritthöchste Scheidungsrate und die zweitens, nicht nur die Eigentümer und geschäftsführende meisten Teenagerschwangerschaften in Europa. Zum ersten Holding sollten vom Verkauf profitieren, sondern der ge- Mal in unserer Geschichte ist die Lebenserwartung unserer samte Mitarbeiterstab, natürlich in unterschiedlichem Um- Kinder geringer als die ihrer Eltern. Alle sozialen Daten fang. Genau nach diesen Kriterien wurde der Käufer aus- weisen darauf hin, dass wir als Gesellschaft kurz vor dem gesucht. Interessanterweise entsprach der aggressivste Bie- Zusammenbruch stehen. England belegt in der Frage des ter mit dem lukrativsten Angebot den Kriterien nicht. Er Arbeitnehmerschutzes im weltweiten Vergleich Platz 117. hat den Zuschlag nicht bekommen – mein Freund entschied 15 Prozent der Bevölkerung geben an, überlastet zu sein. pro | Christliches Medienmagazin 2|2008 9
GESELLSCHAFT Mark Greene Mark Greene ist seit 1999 Direktor des London Institute for Contemporary Christianity. Er studierte Sprachwis- senschaften, Medienkommunikation und Theologie in Cambridge, Edinburgh und London. Er kommt aus einem jüdischen Elternhaus und wurde als Student Christ. Greene arbeitete zehn Jahre in der renommierten Wer- beagentur Ogilvy & Mather, davon sieben Jahre in New York. In einer Gemeinde in Manhattan erlebte er, wie Christen sehr konkret ermutigt wurden, ihren Glauben im Alltag einzubringen. Von 1983 an lehrte er drei Jah- re an der Columbia Business School in New York, später als Dozent „Kommunikation“ am London Bible College (heute: London School of Theology). Mark Greene ist Autor zahlreicher Bücher, darunter „Imagine: How will the UK be won?“ oder „Thank God it’s Monday“. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Foto: pro Das liegt weniger daran, dass viele länger arbeiten, son- dann wieder gewinnen, wenn sie sich glaubwürdig als sol- dern, dass sich die Arbeitszeiten immer mehr auf die frü- che zu erkennen geben. her einmal so genannte Freizeit erstrecken. Hier ist es zum Genau das war auch das Ziel von John Stott bei der Grün- Beispiel unsere Aufgabe als Christen, zu zeigen, warum Ru- dung von LICC. hezeiten wichtig sind. Warum es relevant ist, sich Zeit für Ja, John Stott ist einer der einflussreichsten und be- die Familie zu nehmen. Ich habe einmal einen Hotelier in kanntesten evangelikalen Theologen des 20. Jahrhunderts. Österreich kennengelernt. Er schloss sein Hotel jedes Jahr Er hat zwei persönliche Erfahrungen gemacht, die ihn zur im August zur Hochsaison für drei Wochen. Stellen Sie sich Gründung von LICC führten. Erstens traf er Jugendliche das mal vor! Ich habe ihn gefragt, warum er seinen Be- aus gläubigen Elternhäusern, die sich wenig bis gar nicht trieb ausgerechnet im Sommer schließt. Er antwortete la- für das Christentum interessierten. Stott unterhielt sich mit konisch: „Wann würden Sie denn mit Ihrer Familie Urlaub den Studenten und fragte sie, ob sie mit dem Wahrheitsan- machen?“ Gott gibt uns Menschen bestimmte Prinzipien, spruch des christlichen Glaubens Probleme hätten. Die Ant- die für ein erfülltes und sinnvolles Leben unablässig sind. wort überraschte ihn. Was die Relevanz der Botschaft eines Diese Prinzipien wie Erholung und Ruhe kann jeder aus- Wanderpredigers aus Palästina für ihr Leben im 20. Jahr- schlagen – oder ganz praktisch umsetzen. Das Verhalten hundert denn wäre? Das Christentum wäre nicht unbedingt und Engagement von Christen in ihrem Lebensbereich hat unwahr, sondern einfach irrelevant. Zweitens wurde er von ja gleichzeitig enorme Auswirkungen darauf, wie Christen einem Freund nach einer Predigt – er war über 30 Jahre Pa- grundsätzlich in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. stor hier in London – kritisiert: „John, deine Auslegung der Bei einem Blick auf die Entwicklungen der vergangenen Predigt war einfach hervorragend. Aber deine Anwendung Jahrzehnte komme ich zu dem Ergebnis, dass insbesondere der biblischen Botschaft auf das Leben ist erbärmlich.“ Da- evangelikale Christen den Respekt der weitgehend säkula- rüber dachte er sehr intensiv nach – und gründete 1982 risierten Öffentlichkeit verloren haben. Wenn wir nicht zu das London Institut, an dem es genau um die Frage geht, unserem Glauben stehen, tun es eben andere. Ich bin der aus welchem Grund und auf welche Weise der Glaube im Überzeugung, dass wir Christen wieder lernen müssen, so 20. und 21. Jahrhundert relevant ist. von unserem Glauben zu sprechen, dass es jeder säkulare Und welche Schwerpunkte setzen Sie heute? Mensch versteht und nachvollziehen kann, was wir mei- Der Arbeitsplatz ist das größte Missionsfeld. Im Büro be- nen. In Amerika ist übrigens bereits ein Umschwung in der gegnen viele Angestellte an einem Tag mehr Leuten, für die öffentlichen Wahrnehmung von Evangelikalen zu beobach- der christliche Glaube irrelevant ist, als ein Pastor in ei- ten. Vor 30 Jahren waren evangelikale Christen vorrangig ner Woche. Für wen also sollte man besonders beten? Und dafür bekannt, wogegen sie waren, also „Anti“. Das hat wer sollte darin unterstützt werden, wie der Glaube in Ge- sich weitgehend geändert: Evangelikale haben zum Beispiel sprächen und Begegnungen vermittelt werden kann? Ich die Not in der Welt und humanitäre Hilfe zu ihrem Enga- denke, die Antworten liegen auf der Hand. Genau aus die- gement erklärt. Heute weiß die breite Öffentlichkeit, dass sem Grund gibt es das London Institute for Contemporary sich Christen mehr als alle anderen Gruppen für hilfsbe- Christianity. dürftige Menschen einsetzen. Respekt können Christen nur Herr Greene, wir danken Ihnen für das Gespräch! 10 pro | Christliches Medienmagazin 2|2008
DEBATTE Glauben Sie an die Schöpfung? Francis S. Collins ist einer der bekanntesten Wissenschaftler der Welt. Und ein überzeugter Christ. In seinem Buch „Gott und die Gene – Ein Naturwissenschaftler begründet seinen Glauben“, das im Güters- loher Verlagshaus auf Deutsch erschienen ist, schreibt Collins auch über seinen Weg vom Atheisten zum Christen. Doch das Buch lässt Fragen offen, meinen wir. Foto: picture-alliance Francis. S. Collins pro: Dr. Collins, Sie sind Direktor des Na- alen Fragen geflossen ist. Diesem For- Keineswegs. Der Wissenschaft geht es tional Human Genome Research Institute schungsprogramm ist eine abgewogene darum, die natürliche Welt zu verste- in Bethesda im US-Staat Maryland. Im Jahr Einschätzung dazu gelungen, welche hen. Der Glaube beantwortet dagegen 2003 konnten Sie die Entschlüsselung der Fragen wirklich weiter verfolgt wer- Fragen spiritueller Art, wie zum Bei- Sequenz des menschlichen Genoms feiern. den müssen und bei welchen es sich um spiel nach dem Sinn des Lebens und der Was bedeutet das im Klartext? Science Fiction handelt. Fragen, die der Existenz Gottes, die die Wissenschaft Collins: Das Genom eines Lebewe- dringlichen Klärung bedürfen, sind die nicht beantworten kann. Sowohl Wis- sens ist die Gesamtheit seiner DNA, also Notwendigkeit wirksamer Verfahren zur senschaft als auch Glaube sind Wege das Erbgut. Hierbei handelt es sich im Verhinderung genetischer Diskriminie- der Erkenntnis. Grunde genommen um den Bausatz rung, die Notwendigkeit angemessener Sie waren Atheist und sind jetzt Christ. aller Lebewesen, auch des Menschen. Kontrolle über genetische Tests, die Ver- Gab es bestimmte Ereignisse in Ihrem Le- 2003 konnten wir die Bestimmung aller hinderung missbräuchlicher Patentie- ben oder Veränderungen in Ihrer Denkwei- drei Milliarden Basenpaare des mensch- rungen, gleichberechtigter Zugang zu se, die dazu geführt haben, dass Sie an die lichen Genoms erfolgreich abschließen. den medizinischen Vorzügen der Ge- Existenz Gottes glauben? Sie legen großen Wert auf ethische und nomik und die Festschreibung verbind- Als ich in meinen Zwanzigern war, rechtliche Fragen bei der Genetik. Welchen licher ethischer Grenzen im Bereich der wurde mir klar, dass die von mir ver- Herausforderungen sehen Sie sich hier als genetischen Verbesserung. tretene atheistische Position diejeni- Genetiker gegenüber? Als Leiter des National Human Genome ge Denkweise war, die sich am schwie- Das Human Genome Project ist inso- Research Institute sind Sie einer der be- rigsten rational begründen ließ. Eigent- fern einzigartig, als ein beträchtlicher kanntesten Wissenschaftler der Welt. lich handelt es sich dabei um eine Art Teil seines Budgets in die Klärung die- Gleichzeitig glauben Sie an Gott. Ist das von Fundamentalismus. Wie bereits G. ser ethischen, rechtlichen und sozi- nicht ein Widerspruch? K. Chesterton hervorhob, ist der Atheis- pro | Christliches Medienmagazin 2|2008 11
DEBATTE Was ist dran an Collins‘ Thesen? Reinhard Junker ist Geschäftsführer der Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“. Der Biologe befasst sich seit Jahren mit der Grundlagenforschung und Bildungsarbeit über „Schöpfung und Evolution“. Reinhard Junker hat das Buch von Francis S. Collins gelesen – und begründet anhand fachlicher Anfragen seine Skepsis gegenüber den Thesen des Genetikers. C ollins ist Humangenetiker. Er die für überflüssig gehaltenen Bereiche Maus ex nihilo, „aus dem Nichts“. Es wird möchte zeigen, dass es „keinen oftmals eine Funktion bei der Genregu- sich zeigen müssen, ob als alternative Er- Konflikt“ gibt „zwischen einem lation haben. Dass in verschiedenen Or- klärung gemeinsame Mechanismen für ernsthaften Wissenschaftler und jeman- ganismen verschieden viel „Junk-DNA“ das Auftreten von Fehlern in Frage kom- dem, der an einen Gott glaubt, welcher gefunden wird, ist zunächst lediglich ein men und ob damit auch gemeinsame Feh- an jedem von uns interessiert ist“. So Befund. Erst im Rahmen der Evolutions- ler unabhängig voneinander entstanden weit, so gut. Doch in seinem Buch „Gott theorie kann man von „Ansammeln“ spre- sein könnten. Denkbar ist auch, dass es und die Gene“ plädiert Collins auch für chen. Dann ist aber genau dies kein Hin- sich gar nicht um Fehler handelt, sondern eine theistische (also „göttliche“) Evolu- weis für Evolution, da diese bereits als Vo- dass die betreffenden Gene bislang noch tion, die davon ausgeht, dass Gott die raussetzung fungiert. unentdeckte Funktionen haben. Evolution genutzt hat, um Leben auf Außerdem vertritt Collins die Ansicht, dieser Erde zu entwickeln. dass Unterschiede zwischen Mikroevolu- Über „BioLogos“ tion und Makroevolution künstlich seien. Über das menschliche Genom Dieses Argument erläutert er aber nur Collins plädiert für eine „theistische mit dem Beispiel unterschiedlicher Pan- Evolution“, mag aber diesen Begriff nicht Collins argumentiert mit molekularen zerungen der Stichlinge. Collins meint, und spricht lieber von „BioLogos“. Wäh- Ähnlichkeiten, also mit Vergleichen der dass diese Fischart durch Evolution neue rend er den Mechanismus der Entstehung Bausteine des menschlichen Erbguts mit Strukturen erworben habe. Jedoch ist es des Lebens als „unbekannt“ bezeichnet, dem Erbgut anderer Organismen. Über- wesentlich einfacher, anhand dieses Bei- hält Collins einen übernatürlichen Ein- einstimmungen von Gen-Ähnlichkeiten spiels zu zeigen, dass die verschiedenen griff nicht für nötig, nachdem die bio- mit Stammbäumen, die auf Fossilien Panzerungen durch eine Mikroevolution logische Evolution begonnen hatte. Ob- und dem Körperbau beruhen, seien eine von einem vielseitigen Grundtyp (geschaf- wohl Mensch und Affen gemeinsame bi- deutliche Unterstützung für Darwins fene Art) ausgehend entstanden sind. Eine ologische Wurzeln haben, seien die Men- Evolutionstheorie. Collins diskutiert al- Makroevolution, die davon ausgeht, dass schen „in einer Weise einzigartig, für die lerdings nicht, dass es genau in dieser auch ganz neue Konstruktionen durch na- es keine evolutive Erklärung gibt und die Frage zahlreiche unpassende Befunde türliche Prozesse entstanden sind, muss so auf unsere geistige Natur verweist“. gibt. Molekulare Daten über Gen-Ähn- gerade hier nicht angenommen werden. Collins‘ Ansatz läuft letztlich auf eine Art lichkeiten stellen sehr oft bisherige Ver- Besonders stark für Evolution sprechen „vorprogrammierte Evolution“ aller Lebe- wandtschaftsvorstellungen in Frage und laut Collins vererbte Fehler im Erbgut. Er wesen hinaus. Er benennt zwar das (theo- passen oft auch nicht zu den Daten aus erläutert dies am Beispiel eines Gens, das logische) Gegenargument, dass die in der dem Fossilbefund. Aus einem Beleg für bei Maus und Mensch in gleicher Wei- Evolution benutzte Methode „offensicht- Evolution wird so ein Problemfall. se verstümmelt sei. Das deute stark da- lich zufällig, potentiell mitleidlos und in- Collins weist in seinem Buch auch da- rauf hin, dass der betreffende Gen-Defekt effizient“ ist, ohne jedoch darauf eine be- rauf hin, dass „Genmutationen, die kei- vor der „Aufzweigung“ von Mensch und friedigende Antwort zu geben. Seine Ant- ne Funktion betreffen (zum Beispiel die Maus im Rahmen der Evolution gesche- wort, „die Evolution könnte für uns nach ‚Junk-DNA‘), sich über die Zeit stetig an- hen sei. Wenn aber die gemeinsame Ab- einem zufälligen Prozess aussehen, aber sammeln“. Dies bestätige ebenfalls Dar- stammung nicht die Ursache für den vor- aus Gottes Perspektive wäre es ein Prozess wins Theorie. Jedes Gen eines Lebewe- liegenden Befund ist, stellt sich hier die mit einem genau definierten Ergebnis“, sens wird für eine bestimmte Aufgabe Frage, wie der gemeinsame Fehler dann erscheint mir willkürlich; sie stellt sich des Körpers benötigt. Bei der so genann- auf unabhängigen Wegen (in Maus und dem aufgeworfenen Problem nicht. Col- ten „Junk-DNA“ („DNA-Abfall“) handelt Mensch getrennt) entstanden ist. Dabei lins ist es vielmehr wichtig, aufzuzeigen, es sich dagegen um Teile des Erbguts, handelt es sich tatsächlich um ein starkes dass durch den Evolutionsprozess Men- die keine speziellen Funktionen haben Indiz für Evolution. Es müsste allerdings schen entstanden sind, die einen freien sollen. Wissenschaftler wie Collins ar- untersucht werden, ob auch andere Tiere Willen besaßen. „Er (Gott) wusste außer- gumentieren, dass sich dadurch in der aus dem Abstammungskreis um Maus und dem, dass diese Kreaturen sich schließlich Junk-DNA schädliche Mutationen an- Mensch dieses fehlerhafte Gen tragen, be- frei dem Sittengesetz unterordnen wür- sammeln konnten. Hätte die Evolution vor ein eindeutiger Befund pro Evolution den.“ Sätze wie dieser stehen in seinen nicht stattgefunden, so das Argument, ausgesprochen wird. Jedenfalls sind für Ausführungen irgendwie freischwebend gäbe es auch keinen „DNA-Abfall“. Je- Collins Befunde wie diese Widerlegungen im Raum. Wie fast alle Christen, die für doch zeigen neuere Forschungen, dass einer Erschaffung des Menschen und der eine „theistische Evolution“ plädieren, be- 12 pro | Christliches Medienmagazin 2|2008
DEBATTE mus die Beschwörung einer universellen Verneinung, ein Dogma, das schwierig zu verteidigen ist. Also begann ich da- mit, zu erkunden, warum große Den- ker in allen Jahrhunderten stattdessen an Gott glaubten. Dabei stellte ich zu meiner eigenen Überraschung fest, dass alles auf die Existenz Gottes hindeutet, fasst sich Collins nicht mit dem heilsge- auch wenn sich seine Existenz – jeden- Foto: Gütersloher Verlagshaus schichtlichen Zusammenhang zwischen falls in diesem Leben – nicht beweisen Adam und Sündenfall einerseits und Je- lässt. sus Christus und seiner rettenden Tat Was genau deutet Ihrer Ansicht nach auf andererseits. Der Tod kommt durch die die Existenz Gottes hin? Sünde Adams und ist nicht ein Mecha- Die Tatsache, dass das Universum ei- nismus der Evolution (Römer 5,12ff.); nen Anfang hat, dass es so harmonisch die Sünde ist Ungehorsam und nicht Re- aufeinander abgestimmt ist, dass Leben „Gott und die Gene“ sultat der Evolution; Jesus und Paulus möglich wurde, und dass wir Menschen bestätigen die Herkunft aller Menschen diesen universellen Sinn für Recht und von einem ersten Menschenpaar (Matt- Unrecht haben, auch wenn wir deswe- Ist der zufällige Evolutionsprozess mit häus 19,3ff.; Apostelgeschichte 17,26). gen mitunter Dinge tun, die das Gegen- der bewussten Schöpfung durch eine hö- Viele zentrale Aussagen des Neuen teil von dem sind, was aus Sicht der here Intelligenz nicht unvereinbar? Testaments hängen mit den Schilde- Evolution zweckmäßig wäre. Um es in Keineswegs. Wenn Gott den Pro- rungen der biblischen Urgeschichte zu- Anlehnung an den Philosophen Imma- zess der Evolution gewählt hat, um uns sammen. Dass all diese grundlegenden nuel Kant auszudrücken: Der bestirnte nach seinem Bild zu schaffen, steht es Fragen nicht einmal angesprochen wer- Himmel über mir und das moralische uns nicht zu, diese Methode zu kritisie- den, ist ein immer wieder erstaunlicher Gesetz in mir füllen mich mit zuneh- ren. Es handelt sich dabei sogar um eine Mangel, denn genau an dieser Stelle lie- mender Ehrfurcht und einem Bewusst- außerordentlich elegante Methode. Die gen die wichtigsten und schwierigsten sein für Gottes Gegenwart. Tatsache der Evolution tut meiner Ehr- Fragen bezüglich einer Synthese von Ihr Buch „Gott und die Gene“ ist jetzt furcht vor Gott keinerlei Abbruch – im Evolution und Schöpfung – ein Man- auch in Deutschland erschienen. Sie sagen, Gegenteil! Man darf auch nicht verges- gel, der auch durchgängig allen neueren es sei schwierig, die Existenz unseres Uni- sen, dass Gott jenseits von Raum und kirchlichen Stellungnahmen zum „Krea- versums zu erklären, ohne dabei die Exi- Zeit existiert, so dass etwas, das in un- tionismus“ anhaftet. stenz Gottes vorauszusetzen. Könnte man seren Augen zufällig wirkt, nicht not- Collins‘ Buch ist dennoch insofern er- das nicht auch über die Existenz des Men- wendigerweise auch für Gott zufällig freulich, als es beispielhaft belegt, dass schen sagen? ist. man als Spitzenwissenschaftler in der Da stimme ich Ihnen zu. Wir wissen Wenn zwei Organismen sich sehr ähnlich Biologie sehr wohl an Gott als Schöpfer jetzt zwar, dass der Evolutionsprozess sind - wie etwa der Mensch und der Schim- glauben kann und dass ein Atheismus über lange Zeiträume Systeme von au- panse, deren DNA zu 96 Prozent überein- nicht aus der Naturwissenschaft folgt, ßerordentlicher Komplexität hervor- stimmt -, bedeutet das zwangsläufig, dass sondern andere Wurzeln hat. Wie immer bringen kann. Das Universum musste der eine vom anderen abstammt? man zur „theistischen Evolution“ steht: aber sehr sorgfältig abgestimmt werden, Nein, die Ähnlichkeit allein würde Viele Teile von Collins‘ Apologetik sind damit der erste sich von allein vermeh- das nicht beweisen. Aber wenn man für alle hilfreich, die mit den üblichen rende Organismus entstehen konnte. sich das Erbgut des Menschen und das Standardargumenten gegen die Existenz Diesen Abstimmungsprozess kann man des Schimpansen näher anschaut, stößt Gottes konfrontiert werden. nicht auf reinen Zufall reduzieren – das man auf Faktoren, die sich nicht anders ist einfach zu unwahrscheinlich. Außer- erklären lassen - es sei denn, Sie argu- dem kann die menschliche Natur meiner mentieren, dass Gott absichtlich falsche Dr. Reinhard Junker ist Meinung nach nicht völlig durch den Fährten in unserer DNA gelegt hat, um Autor zahlreicher Bü- materialistischen Prozess erklärt wer- uns in die Irre zu führen. Ein Beispiel cher, etwa „Jesus, Dar- den, auch wenn ich mir vorstellen kann, dafür ist das menschliche Chromosom win und die Schöpfung, Warum die Ursprungsfra- dass der Evolutionsprozess den Rahmen 2, das ich in „Gottes DNA“ näher erläu- ge für Christen wichtig geschaffen hat, in dem Menschlichkeit tere. Dieses Chromosom liefert in seiner ist“ (Hänssler Verlag) und sich entwickeln konnte. Aber grundle- DNA-Sequenz den klaren Beweis dafür, - mit Siegfried Scherer - gende Fragen kann die Evolution nicht dass es das Ergebnis einer kürzlichen „Evolution. Ein kritisches beantworten: Woher kommt das Mo- Fusion zweier kleinerer Chromosomen Lehrbuch“, (Weyel Lehr- mittelverlag). ralgesetz? Woher kommt unser Hunger ist, die am Verschmelzungspunkt fossile Weitere Informationen: nach Gott? Unser Schönheitssinn? Un- DNA-Spuren hinterlassen hat. Schim- www.wort-und-wissen.de sere Fähigkeit, bedingungslos, selbstlos pansen und Gorillas haben tatsächlich und uneigennützig zu lieben? kein Chromosom 2 wie wir, wenn auch pro | Christliches Medienmagazin 2|2008 13
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