AUSLÄNDERKLAUSELN IM PROFIMANNSCHAFTSSPORT - Diplomarbeit
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JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenbergerstraße 69 4040 Linz, Österreich jku.at Eingereicht von Lucas Pröll Angefertigt am Institut für Europarecht AUSLÄNDERKLAUSELN IM Betreuer / Betreuerin PROFIMANNSCHAFTSSPORT Univ.-Prof. Dr. Franz Leidenmühler April 2021 Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften 1
Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Linz, am 12.04.2021 Lucas Pröll 2
Gender Erklärung Um eine leichtere Lesbarkeit zu gewährleisten, wird in der vorliegenden Diplomarbeit auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet. Sämtliche personenbezogene Bezeichnungen sind als geschlechtsneutral zu verstehen. 3
Inhaltsverzeichnis I. Einleitung ..................................................................................................................................... 5 A. Ausgangsproblem ............................................................................ 5 B. Ausländerklausel – Definition ............................................................ 5 C. Entwicklung von Ausländeranteilen im Vereinssport ............................. 5 D. Art 45 AEUV – Anwendung auf sportliche Regelungen ........................... 7 II. Die Entwicklung der Rsp des EuGH .................................................................................. 9 A. Rs Walrave/Koch ........................................................................... 10 B. Rs Donà ....................................................................................... 11 C. Rs Bosman ................................................................................... 13 III. Ausländerklauseln und Drittstaatsangehörige ......................................................... 18 A. Rs Kolpak ..................................................................................... 18 B. Rs Simutenkov.............................................................................. 23 IV. Ausländerklauseln bzw -beschränkungen im Fußball ............................................ 27 A. Local-Player-Regelung ................................................................... 28 B. Die 6+5-Regel .............................................................................. 29 C. Österreicher-Topf .......................................................................... 36 D. Heimkontingente ........................................................................... 37 V. Brexit-Ausländerklauseln der FA und dessen Auswirkungen auf EU- Profifußballspieler ......................................................................................................................... 38 VI. Fazit.......................................................................................................................................... 41 A. Aktuelle Lage ................................................................................ 41 B. Eigener Standpunkt ....................................................................... 42 Literaturverzeichnis....................................................................................................................... 43 Onlinequellenverzeichnis ............................................................................................................. 44 4
I. Einleitung A. Ausgangsproblem In den letzten Jahrzenten gab es im professionellen Vereinssport zahlreiche rechtliche Änderungen unter anderem auch im Bereich von Ausländerklauseln und Ausländerbeschränkungen. Exakt jene Ausländer beschränkenden Regelungen sind im Profimannschaftssport Gang und Gebe und sind meines Erachtens nach im Grunde genommen heutzutage, in der Zeit des Multikulturalismus, nicht mehr zeitgemäß. Die vorliegende Arbeit soll bzgl etwaiger Ausländerregelungen den rechtlichen Spielraum bzw die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf solche Bestimmungen durch die einzelnen Sportverbände im Unionsraum darlegen und prüfen, ob diese innerhalb der EU überhaupt mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV im Einzelnen konform gehen. B. Ausländerklausel – Definition Als die klassische Ausländerklausel sind Regelungen von Sportverbänden zu verstehen, welche die Zusammensetzung einer Vereinsmannschaft insofern regeln, als bei einem offiziellen Wettbewerb Berufssportler mit einer Staatsangehörigkeit, welche nicht mit jener des Verbandes übereinstimmt, bloß in beschränkter Anzahl der sportlichen Tätigkeit im jeweiligen Staat nachgehen dürfen.1 Jegliche Regelung von Verbänden die nicht direkt aufgrund des Merkmals der Staatsangehörigkeit Einsätze von ausländischen Spielern einschränkt, hat zwar auch im Ergebnis eine für Ausländer beschränkende mittelbare Wirkung, ist aber nicht als klassische Ausländerklausel zu deklarieren. C. Entwicklung von Ausländeranteilen im Vereinssport Gerade im Fußballsport lässt sich die statistische Entwicklung der Ausländeranteile über das letzte halbe Jahrhundert gut darstellen. Während in den 1960er Jahren zum Beispiel beim Start der Deutschen Fußballbundesliga insgesamt bloß drei nichtdeutsche Staatsbürger als Berufsfußballer in Deutschlands erster Liga aktiv waren, war seit den Entscheidungen des EuGHs bzgl etwaiger Ausländerklauseln, also 1 Vgl Raupach, Fußball – das Spiel zwischen Idealismus und Kommerz, SpuRt 2008, 243. 5
den Urteilen Walrave-Koch und Donà, eine Trendwende abzusehen.2 30 Jahre nach der Gründung der Deutschen Bundesliga, im Jahre 1993, waren über 100 Spieler mit ausländischer Staatsangehörigkeit in der Liga tätig,3 dies macht etwa einen Ausländeranteil in Höhe von 21.3 % aus.4 Mit dem Bosman-Urteil im Jahr 1995 schließlich kam es im Fußballsport, aber auch in anderen Vereinssportarten, zu einem wahrlichen Boom an Berufssportlern mit ausländischer Staatsangehörigkeit in allen europäischen Spitzenligen. So stieg der Ausländeranteil bis zum Jahr 1996 in der Deutschen Bundesliga auf 28.5 % an; im Jahr 1997 sogar auf 38.4 % und bis zur Saison 2002/03 auf 53.6 %. Jener Trend lässt sich grundsätzlich nicht nur in allen europäischen Fußballligen erkennen, sondern auch in anderen Sportarten wie Eishockey, Basketball oder Handball; im Eishockey zum Beispiel stieg der Ausländeranteil von 1994 bis 2001 um rund 50 % auf insgesamt 59%.5 Für jene doch enorm starken statistischen Veränderungen im Vereinssport ist aufgrund des zeitlichen Zusammenhanges mit dem Wegfall von Ausländerklauseln für Unionsangehörige innerhalb der EU jedenfalls die Bosman-Entscheidung direkt kausal.6 Bis heute bleibt der Ausländeranteil in der Deutschen Fußballbundesliga auf konstant gleichem Niveau, wie im Jahr 2003, mit bloß geringfügigen Veränderungen.7 Eine ähnliche gleichbleibende Ausländerquote ist auch bei anderen Sportarten, wie dem Handballsport, zu erkennen.8 Zurückzuführen ist dies wohl darauf, dass es seit Bosman für Ausländerklauseln im Profimannschaftssport keine derart drastischen rechtlich einschlägigen Entscheidungen mehr gab. 2 Vgl NN, 40 Jahre Bundesliga Ausländer in der Bundesliga, https://www.stern.de/sport/fussball/40-jahre- bundesliga-auslaender-in-der-bundesliga-3514572.html (30.03.2021). 3 Vgl NN, Wie hat sich der Ausländeranteil in der Bundesliga von 1963 bis 2016 entwickelt?, https://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/bundesliga/179057/wie-hat-sich-der- auslaenderanteil-in-der-bundesliga-von-1963-bis-2016-entwickelt (30.03.2021). 4 Vgl Battis/Fleiner/Lopez Pina/Ridola/Tsatsos, Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit der „6+5-Regel“ mit europäischem Gemeinschaftsrecht, https://www.rechthaber.com/wp- content/uploads/2010/08/INEA_Gutachten_zu_6_plus_5_Regel_2008.pdf (30.03.2021), 27. 5 Vgl Battis/Fleiner/Lopez Pina/Ridola/Tsatsos, Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit der „6+5-Regel“ mit europäischem Gemeinschaftsrecht, https://www.rechthaber.com/wp- content/uploads/2010/08/INEA_Gutachten_zu_6_plus_5_Regel_2008.pdf (30.03.2021), 27 ff. 6 Vgl Battis/Fleiner/Lopez Pina/Ridola/Tsatsos, Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit der „6+5-Regel“ mit europäischem Gemeinschaftsrecht, https://www.rechthaber.com/wp- content/uploads/2010/08/INEA_Gutachten_zu_6_plus_5_Regel_2008.pdf (30.03.2021), 33. 7 Vgl NN, Anteil ausländischer Spieler in der 1.Fußball-Bundesliga von der Saison 1995/96 bis zur Saison 2020/21, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1040656/umfrage/auslaenderanteil-der-1- fussball-bundesliga/ (30.03.2021). 8 Vgl NN, Zwischen 28,57 und 61,36 Prozent – Der Anteil der Bundesliga-Legionäre im Positionsvergleich, https://www.handball-world.news/o.red.r/news-1-1-1-51570.html (30.03.2021). 6
D. Art 45 AEUV – Anwendung auf sportliche Regelungen Im Hinblick auf den Hauptteil meiner Arbeit ist vorweg zu klären, ob die Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV auf sportliche Regelungen, also eben auf jeweilige Ausländerklauseln oder Ausländerbeschränkungen durch aufgestellte Regeln von Sportverbänden, überhaupt Anwendung findet. Art 45 AEUV verfolgt aufgrund des Diskriminierungsverbots des Absatzes 2 abstrakt gesehen die Ziele alle Arbeitnehmer aus EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf Beschäftigung, Entlohnung und etwaige andere Arbeitsbedingungen im gesamten Unionsgebiet gleich zu behandeln und ungleiche Behandlungen aufgrund verschiedener Staatsangehörigkeiten zu beseitigen.9 Art 45 Abs 2 AEUV soll grundsätzlich Art 18 Abs 1 AEUV, welcher Diskriminierungen jeder Art aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietet, konkretisieren.10 Zusätzlich soll die Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährleisten, dass sich jeder Unionsbürger auf alle im Unionsgebiet ausgeschriebenen Stellenangebote frei bewerben kann;11 sich dafür in der gesamten Union ohne Einschränkungen bewegen kann;12 sich für die Berufsausübung im gesamten Gebiet aufhalten kann;13 und schließlich auch in jedem EU-Staat unter vorgegebenen Bedingungen verbleiben darf um der beruflichen Tätigkeit nachgehen zu können.14 Begünstigte des Art 45 AEUV sind alle Angehörigen der Mitgliedstaaten der EU, wobei jene einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen müssen. Zu den Verpflichteten der Arbeitnehmerfreizügigkeit zählen alle Mitgliedstaaten, intermediäre Gewalten und Unternehmen bei denen die öffentliche Hand eine mehrheitliche Beteiligung besitzt, aber auch ein privater Arbeitgeber ist im Grunde genommen an Art 45 AEUV gebunden. Weiters muss natürlich für die Erfüllung des Anwendungsbereiches ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben sein.15 In concreto ist primär bereits aus der Rs Walrave/Koch zu schließen, dass die Sportausübung im Allgemeinen, dazu gehören auch etwaige Ausländerklauseln bezugnehmend auf die Ausübung, sofern diese eine wirtschaftliche Tätigkeit, also eine 9 Vgl Art 45 AEUV. 10 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 125. 11 Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 18. 12 Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 93. 13 Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 95. 14 Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 103. 15 Vgl Leidenmühler, Europarecht3 (2017), 192 ff. 7
auf nach Erwerbszwecken ausgerichtete Tätigkeit, darstellt, unter das EU-Recht fällt.16 Profivereinssportler in der Union gehen ihrer Tätigkeit unselbstständig nach, sie müssen die Weisungen ihrer Vereine befolgen, erhalten für ihre Tätigkeit ein Entgelt und daher wird auch in jedem Fall der geforderte Erwerbszweck verfolgt, wodurch sie als Arbeitnehmer anzusehen sind und damit auch unter Art 45 AEUV als Begünstigte fallen. Ob sie als Profis oder Halbprofis gelten, ist dabei nicht von Bedeutung.17 Die Tätigkeit als Berufssportler darf bloß nicht völlig untergeordnet oder unwesentlich sein, wodurch Amateursportler nicht vom Arbeitnehmerbegriff umfasst sind.18 Im Rahmen der Bosman-Entscheidung wurde zwar immer wieder aufgrund von durchaus nachvollziehbaren Gegenargumenten, wie den immens hohen Gehältern der Fußballprofis im Gegensatz zu gewöhnlichen Arbeitnehmern oder der fehlenden Bindung der Spieler zu ihren jeweiligen Vereinen, an der Arbeitnehmereigenschaft der Sporttreibenden gezweifelt, im Endeffekt allerdings entkräftete dies der Gerichtshof im Bosman-Urteil mit der unzweifelhaft vorliegenden Weisungsgebundenheit von Vereinssportlern gegenüber ihren Mannschaften durch die gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit.19 Aus der Entscheidung Walrave/Koch lässt sich zusätzlich durch eine genaue Erläuterung des Gerichtshofs die Geltung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht bloß für Regelungen von staatlichen Behörden erkennen, sondern eben auch für etwaige Vorschriften oder Verträgen von privatrechtlichen Körperschaften bzw einzelnen Personen, die die unselbständige Arbeit auf kollektive Art regeln.20 In conclusio wurde somit die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten vom Gerichtshof im Urteil Walrave/Koch festgehalten.21 Daraus resultierte, dass Sportverbände zwar einen Teil ihrer Autonomie einbüßen mussten; wobei man dies aber durchaus als gerechtfertigt ansehen kann, weil eben auch genau solche sportlichen Verbände nicht berechtigt sein dürfen einzelne EU-Bürger in ihren von den EU-Verträgen gewährleisteten Freiheiten wesentlich einzuschränken. Durch die genannten Aspekte wird somit eine einheitliche Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gesichert.22 16 Vgl Persch, Der EuGH und die Besonderheiten des Sports im Arbeitsrecht, NZA 2010, 986 f. 17 Vgl EuGH 12.12.1974 Rs 36/74, Walrave/Koch, ECLI:EU:1974:140 (Rz 4/10). 18 Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 15. 19 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 129 f. 20 Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 3. 21 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 137. 22 Vgl EuGH 12.12.1974 Rs 36/74, Walrave/Koch, ECLI:EU:1974:140 (Rz 16/19). 8
Jene Ausführungen in Bezug auf die für die Arbeitnehmerfreizügigkeit geforderte wirtschaftliche Ausübung von sportlichen Tätigkeiten wurden im Großen und Ganzen auch in den Rs Donà und Bosman so bestätigt. Dabei wurde in der Rs Bosman ergänzend erwähnt, dass eine Unternehmereigenschaft des Arbeitgebers jedenfalls für die Anwendung des Art 45 AEUV nicht entscheidend ist, was bei gewissen Vereinen bzw Verbänden möglicherweise nicht vorliegen wird.23 Des Weiteren wurde im Urteil festgehalten, dass auch die in der EMRK festgehaltene Vereinigungsfreiheit der Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht entgegensteht.24 Sportverbände dürfen trotz der durchaus berechtigten Berufung auf deren Vereinigungsfreiheit und eine sich daraus ergebende Autonomie nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit mit zugehörigem Diskriminierungsverbot und dementsprechenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz außer Acht lassen.25 Aufgrund all dieser genannten Feststellungen des EuGHs ist eine Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV auf Vorschriften von nationalen und internationalen Sportverbänden, wie sie etwaige Ausländerklauseln bzw - beschränkungen in jedem Fall darstellen, ohne Zweifel sicher.26 Die unmittelbare Drittwirkung des Diskriminierungsverbots des Art 45 AEUV gilt bereits seit dem Jahr 1976 , also seit der Donà-Entscheidung unzweifelhaft als Rsp des EuGHs.27 Des Weiteren ist hier noch hinzuzufügen, dass bereits in der Rs Van Duyn die unmittelbare Wirkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und den jeweiligen zugehörigen Rechten auf den einzelnen Unionsbürger bejaht wurde. Die jeweiligen innerstaatlichen Gerichte haben dies sodann zu berücksichtigen.28 II. Die Entwicklung der Rsp des EuGH Aufgrund der nun geklärten Anwendbarkeit des Art 45 AEUV auf von Sportverbänden aufgestellte Ausländerklauseln wird in diesem Kapitel die Entwicklung der Rsp des EuGHs zur Konformität von solchen Ausländerklauseln mit der 23 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 74). 24 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 79 f). 25 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 140. 26 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 87). 27 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 138. 28 Vgl EuGH 04.12.1974 Rs 41/74, Van Duyn, ECLI:EU:C:1974:133 (Rz 4 ff). 9
Arbeitnehmerfreizügigkeit anhand von 3 konkreten Entscheidungen behandelt und vor allem im Hinblick auf Rechtfertigungsgründe genau analysiert. A. Rs Walrave/Koch Zum SV dieses Falles ist zu sagen, dass die beiden Niederländer Walrave und Koch als Kläger aufgetreten waren und dabei gegen eine Regelung des Radsportverbandes UCI (Union Cycliste Internationale) vorgingen, die es bei Weltmeisterschaften von Bahnradrennen Schrittmachern vorschreibt, die selbe Staatsangehörigkeit inne zu haben wie die jeweiligen Radrennfahrer im eigenen Team. Walrave und Koch gehörten zu jenen Schrittmachern und übten diese Tätigkeit aufgrund eines Vertrages gegen Entgelt aus. Die oben erläuterte Vorschrift des Verbandes stellt in jedem Fall eine Ausländerklausel bzw -beschränkung dar, weil sie es etwaigen Schrittmachern aus Unionsstaaten untersagt Teammitglied eines Rennfahrers aus einem anderen Unionsstaat zu sein. Nun stellte sich für den EuGH die Frage der Auslegung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und dahingehend ob die Verbandsvorschrift der UCI als diskriminierend anzusehen ist.29 Wie bereits im Kapitel I/D. festgestellt ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 AEUV jedenfalls auf Vorschriften der Sportverbände anzuwenden. Daher ist auch das zur Freizügigkeit gehörende Diskriminierungsverbot, welches grundsätzlich jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende ungleiche Behandlung hinsichtlich der einer unselbstständigen Tätigkeit nachgehenden Unionsbürger verbietet, zu berücksichtigen.30 In der Entscheidung des EuGHs wurde konkret der räumliche Geltungsbereich des zur Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 AEUV gehörenden Diskriminierungsverbots näher konkretisiert: Das Verbot des Art 45 AEUV soll demnach bei jeglichen Rechtsbeziehungen zur Anwendung kommen, sofern es wegen des Entstehungsortes jener Rechtsbeziehungen oder wegen des Ortes an dem diese rechtliche Wirkung zeigen, einen etwaigen Zusammenhang zum Gemeinschaftsgebiet gibt.31 Der wichtigste Punkt der Rs Walrave/Koch lag aber wohl in der Feststellung der Nichtanwendung des Diskriminierungsverbots des Art 45 AEUV bzw der Arbeitnehmerfreizügigkeit bei jeglicher Regelung bzgl der Zusammensetzung oder der 29 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 50. 30 Vgl EuGH 12.12.1974 Rs 36/74, Walrave/Koch, ECLI:EU:1974:140 (Rz 20/24). 31 Vgl EuGH 12.12.1974 Rs 36/74, Walrave/Koch, ECLI:EU:1974:140 (Rz 28/29). 10
Zusammenstellung von Nationalmannschaften in Abgrenzung zu Vereinsmannschaften.32 Denn in diesem Fall steht nicht die wirtschaftliche Betrachtung im Vordergrund, sondern es sind die sportlichen Aspekte bei der Bildung der Mannschaften der konkreten sportlichen Tätigkeit ausschlaggebend. In conclusio ist es zulässig die Nationalmannschaft dahingehend zu beschränken, dass bloß Angehörige der eigenen Staatsangehörigkeit Teil der Mannschaft sein dürfen. Nichtsdestotrotz ist eine Ausländerklausel die hinsichtlich des Geltungsbereiches der Arbeitnehmerfreizügigkeit weitergeht als es der Zweck erfordert unzulässig.33 In casu ließ der EuGH bzgl Schrittmacher und Rennfahrer im Ergebnis dem nationalen Gericht die Beurteilung hinsichtlich der Klassifizierung der Mannschaft über.34 B. Rs Donà Ausschlaggebender Punkt des SV der Rs Donà ist Artikel 16 in Verbindung mit Artikel 28 Buchstabe g der Personalordnung des Italienischen Fußballverbandes, welcher regelt, dass im italienischen Fußballsport nur Spieler, die beim inländischen Fußballverband eingeschrieben sind, auch spielberechtigt sind. In der Regel werden bloß italienische Staatsangehörige Mitglied des Fußballverbandes und sind sodann auch in der Lage Fußballspiele auf professionellem Level zu absolvieren.35 Jener Artikel des Fußballverbandes stellt grundsätzlich ein Paradebeispiel für eine Ausländerklausel bzw -beschränkung einer Sportorganisation dar, da Berufsfußballspieler, welche professionell oder semiprofessionell dem Sport gegen eine Entgeltleistung nachgehen, aus anderen Unionsstaaten als Italien definitiv in ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeschränkt sind, indem sie durch Artikel 16 nicht in der Lage sind ihrem Beruf im gesamten Unionsgebiet frei nachzugehen. Im Allgemeinen stellte der EuGH im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot der Arbeitnehmerfreizügigkeit wie schon in der Rs Walrave/Koch klar, dass eine nationale Vorschrift, welche bloß Angehörige eines EU-Staates erlaubt der sportlichen Tätigkeit im jeweiligen Gebiet nachzugehen, mit Art 45 AEUV unvereinbar ist.36 32 Vgl Hilf, Die Freizügigkeit des Berufsfußballspielers innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1984, 520. 33 Vgl EuGH 12.12.1974 Rs 36/74, Walrave/Koch, ECLI:EU:1974:140 (Rz 4/10). 34 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 52. 35 Vgl EuGH 14.07.1976 Rs 13/76, Donà, ECLI:EU:C:1976:115 (Rz 5). 36 Vgl EuGH 14.07.1976 Rs 13/76, Donà, ECLI:EU:C:1976:115 (Rz 19). 11
Eine Rechtfertigung käme bei einer solchen Ausländerklausel nach der Rs Donà in Frage, sofern ausländische EU-Profifußballspieler aus nichtwirtschaftlichen Gründen von der Teilnahme an bestimmten Spielen rechtlich ausgeschlossen werden. Dies bedeutet, dass eine solche mit nichtwirtschaftlicher Rechtfertigung erlassene Klausel nach der Arbeitnehmerfreizügigkeit zulässig ist, sofern sie für gewisse Spiele gilt, die einen bloß sportlichen Charakter haben. Dies ist der Fall bei einem Wettbewerb, indem nur Spieler mit einer Staatsangehörigkeit eine Mannschaft bilden und somit keine ausländischen Profis Teil des jeweiligen Teams sind.37 Dabei wird allerdings nicht mehr wie bei der Rs Walrave/Koch auf die Gründe bzgl der speziellen Bildung der Mannschaften abgestellt, sondern eben auf den konkreten Charakter des offiziellen Wettbewerbs; also ob dieser von wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur ist. Dies stellt die wohl einzige neue Erkenntnis des Donà-Urteils dar.38 Ein solcher nichtwirtschaftlicher bzw sportlicher Charakter liegt bei offiziellen Begegnungen zwischen zwei Nationalmannschaften vor; bei einer solchen Fallkonstellation ist das Diskriminierungsverbot im Ergebnis nicht heranzuziehen und entfaltet nicht seine rechtlichen Wirkungen. Nichtsdestotrotz darf durch Ausländerklauseln bzw Ausländerbeschränkungen die Geltung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nie überschießend eingeschränkt werden; Regelungen dürfen nie über ihren erforderlichen Zweck hinausgehen und jedenfalls nicht eine sportliche Tätigkeit dem AEUV gänzlich entziehen.39 Solche Fälle sind allerdings vom jeweiligen innerstaatlichen Gericht zu beurteilen.40 In casu allerdings bezieht sich die oben erläuterte Ausländerklausel des italienischen Fußballverbandes jedenfalls auf den professionellen Vereinssport und nicht auf etwaige offizielle Wettbewerbe zwischen Nationalmannschaften, was einen wesentlichen Unterschied zur Rs Walrave/Koch darstellt; jene Ausführung, welche doch von großer Bedeutung ist, wurde vom EuGH allerdings nicht groß behandelt; es folgten auch keine gesonderten Erläuterungen des Gerichtshofs, die Ausnahmen bzw Rechtfertigungen vom Diskriminierungsverbot bei Ausländerklauseln im Vereinssport nahe legten.41 Trotzdem ergibt sich aus dem Urteil erstmals eine Tendenz des EuGHs, dass die konkrete Regelung des Fußballverbandes mit dem Vertragsrecht unvereinbar ist; auch nach der damals hM in der Literatur ist eine Nichtanwendung der 37 Vgl EuGH 14.07.1976 Rs 13/76, Donà, ECLI:EU:C:1976:115 (Rz 14/16). 38 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 56. 39 Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 62. 40 Vgl EuGH 14.07.1976 Rs 13/76, Donà, ECLI:EU:C:1976:115 (Rz 14/16). 41 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 56. 12
Ausländerklausel für alle Profi- und Halbprofisportler aus EU-Mitgliedstaaten zu folgern, wobei eben die klare und eindeutige Entscheidung ausbleibt.42 Alles in allem gab es somit in der 1976 entschiedenen Rs Donà im Gegensatz zur Rs Walrave/Koch keine wirklich spektakulären neuen Erkenntnisse durch den EuGH; im Großen und Ganzen stellt sie eine gänzliche Bestätigung der Entscheidung aus dem Jahr 1974 dar. C. Rs Bosman Auch in einer der für die Sportrechts- und EU-Rechtsentwicklung wohl prägendsten EuGH-Entscheidungen aller Zeiten war eine Ausländerklausel bzw -beschränkung von entscheidender Bedeutung. In der Rs Bosman wurde die von der UEFA, die der FIFA als oberste Fußballkonföderation untergeordnete in Europa tätige Institution im Fußballsport, erlassene 3+2-Regel behandelt. Nach jener Regelung soll ein Fußballverein einer ersten Liga bei einem Spiel der nationalen Meisterschaft bloß drei ausländische Fußballspieler einsetzen dürfen; wobei es zusätzlich dazu erlaubt sei zwei weitere Spieler, welche nicht dem Staat des Vereines angehören, in die Aufstellung für eine Begegnung aufzunehmen, sofern jene beiden Spieler bereits fünf Jahre lang ohne Unterbrechung im Staat des jeweiligen Fußballverbandes tätig sind. Von diesen fünf Jahren müssen jedoch mindestens drei Jahre in Juniorenmannschaften absolviert worden sein. Jene von der UEFA gemeinsam mit der EU-Kommission ausgearbeitete und schließlich umgesetzte Regelung hatten auch die in der EU ansässigen nationalen Sportverbände in ihre Regelwerke aufzunehmen. Die 3+2-Regel galt allerdings nicht nur in den jeweiligen nationalen Meisterschaften, welchen von den Verbänden organisiert wurden, sondern natürlich auch in den UEFA-Wettbewerben, wie etwa in der Champions League oder im damaligen UEFA-Cup, der jetzigen Europa League.43 Aufgrund der Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV auf die erläuterte Ausländerklausel, welche in den Statuten der UEFA bzw der einzelnen nationalen Sportverbände niedergeschrieben wurde, ist somit eine Verletzung des Diskriminierungsverbots gem Art 45 (2) AEUV, sowie natürlich auch eine Beeinträchtigung der genannten Freizügigkeit zu bejahen, da jene Ausländerklausel mittels der Einsatzbeschränkung der Anzahl von Profis aus anderen Mitgliedstaaten in offiziellen Wettbewerbsbegegnungen direkt in das Recht auf Ausübung der 42 Vgl Hilf, Die Freizügigkeit des Berufsfußballspielers innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1984, 520 f. 43 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 27). 13
fußballerischen Tätigkeit eingreift. Sofern der Spieler nämlich nicht die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Verbandes innehat, erschwert die 3+2-Regel die freie Ausübung des Berufes im gesamten Unionsgebiet erheblich.44 Ob, derartige Klauseln auch auf die Beschäftigungen der Profifußballspieler Bezug nehmen oder sich bloß auf den jeweiligen Einsatz bei einer zum offiziellen Spielbetrieb gehörenden Sportbegegnung beziehen, ist im Ergebnis nicht von Bedeutung. Profis bzw Halbprofis verfolgen grundsätzlich ohnehin bloß das Ziel Teil der jeweiligen Sportwettkämpfe zu sein, also in casu tatsächlich Fußball spielen zu können, wodurch eine Vorschrift, welche Sportler an der Teilnahme an einer Sportbegegnung hindert, einer Beschränkung der Möglichkeit der Beschäftigung nachzugehen, gleichkommt.45 Ein weiterer entscheidender und hochinteressanter Teil der EuGH-Entscheidung war die Prüfung, ob etwaige Gründe vorliegen, die die Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit rechtfertigen könnten. Eine solche Rechtfertigung ist möglich, sofern ein bzgl des Vertragsrechts berechtigter Zweck verfolgt wird, die Vorschrift geeignet ist den Zweck zu gewährleisten und schließlich nicht über das Erforderliche zur Erreichung des Zweckes hinausgeht.46 In erster Linie wurden von den Befürwortern der 3+2-Regel nichtwirtschaftliche Gründe zur Rechtfertigung der Ausländerklauseln hervorgebracht. In concreto wurde unter anderem die traditionelle Bindung eines Vereins zum jeweiligen Land aus dem der Club stammt, genannt. Jene Bindung würde ohne Beschränkungen von ausländischen Berufsspielern verloren gehen und so zu einem Verlust der Identifikation der Fans mit dem jeweiligen Team führen bzw zu einer mangelhaften Repräsentation des Staates, dem sie angehören, auch bei etwaigen Wettkämpfen auf internationaler Ebene.47 Hinsichtlich jenes Rechtfertigungsgrundes ist zwar generell zu erwähnen, dass grundsätzlich nichtwirtschaftliche Gründe bereits in den EuGH-Urteilen Walrave/Koch und Donà als taugliche Gründe zur Rechtfertigung des Eingriffes in die Arbeitnehmerfreizügigkeit bei Ausländerklauseln herangezogen wurden und sodann das Diskriminierungsverbot keine rechtliche Wirkung zeigt, sofern die Klausel bzw Beschränkung bloß für gewisse spezifische Begegnungen gilt, bei denen der sportliche 44 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 116 ff). 45 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 120). 46 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 148. 47 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 122 f). 14
Charakter Fokus hat.48 Ob dies als eigener Rechtfertigungsgrund bzgl eines Eingriffes in die Arbeitnehmerfreizügigkeit oder aber doch als begrenzte Bereichsausnahme des Sports in Bezug auf die Anwendung der Grundfreiheiten anzusehen ist, wurde vom Gerichtshof in den behandelten Rs nicht klar deklariert, aber in der jetzt vorliegenden Rs Bosman spricht der Wortlaut des Urteils klar für eine teilweise Beschränkung des Geltungsbereiches und daher einer teilweisen Nichtanwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Beschränkung darf aber nicht über den verfolgten Zweck hinausgehen49 („Sie kann daher nicht herangezogen werden, um eine sportliche Tätigkeit im ganzen vom Geltungsbereich des Vertrages auszuschließen.“ 50); im Ergebnis ist dies aber auch egal, denn auf die Verhältnismäßigkeit der Regelung wäre in beiden Ansätzen Acht zu geben.51 Ein solcher spezieller sportlicher, sozialer und damit nichtwirtschaftlicher Schwerpunkt der Tätigkeit ist in jedem Fall bei Begegnungen zwischen Nationalmannschaften gegeben, weswegen Begegnungen zweier solcher Mannschaften auch vom Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgenommen wurden;52 wobei dies in casu nicht einschlägig ist, da die 3+2-Regel der UEFA bzw der einzelnen Sportverbände bei offiziellen Liga- oder Pokalbegegnungen nur zwischen Vereinen gilt und sodann das wirtschaftliche Interesse des Profisports im Vordergrund steht, wodurch dahingehend eine Unvereinbarkeit mit dem Vertragsrecht vorliegt.53 Um die oben konkret genannten möglichen Rechtfertigungsgründe der Förderer der Ausländerklausel zu entkräften, erläuterte der EuGH in erster Linie hinsichtlich der Bindung der Vereine zum jeweiligen Angehörigkeitsstaat bzw zur jeweiligen Region, aus der der Club stammt , dass jene Bindung, gleichgültig ob in Bezug auf den Staat oder die jeweilige Region, für die Sportausübung selbst und die Beschäftigung als Profisportler von unerheblicher Bedeutung ist. Jene Ausführung ist auch durch das Faktum von fehlenden Beschränkungen von Profisportlern, die nicht aus derselben Region wie der jeweilige Verein stammen, bei Aufstellungen für etwaige Begegnungen innerhalb einer nationalen Liga bestärkt.54 Es ist somit weder die Bindung zu einer 48 Vgl EuGH 14.07.1976 Rs 13/76, Donà, ECLI:EU:C:1976:115 (Rz 14/16). 49 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 33. 50 EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 76). 51 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 33. 52 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 63. 53 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 127 ff). 54 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 131). 15
Region oder Stadt noch zu einem Staat als nichtwirtschaftlicher Grund für die Rechtfertigung des Eingriffes in Art 45 AEUV durch die 3+2-Regel geeignet.55 Bzgl etwaiger Sportwettkämpfe auf internationalem Level ist auf die für die Qualifikation bloß notwendige nationale Liga- oder Pokalplatzierung hinzuweisen, wodurch in einem solchen Fall die jeweilige Staatsangehörigkeit der aufgestellten Profisportler keine entscheidende Rolle spielt und daher eine Ausländerklausel auch dadurch nicht gerechtfertigt erscheint.56 Als weiteres mögliches Rechtfertigungsargument für die 3+2-Regel machte die UEFA bzw andere etwaige Sportverbände oder nationale Regierungen im Bosman-Verfahren die nötige Förderung von Nationalmannschaften geltend. Denn durch jene Beschränkung von Spielern, die nicht die Staatsangehörigkeit des eigenen Vereines besitzen, bei offiziellen Sportbegegnungen, sollen sich genügend Spitzenspieler in der jeweiligen nationalen Liga entwickeln können, um auch etwaige Ausfälle kompensieren zu können.57 Vom EuGH wurde hinsichtlich dessen als Gegenargument treffend hervorgebracht, dass zwar bloß Spieler mit einer entsprechenden Staatsangehörigkeit im jeweiligen Nationalteam berechtigt sind in offiziellen Wettbewerben aufzulaufen, es allerdings definitiv nicht erforderlich ist, dass die Profis auch für Vereine der jeweiligen nationalen Liga tätig sind.58 Des Weiteren wurden auch etwaige Argumente gegen Art 45 AEUV im Generellen hinsichtlich einer Einschränkung der Beschäftigungsmöglichkeiten für Inländer bei Öffnung des Arbeitsmarktes für alle EU-Bürger durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit vom EuGH entschieden zurückgewiesen. Als Grund führte der Gerichtshof zutreffend die Folge der kompletten Öffnung des Arbeitsmarktes des gesamten EU-Gebiets an, wodurch für alle EU-Bürger im Ergebnis eine Erhöhung der Möglichkeiten einer Beschäftigung resultiert und sich dadurch die grundsätzlich unbeachtliche Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten im eigenen Land für die inländischen Staatsangehörigen ausgleicht.59 55 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 64. 56 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 132). 57 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 124). 58 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 133). 59 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 134). 16
Ein weiterer Grund der die 3+2-Regel rechtfertigen könnte, liegt darin, dass durch etwaige Ausländerbeschränkungen kein Verein in der Lage sein wird zahlreiche überdurchschnittlich gute Spieler, also Stars wie etwa Cristiano Ronaldo und Lionel Messi heute, zu verpflichten und so den Wettbewerb zu dominieren. Durch die von der UEFA entwickelte Regelung soll also ein sportliches Gleichgewicht zwischen allen Vereinen hergestellt werden.60 Der gegenteilige Standpunkt des EuGHs im Hinblick auf das Vorbringen der Befürworter der Ausländerklausel besagt zutreffender Weise, dass die finanziell stärkeren Vereine ohnehin die besseren Spieler, auch wenn dies dann bloß nationale Berufssportler sind, verpflichten können und somit sich die besten Spieler trotzdem bei gewissen wenigen Vereinen sammeln, wodurch diese anschließend in der Lage sein werden den offiziellen sportlichen Wettbewerb zu dominieren. Daher kann eine Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts durch die 3+2-Regel nicht erreicht werden bzw ist jene Vorschrift an sich bereits nicht geeignet den Zweck des Ausgleichs einer etwaigen sportlichen Dominanz zu bezwecken.61 Auch die von der UEFA eingewendete Beteiligung der Kommission bei der Ausarbeitung der 3+2-Regel und das daraus bereits die Konformität mit EU-Recht folgen soll, wird vom EuGH entschieden abgelehnt.62 Dahingehend wurde bereits in der Rs Essevi und Salengo vom EuGH erläutert, dass die Kommission im Regelfall nicht in der Lage ist, Zusicherungen auf eine Vertragsrechtsvereinbarkeit eines bestimmten Aktes zu geben.63 Zweifelsohne ist es für die Kommission nicht erlaubt einer der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV widersprechenden Maßnahme eine Genehmigung zu erteilen.64 Zusammenfassend wurde durch den EuGH in der Rs Bosman durch eine, im Gegensatz zu den Rs Walrave/Koch und Donà genaue Auseinandersetzung mit etwaigen möglichen bzw eingewendeten Rechtfertigungsgründen trotzdem eine bestätigende Entscheidung getroffen, indem der Gerichtshof feststellte, dass die von der UEFA bzw den jeweiligen Sportverbänden aufgestellte Ausländerklausel, die 3+2-Regel, nicht mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV vereinbar ist und somit unzulässig ist.65 Natürlich ist nochmals explizit darauf hinzuweisen, dass durch die erläuterten 60 Vgl Hilf/Pache, Das Bosman-Urteil des EuGH, NJW 1996, 1173. 61 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 135). 62 Vgl Hilf/Pache, Das Bosman-Urteil des EuGH, NJW 1996, 1173. 63 Vgl EuGH 27.5.1981 Rs 142 und 143/80, Essevi und Salengo; ECLI:EU:C:1981:121 (Rz 16). 64 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 136). 65 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 137). 17
Entscheidungen des Gerichtshofs Ausländerklauseln mangels Rechtfertigung bloß für Sportprofis bzw Halbprofis aus EU-Mitgliedstaaten nicht zur Anwendung kommen können, aufgrund des dahingehend eingeschränkten Geltungsbereichs des Art 45 AEUV, wobei im Kapitel IV der Arbeit einige weitere Versuche von Beschränkungen von Ausländern durch Sportverbände einer genauen Analyse unterzogen werden.66 Die Problematik bzgl Drittstaatsangehöriger wird im nächsten Kapitel genauer untersucht. Ausschließlich für den Amateursport sind etwaige Ausländerklauseln weiterhin zulässig und eben aus sportlichen, also nichtwirtschaftlichen, Gründen auch für Nationalmannschaften.67 Seit der Bosman-Entscheidung gab es vom EuGH zwar noch einige für den Sport relevante Entscheidungen, aber hinsichtlich der klassischen Ausländerklausel war das Wichtigste definitiv festgehalten und könnte meiner Einschätzung nach durchaus als Aufforderung an Sportverbände verstanden werden von Ausländerklauseln im Vereinssport zukünftig und wohl auch endgültig Abstand zu nehmen. III. Ausländerklauseln und Drittstaatsangehörige Anhand zweier EuGH-Entscheidungen soll in diesem Teil der Arbeit dargelegt werden, ob Ausländerklauseln rechtliche Wirkungen auf etwaige Drittstaatsangehörige entfalten oder ob möglicherweise in einer solchen Konstellation etwaige Assoziierungsabkommen eine Beschränkung der sportlichen Tätigkeit von gewissen ausländischen Staatsangehörigen verhindern. Assoziierungsabkommen im Allgemeinen sind in Art 217 AEUV geregelt und sind im Normalfall auf verschiedene Zwecke ausgerichtet, wie zum Beispiel dem Beitritt zur Union oder der Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen.68 A. Rs Kolpak Ausgangspunkt des Falles Kolpak aus dem Jahr 2003 war eine Regelung der Spielordnung (SpO) des Deutschen Handballbundes, die Mannschaften der ersten und zweiten Profiligen im Ergebnis verbietet mehr als zwei Spieler einzusetzen, welche nicht Angehörige eines EU-Mitgliedstaates bzw Angehörige eines Drittstaates sind, welche mittels Assoziierungsabkommen zwischen der Union und dem jeweiligen Staat 66 Vgl Hilf/Pache, Das Bosman-Urteil des EuGH, NJW 1996, 1174. 67 Vgl Hilf/Pache, Das Bosman-Urteil des EuGH, NJW 1996, 1174. 68 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 168. 18
ein der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV gleichzusetzendes Recht zugesprochen bekommen.69 Kolpak als slowakischer Staatsbürger war der Meinung, dass durch das Diskriminierungsverbot, welches aus den Bestimmungen des AEUV (EG-Vertrages) in Verbindung mit jenen aus dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Slowakischen Republik resultiert, er als Angehöriger der Slowakischen Republik ein der Arbeitnehmerfreizügigkeit ähnlich gleichstellendes Recht besitzt und daher wie alle Angehörigen von EU-Mitgliedstaaten ein uneingeschränktes Recht hat bei offiziellen Wettbewerben des DHBs ohne etwaige Einschränkung teilzunehmen; wodurch eben eine Nichtanwendung der Regelung auf konkret seine Person folgen soll; in conclusio durch einen Verstoß gegen das genannte Assoziierungsabkommen.70 Die entscheidende Frage im gegebenen Verfahren, ob § 15 Abs 1 lit b SpO rechtskonform mit Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich des Assoziierungsabkommens Union—Slowakei ist, beantwortete der EuGH wie folgt: In erster Linie wurde vom Gerichtshof die unmittelbare Wirkung des Art 38 des Abkommens mit einem Verweis auf die Rs Pokrzeptowicz-Meyer begründet.71 Denn in diesem Urteil wurde bereits entschieden, dass Staatsangehörige von Polen, hinsichtlich des Assoziierungsabkommens mit der EU (EG), die Bestimmung des Art 37 des Abkommens vor den Gerichten von Mitgliedstaaten geltend machen können.72 Jene Entscheidung des EuGHs lässt sich aufgrund des selben Wortlauts der Bestimmungen der beiden Abkommen und der grundsätzlich selben Ziele, nämlich der Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen und des Handels durch die Bildung einer Assoziation und dadurch der Ermöglichung des zukünftigen Beitritts zur Union, der Abkommen auf den Fall Kolpak eins zu eins übertragen, da sich daraus eine punktgenaue rechtliche Wirkung folgern lässt. Etwaige Umsetzungen durch gewisse Akte der betroffenen Staaten oder Durchführungsbestimmungen der Regelungen der Abkommen durch einen Assoziationsrat waren nicht notwendig gewesen und aufgrund der Auslegung der Bestimmungen ist auch eine Anknüpfung an gewisse Voraussetzungen oder eine etwaige Einschränkung durch die Mitgliedstaaten selbst an das aus Art 38 bzw 37 resultierende Diskriminierungsverbot definitiv nicht erlaubt. Bei einer gegenteiligen Ansicht würde Art 38 des Abkommens Gemeinschaft—Slowakei jegliche Wirkung 69 Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 8). 70 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 80. 71 Vgl Kreis/Schmid, Bosman und kein Ende – Zur Vereinbarkeit von Ausländerklauseln mit dem AKP-EG- Partnerschaftsabkommen, NZA 2003, 1016. 72 Vgl EuGH 29.01.2002 Rs C-162/00, Pokrzeptowicz-Meyer, ECLI:EU:C:2002:57 (Rz 30). 19
verlieren und dadurch im Generellen zwecklos sein.73 Auch der in Art 38 enthaltene Wortlaut „vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten“74 ändert an der unmittelbaren Wirkung und Anwendbarkeit des aus dem Artikel resultierenden Diskriminierungsverbots nichts.75 Entscheidend für die gegebene Rs ist nach der Bejahung der unmittelbaren Drittwirkung jedenfalls die Anwendbarkeit des Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich des Assoziierungsabkommens auf Regelungen, welche von Sportverbänden aufgestellt wurden. Dahingehend ist vor allem auf die oben dargelegten Erläuterungen der Rs Bosman bzw Walrave/Koch im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Art 45 AEUV zu verweisen, wonach jene Anwendbarkeit auf Bestimmungen von Sportverbänden jedenfalls zu bejahen war.76 Bereits in der Rs Pokrzeptowicz-Meyer stellte der Gerichtshof fest: Nach gesamter Betrachtung des dementsprechenden Abkommens zwischen Polen und der EU im Vergleich mit dem damaligen EG-Vertrag ergibt sich, dass Art 37 Abs 1 erster Gedankenstrich des genannten Abkommens zwar keinen Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit für polnische Staatsbürger in der Union darstellt, jedoch summa summarum dieselbe rechtliche Bedeutung wie Art 45 Abs 2 AEUV haben soll. Aus diesem genannten Grund entfaltet Art 37 Abs 1 des Abkommens EG—Polen für polnische Staatsangehörige, welche rechtmäßig in der Union beschäftigt sind, das grundsätzlich selbe Diskriminierungsverbot bzgl etwaiger Arbeitsbedingungen, wie Art 45 Abs 2 AEUV für Unionsbürger. Somit lassen sich, weil Art 37 Abs 1 erster Gedankenstrich des Abkommens Gemeinschaft—Polen und Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich Abkommen Gemeinschaft—Slowakei im Sinne ident sind, die Ausführungen bzgl der Auslegung der Arbeitnehmerfreizügigkeit bzgl der Anwendbarkeit auf Regeln von sportlichen Verbänden in der Rs Bosman bzw Walrave/Koch auf die Rs Kolpak übertragen. In conclusio ist Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich des Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Slowakischen Republik auf Regelungen von Sportverbänden jedenfalls anwendbar, so eben auch auf die SpO des DHB, da jene Verbandsvorschriften die Voraussetzungen für die unselbstständige Ausübung des professionellen Handballsportes in Deutschland regelt.77 Als weitere Begründung neben der Übertragung der Überlegungen aus der Rs 73 Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 25 ff). 74 Art 38 Abs 1 Assoziierungsabkommen EG-Slowakei. 75 Vgl Holzer/Reissner, Zur arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht in EU-Assoziationsabkommen, DRdA 2003, 479. 76 Vgl Holzer/Reissner, Zur arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht in EU-Assoziationsabkommen, DRdA 2003, 477. 77 Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 34 ff). 20
Bosman kann die Ähnlichkeit des Wortlauts der Regelung des Art 38 des Abkommens zu Art 12 EG herangezogen werden; dies wurde auch in der Lehre vertreten. Nach Art 12 EG sollen Diskriminierungen jeglicher Art jedenfalls bei Privatrechtssubjekten mit Monopolstellung verboten sein, sofern diese Regeln kollektiver Art für entscheidende Lebensbereiche erlassen können; dies wäre bei Sportverbänden wohl ebenfalls zu bejahen, sofern sie in concreto auf Bedingungen am Arbeitsmarkt eingreifen.78 Der wesentlichste Punkt in Bezug auf die Beurteilung der Konformität bzgl der Anwendung des § 15 der SpO des DHB auf den Profisportler Kolpak liegt in der Beurteilung des Regelunggehalts des Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich des Abkommens zwischen der EU und der Slowakischen Republik. Primär ist hier auf die unstreitige Geltung des Diskriminierungsverbots des Artikels 38 bloß für Arbeitnehmer, welche der Slowakischen Republik angehörig sind, mit rechtmäßiger Beschäftigung in einem der EU-Mitgliedstaaten hinzuweisen, wobei das Diskriminierungsverbot nur im Hinblick auf Arbeitsbedingungen, Entlohnung und Entlassung gilt. Der Zugang zum Arbeitsmarkt findet demnach keine Berücksichtigung; dies stellt grundsätzlich einen bedeutenden Unterschied zur Arbeitnehmerfreizügigkeit des EG-Vertrages bzw zur AEUV dar.79 In casu ist Herr Kolpak bereits rechtmäßig in Deutschland, also innerhalb der Union, beschäftigt; er übt aufgrund eines Vertrages gegen Entgelt als Torwart in der 2.Bundesliga unselbstständig seine beruflich Tätigkeit aus, besitzt eine Aufenthaltsgenehmigung und es bedarf nach einschlägigem deutschen Recht keiner Arbeitserlaubnis;80 jene beiden Genehmigungen sind zumeist bzgl der rechtmäßigen Beschäftigung in einem Mitgliedstaat nach nationalem Recht der entscheidende Punkt;81 somit liegen hinsichtlich der rechtmäßigen Beschäftigung und nach dementsprechenden Zugang zum Arbeitsmarkt der Union des Herrn Kolpak als slowakischer Staatsbürger keine Zweifel bzgl dessen vor. Entscheidend ist nun der Inhalt des § 15 Abs 1 SpO; nämlich dass jene Bestimmung eine Arbeitsbedingung iSd Art 38 Abs 1 Abkommen Gemeinschaft—Slowakei betrifft; dies ist im Wesentlichen mit der Rs Bosman zu begründen, wonach eine solche Ausländerklausel , wie § 15 SpO, im Grunde genommen nicht die Anstellung zur jeweiligen Tätigkeit bzw Position ausgestaltet, sondern eben im Kern das wesentliche Ziel der Profisportler einschränkt, 78 Vgl Holzer/Reissner, Zur arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht in EU-Assoziationsabkommen, DRdA 2003, 479 f. 79 Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport- recht4 (2020), Rz 82. 80 Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 43). 81 Vgl Holzke, Die Gleichstellung drittstaatsangehöriger Berufssportler nach der „Kolpak“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, SpuRt 2004, 6. 21
nämlich die Ausübung bzw Aufstellung bei einem offiziellen Pokal- oder Meisterschaftswettbewerb an sich. Somit behandelt § 15 Abs 1 SpO in jedem Fall eine Arbeitsbedingung iSd Art 38 des genannten Assoziierungsabkommens. Rechtliche Wirkung zeigt die Regelung des DHB allerdings nur auf bereits in Deutschland rechtmäßig beschäftigte slowakische Staatsangehörige, die am Profihandballsport sich zu beteiligen beabsichtigen.82 Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich Abkommen Gemeinschaft—Slowakei bzw genauer dem aus dem Artikel resultierenden Diskriminierungsverbot wird in casu mit Sicherheit durch § 15 Abs 1 SpO lit b iVm Abs 2 leg cit widersprochen, da durch jene Regelung des Sportverbandes Herr Kolpak oder auch jede andere Person, als rechtmäßig in der Union beschäftigter Slowake, gegenüber Profispielern aus anderen Unionsstaaten oder EWR-Staaten schlechter gestellt wurde; er könnte aufgrund der Regelung nur unter Erfüllung der Voraussetzungen der Spielordnung seiner sportlichen und beruflichen Tätigkeit nachgehen; dies schränkt ihn wesentlich ein an offiziellen Liga- oder Pokalwettbewerben teilzunehmen und es liegt daher durch § 15 Abs 1 SpO lit b iVm Abs 2 leg cit eine verbotene Diskriminierung vor.83 Als Begründung führt der Gerichtshof im Kern die Entscheidung aus dem Urteil Bosman heran, wonach das Diskriminierungsverbot des Art 45 Abs 2 AEUV eine Regelung von Sportverbänden unzulässig macht, sofern diese nur eine begrenzte Anzahl an Profispielern aus anderen Mitgliedstaaten als des Staates des Vereines in offiziellen Wettbewerben zulässt. 84 Jene Begründung lässt sich im Grunde genommen vollständig auf Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich Abkommen Gemeinschaft—Slowakei übertragen, wodurch eben im Unionsgebiet rechtmäßig beschäftigte Staatsangehörige der Slowakischen Republik nicht schlechter gestellt werden dürfen, in Bezug auf die geltenden Arbeitsbedingungen, im Vergleich zu Staatsangehörigen aus Mitgliedstaaten oder EWR-Staaten.85 Eine etwaige Rechtfertigung, die der DHB durch den Verweis auf rein sportliche Gründe, wie den Schutz der Ausbildung von deutschen Nachwuchsspielern und der Förderung der Nationalmannschaft, für die Erlassung des §15 SpO hervorbrachte, käme nicht in Betracht, was eigentlich wieder durch einen Verweis auf die Rs Bosman begründet wurde. Danach gelten Ausländerklauseln, wie § 15 SpO ebenfalls, genau für den Vereinssport und beschränken daher den Schwerpunkt der 82 Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 43 ff). 83 Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 51). 84 Vgl Holzke, Die Gleichstellung drittstaatsangehöriger Berufssportler nach der „Kolpak“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, SpuRt 2004, 1. 85 Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 49). 22
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