Gesundheitsberichterstattung im Rahmen von Public Health Surveillance: Das Beispiel Diabetes

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Gesundheitsberichterstattung im Rahmen von Public Health Surveillance: Das Beispiel Diabetes
Leitthema

Bundesgesundheitsbl 2020 · 63:1099–1107      Lukas Reitzle · Rebecca Paprott · Francesca Färber · Christin Heidemann ·
https://doi.org/10.1007/s00103-020-03201-z   Christian Schmidt · Roma Thamm · Christa Scheidt-Nave · Thomas Ziese
Online publiziert: 19. August 2020           Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, Deutschland
© Der/die Autor(en) 2020

                                             Gesundheitsberichterstattung im
                                             Rahmen von Public Health
                                             Surveillance: Das Beispiel
                                             Diabetes

Hintergrund – Public Health                  Prävention dieser Krankheiten durch die              dert das BMG derzeit den Aufbau einer
Surveillance                                 Reduktion wichtiger gemeinsamer Risi-                Mental Health Surveillance (2019–2021;
                                             kofaktoren unter Berücksichtigung zu-                www.rki.de/mhs) und ein Vorhaben zur
Public Health Surveillance wird von der      grunde liegender sozialer Determinanten              Surveillance relevanter Einflussfaktoren
Weltgesundheitsorganisation (WHO)            war bereits Gegenstand des 2013 verab-               auf die Entwicklung von Adipositas im
definiert als kontinuierliche und syste-      schiedeten globalen WHO-Aktionsplans                 Kleinkind- und Schulalter (2015–2020;
matische Erhebung, Zusammenführung           zu nichtübertragbaren Krankheiten [8].               www.rki.de/adimon). Zudem besteht be-
und Analyse von gesundheitsbezogenen         Die Ziele des Aktionsplans wurden in                 reits ein registerbasiertes System zur epi-
Daten und die zeitnahe Bereitstellung        insgesamt 3 Konferenzen der Vereinten                demiologischen Surveillance des Krebs-
von Informationen an Entscheidungs-          Nationen (UN) weiterentwickelt und in                geschehens (www.krebsdaten.de). Für
trägerinnen und Entscheidungsträger          die Agenda 2030 zu globalen Nachhal-                 die jeweiligen Vorhaben stellt neben der
als Grundlage für die Planung, Umset-        tigkeitszielen (Sustainable Development              Erhebung, Zusammenführung und Ana-
zung und Evaluation von Public-Health-       Goals, SDGs) integriert [8]. Das zentra-             lyse von geeigneten Daten insbesondere
Maßnahmen ([1–3]; . Abb. 1). Die Sur-        le Nachhaltigkeitsziel „Gesundheit und               die Dissemination der Ergebnisse ei-
veillance ist für den Bereich der akuten     Wohlbefinden für alle“ hat die Redukti-               ne Herausforderung dar. Dissemination
Gefahren durch Infektionskrankheiten         on der vorzeitigen Sterblichkeit vor dem             bedeutet dabei, die gewonnenen Infor-
bereits lange etabliert, hat jedoch in       70. Lebensjahr zum Ziel. Dies soll durch             mationen zeitnah und adressatengerecht
den letzten Jahren international auch        eine verbesserte Primärprävention wich-              für relevante Akteure in Gesundheitspo-
große Bedeutung für den Bereich der          tiger verhaltensbasierter Risikofaktoren,            litik, Forschung und Praxis als Entschei-
nichtübertragbaren Krankheiten (Non-         wie Alkohol- und Tabakkonsum, einer                  dungshilfe für eine verbesserte Planung,
communicable Diseases, NCD) erlangt          Sicherstellung des Zugangs zu medizini-              Umsetzung und Evaluation von Maß-
[2, 4, 5].                                   scher Versorgung und einer Förderung                 nahmen zum Schutz und zur Förderung
    Am Robert Koch-Institut (RKI) sind       psychischer Gesundheit erreicht werden               der Gesundheit der Bevölkerung zur
in den letzten Jahren Surveillance-Ak-       [9]. Dabei steht das Nachhaltigkeitsziel             Verfügung zu stellen.
tivitäten zum Schutz der öffentlichen         zur Gesundheit in Verbindung mit den                     Allerdings wird bei der Disseminati-
Gesundheit daher auf einige nichtüber-       anderen Nachhaltigkeitszielen, beispiels-            on wissenschaftlicher Forschungsergeb-
tragbare Krankheiten und wichtige ge-        weise zur Bildung, zur Bekämpfung von                nisse häufig das Phänomen des soge-
meinsame Risikofaktoren ausgedehnt           Armut und zum Erhalt sicherer Lebens-                nannten „Translation Gap“ beobachtet,
worden. Im Fokus stehen dabei Krank-         welten, und verdeutlicht den Health-in-              welcher den fehlenden oder deutlich
heiten, die in Deutschland, aber auch        All-Policies(HiAP)-Ansatz zur Gesund-                verzögerten Eingang von Informatio-
weltweit zu den Haupttodesursachen           heitsförderung und Prävention.                       nen aus der Wissenschaft in politische
zählen und erheblich zur Einschränkung          Seit Ende 2015 bis 2021 wird durch                Entscheidungsprozesse sowie die Ent-
der in Gesundheit verbrachten Lebens-        das Bundesministerium für Gesund-                    wicklung von Maßnahmen beschreibt
zeit beitragen. Nach Daten der Studie        heit (BMG) ein Forschungsprojekt zum                 [11]. Studien aus den USA und UK
„Global Burden of Disease“ gilt dies in      Aufbau einer Diabetes-Surveillance                   haben gezeigt, dass wissenschaftliche
erster Linie für Herz-Kreislauf-Erkran-      als Beispiel einer umfassenden Public                Ergebnisse vorrangig in akademischen
kungen, Krebserkrankungen, chronische        Health Surveillance für nichtübertragba-             Fachzeitschriften in entsprechend aka-
Atemwegserkrankungen, Diabetes melli-        re Krankheiten am RKI gefördert (www.                demischer Sprache veröffentlicht, jedoch
tus und psychische Störungen [6, 7]. Die     diabsurv.rki.de; [9, 10]). Weiterhin för-            nur selten in adressatengerechte Sprache

                                                                 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2020           1099
Gesundheitsberichterstattung im Rahmen von Public Health Surveillance: Das Beispiel Diabetes
Leitthema

                                                                                        Quelle                  Inhalt               Zielgruppe
                                   Datenerhebung                                      (Surveillance)

                                                                                                             Format und
                                                                                                               Kanal
            Umsetzung von                               Datenanalyse und-
             Maßnahmen                                     auswertung

                                                                                 Abb. 2 8 Modell für die Dissemination von Forschungsergebnissen nach
                                                                                 Brownson et al. [15]
                                      Ergebnis-
                                    dissemination                                                        dungsträgerinnen und -trägern berich-
                                                                                                         tet [19]. Die wichtigsten begünstigenden
                                                                                                         Faktoren waren die Verfügbarkeit und
       Abb. 1 8 Public Health Surveillance Cycle nach Remington und Nelson [3]                           der Zugang zu den Daten sowie deren
                                                                                                         Klarheit, Relevanz und Verlässlichkeit.
       und Formate übersetzt und der Politik             lung von Maßnahmen notwendig sind.              Umgekehrt stellten die gleichen Fakto-
       aktiv in adäquater Form präsentiert wer-          Die Themen sollen dabei nicht allein auf        ren auch die größten Hemmnisse dar,
       den [12, 13]. Daher sind die frühzeitige          die Prävalenz, Inzidenz, Mortalität und         sofern sie nicht erfüllt waren. Im Beson-
       Planung und Entwicklung einer Stra-               Versorgung der Erkrankung fokussieren,          deren zeigte sich auch hier, dass die enge
       tegie zur Dissemination der Ergebnisse            sondern auch ihre relevanten Determi-           Zusammenarbeit und die Beziehung
       der Surveillance von großer Bedeutung.            nanten im Blick behalten [17]. Hierbei          zwischen Politik und Wissenschaft eine
       Im Folgenden werden wissenschaftliche             sind sowohl verhaltensbasierte Risiko-          fördernde Wirkung auf die Verwendung
       Grundlagen einer Disseminationsstrate-            und Schutzfaktoren als auch soziale und         von wissenschaftlichen Erkenntnissen
       gie, neue Möglichkeiten für die Disse-            verhältnisbasierte Determinanten zu be-         als Grundlage für gesundheitspolitische
       mination durch die Digitalisierung und            rücksichtigen.                                  Entscheidungen hat [19].
       abschließend die Umsetzung im Rahmen                  Daran anknüpfend sollen die relevan-            Um die Disseminationsstrategie kon-
       der Diabetes-Surveillance dargestellt.            ten Zielgruppen aus den Bereichen Ge-           tinuierlich weiterzuentwickeln, ist eine
                                                         sundheitspolitik, Versorgung und For-           regelmäßige Evaluation der Ergebnisnut-
       Disseminationsstrategie                           schung und deren spezifischer Informa-           zung unerlässlich. Hierbei können kurz-
       zur adressatengerechten                           tionsbedarf(„need forinformation“)ana-          fristige Maßzahlen wie die Anzahl von
       Kommunikation                                     lysiert werden [16]. Die Zielgruppen sol-       Downloads und Zitationen sowie eine
                                                         len mittels spezifischer Formate ange-           zusätzliche Erfassung der Social-Media-
       Für eine Disseminationsstrategie sind             sprochen werden, in denen Sprache, visu-        Aktivitäten mittels Altmetriken zum Ein-
       verschiedene Rahmenkonzepte aus den               elle Ausgestaltung sowie die ausgewähl-         satz kommen [15]. Weiterhin kann die
       Kommunikationswissenschaften           von        ten Inhalte den jeweiligen Anforderun-          Nutzung der Ergebnisse in der Erstel-
       Bedeutung [14]. Die häufigsten Kon-                gen entsprechen. Hierbei ist es besonders       lung von Leitlinien und gesundheitspo-
       zepte im Bereich Public Health stellen            wichtig, den aktiven Austausch mit den          litischen Entscheidungen analysiert wer-
       „persuasive Kommunikation“, „Social               Zielgruppen zu suchen und nachhaltige           den. Auchhierbeikannderdirekte Dialog
       Marketing“ und die „Diffusionstheorie“             Netzwerke zu schaffen. Denn die partizi-         mit den Zielgruppen entscheidend dazu
       dar. Bestandteil aller Konzepte sind 3            pative Entwicklung der Disseminations-          beitragen, die Nutzung der Surveillance-
       Kernfragen, welche in der Entwicklung             strategie und der regelmäßige Austausch         Informationen zu fördern [15, 17].
       einer Disseminationsstrategie einer Sur-          erhöhen die Akzeptanz und die Nutzung
       veillance berücksichtigt werden sollen:           der Ergebnisse bei den Zielgruppen [15,         Bedeutung der Digitalisierung
       (1) „Was sind die relevanten Inhalte              18].                                            für die Dissemination
       der Surveillance?“, (2) „Wer benötigt                 Der Gesundheitspolitik kommt als
       welche Informationen?“ und (3) „Wie               Zielgruppe der Surveillance eine beson-         Neue Möglichkeiten der
       werden die Ergebnisse den Zielgruppen             dere Bedeutung zu, da diese maßgeblich          Datengewinnung
       bereitgestellt?“ ([15, 16]; . Abb. 2).            zur Umsetzung von Maßnahmen zum
           Angewandt auf die Surveillance nicht-         Schutz und zur Förderung der Gesund-            Wesentliche Datengrundlagen der Ge-
       übertragbarer Erkrankungen wie Diabe-             heit beiträgt. Oliver et al. haben in ihrer     sundheitsberichterstattung werden in
       tes mellitus sollen zunächst die relevanten       Übersichtsarbeit verschiedene begüns-           der Onlinedatenbank „Informationssys-
       Themen zur Abbildung der Krankheits-              tigende und hemmende Faktoren für               tem der Gesundheitsberichterstattung“
       dynamik identifiziert werden, welche für           den Transfer von wissenschaftlichen             (IS-GBE) bereitgestellt, welche seit 1999
       die Gesundheitspolitik und die Entwick-           Ergebnissen zu politischen Entschei-            gemeinsam vom Statistischen Bundes-

1100    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2020
Gesundheitsberichterstattung im Rahmen von Public Health Surveillance: Das Beispiel Diabetes
Zusammenfassung · Abstract

  Bundesgesundheitsbl 2020 · 63:1099–1107           https://doi.org/10.1007/s00103-020-03201-z
  © Der/die Autor(en) 2020

  L. Reitzle · R. Paprott · F. Färber · C. Heidemann · C. Schmidt · R. Thamm · C. Scheidt-Nave · T. Ziese
  Gesundheitsberichterstattung im Rahmen von Public Health Surveillance: Das Beispiel Diabetes
  Zusammenfassung
  Eine Kernaufgabe von Public Health ist die            hierbei neue Möglichkeiten für die Gestaltung       und Youtube für die Erhöhung der Reichweite
  kontinuierliche Erfassung und Analyse von             der Formate.                                        genutzt.
  gesundheitsbezogenen Daten zu relevanten              Seit 2015 wird am Robert Koch-Institut              In der nächsten Projektphase steht neben
  Krankheiten (Surveillance). Sie dient der             die Diabetes-Surveillance aufgebaut. In             der Weiterentwicklung des Indikatorensets
  zeitnahen Umsetzung von Maßnahmen zum                 einem strukturierten Konsensprozess                 der Ausbau der Dissemination hin zu
  Schutz der Gesundheit in der Bevölkerung.             wurden 4 gesundheitspolitisch relevante             einer nutzer- und handlungsorientierten
  Dafür müssen relevante Informationen zur              Handlungsfelder mit 40 Kennzahlen                   Berichterstattung im Mittelpunkt. In engem
  richtigen Zeit und in geeigneter Weise für die        (Indikatoren) definiert. Anschließend wurden         Austausch mit dem wissenschaftlichen Beirat
  entscheidenden Zielgruppen bereitgestellt             gemeinsam mit dem wissenschaftlichen                sollen Anforderungen der Zielgruppen erfasst
  werden (Dissemination).                               Projektbeirat unter Berücksichtigung neuer          und in der Entwicklung weiterer Formate
  Eine Disseminationsstrategie unterstützt              Möglichkeiten durch die Digitalisierung             berücksichtigt werden.
  die effektive Ergebniskommunikation und                erste Publikationsformate erarbeitet. Neben
  berücksichtigt 3 Kernfragen: (1) „Was sind die        Artikeln in Fachzeitschriften stellen der           Schlüsselwörter
  relevanten Inhalte der Surveillance?“, (2) „Wer       Bericht „Diabetes in Deutschland“ und eine          Surveillance · Diabetes mellitus · Gesund-
  benötigt welche Informationen?“ und (3) „Wie          Webseite mit interaktiver Visualisierung der        heitsberichterstattung · Dissemination ·
  werden die Ergebnisse den Zielgruppen                 Ergebnisse die wichtigsten Formate der ersten       Umsetzung
  bereitgestellt?“ Die Digitalisierung eröffnet          Projektphase dar. Begleitend werden Twitter

  Health reporting as part of public health surveillance: the example of diabetes
  Abstract
  The continuous collection and analysis of             allows for novel possibilities in the design of     Twitter and YouTube are used to increase
  health data on relevant diseases (surveillance)       publication formats.                                coverage.
  is at the core of public health. The surveillance     Since 2015, diabetes surveillance has been          In addition to the further development
  enables the implementation of measures to             established at the Robert Koch Institute.           of the indicator set, the focus of the next
  protect the populations’ health. Therefore,           Within a structured process of consensus,           project phase is the advancement of the
  relevant information needs to be provided in          we defined four fields of action relevant             dissemination towards user- and action-
  a timely and target-group-specific manner to           for health policy including 40 indicators.          oriented reporting. In close exchange with the
  the respective stakeholders.                          Thereafter, we developed the first publication       scientific advisory board, we aim to explore
  A dissemination strategy supports the                 formats in collaboration with the scientific         the requirements of the target audience
  effective communication of results and                 advisory board of the project that reflected         and reflect them in the design of further
  considers three key questions: (1) “What              novel possibilities offered by digitalisation.       publication formats.
  content is relevant to the surveillance?”,            In addition to articles in scientific journals,
  (2) “Who requires which information?” and             the essential formats of the first project           Keywords
  (3) “How are the results disseminated to the          phase comprise the report “Diabetes in              Surveillance · Diabetes mellitus · Health
  target audience?” In this context, digitalisation     Germany” and a website including interactive        reporting · Dissemination · Translation
                                                        visualisations of results. Additional posts on

amt und RKI getragen wird (www.gbe-                    bank stellt aggregierte Ergebnismengen               RKI eingeführten Ad-hoc-Studien [22]
bund.de). Seit seiner Einführung hat sich              zur Verfügung, die nach vorgegebenen                 ebenfalls auf Routinedaten der Sozialver-
der Datenpool der IS-GBE sukzessive                    Merkmalen stratifizierbar sind, aller-                sicherung zurückgegriffen [10, 23]. Eine
um zahlreiche nationale und interna-                   dings keinen Rückgriff auf die zugrunde               besondere Rolle nehmen hierbei die Da-
tionale Indikatoren erweitert und ist                  liegenden Individualdaten erlauben.                  ten der Gesetzlichen Krankenversiche-
fester Bestandteil in den Formaten der                     In den letzten Jahren wurden neue                rung (GKV) nach der Datentransparenz-
Berichterstattung des Bundes und der                   technische und rechtliche Möglichkeiten              verordnung (DaTraV) ein, die seit dem
Länder [20]. Dabei werden sowohl In-                   geschaffen, die insbesondere die perso-               Jahr 2014 auf Antrag beim Deutschen
formationen aus Primärdaten wie den                    nenbezogenen Routinedaten der Sozial-                Institut für Medizinische Dokumentati-
Befragungs- und Untersuchungssurveys                   versicherung für die Gesundheitsbericht-             on und Information (DIMDI) verfügbar
des RKI als auch Informationen aus                     erstattung nutzbar machen [21]. Folge-               sind [24]. Seit 2020 ist die Datenaufbe-
amtlichen Statistiken und weiteren na-                 richtig wird im Datenmodell der Dia-                 reitungsstelle des DIMDI in das Bun-
tionalen wie internationalen Daten (z. B.              betes-Surveillance neben den etablierten             desinstitut für Arzneimittel und Medi-
WHO, OECD) vorgehalten. Die Daten-                     Surveys des RKI und den seit 2017 neu am             zinprodukte (BfArM) eingegliedert und

                                                                           Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2020        1101
Gesundheitsberichterstattung im Rahmen von Public Health Surveillance: Das Beispiel Diabetes
Leitthema

       Abb. 3 8 Neue technische Möglichkeiten zur Datenvisualisierung: „Fingertips Tool“ von Public Health England [31] und das
       Tool „GBD Compare“ vom Institute for Health Metrics and Evaluation (USA; [6])

       wird auf Grundlage einer novellierten              26]. Wie in anderen Fachbereichen eröff-             können. Essenziell dabei ist die Beschrei-
       DaTraV zu einem Forschungsdatenzen-                net die Digitalisierung auch im Bereich             bung der Qualität und der Limitationen
       trum (FDZ) weiterentwickelt. Im Unter-             der Epidemiologie und Public Health                 der Daten, sogenannter Metadaten, da-
       schied zu Daten einzelner Krankenkas-              neue Möglichkeiten zur Analyse und Vi-              mit die Nutzerinnen und Nutzer in die
       sen sind in den DaTraV-Daten keine his-            sualisierung von komplexen Datensätzen              Lage versetzt werden, die Ergebnisse
       torisch gewachsenen Populationen mit               [27]. Insbesondere können Visualisie-               richtig einordnen und interpretieren zu
       zwischen den Kassen abweichender Al-               rungen dabei unterstützen, große Ergeb-             können [28].
       ters- und Sozialstruktur vorhanden und             nismengen zugänglich zu machen, und es
       langjährige Verlaufsbetrachtungen unter            den Nutzerinnen und Nutzern erlauben,               Neue Möglichkeiten der
       Erhalt des Personenbezugs sind möglich.            automatisiert Teilmengen für relevan-               Kommunikation
       Hierdurch werden die typischen Selekti-            te Fragestellungen abzufragen und zu
       onseffekte (Kassenbias) vermieden und               analysieren [28]. In der Epidemiologie              Die Verbreitung von Ergebnissen der
       die Ergebnisse besitzen Gültigkeit für die         von infektiösen Erkrankungen werden                 Public-Health-Forschung über verschie-
       gesamte GKV-Population, welche circa               Visualisierungs- und Analysetools schon             dene Presse- und Medienkanäle kann
       90 % der Bevölkerung Deutschlands ein-             für vielfältige Fragestellungen genutzt             dazu beitragen, eine erhöhte Aufmerk-
       schließt. Außerdem ist eine detaillierte           [29]. Beispielsweise konnte im Projekt              samkeit für das Thema zu erzeugen und
       regionale Darstellung möglich, welche              „AIDSVu“ die Darstellung regionalisier-             das Thema auf die gesundheitspoliti-
       besonders für die kommunale und re-                ter Daten zu HIV-Infektionen in den                 sche Tagesordnung zu setzen [32]. Im
       gionale Gesundheitspolitik relevant ist.           USA in interaktiven Karten die Ent-                 Zuge der Digitalisierung ergeben sich
       Perspektivisch sollen die derzeit beste-           wicklung von spezifischen Maßnahmen                  mit der Etablierung sozialer Medien
       henden Nachteile, die insbesondere die             in betroffenen Regionen fördern [30].                zusätzlich neue Wege zur Verbreitung
       Aktualität und den Zugang zu den Daten             Aber auch im Bereich der nichtüber-                 [33]. Soziale Medien schaffen Kanäle
       betreffen, auf Grundlage des im Jahr 2019           tragbaren Erkrankungen ermöglichen                  zur Kommunikation und Vernetzung
       verabschiedeten Gesetzes für eine besse-           Visualisierungstools wie „GBD Com-                  über das Internet und ermöglichen einer
       re Versorgung durch Digitalisierung und            pare“ des Institute for Health Metrics              Vielzahl von Nutzenden das Generieren,
       Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz             and Evaluation (USA; [6]) oder das „Fin-            Teilen, Empfangen und Kommentieren
       – DVG) abgebaut werden [25].                       gertips Tool“ von Public Health England             von Inhalten [34].
                                                          [31] einen interaktiven Datenzugang                     Für die Gesundheitskommunikati-
       Neue Möglichkeiten der                             (. Abb. 3). Beispielsweise ermöglicht               on können Plattformen wie Facebook,
       Visualisierung                                     das „Fingertips Tool“ die Abfrage von               Twitter oder Youtube gemäß einer syste-
                                                          verschiedenen Indikatoren zu Diabetes               matischen Übersichtsarbeit [34] auch im
       Die grafische Aufbereitung kann den Zu-             wie der Prävalenz auf regionaler Ebe-               Bereich von Public Health Surveillance
       gang und die Nutzung von Ergebnissen               ne, welche von der kommunalen Politik               bestimmte Vorteile bieten: Sie erlauben
       der Surveillance maßgeblich fördern [17,           zur Versorgungsplanung genutzt werden               es, zeitnah, kostengünstig und leicht zu-

1102    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2020
Gesundheitsberichterstattung im Rahmen von Public Health Surveillance: Das Beispiel Diabetes
gänglich Informationen zur Verfügung         es, ein indikatorenbasiertes Surveillance-      für die Diabetes-Surveillance diskutiert
zu stellen und das Bewusstsein für public-   System für Diabetes zu implementieren,          und die Umsetzbarkeit ihrer Nutzung
health-relevante Themen zu steigern. So-     welches kontinuierlich verlässliche Daten       in verschiedenen Kooperationsprojekten
ziale Medien erhöhen die Verfügbarkeit       zur Unterstützung der Entwicklung von           geprüft [23, 24]. Bei der Auswahl der
gesundheitsbezogener Informationen           Maßnahmen zum Schutz vor Diabetes               Datenquellen ist neben der Datenqua-
und durch den interaktiven Austausch         und zur Verbesserung der Versorgung             lität auch relevant, ob diese regelmäßig
von Nutzenden in bestehenden Netzwer-        von Menschen mit Diabetes liefert. In der       zur Verfügung stehen, ob sich Zeitreihen
ken kann ein breites Publikum erreicht       ersten Projektphase von 2015 bis 2019           abbilden lassen und ob die Daten eine
werden. Inhalte können auf verschiedene      wurde das Rahmenkonzept erarbeitet,             Stratifizierung nach Region und sozialen
Zielgruppen zugeschnitten werden und         wurden Indikatoren definiert, Daten-             Determinanten wie Bildung zulassen. Im
auch Zielgruppen erreichen, die durch        quellen erschlossen und erste Formate           Ergebnis werden derzeit 14 Indikatoren
andere Formate nicht in gleichem Maße        zur Dissemination entwickelt. Neben             aus Primärdaten und 14 Indikatoren aus
angesprochen werden.                         der Aktualisierung des Indikatorensets          Sekundärdaten (davon 7 Indikatoren aus
    In der Public-Health-Praxis wer-         und dem Ausbau der Datengrundlage               DaTraV-Daten [38]) abgebildet; 12 In-
den soziale Medien bereits häufig dazu        der Diabetes-Surveillance steht in der          dikatoren benötigen Informationen aus
genutzt, um über relevante Gesundheits-      zweiten Projektphase (2020 bis 2021) die        beiden Datenquellen (davon 7 Indikato-
themen aufzuklären (z. B. Centers for        Weiterentwicklung der Dissemination             ren mit Einbezug von DaTraV-Daten).
Disease Control and Prevention [CDC]         zu einer nutzer- und handlungsorien-
zu Diabetes auf Twitter und Facebook         tierten Berichterstattung im Fokus. Im          Wer benötigt welche
[35]) oder die Kommunikation in Kri-         Folgenden werden das erarbeitete Kon-           Informationen?
senlagen zu unterstützen (z. B. Bundes-      zept zur Dissemination und die in der
zentrale für gesundheitliche Aufklärung      ersten Projektphase erstellten Formate          Bei der Frage nach den Zielgruppen
(BZgA) zum neuartigen Coronavirus            vorgestellt.                                    orientiert sich die Surveillance am Kon-
(SARS-CoV-2) auf Youtube [36]). Pub-                                                         zept der Gesundheitsberichterstattung
lic-Health-Organisationen verwenden          Was sind die relevanten Inhalte?                des Bundes am RKI, worin verschiede-
soziale Medien zunehmend auch er-                                                            ne Zielgruppen benannt sind, darunter
gänzend zu bestehenden Strategien zur        Im ersten Schritt wurde in enger Abstim-        Politik, Akteure im Gesundheitswe-
Dissemination ihrer Forschungsergeb-         mung mit dem wissenschaftlichen Beirat          sen, Forschung und Lehre, Studierende,
nisse. Jedoch besteht in vielen Fällen       ein Rahmenkonzept erarbeitet, welches           Fachöffentlichkeit sowie Bürgerinnen
noch nennenswerte Unsicherheit da-           in Anlehnung an das Nationale Ge-               und Bürger [20]. Da die primären Ziele
rüber, wie ihr Einsatz am effektivsten        sundheitsziel „Diabetes mellitus Typ 2“         der Diabetes-Surveillance die Unter-
zur besseren Umsetzung evidenzbasier-        [37] relevante Handlungsfelder enthält:         stützung der Entwicklung von Maß-
ter Forschung beitragen kann [33]. Zur       (1) Diabetesrisiko reduzieren, (2) Dia-         nahmen zum Schutz vor Diabetes und
Klärung der offenen Fragen ist eine           betesfrüherkennung und -behandlung              die Verbesserung der Versorgung von
begleitende Evaluation von zentraler         verbessern, (3) Diabeteskomplikationen          Menschen mit Diabetes sind, stehen die
Bedeutung [36]. Dabei sollten die Mög-       reduzieren und (4) Krankheitslast und           Politik und die verschiedenen Akteure
lichkeiten sozialer Medien zur aktiven       Krankheitskosten senken [10]. Kernbe-           im Gesundheitswesen als Zielgruppen
Ansprache und Partizipation der Ziel-        standteil des Konzepts sind gesundheits-        im Mittelpunkt und wurden in der ersten
gruppen bei der Ergebnisdissemination        politisch relevante, messbare Indika-           Projektphase priorisiert.
stärkere Berücksichtigung finden [37].        toren, welche das Krankheitsgeschehen              Hierzu wurden der wissenschaftliche
                                             von Diabetes abbilden. Nach Literaturre-        Beirat sowie Vertreterinnen und Vertre-
Das Beispiel Diabetes-                       cherche zu bestehenden internationalen          ter aus dem BMG eng in die Entwick-
Surveillance                                 und nationalen Indikatorensystemen zu           lung des ersten Konzepts einer Disse-
                                             Diabetes und nichtübertragbaren Er-             minationsstrategie einbezogen. Gemein-
Wie eingangs erwähnt, wird im Hinblick       krankungen wurden in einem struktu-             sam wurden erste Formate zur deskripti-
auf die Entwicklung einer Surveillance       rierten Konsensprozess 40 Indikatoren           ven Ergebnisdarstellung entwickelt und
von nichtübertragbaren Erkrankungen          beziehungsweise Indikatorengruppen              die Inhalte in Diskussion mit dem Bei-
in Deutschland seit 2015 das Forschungs-     für die Abbildung der Krankheitsdyna-           rat priorisiert. Hierbei wurden bekannte
projekt „Aufbau einer Nationalen Diabe-      mik des Diabetes ausgewählt und den 4           Faktoren, die einen Wissenstransfer för-
tes-Surveillance“ am RKI gefördert. Das      Handlungsfeldern zugeordnet [10].               dern, wie Klarheit, Relevanz und Ver-
Projekt wird von einem wissenschaft-            Zur Implementierung der ausgewähl-           lässlichkeit der Ergebnisse sowie deren
lichen Beirat mit Vertreterinnen und         ten Indikatoren wurden mögliche Daten-          Verfügbarkeit in der Erstellung berück-
Vertretern aus den Bereichen Politik, For-   quellen gesichtet. Neben den Primärda-          sichtigt. Die Verlässlichkeit der Ergebnis-
schung, Versorgung sowie Patientinnen-       ten der bundesweiten Gesundheitssur-            se aus den Datenquellen wurde auf An-
und Patientenvertretung begleitet. Pri-      veys des RKI als wichtige Datenquellen          regung des Beirats in einem Absatz zur
märes Ziel der Diabetes-Surveillance ist     wurde die Bedeutung von Sekundärdaten           Datenqualität zu jedem Indikator im Be-

                                                               Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2020   1103
Leitthema

       richt und auf der Webseite klar benannt             Weitere Zielgruppen werden derzeit       und Forschungsbedarfe, wenn bisher
       und die Methodik ausführlich beschrie-           nicht in gleichem Maße aktiv angespro-      keine ausreichende Datengrundlage zur
       ben. Im Konsens wurden die Ergebnisse            chen. Die Webseite ermöglicht einfachen     Verfügung steht.
       eingeordnet, um die Relevanz unter Be-           und transparenten Zugang zu allen Er-           Zweitens wurde eine Webseite für die
       rücksichtigung von bestehenden Limi-             gebnissenund diese könnenbeispielswei-      Diabetes-Surveillance entwickelt (www.
       tationen detailliert zu erläutern. Um der        se von Studierenden und Lehrenden im        diabsurv.rki.de). Diese bietet einen Zu-
       Verfügbarkeit gerecht zu werden, sind al-        Bereich Public Health verwendet wer-        gang zu allen Ergebnissen der Surveil-
       le entwickelten Formate wie der Diabe-           den. Darüber hinaus werden methodi-         lance mit zusätzlichen Stratifizierungs-
       tesbericht und die Webseite ohne Barrie-         sche und konzeptionelle Erkenntnisse in     möglichkeiten über den Bericht hinaus
       ren über das Internet zugänglich (www.           der Etablierung der Surveillance und der    sowie der Darstellung von altersstandar-
       diabsurv.rki.de).                                Erschließung neuer Datenquellen veröf-      disierten Werten im zeitlichen Verlauf.
           Da in Deutschland neben der Bun-             fentlicht, die für Forschende im Bereich    Interaktive Visualisierungen fördern das
       desebene auch weitreichende gesund-              Public Health relevant sind.                Verständnis der Daten. Ausführliche Be-
       heitspolitische Zuständigkeiten auf der                                                      schreibungen der Datenquellen inklusive
       Länderebene verortet sind, findet sich            Wie werden die Ergebnisse den               deren Qualität und Limitationen helfen
       hier ebenfalls eine wichtige Zielgrup-           Zielgruppen bereitgestellt?                 bei der Einordnung. Ergänzende Links
       pe der Diabetes-Surveillance. Um diese                                                       geben schnellen Zugriff auf weiterfüh-
       Zielgruppe bei der Aufbereitung der In-          Um die Formate für die Dissemination        rende Informationen zu Datenquellen
       formationen zu berücksichtigen, ist zum          der Diabetes-Surveillance zu entwickeln,    und Publikationen in wissenschaftlichen
       einen die Gesundheitsberichterstattung           wurden in einem internationalen Work-       Fachzeitschriften. Darüber hinaus ent-
       der Länder im wissenschaftlichen Bei-            shop Best-Practice-Beispiele aus der        hält die Webseite aktuelle Informationen
       rat der Diabetes-Surveillance vertreten.         Schweiz und England vorgestellt [42].       zum Projekt. Die Webseite stellt eine
       Zum anderen wurden die Anforderun-               Darüber hinaus erfolgten eine Onlinebe-     Anlaufstelle für alle Zielgruppen dar,
       gen der Länder an die Diabetes-Surveil-          fragung und eine Internetrecherche zur      richtet sich aber vor allem an Grup-
       lance und deren Disseminationsstrategie          Erfassung der verwendeten Formate für       pen mit Vorwissen in den Bereichen
       in einem gemeinsamen Workshop er-                die Gesundheitsberichterstattung zu Dia-    Epidemiologie und Public Health.
       örtert [39]. Als Ziel wurde vereinbart,          betes und anderen nichtübertragbaren            Drittens dienen neben der Websei-
       die Indikatoren auch regionalisiert nach         Erkrankungen innerhalb der Mitglieds-       te auch Veröffentlichungen in nationa-
       Bundesland darzustellen, soweit ausrei-          staaten der Europäischen Union und der      len und internationalen Fachzeitschrif-
       chende Fallzahlen vorhanden sind.                Organisation für wirtschaftliche Zusam-     ten und Präsentationen auf Fachtagun-
           Weiterhin befindet sich die Diabe-            menarbeit und Entwicklung (OECD;            gen dazu, die Ergebnisse der Wissen-
       tes-Surveillance in engem Austausch              [43]). Basierend auf dieser Grundlage       schaft zur Verfügung zu stellen und kri-
       mit der BZgA, welche mit dem Projekt             wurden gemeinsam mit dem wissen-            tisch zu diskutieren. Zum einen werden
       „Nationale Aufklärungs- und Kommu-               schaftlichen Beirat die ersten 4 Formate    neue Methoden, Datenquellen und Er-
       nikationsstrategie zu Diabetes mellitus“         entwickelt (. Abb. 4), die den Startpunkt   gebnisse, wie beispielsweise die Schät-
       das Ziel hat, Aufklärungs- und Informa-          für die Disseminationsstrategie bilden.     zung der Inzidenz und Prävalenz des
       tionsangebote für die Allgemeinbevöl-                Erstens wurde in Abstimmung mit         Diabetes auf Basis von Daten gesetzlich
       kerung und für Menschen mit Diabetes             dem Wissenschaftlichen Beirat ein Dia-      Krankenversicherter [38] oder die sozia-
       zielgruppengerecht bereitzustellen [40].         betesbericht erarbeitet, der sich primär    le Ungleichheit in Zusammenhang mit
       Gemeinsam wurde von RKI und BZgA                 an die Gesundheitspolitik und Akteu-        Diabetes, im Detail beleuchtet [45]. Zum
       eine Ad-hoc-Studie bei Erwachsenen               re im Gesundheitswesen richtet [44].        anderen werden Konzepte zur Indikato-
       mit und ohne Diabetes durchgeführt, in           Hierin sind die Kernergebnisse der Dia-     renauswahl und zum Aufbau der Diabe-
       der beispielsweise die Informationsbe-           betes-Surveillance dargestellt. Bei der     tes-Surveillance publiziert [9, 46].
       darfe bezüglich Diabetes repräsentativ           Erstellung des Berichts wurde auf eine          Schließlich sind zur Verbreitung der
       für die Bevölkerung erhoben wurden               einheitliche und klare Struktur geach-      Surveillance-Ergebnisse und zur Steige-
       [41]. Initiiert von der BZgA wurde               tet. Die Kapitel orientieren sich an den    rung der Aufmerksamkeit auch Presse
       das Diabetesinformationsportal www.              4 Handlungsfeldern und bestehen im          und Medien wichtige Zielgruppen. Klas-
       diabinfo.de erstellt, welches gemein-            Kern aus zweiseitigen Faktenblättern zu     sische Pressemitteilungen, die gleichzei-
       sam vom Deutschen Diabetes-Zentrum               ausgewählten Indikatoren. Einleitend        tig mit Artikeln oder dem Diabetesbe-
       (DDZ), dem Deutschen Zentrum für                 findet sich jeweils eine Zusammenfas-        richt erscheinen, erhöhen deren Reich-
       Diabetesforschung (DZD) und dem                  sung, welche einen prägnanten Überblick     weite [47]. Zusätzlich werden im Rahmen
       Helmholtz Zentrum München getragen               über die Entwicklungen im jeweiligen        der Diabetes-Surveillance auch die Po-
       wird. Die epidemiologischen Ergebnis-            Handlungsfeld liefert. Ein Ausblick run-    tenziale der sozialen Medien genutzt
       se der Diabetes-Surveillance fließen in           det den Bericht ab. Neben klar und          und regelmäßige Twitter-Mitteilungen
       diese Plattform ein.                             verständlich dargestellten Ergebnissen      sollen die Bekanntheit der Diabetes-Sur-
                                                        benennt der Bericht auch Datenlücken        veillance fördern. Weiterhin wurde ein

1104    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2020
Diabetesbericht                           Artikel in Fachzeitschriften

           Interaktive Webseite                                  Soziale Medien

                                                                                                              Abb. 4 9 Übersicht über
                                                                                                              die Formate der Diabetes-
                                                                                                              Surveillance des Robert
                                                                                                              Koch-Instituts

Erklärvideo zur Diabetes-Surveillance     und eine klare Darstellung der Ergebnisse          In der folgenden Projektphase der
auf Youtube veröffentlicht [48], welches   deren Nutzung.                                  Diabetes-Surveillance soll zum einen das
Zielgruppen über die Fachöffentlichkeit        Im Rahmen der ersten Projektpha-            Indikatorsystem aktualisiert und dessen
hinaus zu den Projektinhalten infor-      se wurden in Zusammenarbeit mit dem             Datengrundlage ausgebaut werden. Zum
miert.                                    wissenschaftlichen Beirat die relevanten        anderen steht die Weiterentwicklung der
                                          Themenfelder zu Diabetes identifiziert           Disseminationsstrategie in Zusammen-
Fazit und Ausblick                        und erste Formate hin zu einer Dissemi-         arbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat
                                          nationsstrategie entwickelt. Dabei erfolg-      hin zu einer nutzer- und handlungsori-
Die Diabetes-Surveillance hat zum Ziel,   ten auch die Bewertung und Einordnung           entierten Berichterstattung im Fokus.
eine valide Datengrundlage der Krank-     der Ergebnisse unter Einbezug der Exper-        Thematisch liegt dabei ein besonderes
heitsdynamik für die Entwicklung von      tise des Beirats, um denKonsens hinsicht-       Augenmerk auf den verhältnisbasierten
spezifischen Maßnahmen zum Schutz          lich der Verlässlichkeit der Aussagen zu        Faktoren sowie dem lebensphasenspezi-
vor Diabetes und zur Förderung der        stützen. Die Dissemination der Ergebnis-        fischen Zugang. Die Nutzung bisheriger
Gesundheit von Menschen mit Diabetes      se umfasst klassische Formate wie einen         Formate soll evaluiert und die An-
zu schaffen. Ein wichtiger Faktor zur      Diabetesbericht, wissenschaftliche Arti-        forderungen insbesondere der Politik
Förderung des Wissenstransfers von der    kel und Pressemitteilungen, nutzt aber          und weiterer wichtiger Akteure im Ge-
Surveillance zur Politik und anderen      auch neue technische Möglichkeiten zur          sundheitswesen erfasst werden. Es ist
Nutzenden ist der regelmäßige gemein-     interaktiven Visualisierung auf der Web-        vorgesehen, dies im kontinuierlichen
same Austausch. Zusätzlich erleichtern    seite und bindet soziale Medien zur Erhö-       Dialog, beispielsweise in Workshops
eine zielgruppenspezifische Ausgestal-     hung derReichweite indie Dissemination          und Sitzungen des Wissenschaftlichen
tung der Formate ohne Zugangsbarrieren    ein.                                            Beirats, fortzuführen.

                                                            Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2020    1105
Leitthema

                                                                    4. Ebrahim S (2011) Surveillance and monitoring:           22. Schmich P, Lemcke J, Zeisler M-L, Müller A, Allen J,
       Korrespondenzadresse                                            a vital investment for the changing burdens of              Wetzstein M (2018) Ad-hoc-Studien im Robert
                                                                       disease. Int J Epidemiol 40:1139–1143                       Koch-Institut. J Health Monit 3:75–86
       Dr. Lukas Reitzle                                            5. KrollM,PhalkeyRK,KraasF(2015)Challengestothe            23. SchmidtC,Bätzing-FeigenbaumJ,BestmannAetal
       Abteilung für Epidemiologie und Gesundheits-                    surveillance of non-communicable diseases—a                 (2017)IntegrationvonSekundärdatenindieNatio-
       monitoring, Robert Koch-Institut (RKI)                          review of selected approaches. BMC Public Health            nale Diabetes-Surveillance. Bundesgesundheits-
       General-Pape-Str. 62–66, 12101 Berlin,                          15:1243                                                     blatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz
       Deutschland                                                  6. Institute for Health Metrics and Evaluation                 60:656–661
       ReitzleL@rki.de                                                 (2018) Global burden of disease study 2017.             24. Schmidt C, Heidemann C, Rommel A et al (2019)
                                                                       https://vizhub.healthdata.org/gbd-compare/.                 Sekundärdaten in der Diabetes-Surveillance –
                                                                       Zugegriffen: 13. Febr. 2020                                  Kooperationsprojekte und Referenzdefinition
       Förderung. Das Projekt „Aufbau einer Nationalen              7. Plass D, Vos T, Hornberg C, Scheidt-Nave C, Zeeb H,         zur dokumentierten Diabetesprävalenz. J Health
       Diabetes-Surveillance am Robert Koch-Institut“ wird             Kramer A (2014) Trends in disease burden in                 Monit 4:54–69
       unter dem Förderkennzeichen GE 20150323 vom                     Germany: results, implications and limitations of       25. Bundesgesetztesblatt (2019) Gesetz für ei-
       Bundesministerium für Gesundheit finanziert.                     the Global Burden of Disease study. Dtsch Arztebl           ne bessere Versorgung durch Digitalisie-
                                                                       Int 111:629–638                                             rung und Innovation (Digitale-Versorgung-
       Funding. Open Access funding provided by Projekt             8. World Health Organisation (2018) Sustainable                Gesetz – DVG). http://www.bgbl.de/xaver/
       DEAL.                                                           Development Goals (SDGs). https://www.who.int/              bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&
                                                                       sdg/en/. Zugegriffen: 13. Febr. 2020                         jumpTo=bgbl119s2562.pdf. Zugegriffen: 13. Febr.
                                                                    9. Heidemann C, Paprott R, Schmidt C et al                     2020
                                                                       (2019) Aufbau einer Diabetes-Surveillance in            26. Shneiderman B, Plaisant C, Hesse BW (2013) Im-
       Einhaltung ethischer Richtlinien                                Deutschland – Ergebnisse der ersten Projektphase            proving healthcare with interactive visualization.
                                                                       (2015–2019). Epidemiol Bull 45:473–478                      Computer 46:58–66
       Interessenkonflikt. L. Reitzle, R. Paprott, F. Färber,      10. Gabrys L, Heidemann C, Schmidt C et al (2018)           27. Brockmann D (2020) Digitale Epidemiologie.
       C. Heidemann, C. Schmidt, R. Thamm, C. Scheidt-Nave             Diabetes-Surveillance in Deutschland – Auswahl              Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung
       und T. Ziese geben an, dass kein Interessenkonflikt              und Definition von Indikatoren. J Health Monit               Gesundheitsschutz 63:166–175
       besteht.                                                        3:3–22                                                  28. Gotz D, Borland D (2016) Data-driven healthcare:
                                                                   11. Grimshaw JM, Eccles MP, Lavis JN, Hill SJ, Squires JE       challenges and opportunities for interactive
                                                                       (2012) Knowledge translation of research findings.           visualization. IEEE Comput Graph Appl 36:90–96
       Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine
                                                                       Implement Sci 7:50                                      29. CarrollLN, Au AP,DetwilerLT, Fu TC,PainterIS,Aber-
       Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt.
                                                                   12. Tabak RG, Stamatakis KA, Jacobs JA, Brownson RC             nethy NF (2014) Visualization and analytics tools
       Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort
                                                                       (2014) What predicts dissemination efforts among             for infectious disease epidemiology: a systematic
       angegebenen ethischen Richtlinien.
                                                                       public health researchers in the United States?             review. J Biomed Inform 51:287–298
                                                                       Public Health Rep 129:361–368                           30. Valdiserri RO, Sullivan PS (2018) Data visualization
       Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative
                                                                   13. Wilson PM, Petticrew M, Calnan MW, Nazareth I               promotessoundpublichealthpractice: theAIDSvu
       Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
                                                                       (2010) Does dissemination extend beyond                     example. Aids Educ Prev 30:26–34
       veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung,
                                                                       publication: a survey of a cross section of public      31. Public Health England Public health profi-
       Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jegli-
                                                                       funded research in the UK. Implement Sci 5:61               les—fingertips tool. https://fingertips.phe.org.
       chem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die
                                                                   14. Wilson PM, Petticrew M, Calnan MW, Nazareth I               uk/. Zugegriffen: 13. Febr. 2020
       ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsge-
                                                                       (2010) Disseminating research findings: what             32. Bou-Karroum L, El-Jardali F, Hemadi N et al (2017)
       mäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz
                                                                       should researchers do? A systematic scoping                 Using media to impact health policy-making: an
       beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenom-
                                                                       review of conceptual frameworks. Implement Sci              integrativesystematicreview. ImplementSci 12:52
       men wurden.
                                                                       5:91                                                    33. Gatewood J, Monks SL, Singletary CR, Vidrascu E,
                                                                   15. Brownson RC, Eyler AA, Harris JK, Moore JB,                 Moore JB (2019) Social media in public health:
       Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges
                                                                       Tabak RG (2018) Getting the word out: new                   strategies to distill, package, and disseminate
       Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten
                                                                       approaches for disseminating public health                  publichealthresearch.JPublicHealthManagPract.
       Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbil-
                                                                       science. J Public Health Manag Pract 24:102–111             https://doi.org/10.1097/PHH.0000000000001096
       dungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das be-
                                                                   16. Green LW, Ottoson JM, Garcia C, Hiatt RA (2009)         34. Moorhead SA, Hazlett DE, Harrison L, Carroll JK,
       treffende Material nicht unter der genannten Creative
                                                                       Diffusion theory and knowledge dissemination,                Irwin A, Hoving C (2013) A new dimension
       Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung
                                                                       utilization, and integration in public health. Annu         of health care: systematic review of the uses,
       nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für
                                                                       Rev Public Health 30:151–174                                benefits, and limitations of social media for health
       die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Ma-
                                                                   17. Mokdad AH, Annest JL, Ikeda RM, Mai CT (2010)               communication. J Med Internet Res 15:e85
       terials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers
                                                                       Public health surveillance for chronic diseases,        35. Centers for Disease Control and Prevention (2020)
       einzuholen.
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       licenses/by/4.0/deed.de.
                                                                   18. Keown K, Van Eerd D, Irvin E (2008) Stakeholder         36. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
                                                                       engagement opportunities in systematic reviews:             rung (BZgA) (2020) Antworten auf häu-
                                                                       knowledgetransferforpolicyandpractice. JContin              fig gestellte Fragen zum neuartigen Co-
                                                                       Educ Health Prof 28:67–72                                   ronavirus. https://www.youtube.com/playlist?
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                                                                       57:464–472                                                  dokumentierten Diabetes mellitus – Referenzaus-

1106     Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2020
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      nalisierung der Gesundheitsberichterstattung am
      Beispiel Diabetes-Surveillance. Bundesgesund-
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      Erste Ergebnisse der Studie „Krankheitswissen und
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      J Health Monit 3:23–62
42.   Reitzle L, Hansen S, Paprott R et al (2018) National
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      Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung
      Gesundheitsschutz 61:1300–1306
43.   Reitzle L, Schmidt C, Scheidt-Nave C, Ziese T (2019)
      Studie zur Gesundheitsberichterstattung über
      nichtübertragbare Erkrankungen am Beispiel von
      Diabetes mellitus im internationalen Vergleich.
      J Health Monit 4:70–92
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      doi.org/10.25646/6284
45.   HeidemannC,DuY,BaumertJ,PaprottR,LampertT,
      Scheidt-Nave C (2019) Soziale Ungleichheit und
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      Erwachsenen in Deutschland. J Health Monit
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46.   Gabrys L, Schmidt C, Heidemann C et al (2017) Dia-
      betes-Surveillance in Deutschland – Hintergrund,
      Konzept, Ausblick. J Health Monit 2:91–104
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      Pressemitteilungen/pressemitteilungen_node.
      html. Zugegriffen: 13. Febr. 2020
48.   Nationale Diabetes-Surveillance am Robert
      Koch-Institut (2020) Erklärfilm. https://youtu.be/
      PWvLXBGPXbU. Zugegriffen: 3. Febr. 2020

                                                             Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 9 · 2020   1107
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