Aus der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Universität zu Lübeck Direktor: Prof. Dr. med. Detlef Zillikens
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Aus der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Universität zu Lübeck Direktor: Prof. Dr. med. Detlef Zillikens _____________________________________________________ Untersuchungen zu Aspekten der Parodontitis beim oralen Pemphigus und Pemphigoid Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Universität zu Lübeck - Aus der Sektion Medizin - vorgelegt von Isabella Jascholt aus Hamburg Lübeck 2016
1. Berichterstatter: Priv.-Doz. Dr. med. Michael Kasperkiewicz 2. Berichterstatterin: Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Kathrin Kalies Tag der mündlichen Prüfung: 19.04.2017 Zum Druck genehmigt. Lübeck, den 19.04.2017 -Promotionskommission der Sektion Medizin-
Inhaltsverzeichnis 1 . Einleitung ........................................................................................ 1 1.1 Bullöse Autoimmundermatosen ................................................. 1 1.1.1 Einteilung und Pathophysiologie ........................................ 1 1.1.2 Klinik und Diagnostik ......................................................... 3 1.1.3 Therapie ............................................................................... 6 1.2 Desquamative Gingivitis ............................................................. 7 1.3 Parodontitis .................................................................................. 9 1.4 Porphyromonas gingivalis .......................................................... 12 2. Fragestellung .................................................................................... 14 3. Material und Methoden .................................................................. 15 3.1 Untersuchungen zur Seroreaktivität gegen Porphyromonas gingivalis beim oralen Pemphigus und Pemphigoid ................... 15 3.1.1 Klinische und serologische Charakterisierung des Studienpatientenkollektives ................................................ 15 3.1.2 Bestimmung zirkulierender Antikörper .............................. 22 3.1.3 Verbrauchsmaterial ............................................................. 24 3.1.4 Statistik ............................................................................... 24 3.2 Analyse publizierter Studien zur Parodontitis beim oralen Pemphigus und Pemphigoid ........................................................ 25 3.2.1 Systematische Literaturrecherche ....................................... 25 4. Ergebnisse ......................................................................................... 26 4.1 Serumantikörper gegen Porphyromonas gingivalis- Lipopolysaccharid bei Patienten mit Pemphigus vulgaris und I
Schleimhautpemphigoid mit desquamativer Gingivitis versus Patienten mit Pemphigus foliaceus und bullösem Pemphigoid ohne desquamative Gingivitis ..................................................... 26 4.2 Serumantikörper gegen Porphyromonas gingivalis- Lipopolysaccharid bei Patienten mit Pemphigus vulgaris und Schleimhautpemphigoid zum Zeitpunkt der desquamativen Gingivitis und bei Abheilung gingivaler Läsionen ...................... 29 4.3 Korrelation von Serumantikörpern gegen Desmoglein 3 und Porphyromonas gingivalis-Lipopolysaccharid bei Patienten mit Pemphigus vulgaris ..................................................................... 34 4.4 Ergebnisse zur systematischen Literaturrecherche über Parodontitis beim oralen Pemphigus und Pemphigoid ............... 37 5. Diskussion ........................................................................................ 43 6. Zusammenfassung ........................................................................... 55 7. Literaturverzeichnis ........................................................................ 57 8. Danksagungen .................................................................................. 65 9. Publikationsliste ............................................................................... 66 II
Abkürzungsverzeichnis AID - Autoimmundermatose BP - Bullöses Pemphigoid DG - Desquamative Gingivitis ELISA - Enzyme-linked immunosorbent assay IF - Immunfluoreszenz LPS – Lipopolysaccharid PF - Pemphigus foliaceus PG - Porphyromonas gingivalis PV - Pemphigus vulgaris SP - Schleimhautpemphigoid III
1. Einleitung 1.1 Bullöse Autoimmundermatosen 1.1.1 Einteilung und Pathophysiologie Blasenbildende Autoimmundermatosen (AID) sind organspezifische Autoimmunerkrankungen, bei denen es zum Auftreten von Blasen und Erosionen durch Bindung von Autoantikörpern in der Haut bzw. oberflächennahen Schleimhäuten kommt. Sie werden grundsätzlich in drei Hauptgruppen unterteilt: Pemphigus-Erkrankungen, Pemphigoid- Erkrankungen, sowie Dermatitis herpetiformis Duhring. Pemphigus- Erkrankungen sind durch eine intraepidermale/intraepitheliale Blasenbildung mit Autoantikörperbildung gegen desmosomale Strukturproteine (Desmoglein 1 und 3, Envoplakin, Periplakin, Desmoplakin, sowie Desmocollin 1, 2 und 3) von Haut- und Schleimhäuten charakterisiert, die die Adhäsion benachbarter Keratinozyten vermitteln (Schmidt und Zillikens, 2011). Die Pemphigoid- Erkrankungen weisen eine subepidermale/subepitheliale Blasenbildung auf und sind durch Autoantikörper gegen hemidesmodomale Proteine (BP230, Plektin, BP180, α6β4-Integrin, Laminin 332, p200/Laminin γ1, sowie Typ VII Kollagen) gekennzeichnet, die die Adhäsion der Epidermis mit der Dermis gewährleisten (Schmidt und Zillikens, 2011, 2013). Bei der Dermatitis herpetiformis Duhring, die eine kutane Manifestation der Zöliakie darstellt, sind die Autoantikörper gegen Transglutaminase 3 und 2 gerichtet (Sárdy et al., 2002) (Tabelle 1). 1
Tabelle 1. Klinik und Zielantigene bullöser AID (Lima et al., 2016) Obwohl die pathophysiologische Rolle der Pemphigus- und Pemphigoid- Autoantikörper unter anderem in entsprechenden in vivo-Mausmodellen klar gezeigt wurde (Iwata et al., 2015), sind die detaillierten Schritte der Induktion der Blasenbildung nicht vollständig geklärt. Nach Bildung der pathogenen Autoantikörper durch autoreaktive Plasmazellen, soll es bei den Pemphigus- Erkrankungen über eher direkt Autoantikörper-vermittelte Mechanismen (z. B. Desmogleinadhäsionsstellenblockade, Desmogleinstruktur- bzw. Desmogleinfunktionsinterferenz, Signaltransduktion) und bei den Pemphigoid- Erkrankungen über eher indirekt Autoantikörper-vermittelte Wege (d. h. 2
Komplementsystem und Effektorzellen wie neutrophile bzw. eosinophile Granulozyten mit deren gewebeschädigendem Enzymsystem) zur Blasenbildung kommen (Amagai und Stanley, 2012; Schmidt und Zillikens, 2013). Mit einer Inzidenz von 13-22 Neuerkrankungen/Mio. Einwohner und Jahr ist das bullöse Pemphigoid (BP) in Deutschland und Zentraleuropa die weitaus häufigste bullöse AID, gefolgt vom Schleimhautpemphigoid (SP; ca. 2 Neuerkrankungen/Mio. Einwohner und Jahr). Die Inzidenz der Pemphigus- Erkrankungen liegt in Deutschland bei 1-2 Neuerkrankungen/Mio. Einwohner und Jahr, wobei etwa 80% an einem Pemphigus vulgaris (PV) und 20% an einem Pemphigus foliaceus (PF) leiden (Schmidt et al., 2015). Auf diese vier bullösen AID wird nachfolgend näher eingegangen. 1.1.2 Klinik und Diagnostik Generell sind die blasenbildenden AID durch Blasen und Erosionen an der Haut und Schleimhaut gekennzeichnet. Die intraepithelialen Blasen reißen bei den Pemphigus-Erkrankungen wegen der dünnen Blasendecke rasch ein, so dass sich Erosionen und Krusten bilden. Bei den Pemphigoid-Erkankungen sind die subepithelialen Blasen hingegen aufgrund des dickeren Blasendachs üblicherweise prall. Einige der bullösen AID, insbesondere PV und SP betreffen überwiegend die Schleimhäute (z.B. oral, nasal laryngo-pharyngo- ösophageal, genital, anal, konjunktivial), wobei die Mundhöhle am häufigsten betroffen ist (Schmidt und Zillikens, 2011; Lima et al., 2016). Beim SP kann es durch Narbenbildung zu schwerwiegenden Komplikationen wie Erblindung bzw. laryngealen Strikturen kommen. Andere Erkrankungen, wie das BP, können selten mit Schleimhautveränderungen einhergehen, manifestieren sich jedoch überwiegend mit Läsionen an der Haut. Nicht selten verläuft das BP 3
über einen langen Zeitraum auch ohne Blasenbildung unter dem Bild eines juckenden Ekzems, einer Prurigo simplex subacuta oder mit urtikariellen Erythemen. Eine dritte Gruppe von bullösen Autoimmundermatosen weist nie (PF) oder nur sehr selten Läsionen an den Schleimhäuten auf (Schmidt und Zillikens, 2011, 2013; Lima et al., 2016) (Tabelle 1). Die Diagnose des PV und PF erfolgt durch den histologischen Nachweis einer intraepithelialen Spaltbildung bzw. Akantholyse und insbesondere über den Nachweis von interzellulären IgG- bzw. C3-Ablagerungen im Epithel in der direkten Immunfluoreszenz (IF). In der indirekten IF mit Affenösophagus lassen sich interzelluläre zirkulierende Autoantikörper nachweisen. Bei PV finden sich bei ausschließlicher Schleimhautbeteiligung zirkulierende Antikörper nur gegen Desmoglein 3, bei zusätzlichen Läsionen an der Haut können zudem Autoantikörper gegen Desmoglein 1 nachgewiesen werden. Beim PF finden sich Autoantikörper lediglich gegen Desmoglein 1. Die Serumspiegel der Anti-Desmoglein-1/3-Autoantikörper korrelieren im enzyme-linked immunosorbent assay (ELISA) mit dem Ausmaß der Haut- bzw. Schleimhautläsionen (Schmidt und Zillikens, 2011; Lima et al., 2016). Die Diagnose des BPs und SPs erfolgt durch den histologischen Nachweis einer subepithelialen Spaltbildung und insbesondere anhand des Nachweises von IgG- (beim SP auch IgA-) bzw. C3-Ablagerungen entlang der epithelialen Basalmembranzone in der direkten IF. Beim BP können in der indirekten IF auf 1 M NaCl-gespaltener humaner Haut bei 80 bis 90% der Patienten zirkulierende Autoantikörper nachgewiesen werden, die im Dach der artifiziellen Blase zu finden sind. Diese Autoantikörper richten sich gegen BP180 bzw. BP230, wobei die Serumspiegel der Autoantikörper gegen die immundominante NC16A-Domäne von BP180 im ELISA mit der Krankheitsaktivität des BP korrelieren. Beim SP lassen sich mittels indirekter IF nur in ca. 50% der Fälle IgG- oder IgA-Autoantikörper nachweisen, die an 4
die epidermale und/oder dermale Seite des artifiziellen Spalts binden und insbesondere gegen BP180 bzw. Laminin 332 gerichtet sind. Bei den gegen BP180 gerichteten Pemphigoid-Erkrankungen kann es zur Autoantikörperbildung gegen weitere Fragmente dieses Autoantigens z.B. BP180 4575 und LAD-1 kommen (Schmidt und Zillikens, 2011, 2013; Lima et al., 2016). Das Anti-Laminin 332-Pemphigoid ist in ca. 30% der Fälle mit einem soliden Malignom vergesellschaftet (Egan et al., 2001). Die Charakteristika der Pemphigus- und Pemphigoid-Erkrankungen sind in Tabelle 1 und Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 1 A B C D E F Abb. 1: Klinik und IF beim Pemphigus und Pemphigoid (Kasperkiewicz et al., 2008, 2012; Hammers et al., 2014). A, Erosionen rechts bukkal bei einem Patienten mit PV. B, PF mit konfluierenden Erythemen und Erosionen am Stamm. C, Direkte IF beim PV mit IgG- Antikörperablagerung im Interzellularbereich der Epidermis. D, Feste, teils hämorrhagische Blasen, Erosionen und Krusten bei einem Patienten mit BP. E, Okuläres SP mit Symblepharonbildung. F Lineare Ablagerung von C3 an der dermo-epidermalen Junktionszone in der direkten IF beim BP. 5
1.1.3 Therapie Die Therapie des PV und PF erfolgt üblicherweise mit oralen Kortikosteroiden (initial 1-2 mg/kg/d Prednisolonäquivalent) bzw. alternativ mit intravenösen Dexamethason-Pulsen (initial 100 mg/d an drei aufeinanderfolgenden Tagen in monatlichen Abständen). Gleichzeitig werden kortikosteroideinsparende Medikamente wie z.B. Azathioprin (initial 2-2.5 mg/kg/d bei normaler Thiopurin-Methyltranferase-Aktivität), Mycophenolatmofetil (initial 2g/d), Mycophenolat-Natrium (initial 1440 mg/d), Cyclophosphamid, oder Methotrexat verabreicht. Bei schweren Schleimhautläsionen, ausgedehntem Befall (>30% der Körperoberfläche) bzw. Therapierefraktärität können neuere adjuvante Behandlungsoptionen wie Immunadsorption, der Anti-CD20- Antikörper Rituximab und hochdosierte intravenöse Immunglobuline zum Einsatz kommen (Schmidt und Zillikens, 2011; Lima et al., 2016). Beim BP ist in einigen Fällen eine topische Therapie mit hochpotenten Kortikosteroiden (Clobetasolproprionat 20-40 g/d) ausreichend, wohingegen schwerere Fälle einer zusätzlichen Behandlung mit systemischen Kortikosterodien (initial 0.5 mg/kg/d) gegebenenfalls kombiniert mit z.B. Azathioprin, Dapson, Doxycyclin, Mycophenolatmofetil, Mycophenolat- Natrium, oder Methotrexat bedürfen. Bei Therapieresistenz werden auch hier Immunadsorption, Rituximab und hochdosierte intravenöse Immunglobuline empfohlen (Schmidt und Zillikens, 2011, 2013; Lima et al., 2016). Die Therapie des oralen SP kann zunächst mit hochpotenten topischen Kortikosteroiden als Haftpaste in Kombination mit Dapson (initial 1-1.5 mg/kg/d bei normaler Glukose 6-Phosphat-Dehydrogenase-Aktivität) durchgeführt werden. Bei unzureichendem Ansprechen kommen systemische Kortikosteroide in Kombination mit anderen Immunsuppressiva wie z.B. Mycophenol zum Einsatz. Häufig stellt sich die Behandlung des SP mit 6
konjunktivaler bzw. laryngealer Beteiligung als schwierig dar, was gegebenenfalls den Einsatz von Cyclophosphamid, Immunadsorption, Rituximab bzw. hochdosierten intravenösen Immunglobulinen erforderlich macht (Schmidt und Zillikens, 2011, 2013; Lima et al., 2016). 1.2 Desquamative Gingivitis Desquamative Gingivitis (DG) ist ein allgemein deskriptiver Begriff für entzündetes und sich ablösendes Zahnfleisch. Die Erkrankung ist charakterisiert durch Ablösung des gingivalen Epithels als Folge einer Formation und Ruptur von intraepithelialen bzw. subepithelialen Schleimhautblasen. Folglich erscheint die Gingiva erythematös und häufig ödematös. Die Patienten empfinden Schmerzen und klagen häufig über Zahnfleischbluten. Die Desquamation kann gezielt (im Rahmen der Diagnostik als Nikolski-Zeichen) bzw. unbewusst durch lokale Scherkräfte im Rahmen von z. B. Mastikation, Zähneputzen, Zahnprothesen und Zahnstein getriggert werden. Die Symptome können häufig durch Zahnbelag aggraviert werden (Gagari und Damoulis, 2011). Die DG kann die klinische Manifestation unterschiedlicher mukokutaner Erkrankungen darstellen. Hierzu gehören insbesondere der PV und das SP; die Diagnose der zugrundeliegenden Erkrankung wird klinisch, histologisch und mittels direkter/indirekter IF gestellt, wobei zirkulierende Autoantikörper beim SP nicht selten fehlen können (Abbildung 2). Mehrere Berichte weisen darauf hin, dass das SP die häufigste Ursache für die DG darstellt, wobei die DG hierbei häufig das erste Symptom darstellen und das SP lediglich auf die orale Mukosa begrenzt sein kann. Auch andere Erkrankungen jenseits des Formenkreises bullöser AID wie Lichen planus, Erythema multiforme, Lupus 7
erythematodes, Epidermolysis bullosa hereditaria und chronisch-ulzerative Stomatitis können seltener eine DG auslösen (Gagari und Damoulis, 2011). Abbildung 2 A B C D Abb. 2: Klinik und Histologie der DG beim SP und PV (Gagari und Damoulis, 2011). A+B, DG mit subepithelialer Blasenbildung bei einem Patienten mit SP. C+D, DG mit Akantholyse bei einem Patienten mit PV. Mehrere Erkrankungen können die DG klinisch imitieren und zur Fehldiagnose führen. Hierzu zählt insbesondere die akute nekrotisierende ulzerative Gingivitis. Diese ist eine bakterielle Erkrankung, die mit einer 8
Nekrose der interdentalen gingivalen Papillen, Mundgeruch und Fieber einhergeht. Nekrotische Pseudomembranen der Gingiva können dabei als epitheliale Desquamation fehlinterpretiert werden. Ähnlichkeit mit der DG können zudem die herpetische Gingivostomatitis, Hypersensitivitätsreaktionen, Pyostomatitis vegetans, orofaziale Granulomatose und mit Neutropenie assoziierte hämatologische Erkrankungen aufweisen (Gagari und Damoulis, 2011). Die Behandlung der DG richtet sich nach der Grunderkrankung und erfordert häufig die Anwendung von Immunsuppressiva wie topischen und systemischen Kortikosteroiden. Zur Therapie gehört zudem die Vermeidung von lokalen Irritantien wie Zahnbelag und Zahnstein (Gagari und Damoulis, 2011). 1.3 Parodontitis Die Parodontitis ist eine häufige (10-15% der Gesamtbevölkerung), heterogene, multifaktorielle (genetische Faktoren, Komorbiditätsfaktoren wie beispielsweise metabolisches Syndrom und Umweltfaktoren wie insbesondere Rauchen) und potentiell zum Zahnverlust führende chronisch inflammatorische Erkrankung (Stabholz et al., 2010; Nibali et al., 2013), die durch eine DG hervorgerufen bzw. begünstigt werden kann und durch bakterielle (mikrobieller Biofilm) und inflammatorische Destruktion der Gingiva und des Zahnhalteapparates inklusive Kieferknochen und Parodontium charakterisiert ist. Zu den diagnostischen Hauptkriterien gehört die Beurteilung des Gesamtzustands des Gebisses, der Zahnlockerung, der Zahntaschentiefe, des Zahnfleischrückganges und des Ausmaßes der Kieferknochendestruktion mittels Röntgenaufnahmen (Mawardi et al., 2015) (Abbildung 3). 9
Abbildung 3 A B C D Abb. 3: Klinischer und radiographischer Vergleich zwischen Gesunden und Patienten mit Parodontitis (Mawardi et al., 2015). A+B, Klinisch normale Zahnfleischfarbe, physiologischer Zahnfleischsaum und intakte interdentale Papillen sowie röntgenologisch stabiles Periodontium, normaler Alveolarknochen und kein vertikaler Knochendefekt. C+D, Moderate bis schwere Parodontitis, klinisch mit Zahnverankerungsverlust (Dreieck), Rezession (Pfeil) und Zahnfleischödem (Klammer) sowie röntgenologisch mit Zahnsteinakkumulation, horizontalem Knochenschwund (Pfeil) und vertikalem Knochendefekt (Dreieck). Bakterien des Zahnbelages, insbesondere der Gram-negative Keim Porphyromonas gingivalis (PG), stellen einen wichtigen pathophysiologischen Faktor der Parodontitis dar. Die Parodontitis beginnt mit der Akkumulation dieser Bakterien innerhalb des Zahnbelages auf der Zahnoberfläche. Es werden bakterielle Zellwandprodukte (Lipopolysaccharide [LPS] und Endotoxine) 10
freigesetzt, die Immunzellen wie Monozyten zur Produktion proinflammatorischer Zytokine stimulieren. Diese resultierende initiale Zahnfleischentzündung wird dabei als protektiver Mechanismus gegen bakterielle Invasion angesehen. Bei anhaltender Entzündung und entsprechender Krankheitssuszeptibilität entwickelt sich ein chronischer pathologischer periodontaler Prozess, bei dem bakterielle Antigene von Zellen des adaptiven Immunsystems wie Makrophagen und dendritischen Zellen prozessiert und präsentiert werden. Dieses wiederum führt zur Ausschüttung proinflammatorischer Mediatoren wie dem C-reaktiven Protein, Fibrinogen und unterschiedlichen Zytokinen, die die Entzündung amplifizieren bzw. aufrechterhalten und damit schließlich zur Destruktion des periodontalen Gewebes führen (Bostanci und Belibasakis, 2012). Es wird angenommen, dass einige Autoimmunerkrankungen wie Atherosklerose, Diabetes mellitus und rheumatoide Arthritis durch die über PG induzierte Parodontitis getriggert und aggraviert werden können (El-Shinnawi und Soory, 2012; Mawardi et al., 2015). Es existieren aktuell zwei postulierte Hauptmechanismen zur Assoziation zwischen dieser oralen und den systemischen Erkrankungen: (1) metastatische Infektion und systemische Dissemination bakterieller Toxine durch Ausschwemmung oraler Bakterien über ulzerierte gingivale Zahntaschen in die Zirkulation sowie deren Adhärenz an Geweben außerhalb des Mundraumes und (2) im Mundraum initiierte inflammatorische Prozesse mit Freisetzung von proinflammatorischen Mediatoren durch Entzündungszellen und Ausbildung von Immunkomplexen, die zur Systementzündung führen (Mawardi et al., 2015). Zur Therapie der Parodontitis gehören Zahnsteinentfernung, Wurzelglättung, lokale bzw. systemische Antibiotika sowie chirurgische Interventionen (Mawardi et al., 2015). 11
1.4 Porphyromonas gingivalis PG ist ein Gram-negativer oraler Aneorobier und wichtigster mikrobieller Keim der chronischen Parodontitis, der in bis zu 85% der Fälle bei dieser Erkrankung nachweisbar ist. An nicht befallenen Stellen des Mundraumes ist dieses Bakterium nur selten bzw. nur in geringerer Zahl vorhanden (Bostanci und Belibasakis, 2012). Das Vorhandensein von PG in periodontalen Zahnfleischtaschen geht mit einem Progress der Erkrankung einher, außerdem korreliert die Zahl des Keimes bzw. die Höhe von Serumantikörpern gegen dieses Bakterium mit der periodontalen Krankheitsaktivität (Guo et al., 2000; Kudo et al., 2012). Zudem induziert eine experimentelle Implantation dieses Keimes in Tiermodellen eine Entzündungsreaktion mit resultierendem periodontalem Knochenschwund. PG besitzt eine Reihe von Virulenzfaktoren wie LPS, kapsuläre Polysaccharide, Fimbriae und Gingipaine, die maßgeblich am Entzündungsprozess beteiligt sind (Bostanci und Belibasakis, 2012). LPS ist eine Komponente der äußeren PG-Zellmembran, die eine intrazelluläre Signaltransduktion in Wirtszellen über Toll-like-Rezeptoren (TLR) und CD14 triggern kann. In experimentellen Tiermodellen stellte sich das PG spezifische LPS, welches sich vom LPS anderer bakterieller Spezies strukturell und funktionell unterscheidet, als ein Stimulator proinflammatorischer Vorgänge und der Knochendestruktion dar. In vitro stimuliert es die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen wie IL-1α, IL-1β, IL-6, IL-8, IL-18 und TNFα in Monozyten (Bostanci und Belibasakis, 2012). Das kapsuläre Polysaccharid oder K-Antigen ist ein weiterer Virulenzfaktor von PG. Kapsulierte PG-Stämme sind hoch invasiv und führen leicht zur Ausbreitung der Entzündung, wohingegen nicht-kapsulierte Formen mit lokalisierten Abszessen assoziiert sind. Zudem sind kapsulierte PG-Stämme resistenter gegenüber der Phagozytose von polymorphnukleären Leukozyten, 12
als die nicht-kapsulierten Erreger und unterscheiden sich auch hinsichtlich der Adhärenzfähigkeit an gingivale Epithelzellen (Bostanci und Belibasakis, 2012). Die Fimbriae von PG sind dünne filamentöse Protrusionen der Zelloberfläche, mit denen die Adhärenz des Keimes an Speichelproteine, extrazelluläre Matrix, eukaryotische Zellen und Bakterien derselben oder anderen Spezies gewährleistet werden kann. Über die Fimbriae kann sich PG an kolonisierende Bakterien anheften und an der Ausbildung eines bakteriellen Biofilms mitwirken. Während Typ I-Fimbriae eine wichtige Rolle bei der Kolonisation und Invasion spielen, haben Typ II-Fimbriae ein höheres proinflammatorisches Potential. In experimentellen Parodontitis-Modellen zeigten PG-Fimbriae die Fähigkeit zur Knochendestruktion, außerdem führen sie zur Induktion proinflammatorischer Zytokine und Produktion von gewebezerstörenden Matrixmetalloproteinasen durch Wirtszellen. Über TLR können die Fimbriae intrazelluläre Singaltransduktionskaskaden aktivieren, was sowohl zur Produktion von proinflammatorischen Zytokinen als auch zur Expression von Zelladhäsionsmolekülen wie ICAM-1 führt (Bostanci und Belibasakis, 2012). Gingipaine sind Cystein-Proteinasen der Zelloberfläche von PG, die auch in einer löslichen, sekretierten Form existieren können. Sie machen etwa 85% der proteolytischen Aktivität von PG aus und können unterschiedliche Komponenten der extrazellulären Matrix wie z. B. Integrin-Fibronektin- Bindungen degradieren. Sie können auch die Expression von Protease- aktivierten Rezeptoren in neutrophilen Granulozyten, gingivalen Epithelzellen und Fibroblasten sowie T-Zellen stimulieren, was zur Induktion von proinflammatorischen Zytokinen in diesen Zellen führt. Schließlich erhöhen Gingipaine über Inhibition der Blutkoagulation die Blutungsneigung und führen zur gesteigerten vaskulären Permeabilität, was mit einer verstärkten Leukozyteneinwanderung verbunden ist (Bostanci und Belibasakis, 2012). 13
2. Fragestellung Der PV und das SP gehen häufig mit oralen Läsionen wie der DG einher, die einen potentiellen Risikofaktor für eine Parodontitis darstellen kann. Die Rolle von PG, dem pathogenen Keim der Parodontitis, bei Patienten mit diesen blasenbildenden Schleimhauterkrankungen ist jedoch weitgehend ungeklärt. Zielsetzung dieser Arbeit war es daher, die Rolle von PG bei Patienten mit PV- und SP-assoziierter DG durch einen serologischen Nachweis von PG spezifischem LPS bei diesem Patientenkollektiv im Vergleich zu PF- und BP- Kontrollpatienten ohne Schleimhautbefall zu untersuchen. Zudem sollte die Erörterung eines Zusammenhanges zwischen der PG-Seroreaktivität und dem klinischen Verlauf bzw. Autoantikörperstatus bei einer Subgruppe der PV- und SP-Patienten einen weiteren Aufschluss über eine mögliche Beteiligung von PG bei diesen Erkrankungen liefern. Da außerdem der direkte Zusammenhang zwischen der Parodontitis und oralem Pemphigus bzw. Pemphigoid bisher nicht systematisch erfasst wurde, sollte schließlich auch diese Fragestellung mittels eingehender Analyse der publizierten Fachliteratur kritisch untersucht werden. 14
3. Material und Methoden 3.1 Untersuchungen zur Seroreaktivität gegen Porphyromonas gingivalis beim oralen Pemphigus und Pemphigoid 3.1.1 Klinische und serologische Charakterisierung des Studienpatientenkollektives Seren von 19 PV-Patienten und manifester DG (Durchschnittsalter 56.4±10.8 Jahre; 11 weiblich, 8 männlich; 8 mukosal, 11 mukokutan; Krankheitsdauer 29.9±28.8 Monate) sowie 14 SP-Patienten und manifester DG (Durchschnittsalter 66.6±17.2 Jahre; 9 weiblich, 5 männlich; 10 mukosal, 4 mukokutan; Krankheitsdauer 22.7±17.6 Monate) wurden in dieser retrospektiven Studie untersucht. Als entsprechende Kontrollen dienten Seren von 11 PF-Patienten (Durchschnittsalter 53.0±10.7 Jahre; 3 weiblich, 8 männlich; Krankheitsdauer 29.8±32.2 Monate) und von 11 BP-Patienten (Durchschnittsalter 64.6±10.6 Jahre; 4 weiblich, 7 männlich; Krankheitsdauer 5.7±7.3 Monate), die zwar Haut- aber keine Schleimhautläsionen aufwiesen. Etwa drei Viertel der Studienpatienten hatten eine immunsuppressive Vortherapie (systemisch und/oder topisch). Außerdem wurden verfügbare Verlaufsseren von 12 der 19 PV-Patienten bei Remission (d.h. kompletten Abheilung) der Gingivaläsionen (nach 9.3±5.3 Monaten immunsuppressiver Therapie zwischen beiden Blutentnahmen) sowie von 10 der 14 SP-Patienten bei Remission der Gingivaläsionen (nach 14.3±9.1 Monaten immunsuppressiver Therapie zwischen beiden Blutentnahmen) analysiert. Alle Serumproben stammen vom in den Tabellen 2 und 3 näher charakterisierten Patientenkollektiv der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Universität zu Lübeck und wurden in der Serenbank des Autoimmunlabors bei -20°C gelagert. Die Untersuchungen wurden nach Genehmigung durch die Ethikkommission der Universität zu Lübeck durchgeführt. 15
Tabelle 2. Baseline-Charakteristika der Pemphigus-Patienten Patient Alter Diagnose Komorbiditäten Erkrankungsdauer Läsionen Befallene Vortherapien Autoantikörper (Jahre) / und (Monate) Areale im ELISA Geschlecht Nikotinstatus* (U/ml) 1 34/M PV Hypothyreose 6 Erosionen, SH (oral AZA, DEX Negativ** Erytheme [gingival, laryngeal]) 2 38/W PV Hypothyreose 3 Erosionen SH (genital, AZA, PRE Negativ** oral [gingival, bukkal, labial, palatinal, sublingual]) 3 50/M PV NB 10 Erosionen SH (oral AZA, DEX, Dsg1: negativ [gingival]) MMF Dsg3: 820 4 59/W PV Jodmangelstruma, 49 Erosionen Stamm, SH AZA, CSA, Dsg1: negativ Hypercholesterinämie, (oral [gingival, MMF, MN, Dsg3: 1031 fibrozystische palatinal]) PRE Mastopathie, allergische Rhinokonjunktivitis 5 58/M PV Arterielle Hypertonie 37 Erosionen Kopf, SH AZA, PRE Dsg1: negativ (nasal, oral Dsg3: 401 [gingival, bukkal, palatinal]) 6 59/W PV Refluxösophagitis, Typ 10 Erosionen, Kopf, Stamm, AZA, MN, Dsg1: 285 IV-Sensibilisierung Blasen OE, UE, SH PRE Dsg3: 1540 (oral [gingival, palatinal, labial]) 7 58/W PV Asthma bronchiale, 1 Erosionen SH (oral DEX, IA, Dsg1: NB allergische [gingival, RTX Dsg3: 6201 Rhinokonjunktivitis palatinal, bukkal]) 8 66/W PV Hypercholesterinämie 30 Erosionen Stamm, SH AZA, DAP, Dsg1: 125 (nasal, oral MMF, PRE Dsg3: 801 [gingival, palatinal, bukkal]) 9 67/M PV Arterielle Hypertonie, 15 Erosionen, Kopf, Stamm, AZA, PRE Dsg1: 66 Hypercholesterinämie, Erytheme, SH (oral Dsg3: 583 Nebenniereninsuffizienz Krusten [gingival]) 10 71/M PV Arterielle Hypertonie, 24 Erosionen, Kopf, Stamm, AZA, CPM, Dsg1: >1000 Nebenniereninsuffizienz Blasen, OE, SH (oral DEX, IA, Dsg3: 214 Plaques [gingival]) IVIG, MMF, PRE, RTX 11 55/W PV Arterielle Hypertonie, 12 Erosionen, Stamm, OE, PRE Dsg1: 82 Diabetes mellitus II, Erytheme SH (oral Dsg3: 2297 Hypercholesterinämie [gingival, palatinal]) 12 50/M PV Osteopenie 2 Erosionen Kopf, Stamm, Keine Dsg1: 107 OE, UE, SH Dsg3: 85 (genital, oral [gingival, labial]) 16
Tabelle 2. Fortsetzung Patient Alter Diagnose Komorbiditäten Erkrankungsdauer Läsionen Befallene Vortherapien Autoantikörper (Jahre) / und (Monate) Areale im ELISA Geschlecht Nikotinstatus* (U/ml) 13 49/W PV Typ I-Allergie 8 Erosionen SH (oral AZA, DEX, Dsg1: negativ [gingival, IA, RTX Dsg3: 36 lingual, bukkal]) 14 49/W PV NB 72 Erosionen, SH (oral AZA, PRE, Dsg1: negativ Erytheme [gingival]) RTX Dsg3: 185 15 47/M PV Hypothyreose 98 Erosionen, Kopf, OE, SH AZA, DAP, Dsg1: NB Krusten (nasal, oral DEX, MMF, Dsg3: 1011 [gingival, PRE, RTX palatinal, bukkal, lingual]) 16 69/W PV Arterielle Hypertonie, 48 Erosionen Stamm, SH AZA, MMF, Dsg1: 124 Herzinsuffizienz, (oral [gingival, MN, MTX, Dsg3: 1272 Osteoporose, allergische bukkal,lingual, PRE Rhinokonjunktivitis, labial]) Typ-IV-Sensibilisierung 17 76/W PV Arterielle Hypertonie, 84 Erosionen SH (oral AZA, DEX, Dsg1: negativ Nebenniereninsuffizienz, [gingival]) IA, MMF, Dsg3: 191 Osteoporose PRE, RTX 18 59/W PV NB 36 Erosionen SH (nasal, oral AZA, MMF, Dsg1: negativ [gingival, PRE Dsg3: 198 palatinal, bukkal, lingual, laryngeal]) 19 58/M PV NB 24 Erosionen, Stamm, OE, DAP, PRE Dsg1: negativ Erytheme, UE, SH (nasal, Dsg3: 1699 Plaques oral [gingival, palatinal]) 1 47/M PF Osteoporose 84 Erosionen, Kopf AZA, DEX, Dsg1: 100 Erytheme IA, PRE, RTX, TK 2 40/W PF NB 13 Erosionen, Kopf, Stamm AZA, DAP Dsg1: 827 Erytheme 3 41/M PF Arterielle Hypertonie 6 Erosionen, Kopf, Stamm, AZA, CPM, Dsg1: 36 Erytheme, OE, UE PRE Plaques 4 48/M PF Steroidinduzierter 31 Erosionen, Kopf, Stamm, AZA, DAP, Dsg1: 9170 Diabetes mellitus, Plaques OE, UE DEX, IA, Nikotinabusus IVIG, PRE, RTX 5 51/M PF Arterielle Hypertonie, 10 Erosionen, Kopf, Stamm, CSA, PRE, Dsg1: >10.000 Mitralinsuffizienz, Erytheme, OE TK Hyperhomocysteinämie Krusten 6 55/M PF Diabetes mellitus II 21 Erosionen, Kopf, Stamm MMF, PRE Dsg1: 891 Erytheme 7 61/M PF NB 58 Erosionen, Kopf, Stamm, AZA, PRE Dsg1: 6025 Erytheme, OE, UE Plaques 17
Tabelle 2. Fortsetzung Patient Alter Diagnose Komorbiditäten Erkrankungsdauer Läsionen Befallene Vortherapien Autoantikörper (Jahre) / und (Monate) Areale im ELISA Geschlecht Nikotinstatus* (U/ml) 8 61/M PF Arterielle Hypertonie 3 Blasen, Kopf, Keine Dsg1: 1660 Erosionen, Stamm Erytheme, Plaques 9 64/W PF Arterielle Hypertonie, 4 Erytheme, Stamm, UE PRE, MMF Dsg1: 44 Hypothyreose, Asthma Plaques bronchiale 10 73/M PF Diabetes mellitus II, 89 Erosionen, Kopf, AZA, CPM, Dsg1: 511 M. Parkinson Erytheme, Stamm, OE, DAP, DEX, Plaques, UE IA, MMF, Krusten MTX, PRE, RTX 11 42/W PF Rheumatoide Arthritis, 9 Erytheme, Kopf, Keine Dsg1: 304 allergische Erosionen Stamm Rhinokonjunktivitis, Typ-IV- Sensibilisierung AZA, Azathioprin; CPM, Cyclophosphamid; CSA, Cyclosporin A; DAP, Dapson; DEX, Dexamethason; Dsg, Desmoglein; ELISA, enzyme- linked immunosorbent assay; IA, Immunadsorption; IVIG, intravenöse Immunglobuline; M, männlich; MMF, Mycophenolatmofetil; MN, Mycophenolat-Natrium; MTX, Methotrexat; NB, nicht bekannt/berichtet; OE, obere Extremität; PF, Pemphigus foliaceus; PRE, Prednisolon; PV, Pemphigus vulgaris; RTX, Rituximab; SH, Schleimhaut; TK, topisches Kortikosteroid; UE, untere Extremität; W, weiblich *Nikotinstatus nicht bekannt/berichtet, wenn nicht vermerkt **Positive indirekte IF auf Affenösophagusepithel (Interzellularfluoreszenz) 18
Tabelle 3. Baseline-Charakteristika der Pemphigoid-Patienten Patient Alter Diagnose Komorbiditäten Erkrankungsdauer Läsionen Befallene Vortherapien Autoantikörper (Jahre) / und (Monate) Areale im ELISA Geschlecht Nikotinstatus* (U/ml) 1 71/M SP Diabetes mellitus 29 Erosionen SH (oral DAP, TK Negativ II, koronare [gingival]) Herzerkrankung 2 45/W SP Typ I/IV-Allergie 15 Erosionen SH (nasal, AZA, DEX, BP180: 26 oral PRE [gingival, bukkal]) 3 72/M SP Arterielle 36 Erosionen, SH (okulär, NB Negativ Hypertonie, Erytheme, oral Linksherz- Vernarbungen [gingival, hypertrophie, (Augen) bukkal, Prostata- palatinal]) hyperplasie 4 79/W SP Arterielle 24 Erosionen, OE, SH (oral Neotigason BP180: 47 Hypertonie, Erytheme, [gingival, Asthma Krusten bukkal]) bronchiale, Herzinsuffizienz, chronisch obstruktive Lungen- erkrankung 5 73/W SP Arterielle 3 Erosionen, SH (laryn- AZA, DAP, BP180 4575 Hypertonie, Erytheme geal, oral PRE (Immunoblot) allergische [gingival]) Rhinitis 6 72/M SP NB 62 Erytheme SH (laryn- DAP Negativ geal, oral [gingival]) 7 24/W SP NB 48 Erosionen, SH (okulär, DEX, MMF, Negativ Erytheme, oral MN, RTX Vernarbungen [gingival, (Augen) bukkal, labial]) 8 67/M SP NB 4 Erosionen, Kopf, Keine BP180: 28 Erytheme, Stamm, SH Plaques, (nasal, oral Papeln, [gingival, Krusten bukkal, palatinal]) 9 46/W SP Arterielle 18 Erosionen Kopf, TK BP180: 79 Hypertonie, Stamm, OE, Diabetes mellitus UE, SH (oral II, Nikotinabusus [gingival, bukkal, palatinal]) 10 69/W SP Osteoporose 9 Erosionen, SH (oral DAP, DEX BP180: 77 Erytheme, [gingival]) Krusten 11 70/W SP NB 7 Erosionen, SH (oral DAP, TK Negativ Erytheme [gingival]) 19
Tabelle 3. Fortsetzung Patient Alter Diagnose Komorbiditäten Erkrankungsdauer Läsionen Befallene Vortherapien Autoantikörper (Jahre) / und (Monate) Areale im ELISA Geschlecht Nikotinstatus* (U/ml) 12 76/M SP Hyperthyreose, 6 Erosionen, SH (genital, Keine Negativ** Aortenaneurysma Erytheme oral [gingival]) 13 92/W SP Arterielle 27 Blasen, Stamm, SH AZA, DAP, BP180: 105 Hypertonie, Erosionen, (genital, MMF, TK Diabetes mellitus Erytheme, anal, oral Typ II, Nieren- Krusten [gingival, insuffizienz, palatinal]) Mitral- insuffizienz, Hyper- lipoproteinämie 14 77/W SP Arterielle 30 Erosionen, SH (oral AZA, Colchicin, LAD-1 Hypertonie, Erytheme [gingival]) CPM, DAP, (Immunoblot) Hyper- DEX, IVIG, cholesterinämie Niotinamid, PRE, Tetrazyklin 1 62/M BP Arterielle 6 Blasen, Stamm, OE, Keine BP180: 439 Hypertonie, Erosionen, UE Diabetes mellitus Erytheme, Typ II, Plaques, Hypothyreose, Krusten Herzinsuffizienz, Herz- rhythmusstörung 2 66/W BP Arterielle 11 Erosionen, Stamm, OE, AZA, PRE, TK BP180: 1191 Hypertonie, Krusten UE allergische Rhinitis, chronisch obstruktive Lungen- erkrankung 3 64/W BP Arterielle 12 Blasen, Kopf, TK BP180: 601 Hypertonie, Erosionen, Stamm, OE, Hypothyreose, Erytheme, UE Nikotinabusus Krusten 4 79/W BP Arterielle 2 Erytheme Stamm, OE, TK BP180: 907 Hypertonie, UE Osteoporose, Typ I-Allergie 5 80/M BP Diabetes mellitus 3 Blasen, Kopf, Keine BP180: 865 II Erosionen, Stamm, OE, Erytheme, UE Exkoriationen 6 43/M BP NB 24 Blasen Kopf, TK Negativ Stamm, OE, UE 20
Tabelle 3. Fortsetzung Patient Alter Diagnose Komorbiditäten Erkrankungsdauer Läsionen Befallene Vortherapien Autoantikörper (Jahre) / und (Monate) Areale im ELISA Geschlecht Nikotinstatus* (U/ml) 7 62/M BP Arterielle 0,5 Blasen, Stamm, OE, Keine BP180: 123 Hypertonie, Erosionen, UE Niereninsuffi- Papeln zienz, Hypopara- thyreoidismus 8 56/W BP Arterielle 1 Blasen, Kopf, Keine BP180: 38 Hypertonie, Erosionen Stamm, OE, monoklonale UE Gammopathie 9 60/M BP Koronare 1 Blasen, Kopf, Keine BP180: 1119 Herzerkrankung Erosionen Stamm, OE, Erytheme, UE Papeln 10 64/M BP Arterielle 2 Blasen, Stamm, OE, Keine BP180: 79 Hypertonie, Erosionen, UE chronisch Erytheme, obstruktive Plaques Lungen- erkrankung, Nikotinabusus 11 75/M BP Arterielle 0,5 Blasen, Kopf, Keine LAD-1 Hypertonie, Erosionen Stamm, UE (Immunoblot) Diabetes mellitus II AZA, Azathioprin; BP, bullöses Pemphigoid; CPM, Cyclophosphamid; DAP, Dapson; DEX, Dexamethason; ELISA, enzyme-linked immunosorbent assay; IVIG, intravenöse Immunglobuline; M, männlich; MMF, Mycophenolatmofetil; MN, Mycophenolat-Natrium; NB, nicht bekannt/berichtet; OE, obere Extremität; PRE, Prednisolon; RTX, Rituximab; SH, Schleimhaut; SP, Schleimhautpemphigoid; TK, topisches Kortikosteroid; UE, untere Extremität; W, weiblich *Nikotinstatus nicht bekannt/berichtet, wenn nicht vermerkt **Positive indirekte IF auf NaCl-separierter humaner Spalthaut (Blasendachfluoreszenz) 21
3.1.2 Bestimmung zirkulierender Antikörper Krankheitsspezifische Pemphigus- und Pemphigoid-IgG-Serumautoantikörper wurden mittels indirekter IF auf Affenösophagus bzw. 1 M NaCl-gespaltener humaner Haut, kommerziell erhältlichen ELISAs (Euroimmun bzw. MBL) und Immunoblot analysiert. Im Gegensatz zu den selbstständig durchgeführten PG-ELISA-Untersuchungen erfolgte zwar die Auswertung, nicht aber die Messung dieser Autoantikörper im Rahmen dieser Dissertationsarbeit. Die ELISA-Untersuchungen zur Bestimmung der Serumantikörper gegen das PG spezifische LPS (InvivoGen) erfolgten in Anlehnung an Guo et al., 2000, mit geringen Modifikationen. Zunächst erfolgte eine Beschichtung von 96- Loch-Titerplatten (MaxiSorp) mit 50 µl PG-LPS in einer Konzentration von 10 µg/ml in 0.1 M Bikarbonatpuffer bei 4°C über 18 Stunden. Die Blockierung freier Proteinbindungsstellen auf den Platten erfolgte durch 200 µl 3% bovines Serumalbumin (BSA) und 0.1% Tween-20 (Thermo Scientific) in phosphatgepufferter Salzlösung (PBS) bei Raumtemperatur über 2 Stunden. Eine Serumtitrierung (Verdünnungen 1:100 - 1:204800) wurde durchgeführt, um das Verfahren zu optimieren (Abbildung 4), wobei weitere Analysen in Anlehnung an Guo et al., 2000, mit einer Serumverdünnung von 1:1600 in Doppelbestimmungen erfolgten. Es erfolgte ein dreimaliges Waschen mit 300 µl PBS + 0.05% Tween-20, daraufhin wurden je 100 µl der 1:1600 in PBS + 0.1% BSA verdünnten Seren bei Zimmertemperatur über 1 Stunde inkubiert. Die Mikrotiterplatten wurden nach dem Waschen mit 1:5000 in PBS + 0.1% BSA verdünnten HRP (horseradish peroxidase)- konjugierten Anti-humanen IgG- bzw. IgM- Sekundärantikörpern (Sigma) bei Raumtemperatur über 1 Stunde beschichtet. Eine Visualisierung von HRP- Enzymreaktionen erfolgte mittels TMB(Tetramethylbenzidine)-Substrat (Thermo Fisher Scientific). Durch das Hinzufügen von 0.5 M H2SO4 wurde 22
die Reaktion gestoppt und die optische Dichte (OD) bei 450 nm mit einem ELISA-Plattenleser (Perkin Elmer) gemessen. Abbildung 4 1,000 0,900 0,800 0,700 0,600 OD450 0,500 0,400 0,300 0,200 0,100 0,000 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Serumverdünnungsstufen Abb. 4: Anti-PG-LPS-IgG-Antikörper-Titrierungsergebnisse im ELISA. Gezeigt sind Mittelwerte mit Standardabweichungen der ELISA-Ergebnisse von untersuchten Seren von Pemphigus- und Pemphigoid-Patienten (n=6) in unterschiedlichen Verdünnungen (Verdünnungen 1:100 - 1:204800 entsprechen Verdünnungsstufen 1 - 12). Die gestrichelte Linie entspricht der durchschnittlichen OD des Hintergrundes, und der rote Pfeil zeigt die Serumverdünnung an (1:1600), welche (in Anlehnung an Guo et al., 2000) für die Anti-PG- LPS-ELISA-Hauptuntersuchungen gewählt wurde. 23
3.1.3 Verbrauchsmaterial Die in der Dissertationsarbeit angewandten Labormaterialien sind in Tabelle 4 aufgelistet. Tabelle 4. Verbrauchsmaterial Lösungen, Chemikalien und Sonstiges Bikarbonatpuffer (5.3g Na2CO3, 5.04g NaHCO3 in 1L destilliertem Wasser, pH 9.6) Bovines Serumalbumin (Sigma-Aldrich) H2SO4 (Sigma-Aldrich) Phosphatgepufferte Salzlösung (PBS) (8g/L NaCl, 0.2g/L KCl, 1.44g/L Na2PO4K2HPO4 in destilliertem Wasser, pH 7.2) Porphyromonas gingivalis-Lipopolysaccharid (InvivoGen) Tetramethylbenzidine-Substratlösung (Thermo Fisher Scientific) Tween-20 (Thermo Scientific) Antikörper Polyklonales Ziegen-Anti-human IgG-HRP (Sigma-Aldrich) Polyklonales Ziegen-Anti-human IgM-HRP (Sigma-Aldrich) Geräte 96-Loch-ELISA-Titerplatten (MaxiSorp) ELISA-Plattenleser Victor 3 (Perkin Elmer) 3.1.4 Statistik Es wurden die folgenden statistischen Tests verwendet: (i) Shapiro-Wilk-Test (Normalverteilungsprüfung), (ii) exakter Fisher-Test, (iii) Wilcoxon- Vorzeichen-Rang-Test und (iv) Spearman-Rangkorrelationskoeffizienz-Test. p-Werte < 0.05 entsprechen einer statistischen Signifikanz. 24
3.2 Analyse publizierter Studien zur Parodontitis beim oralen Pemphigus und Pemphigoid 3.2.1 Systematische Literaturrecherche Im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche erfolgte die Suche wissenschaftlicher Publikationen mittels der elektronischen englischsprachigen Meta-Datenbank „Pubmed“ der nationalen medizinischen Bibliothek der Vereinigten Staaten. Hierfür wurden die Stichwörter pemphigus bzw. pemphigoid kombiniert mit periodontitis bzw. periodontal verwendet. Das Einschlusskriterium waren alle bis Juli 2016 in Pubmed gelisteten Originalartikel bezogen auf die verwendeten Stichwortkombinationen, wobei Übersichtsartikel, Einzelfallberichte und mit den kombinierten Stichwörtern nicht zusammenhängende Literatur ausgeschlossen wurden. 25
4. Ergebnisse 4.1 Serumantikörper gegen Porphyromonas gingivalis-Lipopolysaccharid bei Patienten mit Pemphigus vulgaris und Schleimhautpemphigoid mit desquamativer Gingivitis versus Patienten mit Pemphigus foliaceus und bullösem Pemphigoid ohne desquamative Gingivitis Wir untersuchten die Serumspiegel zirkulierender IgG- und IgM-Antikörper gegen PG-LPS bei 19 Patienten mit PV und 14 Patienten mit SP, die alle eine DG aufwiesen. Diese Serumspiegel wurden mit der Menge an zirkulierenden IgG- und IgM-Antikörpern gegen PG-LPS bei 11 Kontrollpatienten mit PF und 11 Kontrollpatienten mit BP, die keine oralen Läsionen hatten, verglichen. Als cut-off-Werte für positive Reaktionen wurden konventioneller Weise zwei Standardabweichungen oberhalb der durchschnittlichen optische Dichte (OD450)-Werte von PF- und BP-Kontrollseren in den ELISA-Untersuchungen festgelegt (Sharma und Jain, 2014). Die erzielten Ergebnisse ergaben, dass 5 von 19 PV-Patienten (Patient 6, 12, 14, 15 und 16; Tabelle 2) und 2 von 14 SP-Patienten (Patient 4 und 8; Tabelle 3) positive PG-LPS IgG-Antikörper aufwiesen. Zudem hatten 1 von 19 PV-Patienten (Patient 5; Tabelle 2) und 3 von 14 SP-Patienten (Patient 2, 8 und 11; Tabelle 3) positive PG-LPS IgM- Antikörper. Bei den Kontrollen waren insgesamt 2 PF-Patienten positiv für Anti-PG-LPS IgG (Patient 6; Tabelle 2) bzw. Anti-PG-LPS IgM (Patient 7; Tabelle 2) und 1 BP-Patient positiv für Anti-PG-LPS IgM (Patient 10; Tabelle 3). Der exakte Fisher-Test ergab, dass die Serumspiegel sowohl von IgG- als auch von IgM-Antikörpern gegen PG-LPS keinen signifikanten Unterschied zu den entsprechenden Kontrollseren zeigten (Abbildung 5 und 6). 26
Abbildung 5 A Anti-P. gingivalis LPS IgG Anti-P. gingivalis LPS IgM 0.8 0.6 0.6 0.4 (OD450 ) (OD450) 0.4 0.2 0.2 0.0 0.0 PV PF PV PF PV PF PV PF B PV PF Zeile gesamt Anti-PG-LPS 5 1 6 IgG (positiv) Anti-PG LPS 14 10 24 IgG (negativ) Spalte gesamt 19 11 p = 0.3717 PV PF Zeile gesamt Anti-PG-LPS 1 1 2 IgM (positiv) Anti-PG-LPS 18 10 28 IgM (negativ) Spalte gesamt 19 11 p = >0.9999 Abb. 5: Serumantikörper gegen PG-LPS bei PV-Patienten mit DG versus PF- Patienten ohne DG. A, Mittels ELISA gemessene Serumantikörper gegen PG-LPS bei 19 Patienten mit PV und DG sowie entsprechenden Kontrollen ohne orale Läsionen (11 Patienten mit PF). Die Ergebnisse sind dargestellt als optische Dichte (OD450)-Werte. Die gestrichelten horizontalen Linien zeigen die cut-off-Werte an, die mit zwei Standardabweichungen oberhalb der durchschnittlichen OD-Werte der jeweiligen Kontrollseren festgelegt wurden. B, Statistische Auswertung mittels exaktem Fisher-Test. p- Werte < 0.05 wurden als statistisch signifikant erachtet. 27
Abbildung 6 A Anti-P. gingivalis LPS IgM 0.4 Anti-P. gingivalis LPS IgG 0.6 0.3 0.4 (OD450 ) (OD450 ) 0.2 0.2 0.1 0.0 0.0 P P SP BP P SP BP B P M B M M M B SP BP Zeile gesamt Anti-PG-LPS 2 0 2 IgG (positiv) Anti-PG LPS 12 11 23 IgG (negativ) Spalte gesamt 14 11 p = 0.4867 SP BP Zeile gesamt Anti-PG-LPS 3 1 4 IgM (positiv) Anti-PG-LPS 11 10 21 IgM (negativ) Spalte gesamt 14 11 p = 0.6043 Abb. 6: Serumantikörper gegen PG-LPS bei SP-Patienten mit DG versus BP-Patienten ohne DG. A, Mittels ELISA gemessene Serumantikörper gegen PG-LPS bei 14 Patienten mit SP und DG sowie entsprechenden Kontrollen ohne orale Läsionen (11 Patienten mit BP). Die Ergebnisse sind dargestellt als optische Dichte (OD450)-Werte. Die gestrichelten horizontalen Linien zeigen die cut-off-Werte an, die mit zwei Standardabweichungen oberhalb der durchschnittlichen OD-Werte der jeweiligen Kontrollseren festgelegt wurden. B, Statistische Auswertung mittels exaktem Fisher-Test. p-Werte < 0.05 wurden als statistisch signifikant erachtet. 28
4.2 Serumantikörper gegen Porphyromonas gingivalis-Lipopolysaccharid bei Patienten mit Pemphigus vulgaris und Schleimhautpemphigoid zum Zeitpunkt der desquamativen Gingivitis und bei Abheilung gingivaler Läsionen Des Weiteren untersuchten wir die Serumspiegel zirkulierender IgG- und IgM- Antikörper gegen PG-LPS bei einer Subgruppe von 12 Patienten mit PV und 10 Patienten mit SP zum Zeitpunkt der DG und bei Abheilung gingivaler Läsionen. Unsere Untersuchungen ergaben, dass die Serumspiegel von PG- LPS IgG- und IgM-Antikörpern parallel zur Abheilung der gingivalen Läsionen und allgemeinen Besserung des klinischen Status bei PV-Patienten nach durchschnittlich 9.3 Monaten immunsuppressiver Therapie signifikant abfielen. Dagegen waren die Serumspiegel von PG-LPS IgG- und IgM- Antikörpern bei Abheilung der gingivalen Läsionen und allgemeinen Besserung des klinischen Status von SP-Patienten nach durchschnittlich 14.3 Monaten immunsuppressiver Therapie nicht signifikant reduziert (Tabelle 5, Abbildung 7 und 8). 29
Tabelle 5. Charakteristika der PV- und SP-Patienten bei DG und deren Remission Patient Diagnose Untersuchungs- Durchgeführte Klinischer Autoantikörper im Autoantikörper im Anti-PG-LPS Anti-PG-LPS zeitraum Therapien Status ELISA (U/ml) ELISA (U/ml) IgG/IgM im IgG/IgM im zwischen DG während des bei DG- bei DG bei DG-Remission ELISA (OD450) ELISA (OD450) und deren Untersuchungs- Remission bei DG bei DG- Remission zeitraumes Remission (Monate) 1 PV 24 AZA, DEX, RTX KRm Negativ* Negativ 0,081/0,199 0,067/0,15 2 PV 8 AZA, DEX, IA, PR Negativ* Negativ 0,136/0,187 0,097/0,147 MMF, MN, RTX 3 PV 7 DEX, IA, MMF, KRm Dsg1: negativ Dsg1: negativ 0,155/0,232 0,114/0,216 RTX Dsg3: 820 Dsg3: 44 4 PV 7 AZA, DEX, IA, PR Dsg1: negativ Dsg1: negativ 0,126/0,309 0,088/0,228 MMF, RTX, TK Dsg3: 1031 Dsg3: negativ 5 PV 4 AZA, DEX, IA, KRm Dsg1: negativ Dsg1: negativ 0,148/0,505** 0,121/0,495 PRE, RTX Dsg3: 401 Dsg3: 77 6 PV 7 DEX, IA, MN, PR Dsg1: 285 Dsg1: negativ 0,510**/0,278 0,190/0,226 RTX, TK Dsg3: 1540 Dsg3: 72 7 PV 9 AZA, DEX, IA, KRm Dsg1: NB Dsg1: negativ 0,190/0,189 0,201/0,173 MMF, RTX Dsg3: 6201 Dsg3: 32 8 PV 10 DEX, IA, MMF, PR Dsg1: 125 Dsg1: negativ 0,130/0,193 0,105/0,173 RTX Dsg3: 801 Dsg3: 65 9 PV 8 AZA, DEX, IA, PR Dsg1: 66 Dsg1: negativ 0,101/0,131 0,078/0,107 MMF, RTX, TK Dsg3: 583 Dsg3: negativ 10 PV 11 AZA, DEX, IA, PR Dsg1: >1000 Dsg1: 39 0,098/0,122 0,155/0,117 RTX Dsg3: 214 Dsg3: negativ 11 PV 13 AZA, DEX, PR Dsg1: 82 Dsg1: 31 0,125/0,318 0,117/0,263 MMF, TK Dsg3: 2297 Dsg3: 182 12 PV 4 AZA, DEX, PR Dsg1: 107 Dsg1: negativ 0,348**/0,233 0,129/0,149 MMF, TK Dsg3: 85 Dsg3: negativ 1 SP 6 TK KRo Negativ Negativ 0,172/0,102 0,194/0,102 2 SP 15 AZA, DEX, RTX KRm BP180: 26 BP180: 45 0,211/0,183** 0,207/0,163 3 SP 27 DAP, DEX, MMF KRm Negativ Negativ 0,194/0,162 0,133/0,152 4 SP 32 AZA, DAP, DEX, PR BP180: 47 BP180: 22 0,489**/0,127 0,326/0,104 PRE, TK 5 SP 9 DAP, DEX, MN KRm BP180 4575 Negativ 0,262/0,133 0,347/0,119 (Immunoblot) 6 SP 14 DAP, TK PR Negativ Laminin 332 0,110/0,110 0,148/0,124 (Immunoblot) 7 SP 8 DEX, MN KRm Negativ Negativ 0,098/0,157 0,293/0,147 8 SP 18 DAP, DEX, MN PR BP180: 28 BP180: negativ 0,563**/0,288** 0,352/0,293 30
Tabelle 5. Fortsetzung Patient Diagnose Untersuchungs- Durchgeführte Klinischer Autoantikörper im Autoantikörper im Anti-PG-LPS Anti-PG-LPS zeitraum Therapien Status ELISA (U/ml) ELISA (U/ml) IgG/IgM im IgG/IgM im zwischen DG während des bei DG- bei DG bei DG-Remission ELISA (OD450) ELISA (OD450) und deren Untersuchungs- Remission bei DG bei DG- Remission zeitraumes Remission (Monate) 9 SP 4 DAP, DEX, TK KRo BP180: 79 BP180: negativ 0,129/0,122 0,109/0,112 10 SP 10 DAP, DEX, TK KRm BP180:77 BP180: negativ 0,160/0,118 0,156/0,112 AZA, Azathioprin; DAP, Dapson; DEX, Dexamethason; DG, desquamative Gingivitis; Dsg, Desmoglein; ELISA, enzyme-linked immunosorbent assay; IA, Immunadsorption; IVIG, intravenöse Immunglobuline; KRm, komplette Remission (Abheilung der DG und aller restlichen Läsionen) mit Erhaltungstherapie; KRo, komplette Remission (Abheilung der DG und aller restlichen Läsionen) ohne Erhaltungstherapie; LPS, Lipopolysaccharid; M, männlich; MMF, Mycophenolatmofetil; MN, Mycophenolat-Natrium; NB, nicht bekannt/berichtet; PG; Porphyromonas gingivalis; PR, partielle Remission (Abheilung der DG bei noch fortbestehenden anderen residuellen Läsionen) unter Therapie; PRE, Prednisolon; PV, Pemphigus vulgaris; RTX, Rituximab; SP, Schleimhautpemphigoid; TK, topisches Kortikosteroid; W, weiblich *Positive indirekte Immunfluoreszenz auf Affenösophagusepithel (Interzellularfluoreszenz) **Positive PG-LPS IgG/IgM-Antikörper 31
Abbildung 7 P = 0.021 P = 0.003 Abb. 7: Serumantikörper gegen PG-LPS bei PV-Patienten zum Zeitpunkt der DG und bei Abheilung gingivaler Läsionen. Mittels ELISA gemessene Serumantikörper gegen PG-LPS bei einer Subgruppe von 12 Patienten mit PV zum Zeitpunkt einer manifesten DG sowie bei Abheilung (Remission) gingivaler Läsionen nach durchschnittlich 9.3 Monaten immunsuppressiver Therapie. Darstellung jeweils als individuelle Werte und Boxplots. p- Werte < 0.05 wurden als statistisch signifikant erachtet. 32
Abbildung 8 P = 0.838 P = 0.084 Abb. 8: Serumantikörper gegen PG-LPS bei SP-Patienten zum Zeitpunkt der DG und bei Abheilung gingivaler Läsionen. Mittels ELISA gemessene Serumantikörper gegen PG-LPS bei einer Subgruppe von 10 Patienten mit SP zum Zeitpunkt einer manifesten DG sowie bei Abheilung (Remission) gingivaler Läsionen nach durchschnittlich 14.3 Monaten immunsuppressiver Therapie. Darstellung jeweils als individuelle Werte und Boxplots. p- Werte < 0.05 wurden als statistisch signifikant erachtet. 33
4.3 Korrelation von Serumantikörpern gegen Desmoglein 3 und Porphyromonas gingivalis-Lipopolysaccharid bei Patienten mit Pemphigus vulgaris Schließlich untersuchten wir einen möglichen Zusammenhang zwischen den Serumspiegeln zirkulierender IgG-Autoantikörper gegen Desmoglein 3, die üblicherweise im Gegensatz zu Serumautoantikörpern gegen Desmoglein 1 bzw. Serumautoantikörpern von SP-Patienten mit dem klinischen Befund der Schleimhautläsionen generell gut korrelieren (Kasperkiewicz et al., 2008; Hammers et al., 2014), und den Serumspiegeln zirkulierender IgG- bzw. IgM- Antikörper gegen PG-LPS bei der oben genannten Subgruppe von 12 Patienten mit PV über den Zeitraum der manifesten und abgeheilten DG. Unsere Untersuchungen ergaben, dass die Anti-Desmoglein 3-Autoantikörper bei Abheilung der gingivalen Läsionen nach durchschnittlich 9.3 Monaten immunsuppressiver Therapie signifikant abfielen und mit den Anti-PG-LPS IgG- und IgM-Antikörper korrelierten (Tabelle 5, Abbildung 9 und 10). 34
Abbildung 9 P = 0.006 Abb. 9: Serumautoantikörper gegen Desmoglein 3 bei PV-Patienten zum Zeitpunkt der DG und bei Abheilung gingivaler Läsionen. Mittels ELISA gemessene IgG- Serumautoantikörper gegen Desmoglein 3 (Dsg3) bei einer Subgruppe von 12 Patienten mit PV zum Zeitpunkt einer manifesten DG sowie bei Abheilung (Remission) gingivaler Läsionen nach durchschnittlich 9.3 Monaten immunsuppressiver Therapie. Darstellung als individuelle Werte und Boxplots. p-Werte < 0.05 wurden als statistisch signifikant erachtet. 35
Abbildung 10 Abb. 10: Korrelation von Serumantikörpern gegen Desmoglein 3 und PG-LPS bei PV- Patienten. Analyse einer Korrelation zwischen den mittels ELISA gemessenen Serumspiegeln zirkulierender IgG-Autoantikörper gegen Desmoglein 3 (Dsg3) und den Serumspiegeln zirkulierender IgG- bzw. IgM-Antikörper gegen PG-LPS bei einer Subgruppe von 12 Patienten mit PV während des Untersuchungszeitraumes von durchschnittlich 9.3 Monaten. p-Werte < 0.05 wurden als statistisch signifikant erachtet. 36
4.4 Ergebnisse zur systematischen Literaturrecherche über Parodontitis beim oralen Pemphigus und Pemphigoid Es ergaben sich insgesamt 44 unterschiedliche Zitate über die elektronische Literatursuche mit den verwendeten Stichwörtern. Nach genauer Überprüfung von Titeln, Zusammenfassungen und Volltexten sowie der Ein- und Ausschlusskriterien fanden wir 10 Originalartikel über Parodontitis, von denen 4 Publikationen PV-Patienten (n=94) und 6 Publikationen SP-Patienten (n=65) betrafen (Markitziu et al., 1990; Tricamo et al., 2006; Akman et al., 2008; Schellinck et al., 2009; Lo Russo et al., 2010, 2014; Thorat et al., 2010; Arduino et al., 2011, 2012; Gambino et al., 2014). Die Diagnose von PV und SP basierte bis auf eine Studie, die nicht über diagnostische Kriterien berichtete (Markitziu et al., 1990), auf klinischen Charakteristika, der Dermatohistopathologie und/oder direkten Immunfluoreszenz, wobei immunserologische Untersuchungen stets nicht durchgeführt wurden. Bei den meisten Artikeln (70%) bestanden die Kohorten vor allem aus Frauen, dieses betraf hauptsächlich SP-Patienten (SP- Geschlechtsverhältnis: 4 weiblich zu 1 männlich; PV-Geschlechtsverhältnis: 0.88 weiblich zu 1 männlich). Die durchschnittlichen Altersgruppen für PV- Patienten lagen bei 35-60 Jahren und für SP-Patienten bei 54-76 Jahren. 3 Artikel berichteten über Patienten mit und 3 ohne Nikotinanamnese (Tricamo et al., 2006; Schellinck et al., 2009; Lo Rusoo et al., 2010, 2014; Thorat et al., 2010; Arduino et al., 2011), und 4 Artikel gaben keine Informationen zum Nikotinstatus (Markitziu et al., 1990; Akman et al., 2008; Arduino et al., 2012; Gambino et al., 2014). Einige Studien nahmen Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen, Infektionskrankheiten und andere Systemerkrankungen außer PV bzw. SP als Ausschlusskriterien auf (Tricamo et al., 2006; Schellinck et al., 2009; Thorat et al., 2010; Arduino et al., 2011, 2012; Gambino et al., 2014), wohingegen die anderen Studien auf 37
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