Barbara Signori, Schweizerische Nationalbibliothek, Bern

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Barbara Signori, Schweizerische Nationalbibliothek, Bern
Barbara Signori,
Schweizerische Nationalbibliothek, Bern

«Das Webarchiv Schweiz auf einen Blick»

   Fortbildung
   Screen Time – die analoge Präsentation von
   digitalen Angeboten in Bibliotheksräumen
   Eine Veranstaltung unterstützt von
   der Bibliotheksförderung des Kantons St. Gallen
   Im November 2020

   Stiftung Sitterwerk
   Kunstbibliothek
   Sittertalstrasse 34
   9014 St.Gallen
Barbara Signori

Das Webarchiv Schweiz auf einen Blick

Zunehmend ist ein grosser Anteil aller publizierten Inhalte nur noch auf
Webseiten zugänglich oder zumindest digital gespeichert. Wie gehen
Gedächtnisinstitutionen mit dieser Tatsache um? Wer speichert
Webseiten und wie soll dies vonstatten gehen? Die Schweizer
Nationalbibliothek lanciert seit einigen Jahre nicht nur innovative
Projekte an der Schnittstelle von digital und analog, sondern engagiert
sich auch für einen Diskurs in diesem Gebiet.
Uns interessiert an dieser Stelle hauptsächlich das Beispiel des
Webarchiv Schweiz, einer Sammlung von bisher ca. 15000 Schweizer
Domains und von bis zu 60000 Zeitschnitten von Webseiten. Wie kann
diese kaleidoskopische Sammlung im Bibliotheksraum ansprechend
und übersichtlich vermittelt werden? Seit diesem Jahr besteht ein Tool,
ein Touchscreen, auf dem Besucher*innen über eine äusserst intuitive,
visuelle Seite einsteigen können und immer tiefer in die jeweiligen
Webseiten eintauchen können. Barbara Signori, die an der Entwicklung
des Tools beteiligt war, beantwortet Fragen hinsichtlich dessen
Ausrichtung und Applikation.

Ein Email-Austausch mit Barbara Signori, stellvertretende Leiterin der
Sektion Allgemeine Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek
und Leiterin des Dienst e-Helvetica. Sie ist für den Sammlungsaufbau
von original digitalen Publikationen, deren Erschliessung, Vermittlung
und dauerhaften Aufbewahrung zuständig. Dazu gehört auch die
Leitung von Webarchiv Schweiz, der kooperativen Sammlung von
Websites mit Bezug zur Schweiz.

Sitterwerk:
Wann wurde das Tool entwickelt, und mit wem?
Barbara Signori:
Die neue Webapplikation fürs Webarchiv Schweiz wurde erst ganz
kürzlich, also 2020, zusammen mit Kai Jauslin von Nextension GmbH
entwickelt. Die Zusammenarbeit mit Nextension baut auf jene für den
neuen Zugang zur Digitalen Bibliothek der Schweizerischen
Nationalbibliothek auf, welche bereits im Sommer 2019 in Betrieb

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genommen worden ist (e-Helvetica Access: https://www.e-helvetica.
nb.admin.ch). Die Collage der Webseiten (auf der Startseite abgebildet)
erstellte Kai Jauslin damals sozusagen nebenbei – eine Spielerei. Dass
das Element der Collage weiterentwickelt und dazu wurde, was sie
heute ist, ist schliesslich der Initiative der Innovationsgruppe der
Nationalbibliothek zu verdanken. In dieser Gruppe analysieren wir
laufend Trends – einer davon ist die Serendipity. Der Begriff Seren-
dipität oder auch Serendipitätsprinzip bezeichnet eine zufällige
Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, etwas das sich
als neue und überraschende Entdeckung erweist. Einfacher aus-
gedrückt: der glückliche Zufall. In der digitalen Welt verschwinden
diese glücklichen Zufälle zunehmend und unsere Klicks und
Suchabfragen im Internet werden von Maschinen und Algorithmen
gelenkt. Mit dieser Webapplikation geben wir den Benutzenden ein
bisschen vom Serendipitätsgefühl zurück. Es ist eine spielerische Art
und Weise das Webarchiv Schweiz – eine sehr wichtige und einmalige
Sammlung – zu vermitteln.

Sitterwerk: Auf welche Wünsche /Anforderungen sollte es reagieren?
Was kann eine normale Katalogseite nicht?
Barbara Signori: Die Webapplikation hat drei klare Vorteile gegenüber
der herkömmlichen Suche im Bibliothekskatalog Helveticat und in der
Digitalen Bibliothek der Nationalbibliothek:
Erstens: Das Webarchiv Schweiz wird sichtbarer
Auf der Collage sind alle Startseiten von jedem Zeitschnitt, der sich im
Webarchiv Schweiz befindet, als Bild dargestellt. Seite an Seite. Ich
muss nicht zuerst nach einem Begriff suchen, um mir Resultate
anzeigen zu lassen. Ich habe von Anfang an das ganze Webarchiv auf
einen Blick vor mir, immerhin fast 60000 Zeitschnitten von Webseiten.
Zweitens: Das Webarchiv Schweiz wird fassbarer
Dank dem Touchpad kann ich wortwörtlich im Webarchiv Schweiz
herumstöbern. Es ist wie wenn man in einer Buchhandlung oder in
einer öffentlichen Bibliothek am Regal steht und sich von Rückentiteln,
Farben, Mustern und Bildern inspirieren lässt, dann vielleicht ein Buch
herauszieht, es wieder zurückschiebt. Genau das kann ich im
Webarchiv jetzt auch machen. Ich stöbere, sehe etwas das mich
interessiert und links oder rechts oder oben oder unten sehe ich
vielleicht eine Webseite, die meine Neugier noch mehr weckt.
Drittens: Das Webarchiv Schweiz wird mobiler
Das Tablet lässt sich mitnehmen, an die Museumsnacht, an einen
Kongress oder zu unseren externen Partnern. Eine Eigenschaft, die
nicht zu unterschätzen ist, weil das Webarchiv Schweiz aus rechtlichen
Gründen nur vor Ort in der Nationalbibliothek und in den
Partnerinstitutionen zugänglich ist. Mit dem Tablet, das alle

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Sicherheitsvorkehrungen einhält, kann ich dorthin wo unsere
Benutzenden sind. Und wenn das Pad nicht unterwegs ist, steht es im
Infosaal der Nationalbibliothek.

Sitterwerk: Die Navigation ist sehr überzeugend, wie aber wird das
Gerät selbst im Raum präsentiert, ist es mobil?
Barbara Signori: Das Tablet ist im Infosaal der Nationalbibliothek
prominent platziert. Es ist gross und schwer – die Benutzenden können
es nicht umstellen und auch nicht in die Hand nehmen.

Sitterwerk: Gibt es die Applikation auch für persönliche Mobilgeräte?
Barbara Signori: Die Collage lässt sich grundsätzlich in jedem Browser
öffnen, also auch auf dem Handy oder auf kleineren Tablets. Aber am
wirkungsvollsten zeigt sich die Collage auf dem grossen Tablet.

Sitterwerk: Was sind die Möglichkeiten bei einem einzelnen Eintrag
einer Webseite? Wie weit kann man zurück in Zeit?
Barbara Signori: Die ältesten Zeitschnitte im Webarchiv Schweiz
stammen von den Wahlen 2007. Ausgewählte Webseiten werden
regelmässig eingesammelt, meistens einmal im Jahr. Habe ich mich für
die Anzeige einer Webseite entschieden, berühre ich den roten Knopf,
und der Zeitschnitt öffnet sich. Unterhalb des angezeigten Zeitschnitts
sehe ich eine Liste aller Zeitschnitte, die es von dieser Webseite im
Webarchiv bereits gibt.

Sitterwerk: Wie werden die Webseiten katalogisiert? Welche Datenbank
wird verwendet?
Barbara Signori: Die Webseiten werden wie alle Publikationen, die in
der Nationalbibliothek gesammelt werden, formal erschlossen und im
Bibliothekskatalog Helveticat verzeichnet. Für die automatisierte
Erschliessung werden die Metadaten wiederverwendet, die bei der
Anmeldung der Webseite im Formular eingetragen worden sind. Das
Formular enthält Felder wie URL, Titel, Körperschaft, Dewey, Sprache
usw. Es sind vor allem unsere Webarchiv-Partner, die relevante
Webseiten mit Bezug zur Schweiz, zum Kanton oder zum Fachgebiet
auswählen und über das Anmeldeformular melden.
Die Webseiten werden während dem Archivierungsprozess auch
volltextindexiert. In e-Helvetica Access, der Digitalen Bibliothek der
Nationalbibliothek, steht den Benutzenden dann auch die Volltextsuche
zur Verfügung. Diese ist in der Collage ebenfalls vorhanden – neben
dem Zufallsprinzip kann ich auch einen Suchschlitz öffnen und gezielt
mit einem Begriff suchen. Als Ergebnis werden alle Zeitschnitte in der
Collage «erhellt», die diesen Begriff enthalten.

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Sitterwerk: Soll das Tool multipliziert werden, also auch für andere
Bibliotheken oder Sammlungen erhältlich sein?
Barbara Signori: Ich persönlich fände es grossartig, wenn in jeder
Partnerinstitution ein Webarchiv-Tablet stehen würde. Warum nicht
auch an jedem Bahnhof oder in jedem Museum? Aber so weit sind wir
noch nicht. Die Webapplikation ist neu – unsere Partner haben wir erst
gerade darüber informiert. Ich hoffe, dass es auf Interesse stösst und
das Webarchiv Schweiz dank dieser App bald an mehreren Orten
sichtbarer und fassbarer wird.

Kontakt
Barbara Signori
Leiterin e-Helvetica

Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Kultur BAK
Schweizerische Nationalbibliothek NB

Hallwylstrasse 15, 3003 Bern
Tel. +41 58 464 03 07

barbara.signori@nb.admin.ch
www.nb.admin.ch

Hintergrundinformationen zum Webarchiv Schweiz
Seit 12 Jahren sammelt und archiviert die Nationalbibliothek
gemeinsam mit über 30 Partnern relevante Websites mit Bezug zur
Schweiz. Die Partner sind Kantonsbibliotheken, Spezialarchive, aber
auch interne Dienste der Nationalbibliothek selber. Die Websammlung
zählt heute fast 15000 Titel (= URLs/Domains) und über 62›000
Zeitschnitte dieser Domains.
Die Partner sind: Aargauer Kantonsbibliothek; Archiv für Zeitgeschichte
der ETH Zürich; Bibliothek Zug; Bibliotheken der Stadt Schaffhausen;
Bibliothèque cantonale et universitaire Fribourg; Bibliothèque
cantonale et universitaire Lausanne; Bibliothèque cantonale
jurassienne; Bibliothèque de Genève; Bibliothèque publique et
universitaire Neuchâtel; Innerrhodische Kantonsbibliothek;
Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden; Kantonsbibliothek
Graubünden; Kantonsbibliothek Nidwalden; Kantonsbibliothek
Obwalden; Kantonsbibliothek Schwyz; Kantonsbibliothek Thurgau;
Kantonsbibliothek Uri; Kantonsbibliothek Vadiana; Landesbibliothek des
Kantons Glarus; Mediathek Wallis; Öffentliche Bibliothek der Universität
Basel; Parlamentsdienste; Schweizerische Nationalbibliothek, Dienst
Bibliographie der Schweizergeschichte; Schweizerische
Nationalbibliothek, Dienst Periodika, V-Team; Schweizerisches
Literaturarchiv; Schweizerisches Sozialarchiv; Schweizerisches
Wirtschaftsarchiv; Sistema bibliotecario ticinese; Universitätsbibliothek
Bern, Bibliothek Münstergasse,;Zentral- und Hochschulbibliothek
Luzern; Zentralbibliothek Solothurn; Zentralbibliothek Zürich
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