BIRGIT FRANZ Australien "Moving from world class to world best" 39 - Institut für Angewandte Trainingswissenschaft

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BIRGIT FRANZ Australien "Moving from world class to world best" 39 - Institut für Angewandte Trainingswissenschaft
BIRGIT FRANZ
Australien

„Moving from world class to world best“ [39]

1      Ausgangsposition und Bilanz

Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro 2016 galten in den Sommersportarten als
erster Test und Zwischenbilanz der australischen staatlichen Spitzensportstrategie
2012-2022, Australia’s Winning Edge (AWE; ausführlich siehe Abschnitt 5), deren
Ziel im Erreichen von Platz 5 in der Länderwertung bestand. Diese Zielstellung
wurde deutlich verfehlt. 2012 in London, dem bisherigen Tiefpunkt des australi-
schen Spitzensports, gewannen australische Athleten Medaillen in 11 Sportarten,
davon 8 x Gold in fünf Sportarten und mehrere Medaillen in sechs Sportarten, was
am Ende einen unbefriedigenden 8. Rang ergab1. In Rio, den ersten Olympischen
Spielen seit der Verabschiedung der neuen Spitzensportstrategie, wurden mit
29 Medaillen in 12 Sportarten noch weniger Medaillen gewonnen als in London, da-
runter lediglich acht goldene (17 waren für Platz 5 erforderlich) in sechs Sportarten
und mehrere Medaillen in nur fünf Sportarten. Dies reichte für Australien am Ende
nur zu Platz 10, weit entfernt vom Ziel der australischen Sportführung. Auch die
Prognose des australischen NOK (AOC) von 13 x Gold, 14 x Silber und 10 x Bron-
ze wurde verfehlt [96]. Allerdings errangen australische Athleten neben den Medail-
len 70 weitere Finalplatzierungen (Platz 4-8), die darauf hinweisen, dass in vielen
Fällen der Anschluss an die Weltspitze vorhanden ist (Tab. 1). Bezüglich verpasster
Goldmedaillen enttäuschten insbesondere die Sportarten, auf denen die größten
Hoffnungen ruhten: Schwimmen mit nur 3 x Gold, Rudern (1 x Gold) und Radsport
(lediglich 1 x Gold und 1 x Silber), Australien ist jedoch – wie die erfolgreichen Jah-
re zeigen – auf mehr Goldmedaillen gerade in diesen Sportarten angewiesen. Auch
Triathlon, die Mannschaftssportarten und die Leichtathletik konnten nicht wie erhofft
zum Medaillenspiegel beitragen (Tab. 2). Aus 14 Entscheidungen in den Spiel-
sportarten nahm Australien nur eine einzige Medaille mit, eine Negativentwicklung,
die sich bereits 2012 in London abzeichnete.
Der seit 2004 bestehende Abwärtstrend bezüglich der Anzahl der Medaillen, der
Goldmedaillen und des Rankings in der Nationenwertung, dem mit der AWE-
Strategie begegnet werden soll, konnte somit in Rio nicht gestoppt werden. Die
Medaillenbilanz ist aktuell weiter negativ – Rio bedeutet das schwächste Abschnei-
den Australiens seit Barcelona 1992. Vor allem in der zweiten Hälfte der Spiele
konnte das Team kaum noch punkten (22 Medaillen in der 1. Hälfte, sieben in der 2.)
[101].

1 Die Medaillenwertung wurde infolge der Doping-Disqualifikation von S. Kirdjapkin über 50 km Gehen
  nachträglich korrigiert, wodurch Australien von ursprünglich Platz 10 auf Platz 8 vorrückte.

Olympiaanalyse Rio de Janeiro 2016                                                            157
Tab. 1. Medaillen und Platzierungen Australiens 2016 im Vergleich zu 2012, 2008 und 2004 [46]
                          Platz   Medaillen gesamt      1.         2.        3.      4.   5.   6.       7.     8.
Rio 2016                   10            29              8         11        10      12   18   11       18     11
London 2012                 8            35              8         15        12      11   19   10       13     9
Peking 2008                 6            46             14         15        17      11   16   19       10     9
Athen 2004                  4            50             17         16        17      19   12   15       8      10

Tab. 2. Medaillenverteilung nach Sportarten (in Klammern 2012; Pfeile: Tendenz vs. 2012)
                                                                                            Medaillen gesamt
Sportart                          Gold              Silber                  Bronze
                                                                                              Ist         Ziel
Badminton                     −          −     −             −         −        −         −        −        −
Basketball                   −          −     −             −         −       (1)        −       (1)       1
Beachvolleyball               −          −     −             −         −        −         −        −        −
Bogenschießen                −          −     −             −         1       (−)        1       (−)      0-1
Boxen                         −          −     −             −         −        −         −        −        −
Fechten                                                          Keine Teilnahme
Fußball                       −          −     −              −        −        −         −         −          −
Gerätturnen                   −          −     −              −        −        −         −         −         0-1
Gewichtheben                  −          −     −              −        −        −         −         −          −
Golf                          −          −     −              −        −        −         −         −         0-2
Handball                                                         Keine Teilnahme
Hockey                       −           −    −              −        −       (1)        −      (1)          0-1
Judo                          −           −    −              −        −        −         −       −           0-1
Kanurennsport                −          (1)   −             (−)       1       (−)        1      (1)
                                                                                                              2-4
Kanuslalom                   −          (−)   −             (1)       1       (−)        1      (1)
Leichtathletik               −          (2)   1             (1)       1       (−)        2      (3)          2-4
Mod. Fünfkampf               1          (−)   −              −        −        −         1      (−)           −
Radsport
  Straße                      −           −    −              −         −          −      −       −
  Bahn                       −          (1)   1             (1)        1         (−)     2      (2)          5-7
  Mountainbike                −           −    −              −         −         (3)     −      (3)
  BMX                        −           −    −             (1)        −          −      −      (1)
Reiten                       −           −    −              −         1         (−)     1      (−)          1-2
Ringen
  Freistil, Gr.-römisch       −          −     −             −          −            −    −         −         −
Rhythmische
                              −          −     −             −          −            −    −         −         −
Sportgymnastik
Rudern                       1          (−)   2             (3)        −         (2)     3      (5)          3-6
Rugby 7                      1          (−)   −              −         −          −      1      (−)          0-1
Schießen              
                              1          (−)   −             −          −            −    1      (−)          1-2
Pistole, Gewehr, Flinte
Schwimmen             
                              3          (1)   4             (6)        3         (3)     10     (10)        9-11
Becken, Freiwasser
Segeln                       1          (3)   3             (1)    −         −           4      (4)          3-5
Synchronschwimmen             −           −    −              −     −         −           −       −            −
Taekwondo                     −           −    −              −     −         −           −       −           0-1
Tennis                        −           −    −              −     −         −           −       −            −
Tischtennis                   −           −    −              −     −         −           −       −            −
Trampolin                     −           −    −              −     −         −           −       −            −
Triathlon                    −           −    −              −     −        (1)          −      (1)          0-1
Volleyball                                                    Keine Teilnahme
Wasserball                   −           −    −           −        −        (1)          −       (1)         0-1
Wasserspringen               −           −    −          (1)       1        (−)          1       (1)         1-2
Gesamt                        8          (8)   11        (15)       10      (12)          29     (35)        28-54

158                                                                                             FRANZ: Australien
Leistungsentwicklung Australien
                             70                                                                                  1

                                                                                                                 2
                             60
                                                                                                                 3

     Medaillen Gesamt/Gold
                             50

                                                                                                                      Platz Länderwertung
                                                                                                                 4

                                                                                                                 5
                             40
                                                                                                                 6
                             30
                                                                                                                 7

                             20                                                                                  8

                                                                                                                 9
                             10
                                                                                                                 10
                                  58   4   16     50    4   17    46   6   14     35   8   8      29 10    8
                              0                                                                                  11
                                  Sydney 2000     Athen 2004     Peking 2008      London 2012       Rio 2016
                                       Medaillen Gesamt           Goldmedaillen            Platz Länderwertung

Abb. 1. Leistungsentwicklung Australien 2000-2016

Von den 29 Medaillen gewannen die Frauen 12 (41,4 %), die Männer 16 (55,2 %),
eine wurde von einem Mixed Team gewonnen. Von den acht Goldmedaillen gingen
fünf an die Frauen, drei an die Männer. Insgesamt kehrten 71 der 422 australischen
Athleten mit einer Medaille nach Hause zurück (16,8 %), von denen 41 Olympianeu-
linge waren. Das mittlere Alter der Medaillengewinner lag bei 25,7 Jahren [130].
Tab. 3. Australische Medaillen nach Geschlecht
                                                    Gold               Silber              Bronze         Medaillen gesamt
Frauen                                               5                    3                  4                   12
Männer                                               3                    7                  6                   16
Mixed Team                                                                1                                       1

Trotz der insgesamt verfehlten Zielstellung registrierte Chef de Mission Kitty Chiller
„mit Stolz“ auch viele positive Ergebnisse der australischen Mannschaft: So wurden
in Rio von australischen Athleten insgesamt 23 persönliche Bestleistungen erzielt
(11 im Schwimmen, 11 in der Leichtathletik, eine im Bogenschießen) sowie ein Welt-
rekord (Schwimmen), drei Juniorenweltrekorde und drei olympische Rekorde auf-
gestellt. Die Segler zeigten mit vier Medaillen eine hervorragende Leistung − sieben
der 11 Teammitglieder fuhren mit einer Medaille zurück. Drei Sportarten gewannen
Medaillen, die in London medaillenlos geblieben waren (Moderner Fünfkampf, Bo-
genschießen, Schießen). Zudem gewann Australien das olympische Rugby-Debüt
der Frauen und noch nie erzielten so viele junge australische Athleten (U24) so vie-
le Top-Acht-Platzierungen wie in Rio. Der Kampf um die Medaillen sei oft sehr
knapp gewesen (Basketball, Wasserball, Fußball), weshalb Chiller „Platz 5 oder 6“
in der Nationenwertung nach wie vor für realistisch hält: „Ich habe keinen Zweifel

Olympiaanalyse Rio de Janeiro 2016                                                                                                          159
daran, dass wir das Potenzial haben“ [101; 113]. Dass Olympische Spiele etwas
Besonderes sind und ein Sieg keineswegs selbstverständlich, bittet auch Schwim-
merin Bronte Campbell zu beachten, die das Podium knapp verfehlt hat:
      „Bei Olympischen Spielen geht es nicht darum zu gewinnen, sondern darum, zu versuchen zu
      gewinnen“ [149].

Bereits vor den Spielen hatte jedoch die australische Sportführung alles als „extre-
me Enttäuschung“ eingestuft, was „keine Verbesserung der Platzierung von Lon-
don“ bedeutet [52]. Dementsprechend breit gefächert fallen auch die ersten Ein-
schätzungen des Abschneidens Australiens aus (siehe auch Abschnitt 5.8), sie rei-
chen von „solide“ über „Stagnation in vielen Sportarten und besorgniserregende
Rückentwicklung in anderen“ bis hin zu „Desaster“ [106; 117].
Während in den Verbänden die genauen Analysen noch im Gange sind, wurden in
ersten kritischen Reaktionen unmittelbar nach den Wettkämpfen bereits einige
Gründe für die schwachen Leistungen angeführt. Dazu zählen:
   Die unzureichende Konzentration und Fokussierung auf die Olympischen Spiele
    mit absoluter Unterordnung von WM etc. [108].
   Die Unfähigkeit der Mannschaftssportarten, insbesondere Hockey, sich im Tur-
    nierverlauf zu steigern [105].
   Ein falscher (zu früher) Zeitpunkt für die Nominierung, z. B. die Trials im
    Schwimmen (Bill Sweetenham) [110].
   Zu großer psychischer Druck auf die Athleten, insbesondere in Sportarten und
    Disziplinen mit Medaillenhoffnungen (Michael Maroney, früherer Triathlet und
    Direktor Triathlon Australia) [109].

2      Mannschaft und Altersstruktur

Australien wurde durch 422 Athletinnen und Athleten (214 Frauen und 208 Männer)
bei den Olympischen Spielen in Rio vertreten (London 410, Peking 435), davon wa-
ren 273 Olympianeulinge (64,8 %). Australien beschickte bis auf Fechten, Handball
und Volleyball alle Sportarten. Bei den Frauen fehlten zudem Ringerinnen, die
Männer konnten sich im Beachvolleyball, Fußball und Gerätturnen nicht qualifizie-
ren.
Die Athleten wurden von mehr als 300 Offiziellen begleitet, darunter einer fünfköpfi-
gen Mannschaftsleitung, den Teamleitern der Sportarten und den Verantwortlichen
für die Funktionsbereiche Leistung, Athletenservice, Service und Support, operati-
ves Geschehen, Medien und Medizin. Zu letzterem gehörte auch das australische
Recovery Centre vor Ort in Rio, in dem den Athleten rund um die Uhr sowohl de-
zentral in den größeren Mannschaften als auch zentral im australischen Headquar-
ter für die kleineren Mannschaften medizinisches Personal, Psychologen und Phy-
siotherapeuten zur Verfügung standen.

160                                                                                FRANZ: Australien
Das Durchschnittsalter der australischen Athleten lag bei 26 Jahren (Tab. 4).
178 Athleten (42,5 %) waren jünger als 25 Jahre (und wären damit 2020 im besten
Hochleistungsalter), jüngstes Mannschaftsmitglied war die 16-jährige Fußballerin
Ellie Carpenter, ältestes die Reiterin Mary Hanna, die in Rio mit 61 ihre 5. Olympi-
schen Spiele erlebte [45; 89; 143].
Tab. 4. Anzahl und Alter der australischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Sportarten [45]
                                            Teilnehmer                              Ø-Alter
          Sportart
                                 Frauen       Männer       Gesamt      Frauen       Männer         Gesamt
Badminton                           2             3           5          24           25             24
Basketball                         12            12          24          27           28             28
Beachvolleyball                     4             -           4          26            -             26
Bogenschießen                       1             3           4          23           23             23
Boxen                               1             2           3          28           24             25
Fechten                                                     Keine Teilnahme
Fußball                              18           -          18          24            -             24
Gerätturnen                          1            -           1          24                          24
Gewichtheben                         1            1           2          23            33            28
Golf                                 2            2           4          20            40            30
Handball                                                    Keine Teilnahme
Hockey                               16          16          32          25            28            26
Judo                                 3           4            7          22            21            22
Kanurennsport                        3           10          13          24            30            29
Kanuslalom                           1           2            3          22            27            25
Leichtathletik                       31          30          60          26            26            26
Moderner Fünfkampf                    1           1           2          24            19            22
Radsport
  Straße                             4            3           7           31           29            30
  Bahn                               7            9           16          27           23            25
  Mountainbike                       1            2           3           24           26            25
  BMX                                2            3           5           25           23            24
Reiten                               5            7           12          49           42            45
Ringen
  Freistil                           -            2           3                        34            34
  Griechisch-römisch                              1                                    30            30
Rhythmische Sportgymnastik           1                        1           24                         24
Rudern                               16          13           29          25           27            26
Rugby 7                              12          12           24          25           25            25
Schießen
                                     6           12           18          29           32            31
  Pistole, Gewehr, Flinte
Schwimmen
                                     20          19           39          22           23            23
Becken + Freiwasser
Segeln                               4            7           11         23            27            26
Synchronschwimmen                    9                         9          -                           -
Taekwondo                            2            2           4          31            28            30
Tennis                               4            6           10         29            26            27
Tischtennis                          3            3           6          31            25            28
Trampolin                            -            1            1                       24            24
Triathlon                            3            3           6          29            26            27
Volleyball                                                  Keine Teilnahme
Wasserball                         13           13            26         26            27            26
Wasserspringen                      5            4            9          22            24            23
Gesamt                             214          208          422         26            27            26

Olympiaanalyse Rio de Janeiro 2016                                                                    161
3      Die australische Spitzensportpolitik und -struktur

Der Staat fördert und organisiert den Sport in Australien auf allen Ebenen vom Brei-
ten- bis zum Spitzen- und Behindertensport. Dabei spiegelt sich die föderale Struk-
tur Australiens auch im Sportsystem wider. Die Dachorganisation der Regierung für
den Bereich Sport ist die Australian Sports Commission (ASC), die dem Gesund-
heitsministerium (Health Department) angegliedert ist, in dem die ministeriellen
Verantwortungsbereiche Gesundheit, Altersfürsorge und Sport gebündelt sind. Der
Spitzensport wird durch das Australian Institute of Sport (AIS) und die mit ihm über
ein kooperatives Netzwerk (National Elite Sports Council, NESC) verbundenen
Sportministerien sowie Sportinstitute und -akademien (SIS/SAS) der Bundesstaa-
ten und Territorien2 verantwortet. Weitere Akteure im australischen Sportsystem
sind das Nationale Olympische Komitee (AOC), das Paralympische Komitee (APC)
und die Australische Vereinigung der Commonwealth Games (ACGA) [42].

Abb. 2. Struktur des australischen Spitzensportsystems [42]

Die Australische Sportkommission (ASC)
Die ASC wurde 1985 als staatliche Einrichtung für die Entwicklung, Leitung und Fi-
nanzierung des australischen Sports gegründet und vereint als nationale Sportinsti-
tution seit ihrer Neustrukturierung 2012 drei Bereiche unter einem Dach: das für
den Spitzensport verantwortliche Australian Institute of Sport (AIS; Direktor

2 In Australien gibt es sechs Bundesstaaten und drei kontinentale Territorien, gemeint ist im Folgenden der
  besseren Lesbarkeit halber beides, wenn von Bundesstaaten gesprochen wird.

162                                                                                      FRANZ: Australien
Matthew Favier – früherer Mittelstreckenläufer und bis 2011 in leitender Position bei
UK Sports), den Bereich Breitensport und zukunftsfähiger Sport (Leitung Michael
Thomson – vielfältige Erfahrungen in Sport- und Wirtschaftsfunktionen) und den
Bereich Corporate Operations (Leitung Steve Jones – Leitungserfahrungen in Ar-
mee und Wirtschaft). ASC-Geschäftsführer war im Olympiazyklus 2012-2016 der
frühere Hürdenläufer und politikerfahrene Simon Hollingsworth3. Aufgaben und Ar-
beitsweise der ASC sind grundsätzlich im Australian Sports Commission Act von
1989 geregelt. Die Leitung der ASC obliegt einem durch die Regierung benannten
Vorstand unter Vorsitz von John Wylie, der – wie die anderen neun Vorstandsmit-
glieder auch – über zahlreiche Erfahrungen und Verbindungen in der Wirtschaft, im
Sport und in gesellschaftspolitischen Gremien verfügt. Die ASC trägt einerseits
Verantwortung für internationale sportliche Erfolge australischer Athleten als auch
für eine stärkere Sportbeteiligung der Bevölkerung. Sie arbeitet eng mit den natio-
nalen Sportverbänden (NSOs) und den nationalen Sportverbänden für Menschen
mit Behinderungen (NSODs) zusammen [1]. Die ASC kooperiert aber traditionell
auch mit namhaften australischen und internationalen Wirtschaftsunternehmen,
z. B. Nestlé, Pepsi, Unilever (Gatorade), 2XU (Thermoskin), Beiersdorf u. a. [52].
Neben der zentralen Leitung des australischen Sports gibt es in den Bundesstaaten
und Territorien weitere acht mit der ASC kooperierende staatliche und regionale
Sportministerien, Sportinstitute und -akademien (SIS/SAS) mit entsprechenden un-
tergeordneten Einrichtungen und Institutionen für die Belange des Sports auf bun-
desstaatlicher Ebene und für die „bessere Unterstützung der Athleten durch natio-
nal abgestimmte Hochleistungspläne“ [28, S. 1). Diese Einrichtungen bilden ein ko-
operatives institutionelles Netzwerk mit dem Australian Institute of Sport (AIS). Zu
diesem Zweck haben 2011 bis auf New South Wales alle Bundesstaaten und Terri-
torien das kooperative sogenannte National Institute System Intergovernmental Ag-
reement mit dem AIS abgeschlossen [28].
Die ASC verfügt über eine Personalkapazität von 513,1 Stellen an 16 Standorten
(Stand Oktober 2015), davon die Mehrheit (420,3) am 66 ha großen Hauptsitz in
Canberra. Viele der Mitarbeiter sind ehemalige Aktive, Trainer oder selbst sportlich
aktiv [52; 126].
Zu den wichtigsten Arbeitsergebnissen der ASC 2014/15 zählt CEO Hollingsworth:
   Die Initiierung der Breitensportinitiative Play.Sport.Australia. zur Gewinnung von
    noch mehr Australiern für das regelmäßige Sporttreiben.
   Leitungsreformen und strukturelle Veränderungen in den Sportverbänden.
   Ein Sportförderprogramm in Zusammenarbeit mit Schulen („Sporting Schools“),
    für dessen Unterstützung innerhalb von sechs Monaten 30 Sportverbände ge-
    wonnen und 10 Pilotprogramme erfolgreich gestartet werden konnten. Insge-
    samt waren 3.600 Grundschulen und 1.200 Trainer daran beteiligt [52].

3 Nach den Spielen von Rio gab Hollingsworth diese Position ab und orientierte sich beruflich neu als Vize-
  Finanzminister des Staates Victoria. Während der Suche nach einem neuen CEO wird AIS-Chef Favier
  diese Position kommissarisch bekleiden [122].

Olympiaanalyse Rio de Janeiro 2016                                                                    163
Abb. 3. Organisationsstruktur der Australian Sports Commission (Stand 30. Juni 2015) [52]

4      Das Australian Institute of Sport (AIS)

Die Belange des Leistungssports in Australien werden durch das Australian Institu-
te of Sport vertreten und gelenkt, das die „strategische Spitzensporteinrichtung“ der
Australian Sports Commission (und damit der Regierung) verkörpert und „verant-
wortlich für internationale Erfolge“ ist. Das AIS bietet den Spitzenathleten „Expertise
und Service auf Weltspitzenniveau“ und ist dafür zuständig, dass die Athleten „auf
ihrem Weg an die Weltspitze jederzeit die richtige Unterstützung zum richtigen
Zeitpunkt“ erhalten [6]. Diese Unterstützung umfasst die Bereiche Training, Sport-
wissenschaft, Medizin, Trainingsplanung, Laufbahnberatung und Ausbildung [42].

164                                                                                         FRANZ: Australien
Das AIS, das über 197 Vollzeitstellen verfügt, arbeitet dabei eng mit den nationalen
Spitzensportverbänden, den Sportinstituten und -akademien in den Bundeslän-
dern/Territorien sowie dem NOK, dem Paralympischen Komitee und der Australi-
schen Vereinigung für Commonwealth Games zusammen [9; 42].
Die Gründung des AIS im Januar 1981 bezeichnet sein heutiger Direktor als „Revo-
lution des australischen Sports“ [9]. Katalysator für diesen Schritt war das schlechte
Abschneiden Australiens bei den Olympischen Sommerspielen 1976 (1 x Silber, 4 x
Bronze, Platz 32). Veränderungen in Richtung eines „professionelleren Herange-
hens an den Spitzensport“ wurden jedoch bereits 1973 eingeleitet. Nach Analysen
erfolgreicher Spitzensporteinrichtungen Europas empfahl der Sportwissenschaftler
John Bloomfield der föderalen Regierung Australiens die Schaffung eines ver-
gleichbaren nationalen Sportinstituts. Ein Umsetzungsplan dafür wurde 1974/75
von Dr. Allan Coles vorgelegt, der allerdings erst im Januar 1981 mit der Eröffnung
des AIS realisiert wurde, die der australische Ministerpräsident Fraser persönlich
vornahm. Erster Institutsdirektor war der erfolgreiche Schwimmtrainer Don Talbot.
Die Aufgabe des Instituts war und ist die „Entwicklung des Spitzensports in Austra-
lien durch die Bereitstellung von besten Trainingsbedingungen, Serviceeinrichtun-
gen und finanziellen Mitteln für Sportverbände und potenzielle Spitzenathleten“. Be-
reits bei den Olympischen Spielen 1984 waren die ersten Erfolge der Arbeit des In-
stituts sichtbar, das sich zu Beginn auf nur acht Sportarten konzentrierte. AIS-
Athleten gewannen in Los Angeles sieben der 12 Medaillen im Schwimmen, die
Turner erreichten ihre beste Leistung im Vergleich zu allen Spielen zuvor und die
Leichtathleten beendeten die Wettbewerbe in den Top Sechs. Daraufhin wurden
vier weitere Sportarten in die direkte Betreuung des AIS in Canberra aufgenom-
men, das Budget des Instituts 1985/86 wurde um 60 % erhöht. Bis 1985 arbeitete
das Institut als private Einrichtung, der Status wurde dann in einen staatlichen um-
gewandelt, u. a. um die Arbeit für das Parlament durchsichtiger zu machen. Zudem
wurde der Vorstand stärker in die alltägliche Arbeit und strategische Entscheidun-
gen des Instituts einbezogen. 1987 wurde das AIS der Australian Sports Commission
unterstellt [7]. Die Serviceleistungen des AIS wurden später auf insgesamt 35 Ver-
bände, darunter auch paralympische, ausgeweitet, die sowohl zentral in Canberra
als auch an ausgewählten dezentralen Trainingsstandorten angeboten werden [7].
Heute ist das Institut in Canberra ein sportartübergreifendes „Exzellenzzentrum“,
das sowohl von einheimischen wie auch von ausländischen Athleten genutzt wird.
Es erfüllt drei Hauptaufgaben:
   Strategische Führung und Lenkung des Hochleistungssports,
   Vorbereitung und „Rundum“-Unterstützung der Spitzenathleten,
   Förderung einer nationalen angewandten Trainingswissenschaft [7; 9].

Zum Führungsstab neben Direktor Matthew Favier und seinem Stellvertreter
Andrew Logan (Bereich Training) gehören die Leiter der Bereiche Biomechanik,
Bewegungswissenschaft, Leistungssportstrategie, Leistungsbetrieb, Aus- und Wei-
terbildung von Trainern und Führungskräften, Kraft & Konditionierung, Sportpsy-

Olympiaanalyse Rio de Janeiro 2016                                                165
chologie, Laufbahnberatung/Ausbildung, Innovation, Forschung & Entwicklung,
Physiotherapie, Ernährungsberatung, Physiologie, Angewandte Sensortechnologie,
Sportmedizin sowie der Leiter des Europäischen Trainingszentrums im italieni-
schen Gavirate.
Der Campus in Canberra ist der Kern des AIS, 11 Sportarten haben dort ihr natio-
nales Trainingszentrum etabliert. Das Training an diesem Standort findet entweder
ganzjährig oder in Form von Trainingslehrgängen statt und wird von AIS-betreuten
und -finanzierten nationalen Trainingszentren für ausgewählte Sportarten in ande-
ren Städten ergänzt (z. B. Hockey in Perth, Radsport im High Performance Unit des
australischen Radsportverbands in Adelaide, Segeln in Sydney, Wasserspringen in
Brisbane oder Kanurennsport und Triathlon in Gold Coast). 2015 zählte das AIS
45.000 Übernachtungen in seinem Hochleistungscamp, was einen Anstieg um 10 %
und 120 Übernachtungen pro Tag (davon ca. 40 Dauerbewohner) bedeutet [9].
Für ein hochwertiges Training sind ca. 75 Trainer direkt am AIS angestellt. Etwa
700 Athleten erhalten derzeit finanzielle Unterstützung, beste Trainingsbedingun-
gen und Zugang zu den hochmodernen Sportanlagen inklusive Unterkunft, Verpfle-
gung, Reisekostenzuschüsse aber ebenso Unterstützung bei ihrer schulischen und
beruflichen Ausbildung durch das Institut [7].
Das AIS kann im Rahmen von Führungen (geleitet durch AIS-Mitarbeiter oder im
Rahmen offizieller Sightseeingtours) von der Öffentlichkeit besichtigt werden. 2015
haben 115.900 Menschen an einer solchen Tour teilgenommen, insgesamt haben
bereits mehr als 515.000 Menschen das AIS besucht [52].

4.1     Arbeitsbereiche und Aufgaben des AIS
Die Betreuungs- und Serviceleistungen des AIS für Athleten, Trainer und Verbände
erfolgen in vier Hauptbereichen:
     Performance Support (sportwissenschaftliche und medizinische Unterstützung),
     Technology & Innovation (Forschung und Entwicklung),
     Personal Excellence (Persönlichkeitskompetenzen, duale Karriere),
     Nutrition (Ernährungsberatung).

4.1.1 Performance Support
Im Rahmen des Performance Support Program des AIS erhalten die Spitzenathle-
ten breite wissenschaftliche und medizinische Unterstützung und eine umfassende
Betreuung ihrer Trainings- und Wettkampftätigkeit. Dieser Service beinhaltet:
     Sportwissenschaft
       Bewegungswissenschaft (Biomechanik/Leistungsdiagnostik/motor. Lernen),
       Physiologie und Wiederherstellung,
       Informationswissenschaft, Datenbanksystem.
     Klinische Leistungen
       Sportmedizinische Betreuung,
       Physiotherapie,

166                                                                  FRANZ: Australien
 Kraft- und Konditionstraining,
     Ernährungsberatung,
     Psychologische Betreuung.
   Qualitätssicherung (z. B. Absicherung von Teststandards) [30].

Bewegungswissenschaft
Der 2010 gebildete Bereich Movement Science arbeitet interdisziplinär sowohl pra-
xisorientiert als auch forschend und in Kooperation mit den Trainern und Betreuern
der Athleten und mit Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen auf den Ge-
bieten Leistungs-, Trainings- und Wettkampfanalyse, Biomechanik und motorisches
Lernen in zahlreichen Sommer- und Wintersportarten (olympisch und paralym-
pisch). Ergebnisse aus den aktuellen Analysen wie auch Längsschnittuntersuchun-
gen von Sportlern sind Leistungsstrukturaufhellungen, Trainingsempfehlungen und
Hinweise für die Verletzungsprävention.
Im Bereich Bewegungswissenschaft, in dem ca. 32 Mitarbeiter beschäftigt sind, da-
runter Sportwissenschaftler und Biomechaniker, werden gemeinsam mit Partnern
aus dem akademischen Bereich und über Graduierungsprojekte zahlreiche For-
schungsprojekte realisiert, bei denen auch jeweils der nationale oder internationale
Sportverband beteiligt ist. Beispiele aus der Forschungstätigkeit des Fachbereichs
sind neben anderen:
   der Einfluss des Wellenwiderstands auf Leistung und Bilderkennung im
    Schwimmen,
   Biomechanische Analyse und Lerndesign für Spitzenleistungen im Speerwerfen,
   Analysetechniken zur Identifizierung von Spielstrategien, Trends, Verhaltens-
    weisen und Taktiken in den Sportspielen,
   der Einfluss von Technologien und des Rollstuhldesigns auf die Leistung,
   die Entwicklung von Sensortechnologien zur Echtzeit-Belastungssteuerung in
    verschiedenen Sportarten,
   Entwicklung von Echtzeittechnologien für die Wettkampf- und Technikanalyse,
   Biomechanik von Rückenverletzungen im Cricket und in anderen Sportarten [31].

Physiologie
Zum 1981 etablierten AIS Department of Physiology gehören
   das Hämatologie-/Biochemielabor zur Analyse von Blut-, Speichel-, Schweiß-
    und Urinproben auf physiologische Auffälligkeiten und zur Erkennung der An-
    passungsreaktion an Trainings- und Wettkampfbelastungen,
   die technische Werkstatt für die Herstellung speziellen Equipments (darunter
    waren in den letzten Jahren z. B. ein automatisiertes Atemgasanalysesystem, ein
    modernes Laufbandsteuerungssystem, ein System zur Vermessung von Ru-
    derkursen, ein Fahrradergometer entsprechend der kinetischen Bedingungen
    im Straßenradsport oder das Höhenhaus in Canberra für bis zu 12 Sportler [32].

Olympiaanalyse Rio de Janeiro 2016                                              167
Auch dieser Bereich arbeitet interdisziplinär und in Kooperation sowohl mit akade-
mischen Einrichtungen als auch mit Partnerunternehmen in der Wirtschaft. Haupt-
anliegen der etwa 40 Mitarbeiter (darunter erfahrene Physiologen, aber auch zahl-
reiche Doktoranden) ist die direkte sportwissenschaftliche Unterstützung des Athle-
ten, beispielsweise durch die Aufhellung und Beeinflussung der leistungsbestim-
menden physiologischen Parameter.
Das AIS Recovery Centre im Bereich Physiologie wurde eingerichtet, um einerseits
die Mechanismen um die belastungsinduzierte Ermüdung und das breite Spektrum
der Wiederherstellung aufzuklären und optimale Wiederherstellungsstrategien für
die Athleten zu finden und diese andererseits direkt vor Ort anzubieten. Unter an-
derem erfolgen Weiterbildungen von Athleten und Trainern zum Thema Ermüdung
und Wiederherstellung und ggf. die Bereitstellung dafür notwendigen Equipments,
Schlafanalysen von Athleten, die Analyse von Trainingsreaktionen, die Entwicklung
von Reiseempfehlungen, die Einflussnahme auf die räumliche und bauliche Gestal-
tung von Arealen zur Wiederherstellung sowie Forschungen zum Thema belas-
tungsinduzierte Ermüdung und Wiederherstellung. Zum Recovery Centre gehören
ein Nass- und ein Trockenbereich mit einer Vielzahl regenerativer Möglichkeiten.
Ein aktueller Forschungsschwerpunkt dieses Bereichs ist die akute und langfristige
Auswirkung sportlicher Belastung auf das Immunsystem und Krankheiten bei Spit-
zen- und Nachwuchsleistungssportlern [32].

Sportpsychologie
Die Arbeit des Bereichs Performance Psychology bietet durch acht direkt angestell-
te Psychologen (einer davon z. B. ausschließlich für den Radsport) und über exter-
ne Partner vielfältige Serviceleistungen für Sportler, Trainer und Verbandsfunktio-
näre an. Im Vordergrund stehen Methoden zur Leistungssteigerung. Weitere Ziele
sind die Effektivierung der organisatorischen Strukturen, die Erhaltung der psychi-
schen Gesundheit, die Schaffung eines produktiven Mannschaftsumfelds und einer
gesunden Kommunikation oder das Bewältigen von Leistungstiefs, persönlichen
Krisen und Verletzungen. Psychologische Hilfe wird den Athleten auch zur Erlan-
gung einer gesunden Work-Life-Balance oder bei der Bewältigung des Übergangs
vom Leistungssport ins „Leben danach“ angeboten. Zum Einsatz kommen u. a. die
systematische Selbstregulation von kognitivem Denken, Emotionen, Achtsamkeit
und Energie sowie Weiterbildungs- und Trainingsmaßnahmen [33].
Eine Sonderleistung des Bereichs Sportpsychologie am AIS ist die Initiative „Brain-
waves“ – speziell für Sportler entwickelte Merkblätter mit praktischen Informationen
zu psychologischen Fertigkeiten im Sport. Schwerpunkte darin sind Zielsetzung,
Konzentration, Motivation, Imagination, Wettkampfroutinen, Selbstregulation, Selbst-
vertrauen, Verletzungsmanagement und Wiederherstellung [33].
Eine weitere Initiative ist das Onlineprojekt „High Performance Mental Skills Online“
(HPMS Online) zur Unterstützung des Verständnisses und Einsatzes von mentalen
Fertigkeiten in Training und Wettkampf. HPMS Online umfasst sechs Module (Ziel-

168                                                                    FRANZ: Australien
setzung, Motivation, Konzentration, Imagination, Getting in the zone, Wettkampf-
routinen) für Sportler aller Leistungsebenen, die kostenfrei über die Lernplattform
der Australia Sports Commission angeboten werden. Jedes Modul enthält Informa-
tionen über die jeweilige Fertigkeit sowie darüber, wie sie eingesetzt und entwickelt
werden kann [33].
Die sportpsychologische Betreuung der Spitzenathleten ist in Australien „integraler
Teil der sportwissenschaftlichen Serviceleistungen“. Speziell ausgebildete, erfahre-
ne Sportpsychologen standen den australischen Athleten nicht nur in der Vorberei-
tung auf die Olympischen Spiele, sondern auch vor Ort in Rio 24 Stunden am Tag
sowohl zentral im olympischen Dorf als Bestandteil des australischen Medical
Headquarter als auch dezentral in den Mannschaften zur Verfügung. Die Überzeu-
gung der Psychologen ist: „Die psychische Stärke entscheidet über den Platz auf
dem Podium“ [94].

Sportmedizin und Physiotherapie
Der Bereich Sportmedizin beschäftigt Ärzte und Krankenschwestern, betreut eine
AIS-eigene Apotheke und arbeitet eng mit den anderen Performance-Support-
Bereichen des AIS zusammen. Der Bereich Sportmedizin betreut und behandelt die
Spitzenathleten, führt aber auch zunehmend eigene Forschungen zu sportrelevan-
ten Themen durch. Zu den aktuellen Forschungsthemen gehören z. B. die Behand-
lung von Eisenmangelzuständen, Gehirnerschütterungen, Achillessehnenproble-
men, Verletzungen der ischiokruralen Muskulatur oder – in Zusammenarbeit mit
Partnern aus Sportwissenschaft und Forschung – die Bedeutung genetischer Fak-
toren für Verletzungen von Knochen und Bändern [34].
Im Projekt „Stay healthy“ wurden die potenziellen Olympiaathleten und WM-Starter
2016 im Sinne der umfassenden Gesundheitsfürsorge und Krankheitsprävention
betreut [34].
Die Abteilung Physiotherapie bietet den australischen Spitzenathleten mit 19 Mitar-
beitern einen „Weltklasseservice“, einmal direkt am AIS, zum anderen durch die
Begleitung und Betreuung der Athleten auf Trainings- und Wettkampfreisen [35].

Kraft und Konditionierung
Ein weiterer Part des Performance Support des AIS für die Athleten ist das Kraft-
und Konditionstraining, für das ein eigener Bereich mit einem eigenen 13-köpfigen
Mitarbeiterpool zur Verfügung steht. Für jeden Athleten wird von den Trainingswis-
senschaftlern in Kooperation mit Sportmedizinern und Trainern ein individuell auf
seine spezifischen Bedürfnisse zugeschnittenes Trainingsprogramm zur Entwick-
lung und Optimierung der konditionellen, koordinativen und technischen Fähigkei-
ten und zur Schaffung bestmöglicher komplexer Leistungsvoraussetzungen erar-
beitet. Der Athlet muss dieses Training dokumentieren, um Trainingswirkung und
Leistungsfortschritte ersehen und gegebenenfalls Korrekturen im Training vorneh-
men zu können. Das Feedback an die Sportler und Trainer erfolgt mittels moderner
Kommunikationstechnologien. Der Bereich AIS Strength and Conditioning stellt al-

Olympiaanalyse Rio de Janeiro 2016                                               169
len Athleten im Rahmen von Australias Winning Edge – sowohl am Zentrum in
Canberra als auch dezentral an anderen Standorten – individuelle Trainingspro-
gramme zur Verfügung [36].
Auch der Bereich AIS Strength and Conditioning führt eigene In-House-Forschung
durch. Bearbeitete Forschungsprojekte waren beispielsweise:
   Die Grundlagen gut machen: Verständnis des Coaching-Prozesses im Hoch-
    leistungssport durch effektives Planen, Beobachten und Überprüfen.
   Kontrolle der Kraftentwicklung bei Basketballspielern im Juniorenbereich.
   Ermittlung „optimaler“ Belastungen für Spitzensportler zur Maximierung des indi-
    viduellen Transfers von Trainingswirkungen für die sportartspezifische Leistung.
   Verständnis und Quantifizierung akkumulierter anaerober Ermüdung.
   Untersuchung ein- und beidseitigen Krafttrainings der unteren Extremitäten und
    Auswirkung auf die Leistung [36].

Eine übergreifende Leistung im Rahmen des AIS Performance Support ist die Qua-
litätssicherung über das National Sport Science Quality Assurance Program
(NSSQA). Dieses Programm des AIS dient der Schaffung einheitlicher, zertifizierter
nationaler Teststandards in der australischen Sportwissenschaft, so wie es auch in
anderen Bereichen wie Pathologie, Hämatologie oder Materialprüfung üblich ist,
und deren stetiger Verbesserung. In die Evaluationen sind sowohl das AIS als auch
die regionalen Sportinstitute und -akademien einbezogen, sie betreffen das Perso-
nal ebenso wie die Dokumentation, die Kalibrierung und den Zustand der Untersu-
chungstechnik, die Testdurchführung und die Darstellung der Untersuchungser-
gebnisse. Untersuchungslabore und Sporteinrichtungen können so über das
NSSQA zertifiziert werden [37].

Abb. 4. Leistungsangebot des Bereichs Performance Support [31-37]

170                                                                   FRANZ: Australien
4.1.2 Technology & Innovation
Unter der Überschrift AIS Innovation Research and Development findet die (techno-
logieorientierte) Forschung für den Hochleistungssport statt. Dieser Punkt wird im Bei-
trag als eigener Abschnitt im Gesamtkontext Sportforschung behandelt (siehe 6.1).

4.1.3 Personal Excellence – Persönlichkeitskompetenzen und duale Karriere
Auf die Persönlichkeitsentwicklung sowie die berufliche/schulische Ausbildung ne-
ben dem Sport (duale Karriere) wird bei allen am AIS betreuten Athleten großer
Wert gelegt. Die Work-Life-Balance wird als notwendiger Faktor sportlicher Spitzen-
leistungen betrachtet. Personal Excellence (früher: Athlete Career and Education
Network ACE) ist eine Initiative des AIS, die den Athleten in ihrer Gesamtentwick-
lung und bei der Entscheidungsfindung für den Sport und das Leben neben dem
Sport helfen soll. Den Athleten werden verschiedene Ratgeber und Bildungsmög-
lichkeiten angeboten. Eine davon ist die Initiative myAISplaybook für Spitzenathle-
ten, eine nur für die Athleten zugängige interaktive virtuelle Kommunikations- und
Lernplattform zum sportartübergreifenden Erfahrungsaustausch. Trainer und Sport-
verbände haben keinen Zugang zu diesem Portal. Das AIS hat die Möglichkeit,
über diesen Weg aktuelle Themen und Inhalte im Rahmen von Personal
Excellence an die Sportler heranzutragen. Es arbeitet dazu auch mit den Sportver-
bänden sowie den Sportinstituten und -akademien der Bundesländer zusammen.
Für Athleten unter 16 Jahren und deren Eltern wurde ein separater Bereich einge-
richtet. Ende 2015 waren 1.811 Sportler bei myAISPlaybook registriert [13; 14; 52].
Für die Unterstützung australischer Spitzensportler bei der Erlangung einer akade-
mischen Ausbildung bei Fortsetzung der leistungssportlichen Karriere wurde das
Elite Athlete Friendly University Network (EAFU) geschaffen, in dem sich spitzen-
sportfreundliche Universitäten zusammengeschlossen haben, die den Wert der
„Kombination von Sport und höherer Bildung für einen größeren Lebenserfolg“ so-
wie die spezifischen Anforderungen der Kombination von Studium und Trai-
ning/Wettkampf anerkennen. Momentan gehören diesem Bündnis 39 Universitäten
und Hochschulen aus allen Teilen Australiens an. Gemeinsam werden Wege und
Möglichkeiten gesucht und praktiziert, Spitzensportler trotz des durch den Sport
dominierten Umfelds zu einem akademischen Abschluss zu führen. Im Rahmen
des EAFU-Projekts wird den studierenden Athleten beispielsweise neben der Un-
terstützung durch das AIS eine Kontaktperson der Hochschule zur Seite gestellt,
das Studium wird flexibilisiert (z. B. Flexibilisierung der Seminare, Vorlesungen und
Praktika, Kursverlängerungen, Möglichkeit von Studienunterbrechungen und -ver-
längerungen z. B. im Olympiajahr, externes Schreiben von Prüfungen unter Prü-
fungsbedingungen), es wird Unterstützung bei der Immatrikulation oder bei Zugän-
gen zu bestimmten Kursen gewährt. Dabei wird betont, dass trotz aller Sportler-
freundlichkeit „die akademischen Standards rigoros angewandt werden“. In den
Genuss des EAFU-Programms kommen Athleten, die vom AIS, den SIS/SAS oder
einigen Ligavereinigungen in Spielsportarten als Spitzensportler anerkannt sind. Im

Olympiaanalyse Rio de Janeiro 2016                                                 171
Falle des Fehlens dieser Anerkennung kann sich der Sportler auch selbst direkt bei
der Universität um diese Anerkennung bewerben [15; 16].
Ein weiteres Modell der Unterstützung von Spitzenathleten in der Ausbildung und
einer allseitigen Persönlichkeitsentwicklung ist das „Job Opportunities Program“. Im
Rahmen dieses Programms sind einige Athleten bei großen australischen Unter-
nehmen angestellt, wo sie Fertigkeiten erwerben und Geld verdienen können, den-
noch aber ausreichend freie Zeit für Training und Wettkampf haben. Auch die ASC
bietet eigene Ausbildungsprogramme an [7].
AIS Personal Excellence ist auch Mitglied im Career Industry Council of Australia
(CICA), einem Zusammenschluss nationaler, bundesstaatlicher und territorialer Or-
ganisationen zur Unterstützung und Förderung der beruflichen Karriere aller Aus-
tralier. Im Rahmen dieser Mitgliedschaft werden Spitzenathleten bei Ausbildung
und beruflicher Entwicklung beraten und unterstützt [17].
Zur Personal Excellence-Initiative des AIS gehört auch ein „Sportlervermietungsbü-
ro“, über das Organisationen, Schulen, Vereine, Sportklubs u. ä. Nachwuchs- und
Spitzensportler als Redner oder Gast für bestimmte Aktionen, von der Durchfüh-
rung von Siegerehrungen bis hin zu Motivationskursen, „buchen“ können. Je nach
Art der Veranstaltung und des Leistungsniveaus des Athleten nimmt das AIS dafür
65-1.360 €4 pro Event ein [18].
Eine weitere Bildungsleistung bietet das AIS gemeinsam mit der ASC in einem so-
genannten „Learning Portal“ an. Trainer, Führungskräfte, Athleten und Eltern kön-
nen hier freie Onlinekurse zu verschiedenen (Leistungs-)Sportinhalten belegen.

4.1.4 Nutrition
Die Ernährungsberatung ist der vierte große Servicebereich des AIS. Ziel ist die
Bereitstellung eines „Sporternährungsservice auf Weltklasseniveau für die AIS-
Sportler und die Nationalmannschaften“ [38]. Dies geschieht über die direkte Arbeit
von Ernährungsberatern mit den Athleten (Einzelberatungen und Gruppenveran-
staltungen), die Bereitstellung von Informationsblättern zu wichtigen Ernährungs-
themen, wie z. B. Ernährung auf Reisen, Flüssigkeitshaushalt, Ernährung im Trai-
ning und im Wettkampf usw., die Sensibilisierung und Aufklärung der Athleten und
Trainer für Ernährungsthemen (Theorieveranstaltungen wie auch spezielle Koch-
kurse), Publikationen (z. B. AIS Sports Supplement Program) u. a. Die Athleten
können sich bei Bedarf an die Ernährungsberater wenden, diese aber auch auf
Empfehlung beispielsweise des Trainers oder Arztes aufsuchen. Zudem verfügt
das AIS über eine eigene Mensa mit eigener Küche zur Versorgung der Athleten.
Mitunter begleiten die Ernährungsberater Athleten und Mannschaften auf Wett-
kampfreisen oder in Trainingslager oder arbeiten für diese Fälle spezielle Ernäh-
rungspläne aus.

4 Alle Angaben in diesem Beitrag wurden von australischen Dollar mittels www.oanda.com in Euro umge-
  rechnet. Die Zahlen unterliegen Kursschwankungen und wurden auf den letzten Ziffern gerundet.

172                                                                                FRANZ: Australien
Wie die anderen Bereiche des AIS bestreitet auch der Bereich Ernährung vielfältige
eigene Forschungen im Bereich Sporternährung, oft interdisziplinär in Kooperation
mit den anderen AIS-Bereichen (insbesondere Sportmedizin und Physiologie) oder
externen Universitäten, insbesondere der Deakin University Melbourne, und mit
dem Ziel, „praktische Ernährungsstrategien für die Athleten [zu finden], um optimale
Leistungen zu erreichen“. Wenn es die AIS-internen Verpflichtungen erlauben, bie-
tet das AIS seine Serviceleistungen und sein Know-how auf kommerzieller Basis
auch Interessentengruppen außerhalb des Spitzensports, z. B. an Schulen oder
Hochschulen, in Profisportgruppen oder für Geschäftsleute, an. Außerdem werden
Weiterbildungen für Sporternährungsexperten durchgeführt [38].

4.2    Sportanlagen und Trainingszentren des AIS
Neben der vielfältigen wissenschaftlichen Expertise und gut ausgebildeten Trainern
verfügt das AIS auch über eine Reihe eigener Sportanlagen, die sowohl den Spit-
zenathleten zur Verfügung stehen als auch von anderen Sportlern gemietet werden
können. Dazu gehören fünf Rasenplätze (insbesondere für Fußball und Rugby), ein
Kunstrasenplatz, ein Leichtathletikkomplex, ein Zentrum für Spielsportarten (Bas-
ketball, Netball, Volleyball, Badminton, Handball, Tischtennis, Futsal), ein Zentrum
für Gerätturnen, ein Schwimmkomplex mit zwei 50- und einem 25-m-Becken, ein
Fitnesskomplex, ein Kraft- und Konditionsraum sowie ein Zentrum zur Wiederher-
stellung mit vielfältigen Möglichkeiten der Physiotherapie, Wärme- oder Kälteappli-
kation in einem Trocken- und einem Nassbereich [11].
Das AIS Combat Centre
2013 wurde das AIS Combat Centre, ein Exzellenzzentrum für die vier olympischen
Kampfsportarten Boxen, Judo, Taekwondo und Ringen geschaffen, das auch von
anderen Kampfsportarten genutzt werden kann. Das Zentrum, möglicherweise der
Versuch, die Anzahl an Sportarten mit Medaillenpotenzial zu erhöhen, verfügt über
moderne Sportstätten und ein junges engagiertes Wissenschaftlerteam, das den
Athleten und Teams mit vielfältigen Serviceleistungen und Initiativen zur Verfügung
steht. Ein Aufsichtsrat überwacht für das AIS und die vier vertretenen Sportverbän-
de die Finanzen, die strategischen Entscheidungen und die operative Arbeit des
Zentrums. Geleitet wird das Gremium vom stellvertretenden Direktor des Bereichs
Athlete, Coaching and Leadership des AIS [142].
Das European Training Centre
Ein wichtiger Stützpfeiler des AIS ist dessen European Training Centre in Italien,
das ein ganzjähriges Training australischer Athleten vieler Sportarten, inklusive
sportwissenschaftlicher und sportmedizinischer Betreuung, in Europa absichert.
Der Anspruch an das Zentrum in Gavirate (Provinz Varese) ist der gleiche wie der
des „Mutterzentrums“ in Canberra, es will den Athleten insbesondere in der Vorbe-
reitung auf wichtige Wettkämpfe in Europa ein Stück „Zuhause weit weg von zu
Hause“ bieten und Nachteile durch lange Anreise, Zeit- und Klimaumstellung etc.
vermeiden. Neben den verschiedenen Sportstätten gehören voll ausgestattete Un-

Olympiaanalyse Rio de Janeiro 2016                                              173
terkünfte, Versorgungseinrichtungen, Lern- und Studienräume, Physiotherapie,
Sportmedizin, Labore für die wissenschaftliche Arbeit und weitere Serviceeinrich-
tungen zum Zentrum. Alle Einrichtungen sind auch für Behinderte zugängig. Hinzu
kommen weitere Sportanlagen und Trainingsmöglichkeiten der Provinz Varese oder
privater Anbieter in der Region, die über Kooperationsverträge mit der Australian
Sports Commission genutzt werden [12].

4.3     Das Olympic Winter Institute of Australia
Das Olympic Winter Institute of Australia (OWIA) wurde nach den Olympischen
Winterspielen 1998 vom AOC zur Unterstützung der australischen Athleten in den
Wintersportarten gegründet. Die Finanzierung des Instituts erfolgt durch das AOC
und die australische Regierung. Das AIS unterstützt das Institut, indem es bei-
spielsweise seine umfangreiche Expertise bereitstellt. Die Aufgaben des OWIA
werden kooperativ durch rund 50 Mitarbeiter erfüllt, von denen 15 direkt am OWIA
angestellt sind, andere wiederum (wie z. B. Trainer, Physiotherapeuten oder Wis-
senschaftler) bei den Sportinstituten und -akademien in den Bundesländern, bei
den Sportverbänden oder am AIS. Das Institut arbeitet bei speziellen Fragen zu-
dem mit renommierten Wirtschaftsunternehmen zusammen. Der Fokus des OWIA
ist aktuell auf die Disziplinen gerichtet, von denen Medaillen bei den OWS 2018
erwartet werden. Eine zweite Ausrichtung ist die langfristige Erweiterung der Me-
daillenchancen im kommenden Olympiazyklus bis 2022. Die geförderten Winter-
sportarten sind in erster Linie Freestyle (Sprung, Akrobatik, Slopestyle, Halfpipe)
und Snowboard (Cross, Slopestyle, Halfpipe), die sogenannten „Foundation
Sports“. Für die individuelle Förderung der Athleten (momentan 29) gelten leicht
modifiziert die Kriterien analog den Sommersportarten. Die Förderung von Athleten
mit möglicherweise langfristiger Perspektive ohne aktuelle Spitzenleistungen entfällt
in den „Non-Foundation“-Sportarten (Schnee- wie Eissportarten) [63; 64; 65].
2015 verfügte das OWIA über Einnahmen in Höhe von insgesamt 3,01 Mio. €, die
wichtigsten Posten bei den Ausgaben waren die Finanzierung der Sportartenpro-
gramme in den Sportverbänden inklusive Australia’s Winning Edge (1,76 Mio. €)
sowie die Kosten für Administration, Servicepersonal usw. (1,09 Mio. €). Dem Insti-
tut blieb am Jahresende ein Plus von 195.500 € [65].

4.4     Die Sportinstitute und -akademien in den Bundesstaaten und Territorien
Neben dem AIS und dem Olympic Winter Institute of Australia gibt es in den austra-
lischen Bundesstaaten acht weitere staatliche Sportinstitute bzw. -akademien
(SIS/SAS), die von den Regierungen der Bundesländer, den Sportverbänden der
Bundesländer und teilweise von Sponsoren finanziert werden und über das Natio-
nal Institute Network mit dem AIS kooperieren. Ihre Ziele sind
     die Erhöhung der Zahl von Athleten ihrer Bundesstaaten in den australischen
      Nationalmannschaften,
     die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der australischen Teams und
     die Ausbildung von Weltspitzenathleten.

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Die Einrichtungen mit insgesamt ca. 120 Mitarbeitern unterstützen die Athleten im
Rahmen von Förderprogrammen für ausgewählte Sportarten am jeweiligen Institut
sowie individuelle Programme für Athleten außerhalb dieser Sportartenprogramme.
Für die Betreuung der Sportartenprogramme stehen interdisziplinäre Experten-
teams mit Wissenschaftlern und Praktikern verschiedenster Wissenschaftsdiszipli-
nen zur Verfügung. Für die individuelle Betreuung werden die Athleten analog der
Betreuung am AIS in fünf leistungsabhängige Kategorien eingeteilt. Die Institute
sind ausgestattet mit modernen Sportstätten und Forschungseinrichtungen, den
Athleten stehen damit im Rahmen des High Performance Service Weltklasse-
Trainingsbedingungen, Weltklasse-Know-how und Expertise zur Verfügung. Die
Serviceleistungen umfassen dieselben Bereiche wie die am AIS: Training, Ausbil-
dung/duale Karriere, Persönlichkeitsentwicklung, Sportmedizin, Kraft und Konditi-
onstraining, Antidoping, Sportwissenschaft (Biomechanik, Physiologie, Sportpsy-
chologie, Ernährung) – inklusive LD, Trainingssteuerung etc. Neben der Betreuung
der Athleten betreiben die Institute eigene angewandte Forschung.
Tab. 5. Die Sportinstitute in den Bundesländern – Übersicht
                                                                 Aktuell
                                  Anzahl           Sportarten-
Institut             Ort                                         betreute   Betreute Sportarten/Sportartenprogramme
                                  Mitarbeiter      programme
                                                                 Sportler
                                                                            Aktuell Radsport, Hockey, Fußball, Netball, Rudern
                                                                            und individuelle Programme. Unterstützt wurden auch
                                                                            bereits Leichtathletik, Baseball, Basketball, Rugby,
Australian Capital
                     Canberra                          5                    Kricket, Orientierungslauf sowie Einzelsportler im Bo-
Academy of Sport                                                            genschießen, Triathlon, Judo, Boxen, Ringen,
                                                                            Squash, Tischtennis, Powerlifting, Reiten und Volley-
                                                                            ball.
                                                                            Leichtathletik, Basketball, Kanu (Rennsport und Sla-
                                                                            lom), Radsport, Wasserspringen, Hockey, Gerättur-
New South Wales
                     Sydney                            12                   nen Männer, Netball, rudern, Schwimmen, Wasser-
Institute of Sport                                                          ball, Wintersport sowie individuelle Förderung ein-
                                                                            schließlich Behindertensportler.
                                                                            Kricket, Hockey, Netball, Rugby League, Fußball,
                                                                            Schwimmen, Squash, Basketball, Triathlon, Golf.
Northern Territory                                                          Trainerweiterbildungsprogramme u. a. in den Berei-
                     Darwin                            10
Institute of Sport                                                          chen strategisches Management, Finanzen, Jahres-
                                                                            trainingsplanung, Wettkampfplanung, Zielsetzung u. -
                                                                            abrechnung, individuelle Trainingsplanung.
                                                                            Gerätturnen, Leichtathletik, Baseball, Basketball, Ka-
                                                                            nu, Kricket, Radsport, Wasserspringen, Fußball, Golf,
Queensland           Nathan
                                                       20         < 600     Hockey, Netball, Rudern, Rugby League, Rugby Uni-
Academy of Sport     (Brisbane)                                             on, Segeln, Softball, Schwimmen, Tennis, Volleyball,
                                                                            Wasserball und individuelle Programme.
                     Adelaide/                                              Kanurennsport, Radsport, Wasserspringen, Hockey,
South Australia                   21 MA +
                     Kidman                            9                    Netball, Rudern, Schwimmen, Volleyball, Wasserball
Sports Institute                  21 Trainer                                und individuelle Programme.
                     Park
Tasmanian            Launcetown                                             Leichtathletik, Basketball, Radsport, Fußball, Hockey,
                                                       6           130
Institute of Sport   Und Hobart                                             Rudern. Budget: ca. 1,8 Mio. €.
                                                                            13-Levwel-1-Sportarten: Leichtathletik, Radsport,
                                                                            Golf, Gerätturnen, Hockey, Netball, Rudern,
                                                                            Schwimmen, Triathlon, Wasserspringen, Segeln,
                                                                            Wasserball, Freestyle Skiiing sowie acht betreute Be-
Victorian
                     Melbourne                         32        300-400    hindertensportarten. Neben der aktuellen sportlichen,
Institute of Sport                                                          medizinischen und wissenschaftlichen Betreuung er-
                                                                            halten die Athleten lebenslang Unterstützung in ihrer
                                                                            Ausbildung über ein Athlete and Career Education
                                                                            Program.
                                                                            Drei performance Enhancement Teams:
                                  40 Vollzeit-                              Spielsportarten (Hockey, Netball, Wasserball),
Western Australia    Mt.          und zahlr.                                Technische Sportarten (Leichtathletik, Wassersprin-
                                                       13        2002-250
Institute of Sport   Claremont    Teilzeit- bzw.                            gen, Gerätturnen, Schwimmen und individuelle För-
                                  Honorar-MA                                derung),
                                                                            Rennsportarten (Kanu, Radsport, Rudern, Segeln).

Olympiaanalyse Rio de Janeiro 2016                                                                                         175
5      Spitzensportstrategie Australia‘s Winning Edge

Ende 2012 initiierte das AIS ein neues, langfristiges Spitzensportprogramm – „Aus-
tralia‘s Winning Edge“5 (AWE) – das aktuell die gesamte Arbeit des Instituts und die
Aktivitäten im Spitzensport (olympisch und paralympisch) bestimmt.
Anspruch dieses 10-Jahres-Programms (2012-2022) ist die Entwicklung von der
Weltklasse zur Weltspitze („Moving from world class to world best“), für die durch
AWE der entsprechende Rahmen, konkrete Ziele und die finanziellen Mittel vorge-
geben werden [39]. Das Programm soll „den Spitzensportverbänden und Athleten
helfen, sich zu verbessern und ihre Ziele zu erreichen“ [52].
AWE wird als „grundlegende Veränderung im australischen Spitzensport“ kommu-
niziert. Die Umsetzung des Programms soll den von 2004-2012 durchlaufenen Ab-
wärtstrend des australischen Spitzensports stoppen und Australien in die Erfolgs-
spur zurückführen. AIS-Direktor Matt Favier bezeichnet AWE als „die größte strate-
gische Veränderung seit der Gründung des AIS“. Die Entscheidung sei klar gewe-
sen zu einem Zeitpunkt, an dem es die Wahl zwischen zwei Wegen gab:
      „ … entweder Führungsstärke zeigen und die Dinge neu ordnen, so wie 1981, oder hinter den
      Rest der Welt zurückfallen ... Es musste etwas geschehen, bevor die Dinge noch schlechter wer-
      den“ [9].

Er betont aber auch, dass AWE „kein undurchdachter Schnellschuss“ war, sondern
eine wohlüberlegte, langfristige Strategie [9].

5.1    Charakter, Anliegen und Ziele
Das übergreifende Ziel der AWE-Strategie ist „eine noch gezieltere und effektivere
Arbeit und Unterstützung der Spitzensportverbände und die Schaffung der erforder-
lichen administrativen Rahmenbedingungen für eine noch bessere Betreuung und
Förderung von noch mehr aktuellen Spitzenathleten bei optimaler Ausnutzung und
gezielter Verwendung der zur Verfügung stehenden Ressourcen“ (in erster Linie
Steuergelder). Mit Blick auf die Absicherung der sportlichen Erfolge für die Zukunft
gehört aber auch die Unterstützung der Talente zum Inhalt von Australia’s Winning
Edge [42; 52].
Die Zielstellung soll durch vier Hauptaktionsrichtungen erreicht werden:
1. Einführung eines schärferen, „robusteren“ Finanzierungs- und Abrechnungs-
   modells im Spitzensport:
    Neue Investitionsprinzipien.
    Leistungs-/ziel- und zwischenzielgebundene Finanzierung der Verbände.
    Jährlicher Leistungs- und Finanzbericht der Sportarten.
2. Reduzierung der Kosten in den Verbänden und Erhöhung ihrer Leistungsfähig-
   keit durch optimale Verbandsführung:

5 Winning Edge: Der gewisse Vorteil, der den Erfolg ausmacht.

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