13 Gut für das Klima, gut für die Gesundheit: Perspektiven für individuelle Verhaltens-änderungen
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13 Gut für das Klima, gut für die Gesundheit: Perspektiven für individuelle Verhaltens- änderungen Timothy Mc Call, Tatjana P. Liedtke, Claudia Hornberg und Michaela Liebig-Gonglach C. Günster | J. Klauber | B.‑P. Robra | C. Schmuker | A. Schneider (Hrsg.) Versorgungs-Report Klima und Gesundheit. DOI 10.32745/9783954666270-13, © MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin 2021 Die zahlreichen Auswirkungen des Klimawandels auf die indirectly) makes a significant contribution to global green- Gesundheit verlangen nach einer nachhaltigen Antwort house gas emissions. However, long-lasting changes in be- im Rahmen von individuellen Klimaschutz- sowie Klima- haviour in the area of climate protection are subject to a anpassungsmaßnahmen auf Verhaltens- und Verhältnis- large number of influencing variables and background fac- ebene. Dies ist insofern relevant, da das individuelle Kon- tors. In order to clarify possible causes of attitudinal and sumverhalten privater Haushalte (direkt und indirekt) zu behavioural discrepancies and to derive behavioural change einem erheblichen Teil zum globalen Treibhausgasausstoß approaches, there are different theoretical approaches. A beiträgt. Nachhaltige Verhaltensänderungen im Bereich potentially promising approach consists of assessing pos- Klimaschutz unterliegen jedoch einer Vielzahl von Einfluss- sible health co-benefits of climate protection and adapta- variablen und Hintergrundfaktoren. Um mögliche Ursa- tion measures and making targeted use of potential health chen von Diskrepanzen zwischen Einstellung und Verhal- co-benefits of climate protection interventions. ten aufzuklären und Verhaltensänderungsansätze abzu- leiten, gibt es unterschiedliche modelltheoretische Ansät- ze. Ein potenziell vielversprechender Ansatz besteht darin, 13.1 Klimawandel und gesundheitliche mögliche gesundheitliche Nebeneffekte von Klimaschutz- Folgen und Anpassungsmaßnahmen abzuschätzen und potenziel- le positive gesundheitliche Nebeneffekte („Health-Co-Be- Nach Angaben des aktuellen Berichts des Zwi- nefits“) von Klimaschutzinterventionen gezielt zu nutzen. schenstaatlichen Ausschusses für Klimaände- rungen der Vereinten Nationen schreiten die The numerous effects of climate change on health require Veränderungen des Klimasystems mit einer In- a sustainable response within the framework of individual tensität voran, die über Jahrzehnte, bis in die climate protection and climate adaptation at the behav- 1950er-Jahre hinein, nie verzeichnet wurde ioural and relationship level. This is relevant insofar as the (IPCC 2014). Hierbei handelt es sich insbeson- individual behaviour of private households (directly and dere um die Erwärmung der Atmosphäre und © urheberrechtlich geschützt 177 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen für die medizinische Versorgung in Deutschland Tab. 1 Auswahl gesundheitlicher Auswirkungen des Klimawandels (Pop-Jordanova u. Grigorova 2015, Creative Commons- Lizenz CC BY-NC-ND 4.0) Klimaereignis Auswirkungen der Klimaereignisse Gesundheits-Outcomes Hitzewellen Zunahme des Ozons auf Bodenhöhe, Pollen Hitzestress, kardiovaskuläre, metabolische und respiratorische Morbidität (z.B. Schlaganfall, Exazerbation von Atemwegserkrankungen) erhöhte Durchschnitts- vermehrt günstige Bedingungen für Vektor-übertragene Krankheiten (z.B. Borreliose, temperatur Krankheitsüberträger (z.B. Mücken, Zecken) Malaria, Dengue), Lebensmittelvergiftungen, vermehrt günstige Bedingungen für Infektionskrankheiten (z.B. Cholera) Infektionskrankheitserreger (z.B. Bakterien) Ozonabbau UV-Strahlung Haut- und Augenkrankheiten Dürre Wasser‑/Nahrungsmittelknappheit, Dehydrierung, Malnutrition, über das Wasser verminderte Wassersicherheit übertragene Krankheiten extreme Wetter- Bevölkerungsbewegung, verminderte Verletzungen, Ertrinken, Konflikte, über das ereignisse Lebensmittel- und Wassersicherheit Wasser übertragene Krankheiten, Malnutrition Anstieg des Meeres- Bevölkerungsbewegung, Wasser‑/ Verletzungen, Ertrinken, Konflikte, Dehydrierung, spiegels Bodenversalzung Malnutrition allgemeine Folgen Stress psychische Gesundheit des Klimawandels der Ozeane, den Rückgang von Schnee und Eis Verkehr zudem eine erhebliche Ambitionslü- sowie den Anstieg des Meeresspiegels (IPCC cke, da die gesetzten Ziele keinen ausreichen- 2014). Aktuell steigen die Treibhausgasemissio- den Beitrag Deutschlands zur Einhaltung der nen weiterhin an. Dennoch kann mit einer Pariser Klimaziele liefern. So stellt der Klima- strikteren Umsetzung der nationalen Klima- wandel sowohl im Hinblick auf die Umwelt als schutzbeiträge (National Determined Contribu- auch die Bevölkerungsgesundheit eine wesent- tions; NDCs) das Ziel noch erreicht werden, die liche globale Herausforderung dar (ebd.). Erderwärmung unter 2 bzw. 1,5 Grad Celsius zu Neben den vielfältigen, sich abzeichnenden halten (United Nations Climate Change Secre- und prognostizierten Auswirkungen des Klima- tariat 2019). Die bisherigen internationalen Be- wandels, beispielsweise auf die Natur sowie die mühungen reichen dafür allerdings bei weitem Land‑, Forst- und Wasserwirtschaft, (Khazalah nicht aus (ebd.). Nachdem auch in Deutschland u. Gopalan 2019) sind auch gesundheitliche das nationale Klimaziel trotz der Auswirkungen Auswirkungen für die Bevölkerung nicht aus- der SARS-CoV-2-Pandemie im Jahr 2020 verfehlt zuschließen. Insbesondere die Untersuchung wird, sind wirksame Maßnahmen umgehend gesundheitlicher Auswirkungen bilden einen notwendig, um das Ziel für 2030 zu erreichen großen Bestandteil aktueller Klimaforschung (SRU 2019). Der Handlungsbedarf nationaler (Pop-Jordanova u. Grigorova 2015). Klimapolitik ist dabei erheblich: Da die be- Für das Jahr 2019 stufte die WHO den Klima- schlossenen Maßnahmen nicht ausreichen, wandel als eines der größten Umweltrisiken für um die gesetzten Klimaziele zu erreichen, ist die menschliche Gesundheit ein (WHO 2020). einerseits die vorhandene Umsetzungslücke zu Grundsätzlich lassen sich zahlreiche gesund- schließen. Andererseits besteht insbesondere heitliche Auswirkungen des Klimawandels dif- in den Sektoren Gebäude, Landwirtschaft und ferenzieren (Eis et al. 2010) (s. Tab. 1). 178 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
13 Gut für das Klima, gut für die Gesundheit: Perspektiven für individuelle Verhaltensänderungen II Die Gesundheits-Outcomes sind unmittel- SARS-CoV-2-Pandemie handelt es sich um bare Folgen von Klimaveränderungen, insbe- Trends mit hoher Dynamik, teilweise irrever- sondere durch thermische Extremwetterbelas- siblen Veränderungen, sozialer und räumlicher tungen auf den menschlichen Organismus. So Ungleichheit sowie einer sich abzeichnenden steigen mit zunehmender Wärme- bzw. Kälte- Schwächung der internationalen Solidarität. belastung u.a. die Anforderungen an das Herz- Darüber hinaus gelten die komplexen Zu- kreislaufsystem (s. Kap. 4) (Pop-Jordanova u. sammenhänge zwischen zunehmenden Um- Grigorova 2015). In diesem Zusammenhang weltbelastungen und der Zerstörung von Natur- sind bspw. auch bestimmte Berufsgruppen wie räumen nicht nur als Ursachen für die globale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Baubran- Klimaveränderung, sondern haben auch ur- che häufiger gegenüber Hitze exponiert und so sächlich durch engen Mensch- und (Wild‑)Tier- unmittelbar von einem erhöhten Gesundheits- kontakt zur Entstehung der SARS-CoV-2-Pande- risiko als Folge des Klimawandels betroffen. mie beigetragen (vgl. Vinodh Kumar et al. Für diese Berufsgruppen ist die Etablierung und 2020). Hinzu kommt, dass lokale Umweltbelas- Umsetzung entsprechender Schutzmaßnah- tungen offenbar auch den Schweregrad des CO- men erforderlich (Applebaum et al. 2016; Gao et VID-19-Krankheitsverlaufs direkt beeinflussen al. 2018). können (EEA 2020). In einer US-amerikani- Die Veränderung von Hitze, Niederschlag schen Untersuchung konnte mit Daten auf und Luftfeuchtigkeit fördert zudem die Verbrei- County-Ebene eine Zunahme von einem Mikro- tung von krankheitsübertragenden Insekten gramm Feinstaub pro m3 (Particulate Matter, aus südlichen Klimazonen, welche wiederum PM2,5) mit einer statistisch signifikanten Zu- gesundheitsrelevante Folgen hat (s. Kap. 10 und nahme der COVID-19-Mortalitätsrate um 8% 11) (Wu et al. 2016). Als weitere Auswirkung des (95%-Konfidenzintervall: 2%–15%) assoziiert Klimawandels zeigt sich außerdem eine Verän- werden (Wu et al. 2020). Auch weitere Studien derung der Allergenexpositionen, die sowohl weisen auf diesen Zusammenhang hin (Cole et auf eine höhere Allergenproduktion von einzel- al. 2020; Ogen 2020). nen Pflanzenarten, als auch auf eine Verlänge- rung der Pollenflugsaison zurückzuführen ist. Dies erhöht v.a. die gesundheitliche Belastung 13.2 Klimasensibilität und individuelle für Allergikerinnen und Allergiker (Zebisch et Verhaltensänderungen – al. 2005; Höflich 2014), aber auch die mit den eine verhaltenswissenschaftliche Therapien verbundenen Krankheitskosten (GBE Perspektive 2000). Im urbanen (und ländlichen) Raum kön- nen klimatische Veränderungen zudem zur Die vielfältigen gesundheitlichen Auswirkun- Entstehung von Smog beitragen, was ebenfalls gen des Klimawandels verlangen nach einer ein gesundheitliches Risiko für die Bevölkerung nachhaltigen Antwort im Rahmen von indivi- darstellt (s. Kap. 8) (Manisalidis et al. 2020). duellen Klimaschutz- sowie Klimaanpassungs- Die zu erwartenden weitreichenden Folgen maßnahmen (Watts et al. 2015). Diese sind – der der Klimakrise zeigen neben Unterschieden ei- Public-Health-Maxime folgend – sowohl auf der nige deutliche und belastbare Parallelen zu der verhältnispräventiven (z.B. Gebäudedäm- aktuellen, weltweiten Betroffenheit durch die mung, Installation von Schattenspendern, An- SARS-CoV-2-Pandemie. Das schließt sowohl das pflanzen von Bäumen) als auch auf der indivi- bestehende hohe gesundheitliche Risiko, ins- duellen, verhaltenspräventiven (z.B. regelmä- besondere für vulnerable Menschen, als auch ßige Flüssigkeitszufuhr, Sonnenschutz) Ebene die starke Auswirkung auf die (Welt‑)Wirt- erforderlich (Böckmann u. Hornberg 2020; Pau- schaft ein. Bei der Klimakrise wie auch der li u. Hornberg 2010). © urheberrechtlich geschützt 179 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen für die medizinische Versorgung in Deutschland Vor dem Hintergrund individueller Verhal- die tatsächliche Verhaltensrelevanz (Montaño u. tensänderungen beschäftigen sich unterschied- Kasprzyk 2008; Graf 2007; Bamberg et al. 1995). liche Fachdisziplinen, wie Public Health (Böck- Um die Ursachen der Einstellungs-Verhal- mann u. Hornberg 2020; Mc Call et al. 2019), tensdiskrepanz aufzuklären und so (konzeptio- Psychologie (Schwarzer 2004) und Soziologie nelle) Ansätze zur Verhaltensänderung abzu- (Diekmann u. Preisendörfer 2001; Davis et al. leiten, können theoretische Ansätze und Erklä- 2015), mit Strategien zur Neubildung, Verände- rungsmodelle aus unterschiedlichen wissen- rung und Stabilisierung von individuellen und schaftlichen Disziplinen hilfreich sein. Bei- populationsbezogenen umweltrelevanten Ein- spielhaft sind neben den Rational-Choice-Modellen stellungs- und Verhaltensmustern. Hierfür sind (Diekmann u. Preisendörfer 2001) oder der Theo- Verhaltensweisen mit individuellen (z.B. Wis- ry of Planned Behaviour von Ajzen (1991) sowie Fish- sen und Einstellung einer Person) und kollekti- bein und Ajzen (1975), das Transtheoretical Model ven Merkmalen (z.B. soziale Milieus) in den von Prochaska und DiClemente (1992), das Blick zu nehmen (Herrmann et al. 2018). Bevöl- Norm-Aktivierungs-Modell (Hunecke 2000) sowie kerungsumfragen und (Umwelt‑)Bewusstseins- das häufig angewandte Health-Belief-Modell studien sollen dabei helfen, individuelles um- (Champion u. Skinner 2008) genannt. welt- und klimawandelrelevantes Wissen in der Auch wenn sich die o.g. Modelle und Theo- Bevölkerung zu ermitteln (Hoffmann 2012). rien in ihrer Definition und Ausprägung hin- Studien weisen darauf hin, dass ein ausge- sichtlich der einzelnen Variablen unterscheiden, prägtes Umweltbewusstsein in Richtung einer gibt es Einflussfaktoren, die in nahezu jedem stärkeren Umweltverantwortlichkeit zwar eine dieser Verhaltensmodelle berücksichtigt werden notwendige, aber keine hinreichende Voraus- und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine setzung für eine nachhaltige Verhaltensände- Verhaltensänderung vorhersagen. So kann bei- rung darstellt (Geiger 2020; Kuckartz 2005; Ku- spielsweise ein solches Verhaltensmodell zu der ckartz et al. 2007). Dies bedeutet zum einen, dass Vorhersage gelangen, dass Personen, die bei in- umweltbewusstes Handeln prinzipiell auch dividuellen Klimaschutzmaßnahmen (z.B. ohne umweltrelevante Wissensbestände erfol- Wechsel von PKW auf das Fahrrad) auch gesund- gen kann. Zum anderen zeigt es, dass umwelt- heitsförderliche Potenziale (z.B. Reduzierung und klimabewusstes Handeln oftmals nicht mit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen) für sich selbst Informationsstand, Wertehaltungen und Ver- annehmen, mit einer höheren Wahrscheinlich- haltensintentionen erklärt werden kann. Es keit ihr Verhalten ändern als Personen, die hier existiert demzufolge häufig eine Kluft zwischen nur einen geringen Zusammenhang sehen. den Einstellungen von Menschen und ihrem in- Zudem geht jeder dieser Ansätze von der An- dividuellen Klimaschutzverhalten. Folglich ist nahme aus, dass die subjektive Risikowahrneh- auch der Rückschluss von einem hohen Umwelt- mung den motivationalen Ausgangspunkt für bewusstsein auf ein gleichzeitig vorliegendes eine Änderung des bisherigen (Gesundheits‑) und daraus resultierendes umweltfreundliches Verhaltens bildet (Schwarzer 2004; Weinstein et Verhalten nur eingeschränkt möglich. al. 1998). Wenn Personen den Klimawandel für Als häufigste Gründe für ein nicht nachhal- sich als individuelles Risiko wahrnehmen, tiges umweltgerechtes Verhalten bei gleichzei- dann sind sie eher bereit, ihr Verhalten zu ver- tig ausgeprägtem Umweltbewusstsein gelten ändern, als Personen, die mit dem Klimawan- insbesondere alltägliche, routinierte Gewohn- del keine persönlichen Nachteile oder Ein- heitsmuster und Verhaltensweisen, einge- schränkungen assoziieren. Auch der erwartete schränkte (finanzielle) Ressourcen, mangelnder Schweregrad der Beeinträchtigungen sowie die Anreiz, geringe Rückmeldung über die Verhal- prognostizierte Auftretenswahrscheinlichkeit tensfolgen, oder auch mangelndes Wissen über der Beeinträchtigungen bestimmen die Risiko- 180 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
13 Gut für das Klima, gut für die Gesundheit: Perspektiven für individuelle Verhaltensänderungen II wahrnehmung (Glanz et al. 2008). Personen, gibt es vielversprechende Ansätze, die neben die beispielsweise davon ausgehen, dass der Kli- einer primären CO2-Emissionsreduktion außer- mawandel sowohl an Qualität (z.B. Extremwet- dem gesundheitliche Nebeneffekte betrachten terereignisse wie Hochwasser, Hitze) als auch (Watts et al. 2015; Herrmann et al. 2018). an Quantität (Häufigkeit dieser Ereignisse) zu- nehmen wird, sind voraussichtlich eher bereit, sich klimaschützend zu verhalten, als Perso- 13.3 Health Co-Benefits durch individuelle nen, die diese Bedrohung nicht wahrnehmen. Klimaschutzmaßnahmen Die zuvor genannten Theorien nehmen zu- dem an, dass eine hohe Handlungswirksamkeit 13.3.1 Privater Konsum als Treiber (also die Erwartung, eine Beeinträchtigung von Treibhausgasemissionen mindern oder verhindern zu können) Personen eher motiviert, ihr Verhalten zu ändern (Glanz Das individuelle Konsumverhalten privater et al. 2008). Beispielsweise kann ein Verhal- Haushalte trägt zu einem erheblichen Teil zum tensmodell zu der Vorhersage gelangen, dass globalen Treibhausgasausstoß bei (Hertwich u. Menschen, die zwar ein hohes Risikopotenzial Peters 2009). Zu den klimarelevantesten Kate- im Klimawandel erkennen, sich trotzdem gorien des privaten Konsums zählt neben der nicht klimaschützend verhalten, da sie davon Mobilität und dem Energieverbrauch für Hei- ausgehen, dass ihre Verhaltensänderung kei- zung und Warmwasser insbesondere die Nut- nen unmittelbaren Einfluss auf das Klima hat. zung von produzierten Gütern, einschließlich Neben den o.g. Aspekten wirken sich zudem Nahrungsmitteln (s. Tab. 2). Der indirekt ge- Hintergrundfaktoren, wie allgemeine Einstel- leistete Beitrag, der im Zuge der Produktions- lungen zum Umwelt- oder Klimaschutz, persön- und Bereitstellungskette der Waren und Kon- liche Werte oder das (umwelt- und klimawan- sumgüter entsteht, wird dabei insgesamt als delbezogene) Wissen, auf (klimaschützendes) wesentlich bedeutender eingeschätzt als der Verhalten aus (Glanz et al. 2008). Auch wenn der Beitrag, der aus dem direkten Ge- und Ver- Einfluss dieser Faktoren bisher als eher gering brauch durch die Konsumentinnen und Konsu- eingeschätzt wird (Weller 2008), sollte die Ver- menten resultiert (Hertwich u. Peters 2009). mittlung von Wissens- und damit handlungs- bezogenen Kompetenzen zu Umweltschutzthe- men perspektivisch als ein Instrument für Um- Tab. 2 Auswahl von Konsumbereichen privater Haus- welt- und Klimaschutzmaßnahmen diskutiert halte mit relevanten Quellen für Treibhausgas- werden (Böckmann u. Hornberg 2020). emissionen Neben den unterschiedlichen Einflussvaria- blen und Hintergrundfaktoren stehen umwelt- Konsumbereich Beispiele freundliche und klimabewusste Verhaltensän- Nahrungsmittel tierische Lebensmittel/Fleisch, derungen vor einer weiteren Herausforderung. Internationale Importe Die positiven Effekte einer individuellen CO2- Mobilität PKWs, Flüge Emissionsreduktion für das lokale Klima wer- Reisen Flüge, Kreuzfahrten den subjektiv nicht oder kaum wahrgenommen (Weber 2010). Eine Verknüpfung zwischen um- Energieverbrauch Heizung, Strom weltfreundlicher und/oder klimabewusster Ver- Produktqualität Lebensdauer (z.B. Elektrogeräte), haltensänderung und einem individuellen Energiesparkapazität positiven Beitrag für die Umwelt ist für die je- Konsum allgemein übermäßiger Erwerb weilige Person oftmals nur schwer möglich. Da die Assoziation nur bedingt hergestellt wird, Einwegprodukte Verpackungen (z.B. Lebensmittel) © urheberrechtlich geschützt 181 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen für die medizinische Versorgung in Deutschland Der individuelle Konsum bietet demzufolge duellen klimafreundlichen Verhalten aber auch ein breites Potenzial, im Zuge individueller Ver- sekundäre Effekte mit einer kollektiven Wir- haltensänderung einen Beitrag zur Minderung kung, indem bestimmte Risikofaktoren, wie Kli- von Treibhausgasemissionen zu leisten. Um maveränderungen oder Schadstoffbelastungen, Menschen zu einer nachhaltigen Verhaltens- für die breite Bevölkerung vermindert werden. änderung zu bewegen, müssen allerdings An- Die Wahrnehmung gesundheitlicher Co-Be- reize geschaffen und die persönliche Motiva- nefits, die aus einem klimafreundlichen Lebens- tion gefördert werden. stil resultieren, kann in einzelnen Konsumbe- reichen als wichtiger Motivator für eine Verhal- tensänderung hin zu einem bewussten und kli- 13.3.2 Health Co-Benefits – Gesundheits- maschonenden Verhalten dienen. Inwiefern gewinn durch klimafreundliches eine Verhaltensumstellung für den oder die Ein- Verhalten zelne(n) überhaupt realisierbar ist, hängt jedoch nicht ausschließlich von der persönlichen Be- Umweltschutzmaßnahmen, die auf verhältnis- reitschaft ab, sondern wird auch unmittelbar präventiver Ebene umgesetzt werden, wie von den gegebenen Infrastrukturen oder be- bspw. die Schaffung von Grünräumen und -an- stehenden Barrieren beeinflusst (Quam et al. lagen oder Maßnahmen zum Immissions- 2017). Der Umstieg auf einen „aktiven Transport“ schutz (z.B. Umweltzonen in Großstädten), vom PKW auf das Fahrrad erfordert bspw. eine bringen nicht nur Vorteile für das lokale Klima entsprechende Infrastruktur in Form von siche- (Beaudoin u. Gosselin 2016), sondern leisten ren Radwegnetzen (Quam et al. 2017). Gleiches auch gleichzeitig einen Beitrag für die Gesund- gilt auch für das Beispiel einer klimafreundli- heit der Bevölkerung. Auch auf individueller chen Ernährung. Die Entscheidung, die Ernäh- Ebene bringt ein klimafreundliches Verhalten rung auf regional hergestellte Produkte mit kur- in der Regel substanzielle gesundheitliche Vor- zen Lieferwegen zu beschränken, wird unmittel- teile bzw. gesundheitliche Nebeneffekte, soge- bar von dem jeweils lokal bereitgestellten Ange- nannte Health Co-Benefits, mit sich. bot im Lebensmittelhandel mitbestimmt. Im Bereich der Ernährung vermindert bspw. Eine Verhaltensänderung hin zu einem die Reduktion des Fleischverzehrs das persön- nachhaltigeren, klimaschonenden und gleich- liche Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen zeitig gesundheitsförderlichen Lebensstil wird und reduziert gleichzeitig die Treibhausgas- demzufolge von zahlreichen Faktoren beein- emissionen durch einen geringeren Nutztier- flusst, die sowohl auf der Verhältnis- als auch bedarf (Quam et al. 2017; Drew et al. 2020). Ein der individuellen Verhaltensebene liegen (Pau- Health Co-Benefit im Zusammenhang mit Mo- li u. Hornberg 2010). bilität besteht bspw. darin, dass der Umstieg auf einen aktiven Transport, d.h. vom PKW auf das Fahrrad, die Emission klimaschädigender 13.3.3 Voraussetzungen für eine nachhaltige Schadstoffe vermindert und gleichzeitig die klimafreundliche Verhaltensänderung eigene kardiovaskuläre Gesundheit fördert (Lindsay et al. 2011; Wolkinger et al. 2018). Nur wenige Studien haben bislang untersucht, Ein klimafreundlicher Lebensstil kann dem- inwieweit ein potenzieller Gesundheitsgewinn zufolge im doppelten Sinne als gesundheitsför- Menschen dazu motiviert, das eigene Verhalten derlich betrachtet werden. Zum einen resultiert zugunsten des Klimaschutzes anzupassen (My- eine direkte gesundheitsfördernde Wirkung auf ers et al. 2012; Herrmann et al. 2018). persönlicher Ebene bspw. durch körperliche Ak- Die europäische HOPE-Studie untersucht(e) tivität. Gleichzeitig resultieren aus dem indivi- in einem transdisziplinären Forschungsansatz 182 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
13 Gut für das Klima, gut für die Gesundheit: Perspektiven für individuelle Verhaltensänderungen II in urbanen Haushalten aus vier einkommens- Erste Teilergebnisse der Haushaltsbefragung starken europäischen Ländern, inwieweit In- im Rahmen der HOPE-Studie konnten zeigen, formationen über Health Co-Benefits die Ent- dass jene Haushalte, die Informationen zum scheidung beeinflussen, klimafreundliche jeweiligen Health Co-Benefit, also dem ge- Maßnahmen im eigenen Haushalt umzusetzen sundheitlichen Zusatznutzen individueller kli- (Herrmann et al. 2018). Im Rahmen der Studie mafreundlicher Maßnahmen erhielten, diesen sollten, neben Kriterien der individuellen Mo- Maßnahmen eher zustimmten als Haushalte, tivation, insbesondere auch Barrieren und Prä- die keine zusätzlichen Informationen zu mög- ferenzen für bestimmte Maßnahmen heraus- lichen Health Co-Benefits erhielten (Amelung gestellt, sowie monetäre Kosten und Einspa- et al. 2019). Die Bedeutung des Faktors „Wis- rungen für die Haushalte ermittelt werden sen“ als zentrale Voraussetzung für eine Ver- (Herrmann et al. 2018). haltensänderung wird auch durch Hinweise Ziel der Studie war es außerdem zu prüfen, aus anderen Untersuchungen gestützt, die zei- für welche klimafreundlichen Maßnahmen gen konnten, dass insbesondere jüngere Per- prinzipiell die höchste Bereitschaft in den sonen mit einem höheren Bildungsstand und unterschiedlichen europäischen Haushalten einem höheren Familieneinkommen eher mit besteht und inwieweit sich diese Maßnahmen dem Begriff der Health Co-Benefits vertraut mit den derzeitigen lokalen, landesweiten und sind und deren gesundheitlichen Zusatznut- europäischen umweltpolitischen Strukturen zen wahrnehmen (Shi et al. 2016; Gao et al. decken. 2017). Als Methode wurde in der HOPE-Studie ein Ein potenzieller Gesundheitsgewinn kann Mixed-Methods-Ansatz mit drei Interaktions- demnach als wichtiger Einflussfaktor in der schritten gewählt. Entscheidungsfindung für einen nachhaltigen 1. Zunächst wurde der individuelle CO2-Fuß- Lebensstil betrachtet werden. Positiv bestär- abdruck der Haushalte ermittelt. kende Kommunikationsstrategien, die einen 2. In einem weiteren Schritt erfolgte im Rah- Gesundheitsgewinn durch ein bestimmtes Ver- men der Simulation unterschiedlicher frei- halten in den Vordergrund stellen (z.B. bei re- williger und auferlegter Reduktionsszena- gelmäßiger körperlicher Aktivität), werden da- rien eine Präferenzbewertung. Dafür wur- bei als deutlich erfolgreicher eingeschätzt, um den den Haushalten verschiedene Optionen eine Verhaltensänderung herbeizuführen, als für Maßnahmen (aus den Bereichen Woh- Kommunikationsstrategien, die lediglich nen, Transport, Ernährung und Konsum) einen möglichen Gesundheitsverlust fokussie- zur Reduktion des eigenen CO2-Fußabdrucks ren (Gallagher u. Updegraff 2012). um 50% vorgestellt. Alle Haushalte erhielten In die öffentliche klimapolitische Diskus- zudem Informationen über die Höhe der je- sion eingebrachte Zusatzinformationen über weiligen CO2-Einsparung sowie der mone- die potenziellen Health Co-Benefits durch kli- tären Einsparungen bzw. Kosten durch die mafreundliche Verhaltensweisen könnten Maßnahmen. Die Hälfte der Haushalte wur- demzufolge zielführend als sinnvoller Bestand- de außerdem explizit über die im Zusam- teil eines erfolgreichen Konzepts zur Erhöhung menhang mit den Maßnahmen resultieren- der Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen den Gesundheitsgewinne informiert. sein. Ferner könnte die Vermittlung von Wis- 3. Als letzter Schritt erfolgte ein vertiefendes sens- und handlungsbezogenen Informationen Interview mit einem Haushaltsmitglied über entsprechende Health Co-Benefits Inhalt u.a. über Motivatoren und Barrieren einer zukünftiger Curricula in Schulen, Studiengän- Reduzierung des CO2-Fußabdruckes sowie gen und Ausbildungsberufen sein (Böckmann die Gesundheitswahrnehmung. u. Hornberg 2020). © urheberrechtlich geschützt 183 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen für die medizinische Versorgung in Deutschland Die Ergebnisse der HOPE-Studie haben aller- ringem Einkommen generell einen überpropor- dings auch gezeigt, dass klimafreundliche tional hohen Anteil ihres verfügbaren Einkom- Maßnahmen, die zwar einen direkten gesund- mens für Konsumgüter der Grundversorgung heitlichen Vorteil mit sich bringen, aber auch aufbringen müssen (UBA 2020). Eine gesunde mit einem gewissen Maß an persönlichem Auf- und nachhaltige Lebensführung wird durch die wand verbunden sind, wie das Umsteigen von gegebenen Verhältnisse für viele Menschen einem PKW auf öffentliche Transportmittel, eher erschwert. Häufig sind Lebensmittel mit häufiger eine geringere Zustimmung erfahren schlechter Ökobilanz und geringer Qualität (Amelung et al. 2019). Klimafreundliche Maß- nicht nur am kostengünstigsten, sondern för- nahmen, die keine merkliche Verhaltensum- dern auch die Entstehung ernährungsbeding- stellung erfordern, aber auch keinen direkten ter Erkrankungen und tragen so zur Entste- gesundheitlichen Vorteil mit sich bringen, wie hung gesellschaftlich getragener Folgekosten im Fall einer Anschaffung von effizienteren bei (Maschowski 2020). Hohe energiebezogene Elektrogeräten, werden hingegen konsequen- Belastungen in einkommensschwachen Haus- ter befürwortet (Amelung et al. 2019). Im Mo- halten stehen häufig im Zusammenhang mit bilitätssektor gestaltet sich die Bereitschaft einem vergleichsweise hohen Energiever- einer Umstellung des Verhaltens generell be- brauch, der sich nicht nur aus einer mangel- sonders schwierig und Informationen über re- haften Energieeffizienz des Wohnraums er- levante Health Co-Benefits können die Bereit- gibt, sondern insbesondere auch durch ein in- schaft zu einer Verhaltensanpassung nur selte- effizientes und klimaunfreundliches Nutzer- ner fördern (Amelung et al. 2019). Hier müssen verhalten gekennzeichnet ist, bspw. Heizen des andere Strategien mit einer Lenkungsfunktion Wohnraums bei gleichzeitig gekipptem Fenster entwickelt werden, wie bspw. monetäre Anrei- (UBA 2020). Für einkommensschwache Haus- ze, um eine Verhaltensumstellung zu bewir- halte besteht demnach ein hohes Risiko für ken. Ob diese Strategien einen nachhaltigen eine sogenannte energiebedingte Deprivation, Erfolg mit sich bringen, muss allerdings wis- die sich aus hohen finanziellen Belastungen senschaftlich belegt werden. durch einen hohen Konsum bei steigenden Energiepreisen und einem geringen Einkom- men ergeben kann (ebd.). Die Unterversorgung 13.3.4 Sozialverträglicher Klimaschutz mit Strom und Wärme geht wiederum unmit- telbar mit einem Verlust an Lebensqualität ein- Die Umstellung auf einen klimafreundlichen her und birgt somit auch ein erhöhtes Risiko Lebensstil stellt insbesondere einkommens- gesundheitlicher Einschränkungen (Reibling schwache Haushalte in vielen Bereichen vor u. Jutz 2016). Demnach stellt das Konzept stei- große Herausforderungen (Pauli u. Hornberg gender Energiepreise kein adäquates Mittel mit 2010). einer nachhaltigen Lenkungswirkung hin zu Die häufig nur unzureichenden Kenntnisse einer ökologischen Verbrauchsminderung dar von Health Co-Benefits und die mangelnde (Brunner et al. 2015). Als nachhaltige Instru- Wahrnehmung des gesundheitlichen Zusatz- mente zur Senkung des Energieverbrauchs gel- nutzens von Verhaltensmaßnahmen stellen da- ten nicht nur eine Förderung von technischen bei nur einzelne Aspekte dar, die eine Barriere Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffi- für eine Verhaltensumstellung bilden (Gao et zienz in den Haushalten, sondern vielmehr al. 2017). zielgruppenspezifische Beratungen (bspw. zum Ein wesentliches, strukturelles Problem be- Energiesparen) von Nutzerinnen und Nutzern steht vielmehr darin, dass Haushalte mit ge- (UBA 2020). 184 © urheberrechtlich geschützt MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
13 Gut für das Klima, gut für die Gesundheit: Perspektiven für individuelle Verhaltensänderungen II 13.3.5 Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher welt(schutz‑)themen und dem konkreten indi- Paradigmenwechsel viduellen Beitrag in Form von umweltprotek- tivem Verhalten zu reduzieren (Bravo u. Farjam Die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen 2020). So zeigt das Ergebnis der Umweltbe- stellt eine große gesellschaftliche Herausfor- wusstseinsstudie in Deutschland von 2018, derung dar. Damit diese von der Bevölkerung dass Menschen, die ein höheres Umweltbe- mitgetragen werden, ist es zum einen ent- wusstsein besitzen, einen nur tendenziell ge- scheidend, den Menschen die Bedeutung und ringeren CO2-Fußabdruck aufweisen als weni- Sinnhaftigkeit von Klimaschutzmaßnahmen ger umweltbewusste Menschen (Geiger 2020). zu verdeutlichen. Die Bevölkerung muss durch Dieser eher schwache Zusammenhang zwi- transparente Aufklärung sensibilisiert wer- schen Umweltbewusstsein und Umweltverhal- den, um so ein Bewusstsein und Verständnis ten belegt erneut den Befund, dass ein hohes für die Notwendigkeit der Umsetzung von Umweltbewusstsein nicht zwingend zu dem Maßnahmen zu schaffen. Dabei ist es nicht entsprechenden umweltfreundlichen Verhal- ausreichend, nur deren Sinnhaftigkeit zu ver- ten führt (Geiger 2020, 38). mitteln, sondern insbesondere auch deren Einen Wertewandel in einem Gesellschafts- Handhabbarkeit muss verdeutlicht werden. system zu erreichen, in dem das Wirtschafts- Das bedeutet u.a., dass für alle Menschen wachstum und der Konsum fortwährend als die notwendige Unterstützung gewährleistet wesentliche Voraussetzung für das Wohlbefin- werden muss und ausreichende Ressourcen den der Menschen postuliert werden, stellt al- zur Verfügung stehen, um die Anforderungen lerdings eine schwierige Aufgabe dar (Masch- bewältigen zu können. Nur durch die Schaf- kowski 2015). Für einen langfristig erfolgrei- fung eines solchen Kohärenzgefühls in der Be- chen Klimaschutz muss daher ein breiter ge- völkerung können bestehende Barrieren und sellschaftlicher (Werte‑)Wandel stattfinden, Blockaden für einen nachhaltigeren Lebensstil der nicht allein auf (Konsum‑)Verzicht und Vor- langfristig abgebaut werden (Maschkowski schriften für den oder die Einzelne fußen darf, 2015) sondern ein bewusstes Umdenken und eine Neben einer starken persönlichen Motiva- selbst gestaltete Neustrukturierung der Gesell- tion für eine Verhaltensänderung sind also schaft erfordert (Maschkowski 2015). auch (infra‑)strukturelle und politische Maß- Ein gesellschaftlicher Wandel kann demzu- nahmen erforderlich, die Haushalte in der Um- folge nur in enger Zusammenarbeit mit Politik setzung von umwelt- und klimaschonendem und Wirtschaft gelingen, um die notwendigen Verhalten unterstützen. Aus Perspektive priva- Rahmenbedingungen für einen klimafreund- ter Haushalte werden Maßnahmen zum Klima- lichen Lebensstil zu schaffen. Entscheidungs- schutz als eine gemeinsame Aufgabe öffentli- trägerinnen und Entscheidungsträger sowie cher und privater Akteure betrachtet, deren Stakeholder aus Politik und Wirtschaft muss Umsetzung global und sozial gerecht erfolgen der vielschichtige Gewinn verdeutlicht werden, sollte (Herrmann et al. 2020). der durch gesundheitliche Co-Benefits im Zu- Individuelle Verhaltensänderungen können sammenhang mit klimafreundlichem Verhal- demnach einen Schritt hin zur Reduzierung ten erzielt werden kann. der globalen CO2-Emissionen sein. Als große Das übergeordnete Ziel unserer Gesellschaft Herausforderung auf individueller Ebene gilt sollte sein, ein klimafreundliches Verhalten als dabei weiterhin, die hohe Diskrepanz zwi- explizite Ausrichtung des eigenen Lebensstils schen Bedenken und Einstellung zu Um- gesellschaftlich zu verfestigen. © urheberrechtlich geschützt 185 MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2021
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