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Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form

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                Modellierung der translationshemmenden Wirkung

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Modellierung der translationshemmenden
Wirkung – Biokampfstoff Rizin
von Beyda Acar und Dr. Monika Pohlmann

© Restlesskath/iStock/Getty Images Plus

Ein Mord wie im Spionagefilm: Georgi Markow, ein regimekritischer Autor aus Bulgarien,
der 1978 in London für die BBC arbeitet, spürt in der rechten Wade einen stechenden
Schmerz und sieht einen Mann mit einem Regenschirm davoneilen. Drei Tage später ist
er tot. Der Regenschirmmörder hat ihm eine tödliche Dosis Rizin injiziert. Deutschland
2020: ein Ehepaar wird zu langen Haftstrafen verurteilt. Der Rizin-Bomber und seine
Komplizin wollen mit dem hochgiftigen Biokampfstoff Rizin, verpackt in einer Splitter-
bombe, möglichst viele Menschen töten. Doch was genau ist Rizin? Wie und wo wirkt
es? Rizin, das toxische Protein aus den Samen der Rizinus-Pflanze, dem Wunderbaum,
zählt zu den stärksten biologischen Giften. In dieser Lerneinheit erarbeiten und model-
lieren Ihre Schülerinnen und Schüler die molekularbiologische Vergiftungsdynamik des
Translationshemmers Rizin. Am spannenden Kontext wird die Translation, als Teilprozess
der Proteinbiosynthese, kompetenzorientiert vertieft. Am Beispiel des Antibiotikums
Chloramphenicol wird das Wissen rund um Translationshemmung transferiert und auf
Nebenwirkungen von Antibiotika eingegangen.
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G.2.29

               Modellierung der translationshemmenden
               Wirkung – Biokampfstoff Rizin
               Niveau: weiterführend, vertiefend
               von Beyda Acar und Dr. Monika Pohlmann

               Methodisch-didaktische Hinweise                 1

               M 1: Regenschirmmord und Rizin-Bomber           4

               M 2: Rizin – das Gift des Wunderbaumes          7

               M 3: Molekularbiologische Vergiftungsdynamik   10

               M 4: Das Antibiotikum Chloramphenicol          15

               M 5: Modellierung der Translationshemmung      16
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               Lösungen                                        21

               Literatur                                       32
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G.2.29

Kompetenzprofil:
Kompetenz                          Anforderungs-   Basiskonzept     Material
                                   bereiche
Fachwissen, Erkenntnisgewinnung,   I–II–II         System           M1
Kommunikation, Bewertung
Fachwissen, Erkenntnisgewinnung,   II              Struktur und     M2
Kommunikation                                      Funktion, Ent-
                                                   wicklung
Fachwissen, Erkenntnisgewinnung,   I–II–III        System,          M3
Kommunikation                                      Struktur und
                                                   Funktion
Fachwissen, Erkenntnisgewinnung,   II–III          System,          M4
Kommunikation                                      Struktur und
                                                   Funktion, Ent-
                                                   wicklung

                                                                               © RAABE 2021
Fachwissen, Erkenntnisgewinnung,   II–III          Struktur und     M5
Kommunikation, Bewertung                           Funktion
G.2.29

               Überblick:
               Legende der Abkürzungen:
               EA Einzelarbeit PA Partnerarbeit       PL Plenum       GA Gruppenarbeit

                Inhaltliche Stichpunkte                                       Material   Methode
                Problemstellung entdecken und Vorstellungen entwickeln:       M1         EA, PA, PL
                Kriminalfälle des Rizin-Bombers und Regenschirmmörders,
                Symptomatik der Rizinvergiftung, Biowaffenkonvention
                der UN, Exkurs „Agent Orange“, Ächtung biologischer und
                chemischer Waffen
                Monografisches Fachwissen zur Rizinuspflanze, Rizin als    M2            EA, PA,
                toxisches Protein im Rizinussamen, molekularer Feinbau von               PL, GA
                Rizin
                Wiederholung des Ablaufs der Translation, molekularbio-       M3         EA, PA, PL
                logische Vergiftungsdynamik durch Rizin, Rizin als Transla-
                tionshemmer bei Eukaryoten, gefährliches Zellgift
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                Chloramphenicol, Inhibitor der prokaryotischen Translation,   M4         EA, PL
                antibiotische Wirkung, Vergleich mit Rizin, Nebenwirkung
                von Antibiotika auf Mitochondrien, Endosymbiontentheorie
                Merkmale und Funktionen von Modellen, Schritte im Mo-         M5         PA, PL
                dellierungsprozess, praktische Modellierung der zellulären
                Vergiftungsdynamik durch Rizin, Reflexion des Modellie-
                rungsprozesses, Beurteilung von Aussagekraft und Grenzen
                der Modelle, Feedback nach Gütekriterien
G.2.29  Genetik  Biokampfstoffe                                                 1 von 32

               Modellierung der translationshemmenden
               Wirkung – Biokampfstoff Rizin

               Methodisch-didaktische Hinweise
               Am Beispiel des natürlichen Giftstoffes Rizin, ein toxisches Protein des Wunderbaumes
               Ricinus communis, welches auch als Biokampfstoff missbraucht werden kann, tauchen
               die Schülerinnen und Schüler in dieser Lerneinheit tief in die molekularbiologischen
               Wirkmechanismen ein. Das komplex aufgebaute Protein Rizin erfährt im Körper des
               Konsumenten eine Zerlegung seiner Struktur, die es ihm erst ermöglicht, seine Toxizität
               zu entfalten. Die biologische Forschung hat geklärt, wie der Giftstoff und die mensch-
               liche Zelle interagieren. Letztlich baut die menschliche Zelle das Protein Rizin in ver-
               schiedenen Kompartimenten so um, dass sie damit ihren eigenen Tod bewirkt durch den
               völligen Stopp der Translation und damit der gesamten Proteinbiosynthese. Rizin ist ein
               gefährlicher Translationshemmer.

               Begeisterung für molekularbiologische Prozesse wecken, wie kann das aber funktionie-
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               ren? Lebensweltliche und forscherische Bezüge, im didaktischen Sinne also fachliche
               Kontexte, erzeugen, passend ausgewählt, Motivation und Interesse. Im Fall von Rizin
               können direkt zwei spektakuläre Fälle dazu verwendet werden, das Regenschirmattentat
               von 1978 und der sogenannte Rizin-Bomber von Köln.

               Regenschirmattentat: Der Kritiker des bulgarischen Regimes Georgi Markow wurde im
               September 1978, als er auf den Bus in London wartete, am helllichten Tag Opfer eines
               spektakulären Attentats. Er wurde scheinbar unachtsam von einem Mann, der an ihm
               vorbeihastete, von dessen Schirm an der Wade gestoßen. Der Autor verspürte einen
               kurzen Schmerz und dachte sich nichts weiter nach dem Vorfall. Es vergingen nur ein
               paar Stunden und er entwickelte Fieber, sein Blutdruck fiel drastisch ab und er verstarb
               letztendlich nach drei Tagen im Krankenhaus. Die behandelnden Ärzte fanden in seiner
               Wade eine kleine Kapsel, die das Gift Rizin verströmte. Erst 2010 klärte der frühere Gene-
               ralmajor des sowjetischen Geheimdienstes KGB, Oleg Kalugin, im bulgarischen Radio die
               wahren Umstände der Tat auf. Der bulgarische Partei- und Staatschef Todor Schiwkow
               hatte für den geplanten Mordanschlag ein russisches Geheimlabor um technische Unter-
               stützung gebeten, um den Journalisten Markow, der mit satirischen Bemerkungen den
               Staatschef persönlich angegriffen hatte, zu beseitigen.

               RAABE UNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II
2 von 32 Biokampfstoffe  Genetik  G.2.29

Rizin-Bomber: Aber auch heute ist das Thema aktuell. Im Jahr 2020 wurden der so-
genannte Rizin-Bomber von Köln und seine Komplizin als islamistisch motivierte Extre-
misten in Deutschland zu langen Haftstrafen verurteilt. Das Paar hatte das tödliche Rizin
aus Rizinussamen extrahiert, um es in einer Splitterbombe gegen unschuldige Menschen
zum Einsatz zu bringen.

Beide spektakulären Fälle bilden den didaktischen Kontext, um für die Problematik biolo-
gischer Kampfstoffe mit Blick auf ihre molekularbiologische Wirksamkeit zu motivieren.
Biologische und chemische Kampfstoffe sind seit 1997 durch die Biowaffenkonvention
der Vereinten Nationen international geächtet. Maßgeblich für das Zustandekommen
der internationalen Übereinkunft waren die weltweiten Proteste gegen den massiven
Einsatz des chemischen Kampfstoffs „Agent Orange“ durch die USA im Vietnamkrieg. In
dieser Lerneinheit wird damit am konkreten Beispiel von Rizin detailliert die molekulare
Wirkung eines Zellgiftes und einer potenziellen biologischen Waffe erarbeitet. Darüber
hinaus wird der Horizont auch interdisziplinär, hinsichtlich des chemischen Kampfstoffes
„Agent Orange“ mit seinen verheerenden Langzeitfolgen, erweitert als auch die Bewer-
tungskompetenz der Schülerinnen und Schüler vertieft.

                                                                                            © RAABE 2021
Ablauf

Die Schülerinnen und Schüler erfahren in dieser Lerneinheit am spannenden, einem Kri-
mi gleichenden Kontext exemplarisch an Rizin, welche Folgen die unfreiwillige Aufnahme
eines giftigen Naturstoffs für den Menschen haben kann (M 1). Das Unterrichtsmaterial
ermöglicht den Erwerb des botanischen Fachwissens zum Wunderbaum, Ricinus com-
munis, in dessen Samen das Protein Rizin gebildet wird (M 2). Die Lernenden wieder-
holen die Schritte der Translation der Proteinbiosynthese, um anwendungsbezogen und
detailliert die molekularbiologische Wirkung von Rizin, als Inhibitor der Translation, zu
erarbeiten (M 3). Sie vergleichen die Inhibition der prokaryotischen Translation durch
das Antibiotikum Chloramphenicol mit der Wirkung von Rizin auf eukaryotische Zellen
(M 4). Dabei kann auch auf Nebenwirkungen von Antibiotika eingegangen werden. Im
Falle des Translationshemmers Chloramphenicol werden beim Menschen die Ribosomen
der Mitochondrien funktional gestört, da diese prokaryotischer Abstammung sind (M 4).
Methodische Schwerpunkte sind Modellierungen der molekularbiologischen Prozesse.
Dies betrifft zum einen den Prozess der Beladung von tRNAs als Schnittstelle zwischen
den Nukleinsäuren und den Proteinen im Translationsablauf (M 3), zum anderen die Mo-
dellierung der molekularen Vergiftungs-dynamik durch Rizin (M 5). Die Schülerinnen und

RAABE UNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II
G.2.29  Genetik  Biokampfstoffe                                                3 von 32

               Schüler reflektieren die Funktion von Modellen als Mittel der naturwissenschaftlichen
               Erkenntnisgewinnung, aber auch als Anschauungsmittel. Sie beurteilen kriteriengelei-
               tet die Güte ihrer Lernprodukte und machen sich die Schritte im Modellierungsprozess
               bewusst (M 5). Die selbst gestalteten, kommunizierten und reflektierten Modelle ver-
               tiefen das erworbene molekulargenetische Fachwissen über Rizin als Zellgift und damit
               als potenziellen Biokampfstoff. In dieser Lerneinheit erweitern die Lernenden damit ihr
               Fachwissen zur Proteinbiosynthese durch einen lebensweltlichen Praxisbezug.

               Da die Unterrichtsmaterialien aufeinander aufbauen, sollten sie auch in dieser Rei-
               henfolge bearbeitet werden. Die Arbeitsaufträge fördern das kooperative Lernen, und
               berücksichtigen individuelle Denkzeiten, den kooperativen Austausch und Präsenta-
               tionsmöglichkeiten innerhalb der gesamten Lerngruppe. Die Modellierung der Vergif-
               tungsdynamik durch Rizin (M 5) könnte mit traditionellen Hilfsmitteln, wie Plakaten,
               farbigem Tonpapier, Eddings und Scheren, bewerkstelligt werden. Es könnte den Schü-
               lerinnen und Schülern allerdings auch freigestellt werden, das Modell animiert in Form
               eines Erklärvideos zu entwickeln. Da dies mit den gängigen Handy-Kameras möglich ist
               und das Schreiben eines Storyboards eine attraktive Herausforderung darstellt, sollte für
               die Umsetzung viel Freiheit gewährt werden.
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               Vorausgesetztes Fachwissen

               Die Lernaufgabe fokussiert die Anwendung und Vertiefung des molekularbiologischen
               Fachwissens der Schülerinnen und Schüler zum Inhaltsfeld Genetik. Die Proteinbiosyn-
               these sollte bis in Details der Transkription und Translation beherrscht werden.

               RAABE UNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II
Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form

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