BERICHT UND ANTRAG DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN BETREFFEND DIE ABÄNDERUNG DES STEUERGESETZES - Nr. 37/2021
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BERICHT UND ANTRAG DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN BETREFFEND DIE ABÄNDERUNG DES STEUERGESETZES Behandlung im Landtag Datum 1. Lesung 2. Lesung Schlussabstimmung Nr. 37/2021
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3 INHALTSVERZEICHNIS Seite Zusammenfassung .................................................................................................. 4 Zuständiges Ministerium......................................................................................... 4 Betroffene Stelle ..................................................................................................... 4 I. BERICHT DER REGIERUNG ....................................................................... 5 1. Ausgangslage ................................................................................................. 5 2. Begründung der Vorlage ................................................................................ 7 2.1 Staatsgerichtshofurteil ......................................................................... 7 2.2 Rechtsprechung des EuGH ................................................................. 10 3. Vernehmlassung .......................................................................................... 16 4. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen ........................................ 16 5. Verfassungsmässigkeit / Rechtliches ........................................................... 17 6. Auswirkungen auf Verwaltungstätigkeit und Ressourceneinsatz ............... 17 6.1 Neue und veränderte Kernaufgaben ................................................. 17 6.2 Personelle, finanzielle, organisatorische und räumliche Auswirkungen ..................................................................................... 18 6.3 Evaluation ........................................................................................... 18 II. ANTRAG DER REGIERUNG ..................................................................... 18 III. REGIERUNGSVORLAGE .......................................................................... 21
4 ZUSAMMENFASSUNG Gemäss geltender Regelung ist bei der ordentlichen Veranlagung diverser Erwerbs- einkünfte (Art. 6 Abs. 5 Bst. c bis f SteG) von beschränkt Steuerpflichtigen der Tarif nach Art. 19 SteG anzuwenden und es wird ein Zuschlag von 200 % erhoben. Der Staatsgerichtshof hat mit Urteil vom 1. September 2020 (StGH 2019/095) die Regelung betreffend den 200 %-Zuschlag (Art. 23 Abs. 5 Bst. b SteG) als staatsver- tragswidrig (EWR-widrig) aufgehoben, wobei die Aufhebung auf den 8. Oktober 2021 wirksam wird und somit ab diesem Zeitpunkt keine Anwendung mehr findet. Staatsvertragskonform ist der Zuschlag, wenn er dem tiefsten Gemeindezuschlag entspricht. Art. 23 Abs. 5 Bst. b SteG wird dahingehend angepasst, dass der Zu- schlag jährlich – entsprechend dem tiefsten im betreffenden Steuerjahr geltenden Gemeindezuschlag – im Finanzgesetz festgelegt wird. Im Jahr 2021 liegt der tiefste Gemeindezuschlag bei 150 %. Auf die Durchführung einer Vernehmlassung wurde verzichtet, da vorwiegend das Land von der Senkung des Zuschlages betroffen ist und die Frist für die Umsetzung der Vorlage knapp ist. ZUSTÄNDIGES MINISTERIUM Ministerium für Präsidiales und Finanzen BETROFFENE STELLE Steuerverwaltung
5 Vaduz, 4. Mai 2021 LNR 2021-671 P Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und An- trag betreffend die Abänderung des Steuergesetzes zu unterbreiten. I. BERICHT DER REGIERUNG 1. AUSGANGSLAGE Gegenstand dieser Vorlage bildet die Abänderung des Zuschlages, welcher bei der ordentlichen Veranlagung des im Inland erzielten Erwerbs gemäss Art. 6 Abs. 5 Bst. c bis f SteG1 von beschränkt Steuerpflichtigen erhoben wird. Bei beschränkt Steuerpflichtigen handelt es sich um Personen, die weder Wohnsitz noch Aufent- halt im Inland haben und mit ihrem inländischen Erwerb in Liechtenstein steuer- pflichtig sind. Bei den Erwerbseinkünften gemäss Art. 6 Abs. 5 Bst. c bis f SteG handelt es sich um folgende Erwerbsarten: 1 Gesetz vom 23. September 2010 über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; SteG), LGBl. 2010 Nr. 340.
6 • unselbständiger Erwerb (Erwerb aus im Inland ausgeübter unselbständiger Tätigkeit im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Bst. d sowie Ersatzeinkünfte im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Bst. f, welche im Zusammenhang mit einem inländischen Arbeitsverhältnis stehen und von einer inländischen Versicherung geleistet werden; Art. 6 Abs. 5 Bst. Bst. c SteG); • Organentschädigungen (Vergütungen an Verwaltungsrats-, Stiftungsratsmit- glieder oder Mitglieder ähnlicher Organe von juristischen Personen und be- sonderen Vermögenswidmungen mit Sitz oder tatsächlicher Verwaltung im Inland, die diese Mitglieder für ihre Organfunktion erhalten; Art. 6 Abs. 5 Bst. Bst. d SteG); • Rentenleistungen (Leistungen aus der Alters-, Hinterlassenen- und Invali- denversicherung, einer Einrichtung der betrieblichen Personalvorsorge oder eines Pensionsfonds aufgrund eines früheren inländischen öffentlich-recht- lichen oder privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses; Art. 6 Abs. 5 Bst. e SteG); • Freizügigkeitsleistungen (Leistungen aufgrund der Auflösung einer Freizügig- keitspolice oder eines Sperrkontos, welche in Verwendung von Freizügig- keitsleistungen der betrieblichen Personalvorsorge im Inland errichtet wur- den; Art. 6 Abs. 5 Bst. f SteG). Die Besteuerung dieser Erwerbseinkünfte der beschränkt Steuerpflichtigen erfolgt mittels Quellensteuer oder ordentlicher Veranlagung. Eine ordentliche Veranlagung erfolgt von Amtes wegen, wenn der Erwerb CHF 200'000 oder mehr beträgt (Art. 23 Abs. 2 Bst. a SteG) oder wenn dem Land aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens das ausschliessliche Besteue- rungsrecht zukommt (Art. 23 Abs. 2 Bst. b SteG). Liegt der Erwerb unter CHF 200'000, erfolgt eine ordentliche Veranlagung auf Antrag (Art. 23 Abs. 2 Bst. c SteG).
7 Die ordentliche Veranlagung der inländischen Erwerbseinkünfte erfolgt unter Pro- gressionsvorbehalt, d.h. zum Progressionssatz des weltweiten Erwerbs (inkl. Soll- ertrag). Dabei findet der Tarif gemäss Art. 19 SteG Anwendung, und es wird ein Zuschlag von 200 % erhoben (Art. 23 Abs. 5 Bst. b SteG). Die aufgrund des Tarifs sowie aufgrund des Zuschlages ermittelten Steuern kommen dem Land zu. Im Vergleich dazu stellt sich die ordentliche Veranlagung von unbeschränkt Steu- erpflichtigen, d.h. Personen, die im Inland Wohnsitz oder Aufenthalt haben, wie folgt dar: Diese sind mit den oben aufgeführten Erwerbseinkünften ebenfalls steuerpflich- tig. Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen findet stets eine ordentliche Veranlagung statt. Dabei werden diese Erwerbseinkünfte zusammen mit ihrem übrigen Erwerb (inkl. Sollertrag) veranlagt. Hierbei gelangt ebenfalls der Tarif gemäss Art. 19 SteG zur Anwendung und es wird ein Zuschlag erhoben. Der Zuschlag entspricht dem Gemeindezuschlag der Wohnsitzgemeinde der unbeschränkt Steuerpflichtigen. Gemäss Art. 75 Abs. 3 SteG wird der Gemeindezuschlag jedes Jahr in Prozenten der Landessteuer vom Gemeinderat festgesetzt und darf 150 % nicht unterschrei- ten und 250 % nicht übersteigen. Seit 2017 liegen die von den Gemeinden festge- setzten Zuschläge zwischen 150 % und 180 %; vor 2017 gab es Gemeinden mit einem Zuschlag von 200 %. 2. BEGRÜNDUNG DER VORLAGE 2.1 Staatsgerichtshofurteil Mit Urteil vom 1. September 2020 (StGH 2019/095) hat der Staatsgerichtshof Art. 23 Abs. 5 Bst. b SteG, welcher einen Zuschlag von 200 % bei der ordentlichen Veranlagung von beschränkt Steuerpflichtigen vorsieht, als staatsvertragswidrig aufgehoben. Der Staatsgerichtshof erachtete die Höhe des Zuschlages als
8 diskriminierend im Sinne von Art. 4 und Art. 28 Abs. 2 EWRA, insbesondere soweit er – wie im Anlassfall – bei "Quasiansässigen" 2 zur Anwendung gelangt. Die Rechtswirksamkeit der Aufhebung wurde vom Staatsgerichtshof um ein Jahr ab dem Tage der Kundmachung des Urteils im Landesgesetzblatt aufgeschoben. Die Kundmachung erfolgte am 8. Oktober 2020 mit Landesgesetzblatt LGBl. 2020 Nr. 290, weshalb die Aufhebung am 8. Oktober 2021 wirksam wird und bis dahin noch die bisherige Gesetzeslage zur Anwendung gelangt. Besteht ab diesem Zeit- punkt keine neue Regelung, kann bei der Veranlagung von beschränkt Steuer- pflichtigen bis zum Inkrafttreten einer neuen Regelung kein Zuschlag erhoben wer- den. Dem Urteil des Staatsgerichtshofs lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein be- schränkt Steuerpflichtiger erzielte im Steuerjahr 2016 einen Erwerb aus unselb- ständiger Tätigkeit, wobei dieser Erwerb den weit überwiegenden Teil seines welt- weiten Erwerbs in diesem Jahr darstellte. Der Steuerpflichtige wurde ordentlich veranlagt, wobei der Tarif gemäss Art. 19 SteG zur Anwendung gelangte sowie ein Zuschlag von 200 % erhoben wurde. Der Staatsgerichtshof begründete die Aufhebung der Bestimmung gemäss Art. 23 Abs. 5 Bst. b SteG im Wesentlichen wie folgt: Die einschlägigen Diskriminierungsverbote (Art. 4, Art. 28 Abs. 2 EWRA) würden die Gleichbehandlung der Angehörigen des EWR unter dem Gesichtspunkt der Staatsangehörigkeit gebieten. Sie würden jede Benachteiligung, die unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfe und darüber hinaus jede Form der 2 Ein "Quasiansässiger" ist ein beschränkt Steuerpflichtiger, welcher mindestens 90 % seines Erwerbes in Liechtenstein erzielt und versteuert.
9 versteckten (indirekten) Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Un- terscheidungsmerkmale zum gleichen Ergebnis führen würde, verbieten. Befänden sich im Inland ansässige und gebietsfremde Steuerpflichtige in einer ver- gleichbaren Situation, liege eine indirekte Diskriminierung vor, wenn letztere be- nachteiligt würden. Eine vergleichbare Situation sei nach der ständigen Rechtspre- chung des EuGH immer dann anzunehmen, wenn Gebietsfremde einen Grossteil ihrer Einkünfte im Arbeitsortstaat erzielten, es sich also um sogenannte Quasian- sässige handle.3 Von einer relevanten Diskriminierung sei unter anderem dann auszugehen, wenn einem Gebietsfremden mit beschränkter Steuerpflicht ein hö- herer Steuersatz auf seine Einkünfte auferlegt werde als den Gebietsansässigen 4. Für Gebietsansässige könne der in der Form einer Gemeindesteuer erhobene Zu- schlag nach dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen (Art. 75 Abs. 3 SteG) zwischen 150 % und 250 % liegen, und zwar in Abhängigkeit von der jährlich erfolgenden Festsetzung durch den Gemeinderat der Wohnsitzgemeinde. Die gesetzliche Re- gelung gemäss Art. 23 Abs. 5 SteG (200 %-Zuschlag) könne dazu führen, dass Ge- bietsfremde, die sich als Quasiansässige in einer objektiv vergleichbaren Situation befänden wie die Gebietsansässigen, mit einem nicht unerheblich höheren Steu- ersatz belastet würden, wobei die Mehrbelastung im Vergleich mit Ansässigen bis zu 50 % des Zuschlages ausmachen könne. Aufgrund der von den Gemeinden fest- gesetzten Gemeindezuschlägen sei es in der Praxis dazu gekommen, dass be- schränkt Steuerpflichtige, die einen Grossteil ihrer Einkünfte in Liechtenstein er- zielten, bei der Veranlagung tatsächlich mit einem höheren Steuersatz belastet worden seien. 3 Der StGH verwies hierbei u.a. auf folgende EuGH-Rechtsprechung: EuGH Rs. C-175/88, Biehl, Rn. 16; EuGH Rs. C-279/93, Schumacker, Rn. 36 ff.; EuGH Rs. C-87/99, Zurstrassen, Rn. 21; EuGH Rs. C-385/00, de Groot, Rn. 89. 4 Der StGH verwies hierbei u.a. auf folgende EuGH-Rechtsprechung: EuGH, Rs. C-107/94, Asscher, Rn. 49.
10 Es sei daher im Ergebnis von einer indirekten Diskriminierung jener Steuerpflichti- gen auszugehen, die sich in der Situation von Quasiansässigen befänden. Eine sol- che Ungleichbehandlung verstosse gegen Art. 4 und Art. 28 Abs. 2 EWRA, wenn sie nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden könne. Nach Ansicht des Staatsgerichtshofes liege kein solcher Rechtfertigungs- grund vor. Der Staatsgerichtshof hielt sodann fest, dass für die Zukunft andere, an die Höhe der Gemeindezuschläge anknüpfende als auch von der Höhe der Gemeindezu- schläge losgelöste Formen der Festlegung des dem Land zufliessenden Zuschlages denkbar wären, durch den die diskriminierenden Auswirkungen vermieden wür- den. Letztlich sei es Sache des Gesetzgebers, eine sachgerechte und verhältnis- mässige Lösung zu finden, durch die eine Diskriminierung von Angehörigen des EWR vermieden werden könne. 2.2 Rechtsprechung des EuGH Der Staatsgerichtshof legte in seinem Urteil nicht konkret fest, wie der Zuschlag auszugestalten ist, damit dieser europarechtskonform ist, sondern überliess dies dem Gesetzgeber. Die Regierung prüfte sodann im Lichte der Rechtsprechung des EuGH die Anforde- rungen an eine europarechtskonforme Ausgestaltung des Zuschlages und ging da- bei den unten aufgeführten Fragestellungen nach: a) Gilt das Steuersatzdiskriminierungsverbot nur bei Quasiansässigen? Der EuGH hielt in seiner Rechtsprechung, insbesondere in den Rechtssachen As- scher und Gerritse 5, fest, dass benachteiligende (höhere) Steuersätze für 5 EuGH 27.6.1996, C-107/94, Asscher; EuGH 12.6.2003, C-234/01, Gerritse.
11 beschränkt Steuerpflichtige im Lichte der Grundfreiheiten grundsätzlich eine ver- botene Diskriminierung darstellen, zumindest wenn im Ansässigkeitsstaat ein Pro- gressionsvorbehalt besteht. Unterliegt der beschränkt Steuerpflichtige in seinem Ansässigkeitsstaat dem Pro- gressionsvorbehalt 6 (bzw. ist ein Progressionsvorbehalt zugunsten des Ansässig- keitsstaates zumindest abkommensrechtlich vereinbart) – und entgeht damit in den Worten des EuGH "nicht der Anwendung der Progressionsbestimmung" – ist er im Hinblick auf den progressiven Steuersatz des Quellenstaates in einer gleich- artigen Situation wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger, sodass es gemäss EuGH eine verbotene Diskriminierung darstellt, wenn auf bestimmte Gebietsfremde ein höherer Einkommensteuersatz angewandt wird, als er für Gebietsansässige und diesen gleichgestellten Personen gilt. Diese in den Rechtssachen Asscher und Gerritse entwickelte Diskriminierungsana- lyse muss umso mehr gelten, wenn es im Quellenstaat nicht um den Vergleich mit einem für unbeschränkt Steuerpflichtige geltenden progressiven Steuersatz geht, sondern wie beim Zuschlag um die unterschiedliche Höhe der proportionalen Steuersätze für beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige. Die Rechtsprechung, dass bei Bestehen des Progressionsvorbehaltes im Ansässig- keitsstaat die Anwendung benachteiligender Steuersätze für beschränkt Steuer- pflichtige eine verbotene Diskriminierung darstellt, erging in Fällen, in denen die 6 Erzielt eine Person in zwei Staaten Einkommen und ist sie dadurch in beiden Staaten steuerpflichtig, kann es dazu kommen, dass sich die Progression nach den jeweiligen Teileinkommen richtet und sie der Besteu- erung zur Gesamtprogression entgeht. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Person in ihrem Wohnsitzstaat zur Progression ihres weltweiten Einkommens besteuert wird (d.h. ein Progressionsvorbehalt besteht) und somit im Wohnsitzstaat bei der Progressionsfestsetzung das in anderen Staat erzielte Einkommen berück- sichtigt wird.
12 betroffenen Steuerpflichtigen im Staat ihrer beschränkten Steuerpflicht nicht den überwiegenden Teil ihrer Gesamteinkünfte erzielten, d.h. nicht quasiansässig wa- ren. 7 Zum Kriterium des Bestehens eines Progressionsvorbehaltes bei den in Liechten- stein beschränkt Steuerpflichtigen kann wie folgt festgehalten werden: Mit den Ansässigkeitsstaaten, aus welchen der weit überwiegende Teil der in Liechtenstein beschränkt Steuerpflichtigen stammt, bestehen Doppelbesteue- rungsabkommen, die Progressionsvorbehalte vorsehen, weshalb dieses Kriterium erfüllt ist. Weiters kommt hinzu, dass der inländische Erwerb der beschränkt Steuerpflichti- gen – gleich wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen – bei der ordentlichen Veran- lagung in Liechtenstein ebenfalls zur Gesamtprogression ihres weltweiten Erwerbs besteuert wird und die beschränkt Steuerpflichtigen auch bei der Besteuerung in Liechtenstein nicht der Gesamtprogression entgehen. 7 Gemäss EuGH-Rechtsprechung ist ein höherer Steuersatz bei Quasiansässigen unabhängig eines Progressi- onsvorbehaltes europarechtswidrig. Bei Vorliegen eines Progressionsvorbehaltes ist gemäss EuGH-Recht- sprechung – insbesondere im Fall Asscher und Gerrite – ein höherer Steuersatz allgemein bei beschränkt Steuerpflichtigen europarechtswidrig, d.h. auch bei Nicht-Quasiansässigen. Der Staatsgerichthofs führte – unter Bezugnahmen auf die EuGH Rechtsprechung im Fall Asscher – ebenfalls aus, dass von einer relevanten Diskriminierung u.a. dann auszugehen sei, wenn einem Gebietsfremden mit beschränkter Steuerpflicht ein höherer Steuersatz auf seine Einkünfte auferlegt werde als den Gebietsan- sässigen. Der Staatsgerichtshof fokussierte sich sodann in seinen weiteren Ausführungen insbesondere auf Quasiansässige; schliesslich lag dem Staatsgerichtshof auch die Situation eines Quasiansässigen zur Beur- teilung vor. Der Staatsgerichtshof hatte somit auch nicht der Frage nachzugehen, ob bei Vorliegen eines Progressionsvorbehaltes höhere Steuersätze auch bei Nicht-Quasiansässigen eine verbotene Diskriminie- rung darstellen. Wie sich aus der EuGH-Rechtsprechung Asscher und Gerrite ergibt, gelten bei Vorliegen des Progressions- vorbehaltes auch bei Nicht-Quasiansässigen höhere Steuersätze für beschränkt Steuerpflichtige als diskri- minierend.
13 Aufgrund dieser EuGH-Rechtsprechung ergibt sich somit, dass ein benachteiligen- der Zuschlag für die in Liechtenstein beschränkt Steuerpflichtigen unabhängig des im Inland erzielten Anteils des weltweiten Erwerbs diskriminierend ist. b) Gilt das Steuersatzdiskriminierungsverbot bei allen Erwerbsarten? Aus der Perspektive des Europarechts besteht kein Grund, für die verschiedenen Erwerbsarten wie unselbständigen Erwerb, Organentschädigungen, Rentenleis- tungen oder Freizügigkeitsleistungen (Art. 6 Abs. 5 Bst. c bis f SteG) eine andere Beurteilung vorzunehmen. Somit sind bei all diesen Steuerarten differenzierende Steuersätze auf Basis der ausländischen Ansässigkeit des Steuerpflichtigen prinzi- piell diskriminierend. c) Welcher Spielraum besteht betreffend Höhe des Zuschlages? Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, darf bei beschränkt Steuerpflichti- gen kein benachteiligender Steuersatz zur Anwendung gelangen, d.h. kein höherer als bei unbeschränkt Steuerpflichtigen. Es stellt sich jedoch die Frage, mit welchem unbeschränkt Steuerpflichtigen der beschränkt Steuerpflichtige betreffend die Steuerbelastung zu vergleichen ist, nachdem im Inland aufgrund der Gemeindezu- schläge je nach Wohnsitzgemeinde des unbeschränkt Steuerpflichtigen unter- schiedliche Steuerbelastungen resultieren. Es wurde sodann geprüft, welcher Zuschlag europarechtskonform ist, wenn für alle beschränkt Steuerpflichtiger der gleiche Zuschlag erhoben wird (Punkt i), und ob die Möglichkeit besteht, am Zuschlag des Tätigkeitsortes anzuknüpfen (Punkt ii):
14 i) Einheitlicher Zuschlag Soll ein für alle beschränkt Steuerpflichtigen einheitlicher Zuschlag eingeführt wer- den, stellt sich die Frage, ob dieser dem niedrigsten, durchschnittlichen oder höchsten Gemeindezuschlag entsprechen muss bzw. kann. Aus der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Kommission/Spanien8 ergibt sich, dass eine jede regionale tarifliche Besserstellung, die nur im Inland an- sässigen Steuerpflichtigen offen stehen kann, in die Grundfreiheiten eingreift, so- fern hierfür keine besondere sachliche Rechtfertigung gegeben ist. Eine solche Rechtfertigung ist konkret für den unterschiedlichen Steuertarif (Zuschlag) nicht ersichtlich. Als Konsequenz scheidet damit jeder einheitliche Landeszuschlag für beschränkt Steuerpflichtige aus, der über dem niedrigsten Gemeindezuschlag für die Ein- künfte unbeschränkt Steuerpflichtiger liegt. Der Fokus des EuGH liegt im Ergebnis alleinig auf der Frage, ob der Steuerausländer gegenüber dem gleichsam (alleine kraft seiner Ansässigkeit) "meistbegünstigten" vergleichbaren Inländer benachtei- ligt wird 9. Zur Frage, ob etwa die Anwendung eines Zuschlages, welcher dem Durchschnitt der regionalen Tarife (der Durchschnitt der Gemeindezuschläge liegt im Steuerjahr 2021 bei 160 %) entspricht, europarechtskonform ist, ist zwar bis anhin keine EuGH-Rechtsprechung ergangen, die Aussagen des EuGH in der Rechtssache Kom- mission/Spanien legen jedoch den Schluss nahe, dass ein Durchschnittssatz nicht 8 EuGH 3.9.2014, C-127/12, Kommission/Spanien. 9 Arbeitet beispielsweise ein Vaduzner (Gemeindezuschlag 150 %), ein Ruggeller (Gemeindezuschlag 175 %) und ein Steuerausländer für einen Arbeitgeber in Schaan, so ist für den EuGH der Vergleich des Steueraus- länders mit dem Vaduzner entscheidend.
15 europarechtskonform ist. Der Fokus des EuGH liegt nämlich bei der Meistbegüns- tigung, welche auch bei einem Durchschnittszuschlag nicht gegeben ist. Somit scheidet bei einem einheitlichen Zuschlag aufgrund der von der Regierung analysierten EuGH-Rechtsprechung der höchste Gemeindezuschlag wie auch ein Durchschnittszuschlag aus; europarechtskonform ist ein einheitlicher Zuschlag, der dem tiefsten tatsächlichen Gemeindezuschlag entspricht. ii) Zuschlag des Tätigkeitsortes Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen wird der Zuschlag der Wohnsitzgemeinde er- hoben; beschränkt Steuerpflichtige haben keine Wohnsitzgemeinde in Liechten- stein, weshalb ein Abstellen auf den Wohnsitz im Inland – als gleiches Anknüp- fungskriterium – nicht möglich ist. Es wurde geprüft, ob eine Anknüpfung des Zuschlages an den Tätigkeitsort mög- lich wäre. Eine europarechtskonforme Ausgestaltung dieser Vorgehensweise be- dingt, dass bei unbeschränkt sowie beschränkt Steuerpflichtigen bei der Besteue- rung der Erwerbseinkünfte der Zuschlag jener Gemeinde erhoben wird, in welcher die Tätigkeit ausgeübt wird. Damit wird bei unbeschränkt wie beschränkt Steuer- pflichtige das gleiche Anknüpfungskriterium für die Festsetzung des Zuschlages verwendet und es liegt keine unterschiedliche (diskriminierende) Behandlung vor. Die Regierung erachtet die Orientierung des Zuschlages am Gemeindezuschlag des Tätigkeitsorts jedoch nicht als zielführend. Dies würde zu einer grundlegenden Än- derung des bestehenden Zuschlagssystems für unbeschränkt Steuerpflichtige füh- ren und hätte auch weitgehende Folgen für die Steuereinnahmen der Gemeinden.
16 3. VERNEHMLASSUNG Auf die Durchführung einer Vernehmlassung wurde verzichtet. Dies einerseits auf- grund der kurzen Zeit, welche für die Umsetzung der gegenständlichen Gesetzes- änderung zur Verfügung steht. Wie in Punkt 2.1 ausgeführt, gilt die geltende Be- stimmung gemäss Art. 23 Abs. 5 Bst. b SteG ab 8. Oktober 2021 als aufgehoben, was bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt die neue Regelung in Kraft sein sollte, ansonsten bei Veranlagungen von beschränkt Steuerpflichtigen bis zum Inkrafttre- ten der neuen Regelung kein Zuschlag erhoben werden kann. Andererseits spricht für den Verzicht einer Vernehmlassung, dass hauptsächlich das Land von dieser Vorlage betroffen ist, da die Steuereinnahmen aus dem gegenständlichen Zu- schlag dem Land zukommen. 4. ERLÄUTERUNGEN ZU DEN EINZELNEN BESTIMMUNGEN Art. 23 Abs. 5 Bst. b Aufgrund der Ausführungen unter Punkt 2.2 wird als europarechtskonforme Aus- gestaltung des Zuschlages bei der ordentlichen Veranlagung von beschränkt Steu- erpflichtigen vorgeschlagen, dass dieser inskünftig jeweils in der Höhe des tiefsten für das entsprechende Steuerjahr festgesetzten Gemeindezuschlages festgelegt wird. Die Festsetzung des Zuschlages wird im jährlichen Finanzgesetz erfolgen. Derzeit liegt der niedrigste von den Gemeinden festgesetzte Zuschlag bei 150 %. Der Zuschlag gelangt für die Besteuerung von allen beschränkt Steuerpflichtigen mit einem Erwerb gemäss Art. 6 Abs. 5 Bst. c bis f SteG zur Anwendung, unabhän- gig, ob der beschränkt Steuerpflichtige nur einen kleineren oder überwiegenden Teil seines weltweiten Erwerbes in Liechtenstein erzielt.
17 Übergangsbestimmung Wie oben ausgeführt, soll inskünftig der Zuschlag jährlich im Finanzgesetz festge- legt werden. Im Finanzgesetz für das Steuerjahr 2021 wurde der Zuschlag noch nicht geregelt, weshalb der Zuschlag für das Steuerjahr 2021 in dieser Übergangs- bestimmung festgelegt wird. Für das Steuerjahr 2021 wird der Zuschlag mit 150 % festgesetzt, d.h. dem niedrigsten von den Gemeinden für das Steuerjahr 2021 fest- gelegten Gemeindezuschlag. Inkrafttreten Die Regelung tritt mit dem Tag der Kundmachung in Kraft und findet erstmals für Veranlagungen des Steuerjahres 2021, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgen, Anwendung. 5. VERFASSUNGSMÄSSIGKEIT / RECHTLICHES Der Gesetzesvorlage stehen keine verfassungsrechtlichen Bestimmungen entge- gen. Die Vorlage dient dazu, die Regelung betreffend den Zuschlag im Zusammen- hang mit der Besteuerung von beschränkt Steuerpflichtigen dahingehend anzu- passen, dass sie staatsvertragskonform ist. 6. AUSWIRKUNGEN AUF VERWALTUNGSTÄTIGKEIT UND RESSOURCENEIN- SATZ 1 Neue und veränderte Kernaufgaben Mit dieser Vorlage werden weder neue Kernaufgaben eingeführt, noch beste- hende Kernaufgaben verändert.
18 6.2 Personelle, finanzielle, organisatorische und räumliche Auswirkungen Personelle, organisatorische und räumliche Auswirkungen sind durch die gegen- ständliche Vorlage keine zu erwarten. Die gegenständliche Vorlage führt zu Mindereinnahmen bei der Vermögens- und Erwerbsteuer auf Ebene des Landes. Hätte im Steuerjahr 2019 der Zuschlag bei der ordentlichen Veranlagung von be- schränkt Steuerpflichtigen, welche Einkünfte gemäss Art. 6 Abs. 5 Bst. c bis f SteG erzielten, 150 % statt 200 % betragen, wären die Einnahmen aus deren Besteue- rung um CHF 3,3 Mio. tiefer ausgefallen. 6.3 Evaluation Da weder neue Aufgaben geschaffen, noch bestehende verändert werden, kann auf eine Evaluation verzichtet werden. II. ANTRAG DER REGIERUNG Aufgrund der vorstehenden Ausführungen unterbreitet die Regierung dem Land- tag den Antrag, der Hohe Landtag wolle diesen Bericht und Antrag zur Kenntnis nehmen und die beiliegende Gesetzesvorlage in Behandlung ziehen. Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete, den Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung.
19 REGIERUNG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN gez. Dr. Daniel Risch
21 III. REGIERUNGSVORLAGE Gesetz vom … über die Abänderung des Steuergesetzes Dem nachstehenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zu- stimmung: I. Abänderung bisherigen Rechts Das Gesetz vom 23. September 2010 über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; SteG), LGBl. 2010 Nr. 340, in der geltenden Fassung, wird wie folgt abgeändert: Art. 23 Abs. 5 Bst. b 5) Bei der ordentlichen Veranlagung ist der Tarif nach Art. 19 anzuwenden und es wird folgender Zuschlag erhoben: b) in den übrigen Fällen ein jährlich im Finanzgesetz festzulegender Zuschlag.
22 II. Übergangsbestimmung Für das Steuerjahr 2021 beträgt der Zuschlag nach Art. 23 Abs. 5 Bst. b 150 %. III. Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Kundmachung in Kraft und findet erst- mals auf Veranlagungen des Steuerjahres 2021 Anwendung, die nach seinem In- krafttreten erfolgen.
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