AUSLÄNDERKLAUSELN IM PROFIMANNSCHAFTSSPORT - Diplomarbeit

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JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenbergerstraße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at

                                        Eingereicht von

                                        Lucas Pröll

                                        Angefertigt am

                                        Institut für Europarecht

AUSLÄNDERKLAUSELN IM                    Betreuer / Betreuerin

PROFIMANNSCHAFTSSPORT                   Univ.-Prof. Dr. Franz
                                        Leidenmühler

                                        April 2021

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                                          1
Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht
benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument
identisch.

Linz, am 12.04.2021

Lucas Pröll

                                                                                  2
Gender Erklärung

Um eine leichtere Lesbarkeit zu gewährleisten, wird in der vorliegenden Diplomarbeit
auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet. Sämtliche personenbezogene
Bezeichnungen sind als geschlechtsneutral zu verstehen.

                                                                                  3
Inhaltsverzeichnis

I.     Einleitung ..................................................................................................................................... 5

     A.       Ausgangsproblem ............................................................................ 5

     B.       Ausländerklausel – Definition ............................................................ 5

     C.       Entwicklung von Ausländeranteilen im Vereinssport ............................. 5

     D.       Art 45 AEUV – Anwendung auf sportliche Regelungen ........................... 7

II.       Die Entwicklung der Rsp des EuGH .................................................................................. 9

     A.       Rs Walrave/Koch ........................................................................... 10

     B.       Rs Donà ....................................................................................... 11

     C.       Rs Bosman ................................................................................... 13

III.      Ausländerklauseln und Drittstaatsangehörige ......................................................... 18

     A.       Rs Kolpak ..................................................................................... 18

     B.       Rs Simutenkov.............................................................................. 23

IV.       Ausländerklauseln bzw -beschränkungen im Fußball ............................................ 27

     A.       Local-Player-Regelung ................................................................... 28

     B.       Die 6+5-Regel .............................................................................. 29

     C.       Österreicher-Topf .......................................................................... 36

     D.       Heimkontingente ........................................................................... 37

V.        Brexit-Ausländerklauseln der FA und dessen Auswirkungen auf EU-
Profifußballspieler ......................................................................................................................... 38

VI.       Fazit.......................................................................................................................................... 41

     A.       Aktuelle Lage ................................................................................ 41

     B.       Eigener Standpunkt ....................................................................... 42

Literaturverzeichnis....................................................................................................................... 43

Onlinequellenverzeichnis ............................................................................................................. 44

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I.       Einleitung

A.        Ausgangsproblem

In den letzten Jahrzenten gab es im professionellen Vereinssport zahlreiche rechtliche
Änderungen         unter      anderem    auch    im    Bereich    von    Ausländerklauseln      und
Ausländerbeschränkungen. Exakt jene Ausländer beschränkenden Regelungen sind im
Profimannschaftssport Gang und Gebe und sind meines Erachtens nach im Grunde
genommen heutzutage, in der Zeit des Multikulturalismus, nicht mehr zeitgemäß. Die
vorliegende Arbeit soll bzgl etwaiger Ausländerregelungen den rechtlichen Spielraum
bzw die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf solche Bestimmungen
durch die einzelnen Sportverbände im Unionsraum darlegen und prüfen, ob diese
innerhalb der EU überhaupt mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV im
Einzelnen konform gehen.

B.        Ausländerklausel – Definition

Als die klassische Ausländerklausel sind Regelungen von Sportverbänden zu
verstehen, welche die Zusammensetzung einer Vereinsmannschaft insofern regeln, als
bei einem offiziellen Wettbewerb Berufssportler mit einer Staatsangehörigkeit, welche
nicht mit jener des Verbandes übereinstimmt, bloß in beschränkter Anzahl der
sportlichen Tätigkeit im jeweiligen Staat nachgehen dürfen.1 Jegliche Regelung von
Verbänden die nicht direkt aufgrund des Merkmals der Staatsangehörigkeit Einsätze
von ausländischen Spielern einschränkt, hat zwar auch im Ergebnis eine für Ausländer
beschränkende mittelbare Wirkung, ist aber nicht als klassische Ausländerklausel zu
deklarieren.

C.        Entwicklung von Ausländeranteilen im Vereinssport

Gerade im Fußballsport lässt sich die statistische Entwicklung der Ausländeranteile
über das letzte halbe Jahrhundert gut darstellen. Während in den 1960er Jahren zum
Beispiel      beim    Start    der   Deutschen     Fußballbundesliga       insgesamt     bloß   drei
nichtdeutsche Staatsbürger als Berufsfußballer in Deutschlands erster Liga aktiv
waren, war seit den Entscheidungen des EuGHs bzgl etwaiger Ausländerklauseln, also

1
    Vgl Raupach, Fußball – das Spiel zwischen Idealismus und Kommerz, SpuRt 2008, 243.
                                                                                                  5
den Urteilen Walrave-Koch und Donà, eine Trendwende abzusehen.2 30 Jahre nach
der Gründung der Deutschen Bundesliga, im Jahre 1993, waren über 100 Spieler mit
ausländischer Staatsangehörigkeit in der Liga tätig,3 dies macht etwa einen
Ausländeranteil in Höhe von 21.3 % aus.4 Mit dem Bosman-Urteil im Jahr 1995
schließlich kam es im Fußballsport, aber auch in anderen Vereinssportarten, zu einem
wahrlichen Boom an Berufssportlern mit ausländischer Staatsangehörigkeit in allen
europäischen Spitzenligen. So stieg der Ausländeranteil bis zum Jahr 1996 in der
Deutschen Bundesliga auf 28.5 % an; im Jahr 1997 sogar auf 38.4 % und bis zur
Saison 2002/03 auf 53.6 %. Jener Trend lässt sich grundsätzlich nicht nur in allen
europäischen Fußballligen erkennen, sondern auch in anderen Sportarten wie
Eishockey,       Basketball     oder    Handball;     im    Eishockey     zum     Beispiel     stieg   der
Ausländeranteil von 1994 bis 2001 um rund 50 % auf insgesamt 59%.5 Für jene doch
enorm starken statistischen Veränderungen im Vereinssport ist aufgrund des zeitlichen
Zusammenhanges mit dem Wegfall von Ausländerklauseln für Unionsangehörige
innerhalb der EU jedenfalls die Bosman-Entscheidung direkt kausal.6 Bis heute bleibt
der Ausländeranteil in der Deutschen Fußballbundesliga auf konstant gleichem Niveau,
wie      im   Jahr    2003,     mit    bloß    geringfügigen     Veränderungen.7        Eine     ähnliche
gleichbleibende        Ausländerquote         ist   auch   bei   anderen     Sportarten,       wie     dem
Handballsport, zu erkennen.8 Zurückzuführen ist dies wohl darauf, dass es seit Bosman
für Ausländerklauseln im Profimannschaftssport keine derart drastischen rechtlich
einschlägigen Entscheidungen mehr gab.

2
    Vgl NN, 40 Jahre Bundesliga Ausländer in der Bundesliga, https://www.stern.de/sport/fussball/40-jahre-
     bundesliga-auslaender-in-der-bundesliga-3514572.html (30.03.2021).
3
    Vgl NN, Wie hat sich der Ausländeranteil in der Bundesliga von 1963 bis 2016 entwickelt?,
     https://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/bundesliga/179057/wie-hat-sich-der-
     auslaenderanteil-in-der-bundesliga-von-1963-bis-2016-entwickelt (30.03.2021).
4
    Vgl Battis/Fleiner/Lopez Pina/Ridola/Tsatsos, Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit der „6+5-Regel“ mit
     europäischem                   Gemeinschaftsrecht,                https://www.rechthaber.com/wp-
     content/uploads/2010/08/INEA_Gutachten_zu_6_plus_5_Regel_2008.pdf (30.03.2021), 27.
5
    Vgl Battis/Fleiner/Lopez Pina/Ridola/Tsatsos, Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit der „6+5-Regel“ mit
     europäischem                   Gemeinschaftsrecht,                https://www.rechthaber.com/wp-
     content/uploads/2010/08/INEA_Gutachten_zu_6_plus_5_Regel_2008.pdf (30.03.2021), 27 ff.
6
    Vgl Battis/Fleiner/Lopez Pina/Ridola/Tsatsos, Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit der „6+5-Regel“ mit
     europäischem                   Gemeinschaftsrecht,                https://www.rechthaber.com/wp-
     content/uploads/2010/08/INEA_Gutachten_zu_6_plus_5_Regel_2008.pdf (30.03.2021), 33.
7
    Vgl NN, Anteil ausländischer Spieler in der 1.Fußball-Bundesliga von der Saison 1995/96 bis zur Saison
     2020/21,       https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1040656/umfrage/auslaenderanteil-der-1-
     fussball-bundesliga/ (30.03.2021).
8
    Vgl NN, Zwischen 28,57 und 61,36 Prozent – Der Anteil der Bundesliga-Legionäre im Positionsvergleich,
     https://www.handball-world.news/o.red.r/news-1-1-1-51570.html (30.03.2021).
                                                                                                         6
D.        Art 45 AEUV – Anwendung auf sportliche Regelungen

Im Hinblick auf den Hauptteil meiner Arbeit ist vorweg zu klären, ob die
Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV auf sportliche Regelungen, also eben auf
jeweilige Ausländerklauseln oder Ausländerbeschränkungen durch aufgestellte Regeln
von Sportverbänden, überhaupt Anwendung findet.

Art 45 AEUV verfolgt aufgrund des Diskriminierungsverbots des Absatzes 2 abstrakt
gesehen die Ziele alle Arbeitnehmer aus EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf
Beschäftigung, Entlohnung und etwaige andere Arbeitsbedingungen im gesamten
Unionsgebiet           gleich   zu   behandeln        und    ungleiche    Behandlungen         aufgrund
verschiedener Staatsangehörigkeiten zu beseitigen.9 Art 45 Abs 2 AEUV soll
grundsätzlich Art 18 Abs 1 AEUV, welcher Diskriminierungen jeder Art aufgrund der
Staatsangehörigkeit             verbietet,       konkretisieren.10        Zusätzlich         soll     die
Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährleisten, dass sich jeder Unionsbürger auf alle im
Unionsgebiet ausgeschriebenen Stellenangebote frei bewerben kann;11 sich dafür in
der      gesamten       Union    ohne    Einschränkungen        bewegen     kann;12    sich     für   die
Berufsausübung im gesamten Gebiet aufhalten kann;13 und schließlich auch in jedem
EU-Staat unter vorgegebenen Bedingungen verbleiben darf um der beruflichen
Tätigkeit nachgehen zu können.14

Begünstigte des Art 45 AEUV sind alle Angehörigen der Mitgliedstaaten der EU, wobei
jene      einer    unselbstständigen         Erwerbstätigkeit     nachgehen     müssen.        Zu     den
Verpflichteten der Arbeitnehmerfreizügigkeit zählen alle Mitgliedstaaten, intermediäre
Gewalten und Unternehmen bei denen die öffentliche Hand eine mehrheitliche
Beteiligung besitzt, aber auch ein privater Arbeitgeber ist im Grunde genommen an
Art      45    AEUV      gebunden.      Weiters       muss    natürlich   für   die    Erfüllung      des
Anwendungsbereiches ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben sein.15

In concreto ist primär bereits aus der Rs Walrave/Koch zu schließen, dass die
Sportausübung im Allgemeinen, dazu gehören auch etwaige Ausländerklauseln
bezugnehmend auf die Ausübung, sofern diese eine wirtschaftliche Tätigkeit, also eine

9
    Vgl Art 45 AEUV.
10
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 125.
11
     Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 18.
12
     Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 93.
13
     Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 95.
14
     Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 103.
15
     Vgl Leidenmühler, Europarecht3 (2017), 192 ff.
                                                                                                       7
auf nach Erwerbszwecken ausgerichtete Tätigkeit, darstellt, unter das EU-Recht fällt.16
Profivereinssportler in der Union gehen ihrer Tätigkeit unselbstständig nach, sie
müssen die Weisungen ihrer Vereine befolgen, erhalten für ihre Tätigkeit ein Entgelt
und daher wird auch in jedem Fall der geforderte Erwerbszweck verfolgt, wodurch sie
als Arbeitnehmer anzusehen sind und damit auch unter Art 45 AEUV als Begünstigte
fallen. Ob sie als Profis oder Halbprofis gelten, ist dabei nicht von Bedeutung.17 Die
Tätigkeit als Berufssportler darf bloß nicht völlig untergeordnet oder unwesentlich sein,
wodurch Amateursportler nicht vom Arbeitnehmerbegriff umfasst sind.18 Im Rahmen
der Bosman-Entscheidung wurde zwar immer wieder aufgrund von durchaus
nachvollziehbaren         Gegenargumenten,         wie    den   immens      hohen     Gehältern    der
Fußballprofis im Gegensatz zu gewöhnlichen Arbeitnehmern oder der fehlenden
Bindung der Spieler zu ihren jeweiligen Vereinen, an der Arbeitnehmereigenschaft der
Sporttreibenden gezweifelt, im Endeffekt allerdings entkräftete dies der Gerichtshof
im Bosman-Urteil mit der unzweifelhaft vorliegenden Weisungsgebundenheit von
Vereinssportlern gegenüber ihren Mannschaften durch die gegen Entgelt ausgeübte
Tätigkeit.19

Aus der Entscheidung Walrave/Koch lässt sich zusätzlich durch eine genaue
Erläuterung des Gerichtshofs die Geltung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht bloß für
Regelungen von staatlichen Behörden erkennen, sondern eben auch für etwaige
Vorschriften oder Verträgen von privatrechtlichen Körperschaften bzw einzelnen
Personen, die die unselbständige Arbeit auf kollektive Art regeln.20 In conclusio wurde
somit die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten vom Gerichtshof im Urteil
Walrave/Koch festgehalten.21 Daraus resultierte, dass Sportverbände zwar einen Teil
ihrer Autonomie einbüßen mussten; wobei man dies aber durchaus als gerechtfertigt
ansehen kann, weil eben auch genau solche sportlichen Verbände nicht berechtigt sein
dürfen einzelne EU-Bürger in ihren von den EU-Verträgen gewährleisteten Freiheiten
wesentlich einzuschränken. Durch die genannten Aspekte wird somit eine einheitliche
Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gesichert.22

16
     Vgl Persch, Der EuGH und die Besonderheiten des Sports im Arbeitsrecht, NZA 2010, 986 f.
17
     Vgl EuGH 12.12.1974 Rs 36/74, Walrave/Koch, ECLI:EU:1974:140 (Rz 4/10).
18
     Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 15.
19
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 129 f.
20
     Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 3.
21
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 137.
22
     Vgl EuGH 12.12.1974 Rs 36/74, Walrave/Koch, ECLI:EU:1974:140 (Rz 16/19).
                                                                                                     8
Jene Ausführungen in Bezug auf die für die Arbeitnehmerfreizügigkeit geforderte
wirtschaftliche Ausübung von sportlichen Tätigkeiten wurden im Großen und Ganzen
auch in den Rs Donà und Bosman so bestätigt. Dabei wurde in der Rs Bosman
ergänzend erwähnt, dass eine Unternehmereigenschaft des Arbeitgebers jedenfalls für
die Anwendung des Art 45 AEUV nicht entscheidend ist, was bei gewissen Vereinen
bzw Verbänden möglicherweise nicht vorliegen wird.23 Des Weiteren wurde im Urteil
festgehalten, dass auch die in der EMRK festgehaltene Vereinigungsfreiheit der
Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht entgegensteht.24 Sportverbände
dürfen trotz der durchaus berechtigten Berufung auf deren Vereinigungsfreiheit und
eine sich daraus ergebende Autonomie nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit mit
zugehörigem                Diskriminierungsverbot               und            dementsprechenden
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz außer Acht lassen.25

Aufgrund all dieser genannten Feststellungen des EuGHs ist eine Anwendung der
Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV auf Vorschriften von nationalen und
internationalen        Sportverbänden,       wie    sie   etwaige     Ausländerklauseln         bzw     -
beschränkungen in jedem Fall darstellen, ohne Zweifel sicher.26 Die unmittelbare
Drittwirkung des Diskriminierungsverbots des Art 45 AEUV gilt bereits seit dem Jahr
1976 , also seit der Donà-Entscheidung unzweifelhaft als Rsp des EuGHs.27 Des
Weiteren ist hier noch hinzuzufügen, dass bereits in der Rs Van Duyn die unmittelbare
Wirkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und den jeweiligen zugehörigen Rechten auf
den einzelnen Unionsbürger bejaht wurde. Die jeweiligen innerstaatlichen Gerichte
haben dies sodann zu berücksichtigen.28

II.       Die Entwicklung der Rsp des EuGH

Aufgrund der nun geklärten Anwendbarkeit des Art 45 AEUV auf von Sportverbänden
aufgestellte Ausländerklauseln wird in diesem Kapitel die Entwicklung der Rsp des
EuGHs          zur     Konformität        von      solchen      Ausländerklauseln         mit         der

23
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 74).
24
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 79 f).
25
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 140.
26
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 87).
27
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 138.
28
     Vgl EuGH 04.12.1974 Rs 41/74, Van Duyn, ECLI:EU:C:1974:133 (Rz 4 ff).
                                                                                                       9
Arbeitnehmerfreizügigkeit anhand von 3 konkreten Entscheidungen behandelt und vor
allem im Hinblick auf Rechtfertigungsgründe genau analysiert.

A.        Rs Walrave/Koch

Zum SV dieses Falles ist zu sagen, dass die beiden Niederländer Walrave und Koch als
Kläger aufgetreten waren und dabei gegen eine Regelung des Radsportverbandes UCI
(Union Cycliste Internationale) vorgingen, die es bei Weltmeisterschaften von
Bahnradrennen Schrittmachern vorschreibt, die selbe Staatsangehörigkeit inne zu
haben wie die jeweiligen Radrennfahrer im eigenen Team. Walrave und Koch gehörten
zu jenen Schrittmachern und übten diese Tätigkeit aufgrund eines Vertrages gegen
Entgelt aus. Die oben erläuterte Vorschrift des Verbandes stellt in jedem Fall eine
Ausländerklausel bzw -beschränkung dar, weil sie es etwaigen Schrittmachern aus
Unionsstaaten untersagt Teammitglied eines Rennfahrers aus einem anderen
Unionsstaat zu sein. Nun stellte sich für den EuGH die Frage der Auslegung der
Arbeitnehmerfreizügigkeit und dahingehend ob die Verbandsvorschrift der UCI als
diskriminierend anzusehen ist.29

Wie bereits im Kapitel I/D. festgestellt ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45
AEUV jedenfalls auf Vorschriften der Sportverbände anzuwenden. Daher ist auch das
zur Freizügigkeit gehörende Diskriminierungsverbot, welches grundsätzlich jede auf
der Staatsangehörigkeit beruhende ungleiche Behandlung hinsichtlich der einer
unselbstständigen           Tätigkeit     nachgehenden          Unionsbürger        verbietet,      zu
berücksichtigen.30 In der Entscheidung des EuGHs wurde konkret der räumliche
Geltungsbereich des zur Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 AEUV gehörenden
Diskriminierungsverbots näher konkretisiert: Das Verbot des Art 45 AEUV soll
demnach bei jeglichen Rechtsbeziehungen zur Anwendung kommen, sofern es wegen
des Entstehungsortes jener Rechtsbeziehungen oder wegen des Ortes an dem diese
rechtliche Wirkung zeigen, einen etwaigen Zusammenhang zum Gemeinschaftsgebiet
gibt.31

Der wichtigste Punkt der Rs Walrave/Koch lag aber wohl in der Feststellung der
Nichtanwendung           des   Diskriminierungsverbots         des    Art   45    AEUV     bzw     der
Arbeitnehmerfreizügigkeit bei jeglicher Regelung bzgl der Zusammensetzung oder der

29
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 50.
30
     Vgl EuGH 12.12.1974 Rs 36/74, Walrave/Koch, ECLI:EU:1974:140 (Rz 20/24).
31
     Vgl EuGH 12.12.1974 Rs 36/74, Walrave/Koch, ECLI:EU:1974:140 (Rz 28/29).
                                                                                                    10
Zusammenstellung                von           Nationalmannschaften            in     Abgrenzung           zu
Vereinsmannschaften.32 Denn in diesem Fall steht nicht die wirtschaftliche Betrachtung
im Vordergrund, sondern es sind die sportlichen Aspekte bei der Bildung der
Mannschaften der konkreten sportlichen Tätigkeit ausschlaggebend. In conclusio ist es
zulässig die Nationalmannschaft dahingehend zu beschränken, dass bloß Angehörige
der eigenen Staatsangehörigkeit Teil der Mannschaft sein dürfen. Nichtsdestotrotz ist
eine         Ausländerklausel           die      hinsichtlich        des      Geltungsbereiches         der
Arbeitnehmerfreizügigkeit weitergeht als es der Zweck erfordert                    unzulässig.33    In casu
ließ der EuGH bzgl Schrittmacher und Rennfahrer im Ergebnis dem nationalen Gericht
die Beurteilung hinsichtlich der Klassifizierung der Mannschaft über.34

B.         Rs Donà

Ausschlaggebender Punkt des SV der Rs Donà ist Artikel 16 in Verbindung mit Artikel
28 Buchstabe g der Personalordnung des Italienischen Fußballverbandes, welcher
regelt, dass im italienischen Fußballsport nur Spieler, die beim inländischen
Fußballverband eingeschrieben sind, auch spielberechtigt sind. In der Regel werden
bloß italienische Staatsangehörige Mitglied des Fußballverbandes und sind sodann
auch in der Lage Fußballspiele auf professionellem Level zu absolvieren.35

Jener Artikel des Fußballverbandes stellt grundsätzlich ein Paradebeispiel für eine
Ausländerklausel            bzw        -beschränkung         einer     Sportorganisation        dar,      da
Berufsfußballspieler, welche professionell oder semiprofessionell dem Sport gegen eine
Entgeltleistung nachgehen, aus anderen Unionsstaaten als Italien definitiv in ihrer
Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeschränkt sind, indem sie durch Artikel 16 nicht in der
Lage sind ihrem Beruf im gesamten Unionsgebiet frei nachzugehen. Im Allgemeinen
stellte       der     EuGH        im     Hinblick      auf      das        Diskriminierungsverbot       der
Arbeitnehmerfreizügigkeit wie schon in der Rs Walrave/Koch klar, dass eine nationale
Vorschrift, welche bloß Angehörige eines EU-Staates erlaubt der sportlichen Tätigkeit
im jeweiligen Gebiet nachzugehen, mit Art 45 AEUV unvereinbar ist.36

32
     Vgl Hilf, Die Freizügigkeit des Berufsfußballspielers innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1984,
      520.
33
     Vgl EuGH 12.12.1974 Rs 36/74, Walrave/Koch, ECLI:EU:1974:140 (Rz 4/10).
34
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 52.
35
     Vgl EuGH 14.07.1976 Rs 13/76, Donà, ECLI:EU:C:1976:115 (Rz 5).
36
     Vgl EuGH 14.07.1976 Rs 13/76, Donà, ECLI:EU:C:1976:115 (Rz 19).
                                                                                                         11
Eine Rechtfertigung käme bei einer solchen Ausländerklausel nach der Rs Donà in
Frage, sofern ausländische EU-Profifußballspieler aus nichtwirtschaftlichen Gründen
von der Teilnahme an bestimmten Spielen rechtlich ausgeschlossen werden. Dies
bedeutet, dass eine solche mit nichtwirtschaftlicher Rechtfertigung erlassene Klausel
nach der Arbeitnehmerfreizügigkeit zulässig ist, sofern sie für gewisse Spiele gilt, die
einen bloß sportlichen Charakter haben. Dies ist der Fall bei einem Wettbewerb, indem
nur Spieler mit einer Staatsangehörigkeit eine Mannschaft bilden und somit keine
ausländischen Profis Teil des jeweiligen Teams sind.37 Dabei wird allerdings nicht mehr
wie bei der Rs Walrave/Koch auf die Gründe bzgl der speziellen Bildung der
Mannschaften abgestellt, sondern eben auf den konkreten Charakter des offiziellen
Wettbewerbs; also ob dieser von wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur ist.
Dies stellt die wohl einzige neue Erkenntnis des Donà-Urteils dar.38 Ein solcher
nichtwirtschaftlicher bzw sportlicher Charakter liegt bei offiziellen Begegnungen
zwischen zwei Nationalmannschaften vor; bei einer solchen Fallkonstellation ist das
Diskriminierungsverbot im Ergebnis nicht heranzuziehen und entfaltet nicht seine
rechtlichen       Wirkungen.       Nichtsdestotrotz      darf   durch     Ausländerklauseln       bzw
Ausländerbeschränkungen              die    Geltung      der     Arbeitnehmerfreizügigkeit         nie
überschießend eingeschränkt werden; Regelungen dürfen nie über ihren erforderlichen
Zweck hinausgehen und jedenfalls nicht eine sportliche Tätigkeit dem AEUV gänzlich
entziehen.39 Solche Fälle sind allerdings vom jeweiligen innerstaatlichen Gericht zu
beurteilen.40 In casu allerdings bezieht sich die oben erläuterte Ausländerklausel des
italienischen Fußballverbandes jedenfalls auf den professionellen Vereinssport und
nicht auf etwaige offizielle Wettbewerbe zwischen Nationalmannschaften, was einen
wesentlichen Unterschied zur Rs Walrave/Koch darstellt; jene Ausführung, welche
doch von großer Bedeutung ist, wurde vom EuGH allerdings nicht groß behandelt; es
folgten auch keine gesonderten Erläuterungen des Gerichtshofs, die Ausnahmen bzw
Rechtfertigungen vom Diskriminierungsverbot bei Ausländerklauseln im Vereinssport
nahe legten.41 Trotzdem ergibt sich aus dem Urteil erstmals eine Tendenz des EuGHs,
dass die konkrete Regelung des Fußballverbandes mit dem Vertragsrecht unvereinbar
ist; auch nach der damals hM in der Literatur ist eine Nichtanwendung der

37
     Vgl EuGH 14.07.1976 Rs 13/76, Donà, ECLI:EU:C:1976:115 (Rz 14/16).
38
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 56.
39
     Vgl Windisch-Graetz in Jaeger/Stoeger (Hrsg), EUV/AEUV11 (2019), Art 45 AEUV, Rz 62.
40
     Vgl EuGH 14.07.1976 Rs 13/76, Donà, ECLI:EU:C:1976:115 (Rz 14/16).
41
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 56.
                                                                                                    12
Ausländerklausel für alle Profi- und Halbprofisportler aus EU-Mitgliedstaaten zu
folgern, wobei eben die klare und eindeutige Entscheidung ausbleibt.42

Alles in allem gab es somit in der 1976 entschiedenen Rs Donà im Gegensatz zur Rs
Walrave/Koch keine wirklich spektakulären neuen Erkenntnisse durch den EuGH; im
Großen und Ganzen stellt sie eine gänzliche Bestätigung der Entscheidung aus dem
Jahr 1974 dar.

C.         Rs Bosman

Auch in einer der für die Sportrechts- und EU-Rechtsentwicklung wohl prägendsten
EuGH-Entscheidungen aller Zeiten war eine Ausländerklausel bzw -beschränkung von
entscheidender Bedeutung. In der Rs Bosman wurde die von der UEFA, die der FIFA
als oberste Fußballkonföderation untergeordnete in Europa tätige Institution im
Fußballsport,        erlassene     3+2-Regel       behandelt.      Nach    jener    Regelung      soll    ein
Fußballverein einer ersten Liga bei einem Spiel der nationalen Meisterschaft bloß drei
ausländische Fußballspieler einsetzen dürfen; wobei es zusätzlich dazu erlaubt sei zwei
weitere Spieler, welche nicht dem Staat des Vereines angehören, in die Aufstellung für
eine Begegnung aufzunehmen, sofern jene beiden Spieler bereits fünf Jahre lang ohne
Unterbrechung im Staat des jeweiligen Fußballverbandes tätig sind. Von diesen fünf
Jahren müssen jedoch mindestens drei Jahre in Juniorenmannschaften absolviert
worden sein. Jene von der UEFA gemeinsam mit der EU-Kommission ausgearbeitete
und schließlich umgesetzte Regelung hatten auch die in der EU ansässigen nationalen
Sportverbände in ihre Regelwerke aufzunehmen. Die 3+2-Regel galt allerdings nicht
nur in den jeweiligen nationalen Meisterschaften, welchen von den Verbänden
organisiert wurden, sondern natürlich auch in den UEFA-Wettbewerben, wie etwa in
der Champions League oder im damaligen UEFA-Cup, der jetzigen Europa League.43

Aufgrund der Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV auf die
erläuterte Ausländerklausel, welche in den Statuten der UEFA bzw der einzelnen
nationalen Sportverbände niedergeschrieben wurde, ist somit eine Verletzung des
Diskriminierungsverbots            gem     Art   45    (2)   AEUV,       sowie    natürlich    auch      eine
Beeinträchtigung der genannten Freizügigkeit zu bejahen, da jene Ausländerklausel
mittels der Einsatzbeschränkung der Anzahl von Profis aus anderen Mitgliedstaaten in
offiziellen      Wettbewerbsbegegnungen             direkt    in   das    Recht    auf    Ausübung       der

42
     Vgl Hilf, Die Freizügigkeit des Berufsfußballspielers innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1984,
      520 f.
43
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 27).
                                                                                                          13
fußballerischen         Tätigkeit    eingreift.    Sofern       der     Spieler       nämlich    nicht       die
Staatsangehörigkeit des jeweiligen Verbandes innehat, erschwert die 3+2-Regel die
freie Ausübung des Berufes im gesamten Unionsgebiet erheblich.44 Ob, derartige
Klauseln auch auf die Beschäftigungen der Profifußballspieler Bezug nehmen oder sich
bloß auf den jeweiligen Einsatz bei einer zum offiziellen Spielbetrieb gehörenden
Sportbegegnung beziehen, ist im Ergebnis nicht von Bedeutung. Profis bzw Halbprofis
verfolgen grundsätzlich ohnehin bloß das Ziel Teil der jeweiligen Sportwettkämpfe zu
sein, also in casu tatsächlich Fußball spielen zu können, wodurch eine Vorschrift,
welche Sportler           an   der   Teilnahme     an     einer    Sportbegegnung          hindert,        einer
Beschränkung der Möglichkeit der Beschäftigung nachzugehen, gleichkommt.45

Ein weiterer entscheidender und hochinteressanter Teil der EuGH-Entscheidung war
die     Prüfung,     ob    etwaige     Gründe      vorliegen,      die    die     Beeinträchtigung          der
Arbeitnehmerfreizügigkeit rechtfertigen könnten. Eine solche Rechtfertigung ist
möglich, sofern ein bzgl des Vertragsrechts berechtigter Zweck verfolgt wird, die
Vorschrift geeignet ist den Zweck zu gewährleisten und schließlich nicht über das
Erforderliche zur Erreichung des Zweckes hinausgeht.46

In erster Linie wurden von den Befürwortern der 3+2-Regel nichtwirtschaftliche
Gründe zur Rechtfertigung der Ausländerklauseln hervorgebracht. In concreto wurde
unter anderem die traditionelle Bindung eines Vereins zum jeweiligen Land aus dem
der Club stammt, genannt. Jene Bindung würde ohne Beschränkungen von
ausländischen        Berufsspielern     verloren        gehen     und    so     zu    einem     Verlust     der
Identifikation der Fans mit dem jeweiligen Team führen bzw zu einer mangelhaften
Repräsentation des Staates, dem sie angehören, auch bei etwaigen Wettkämpfen auf
internationaler Ebene.47

Hinsichtlich jenes Rechtfertigungsgrundes ist zwar generell zu erwähnen, dass
grundsätzlich nichtwirtschaftliche Gründe bereits in den EuGH-Urteilen Walrave/Koch
und      Donà     als   taugliche    Gründe       zur    Rechtfertigung         des    Eingriffes     in     die
Arbeitnehmerfreizügigkeit bei Ausländerklauseln herangezogen wurden und sodann
das Diskriminierungsverbot keine rechtliche Wirkung zeigt, sofern die Klausel bzw
Beschränkung bloß für gewisse spezifische Begegnungen gilt, bei denen der sportliche

44
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 116 ff).
45
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 120).
46
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 148.
47
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 122 f).
                                                                                                             14
Charakter Fokus hat.48 Ob dies als eigener Rechtfertigungsgrund bzgl eines Eingriffes
in die Arbeitnehmerfreizügigkeit oder aber doch als begrenzte Bereichsausnahme des
Sports in Bezug auf die Anwendung der Grundfreiheiten anzusehen ist, wurde vom
Gerichtshof in den behandelten Rs nicht klar deklariert, aber in der jetzt vorliegenden
Rs Bosman spricht der Wortlaut des Urteils klar für eine teilweise Beschränkung des
Geltungsbereiches           und      daher      einer         teilweisen    Nichtanwendung              der
Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Beschränkung darf aber nicht über den verfolgten
Zweck hinausgehen49 („Sie kann daher nicht herangezogen werden, um eine sportliche
Tätigkeit im ganzen vom Geltungsbereich des Vertrages auszuschließen.“ 50); im
Ergebnis ist dies aber auch egal, denn auf die Verhältnismäßigkeit der Regelung wäre
in beiden Ansätzen Acht zu geben.51 Ein solcher spezieller sportlicher, sozialer und
damit      nichtwirtschaftlicher     Schwerpunkt        der    Tätigkeit   ist   in     jedem   Fall    bei
Begegnungen zwischen Nationalmannschaften gegeben, weswegen Begegnungen
zweier         solcher      Mannschaften         auch          vom     Anwendungsbereich                der
Arbeitnehmerfreizügigkeit          ausgenommen          wurden;52     wobei      dies    in   casu     nicht
einschlägig ist, da die 3+2-Regel der UEFA bzw der einzelnen Sportverbände bei
offiziellen Liga- oder Pokalbegegnungen nur zwischen Vereinen gilt und sodann das
wirtschaftliche Interesse des Profisports im Vordergrund steht, wodurch dahingehend
eine Unvereinbarkeit mit dem Vertragsrecht vorliegt.53

Um die oben konkret genannten möglichen Rechtfertigungsgründe der Förderer der
Ausländerklausel zu entkräften, erläuterte der EuGH in erster Linie hinsichtlich der
Bindung der Vereine zum jeweiligen Angehörigkeitsstaat bzw zur jeweiligen Region,
aus der der Club stammt , dass jene Bindung, gleichgültig ob in Bezug auf den Staat
oder die jeweilige Region, für die Sportausübung selbst und die Beschäftigung als
Profisportler von unerheblicher Bedeutung ist. Jene Ausführung ist auch durch das
Faktum von fehlenden Beschränkungen von Profisportlern, die nicht aus derselben
Region wie der jeweilige Verein stammen, bei Aufstellungen für etwaige Begegnungen
innerhalb einer nationalen Liga bestärkt.54 Es ist somit weder die Bindung zu einer

48
     Vgl EuGH 14.07.1976 Rs 13/76, Donà, ECLI:EU:C:1976:115 (Rz 14/16).
49
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 33.
50
     EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 76).
51
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 33.
52
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 63.
53
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 127 ff).
54
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 131).
                                                                                                         15
Region oder Stadt noch zu einem Staat als nichtwirtschaftlicher Grund für die
Rechtfertigung des Eingriffes in Art 45 AEUV durch die 3+2-Regel geeignet.55 Bzgl
etwaiger Sportwettkämpfe auf internationalem Level ist auf die für die Qualifikation
bloß notwendige nationale Liga- oder Pokalplatzierung hinzuweisen, wodurch in einem
solchen Fall die jeweilige Staatsangehörigkeit der aufgestellten Profisportler keine
entscheidende Rolle spielt und daher eine Ausländerklausel auch dadurch nicht
gerechtfertigt erscheint.56

Als weiteres mögliches Rechtfertigungsargument für die 3+2-Regel machte die UEFA
bzw andere etwaige Sportverbände oder nationale Regierungen im Bosman-Verfahren
die     nötige    Förderung        von   Nationalmannschaften       geltend.    Denn    durch    jene
Beschränkung von Spielern, die nicht die Staatsangehörigkeit des eigenen Vereines
besitzen, bei offiziellen Sportbegegnungen, sollen sich genügend Spitzenspieler in der
jeweiligen nationalen Liga entwickeln können, um auch etwaige Ausfälle kompensieren
zu können.57

Vom EuGH wurde hinsichtlich dessen als Gegenargument treffend hervorgebracht,
dass zwar bloß Spieler mit einer entsprechenden Staatsangehörigkeit im jeweiligen
Nationalteam berechtigt sind in offiziellen Wettbewerben aufzulaufen, es allerdings
definitiv nicht erforderlich ist, dass die Profis auch für Vereine der jeweiligen nationalen
Liga tätig sind.58

Des Weiteren wurden auch etwaige Argumente gegen Art 45 AEUV im Generellen
hinsichtlich einer Einschränkung der Beschäftigungsmöglichkeiten für Inländer bei
Öffnung des Arbeitsmarktes für alle EU-Bürger durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit
vom EuGH entschieden zurückgewiesen. Als Grund führte der Gerichtshof zutreffend
die Folge der kompletten Öffnung des Arbeitsmarktes des gesamten EU-Gebiets an,
wodurch für alle EU-Bürger im Ergebnis eine Erhöhung der Möglichkeiten einer
Beschäftigung         resultiert    und    sich   dadurch     die   grundsätzlich      unbeachtliche
Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten im eigenen Land für die inländischen
Staatsangehörigen ausgleicht.59

55
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 64.
56
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 132).
57
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 124).
58
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 133).
59
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 134).
                                                                                                    16
Ein weiterer Grund der die 3+2-Regel rechtfertigen könnte, liegt darin, dass durch
etwaige Ausländerbeschränkungen kein Verein in der Lage sein wird zahlreiche
überdurchschnittlich gute Spieler, also Stars wie etwa Cristiano Ronaldo und Lionel
Messi heute, zu verpflichten und so den Wettbewerb zu dominieren. Durch die von der
UEFA entwickelte Regelung soll also ein sportliches Gleichgewicht zwischen allen
Vereinen hergestellt werden.60

Der gegenteilige Standpunkt des EuGHs im Hinblick auf das Vorbringen der
Befürworter der Ausländerklausel besagt zutreffender Weise, dass die finanziell
stärkeren Vereine ohnehin die besseren Spieler, auch wenn dies dann bloß nationale
Berufssportler sind, verpflichten können und somit sich die besten Spieler trotzdem
bei gewissen wenigen Vereinen sammeln, wodurch diese anschließend in der Lage sein
werden den offiziellen sportlichen Wettbewerb zu dominieren. Daher kann eine
Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts durch die 3+2-Regel nicht erreicht
werden bzw ist jene Vorschrift an sich bereits nicht geeignet den Zweck des Ausgleichs
einer etwaigen sportlichen Dominanz zu bezwecken.61

Auch die von der UEFA eingewendete Beteiligung der Kommission bei der Ausarbeitung
der 3+2-Regel und das daraus bereits die Konformität mit EU-Recht folgen soll, wird
vom EuGH entschieden abgelehnt.62 Dahingehend wurde bereits in der Rs Essevi und
Salengo vom EuGH erläutert, dass die Kommission im Regelfall nicht in der Lage ist,
Zusicherungen auf eine Vertragsrechtsvereinbarkeit eines bestimmten Aktes zu
geben.63       Zweifelsohne     ist   es   für   die   Kommission    nicht   erlaubt    einer   der
Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV widersprechenden Maßnahme eine
Genehmigung zu erteilen.64

Zusammenfassend wurde durch den EuGH in der Rs Bosman durch eine, im Gegensatz
zu den Rs Walrave/Koch und Donà genaue Auseinandersetzung mit etwaigen
möglichen bzw eingewendeten Rechtfertigungsgründen trotzdem eine bestätigende
Entscheidung getroffen, indem der Gerichtshof feststellte, dass die von der UEFA bzw
den jeweiligen Sportverbänden aufgestellte Ausländerklausel, die 3+2-Regel, nicht mit
der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV vereinbar ist und somit unzulässig
ist.65 Natürlich ist nochmals explizit darauf hinzuweisen, dass durch die erläuterten

60
     Vgl Hilf/Pache, Das Bosman-Urteil des EuGH, NJW 1996, 1173.
61
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 135).
62
     Vgl Hilf/Pache, Das Bosman-Urteil des EuGH, NJW 1996, 1173.
63
     Vgl EuGH 27.5.1981 Rs 142 und 143/80, Essevi und Salengo; ECLI:EU:C:1981:121 (Rz 16).
64
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 136).
65
     Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 137).
                                                                                                17
Entscheidungen des Gerichtshofs Ausländerklauseln mangels Rechtfertigung bloß für
Sportprofis bzw Halbprofis aus EU-Mitgliedstaaten nicht zur Anwendung kommen
können, aufgrund des dahingehend eingeschränkten Geltungsbereichs des Art 45
AEUV, wobei im Kapitel IV der Arbeit einige weitere Versuche von Beschränkungen
von Ausländern durch Sportverbände einer genauen Analyse unterzogen werden.66 Die
Problematik bzgl Drittstaatsangehöriger wird im nächsten Kapitel genauer untersucht.
Ausschließlich für den Amateursport sind etwaige Ausländerklauseln weiterhin zulässig
und       eben     aus    sportlichen,    also    nichtwirtschaftlichen,      Gründen        auch   für
Nationalmannschaften.67

Seit der Bosman-Entscheidung gab es vom EuGH zwar noch einige für den Sport
relevante Entscheidungen, aber hinsichtlich der klassischen Ausländerklausel war das
Wichtigste definitiv festgehalten und könnte meiner Einschätzung nach durchaus als
Aufforderung an Sportverbände verstanden werden von Ausländerklauseln im
Vereinssport zukünftig und wohl auch endgültig Abstand zu nehmen.

III. Ausländerklauseln und Drittstaatsangehörige

Anhand zweier EuGH-Entscheidungen soll in diesem Teil der Arbeit dargelegt werden,
ob     Ausländerklauseln       rechtliche    Wirkungen      auf    etwaige    Drittstaatsangehörige
entfalten        oder    ob   möglicherweise      in   einer      solchen    Konstellation    etwaige
Assoziierungsabkommen eine Beschränkung der sportlichen Tätigkeit von gewissen
ausländischen Staatsangehörigen verhindern.

Assoziierungsabkommen im Allgemeinen sind in Art 217 AEUV geregelt und sind im
Normalfall auf verschiedene Zwecke ausgerichtet, wie zum Beispiel dem Beitritt zur
Union oder der Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen.68

A.        Rs Kolpak

Ausgangspunkt des Falles Kolpak aus dem Jahr 2003 war eine Regelung der
Spielordnung (SpO) des Deutschen Handballbundes, die Mannschaften der ersten und
zweiten Profiligen im Ergebnis verbietet mehr als zwei Spieler einzusetzen, welche
nicht Angehörige eines EU-Mitgliedstaates bzw Angehörige eines Drittstaates sind,
welche mittels Assoziierungsabkommen zwischen der Union und dem jeweiligen Staat

66
     Vgl Hilf/Pache, Das Bosman-Urteil des EuGH, NJW 1996, 1174.
67
     Vgl Hilf/Pache, Das Bosman-Urteil des EuGH, NJW 1996, 1174.
68
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 168.
                                                                                                    18
ein der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV gleichzusetzendes Recht
zugesprochen bekommen.69 Kolpak als slowakischer Staatsbürger war der Meinung,
dass durch das Diskriminierungsverbot, welches aus den Bestimmungen des AEUV
(EG-Vertrages) in Verbindung mit jenen aus dem Assoziierungsabkommen zwischen
der EU und der Slowakischen Republik resultiert, er als Angehöriger der Slowakischen
Republik ein der Arbeitnehmerfreizügigkeit ähnlich gleichstellendes Recht besitzt und
daher wie alle Angehörigen von EU-Mitgliedstaaten ein uneingeschränktes Recht hat
bei offiziellen Wettbewerben des DHBs ohne etwaige Einschränkung teilzunehmen;
wodurch eben eine Nichtanwendung der Regelung auf konkret seine Person folgen soll;
in conclusio durch einen Verstoß gegen das genannte Assoziierungsabkommen.70

Die entscheidende Frage im gegebenen Verfahren, ob § 15 Abs 1 lit b SpO
rechtskonform mit Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich des Assoziierungsabkommens
Union—Slowakei ist, beantwortete der EuGH wie folgt:

In erster Linie wurde vom Gerichtshof die unmittelbare Wirkung des Art 38 des
Abkommens mit einem Verweis auf die Rs Pokrzeptowicz-Meyer begründet.71 Denn in
diesem Urteil wurde bereits entschieden, dass Staatsangehörige von Polen, hinsichtlich
des Assoziierungsabkommens mit der EU (EG), die Bestimmung des Art 37 des
Abkommens vor den Gerichten von Mitgliedstaaten geltend machen können.72 Jene
Entscheidung des EuGHs lässt sich aufgrund des selben Wortlauts der Bestimmungen
der beiden Abkommen und der grundsätzlich selben Ziele, nämlich der Förderung der
wirtschaftlichen Beziehungen und des Handels durch die Bildung einer Assoziation und
dadurch der Ermöglichung des zukünftigen Beitritts zur Union, der Abkommen auf den
Fall Kolpak eins zu eins übertragen, da sich daraus eine punktgenaue rechtliche
Wirkung folgern lässt. Etwaige Umsetzungen durch gewisse Akte der betroffenen
Staaten oder Durchführungsbestimmungen der Regelungen der Abkommen durch
einen Assoziationsrat waren nicht notwendig gewesen und aufgrund der Auslegung der
Bestimmungen ist auch eine Anknüpfung an gewisse Voraussetzungen oder eine
etwaige Einschränkung durch die Mitgliedstaaten selbst an das aus Art 38 bzw 37
resultierende Diskriminierungsverbot definitiv nicht erlaubt. Bei einer gegenteiligen
Ansicht würde Art 38 des Abkommens Gemeinschaft—Slowakei jegliche Wirkung

69
     Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 8).
70
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 80.
71
     Vgl Kreis/Schmid, Bosman und kein Ende – Zur Vereinbarkeit von Ausländerklauseln mit dem AKP-EG-
      Partnerschaftsabkommen, NZA 2003, 1016.
72
     Vgl EuGH 29.01.2002 Rs C-162/00, Pokrzeptowicz-Meyer, ECLI:EU:C:2002:57 (Rz 30).
                                                                                                    19
verlieren und dadurch im Generellen zwecklos sein.73 Auch der in Art 38 enthaltene
Wortlaut „vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen
und Modalitäten“74 ändert an der unmittelbaren Wirkung und Anwendbarkeit des aus
dem Artikel resultierenden Diskriminierungsverbots nichts.75

Entscheidend für die gegebene Rs ist nach der Bejahung der unmittelbaren
Drittwirkung jedenfalls die Anwendbarkeit des Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich des
Assoziierungsabkommens auf Regelungen, welche von Sportverbänden aufgestellt
wurden. Dahingehend ist vor allem auf die oben dargelegten Erläuterungen der Rs
Bosman bzw Walrave/Koch im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Art 45 AEUV zu
verweisen, wonach jene Anwendbarkeit auf Bestimmungen von Sportverbänden
jedenfalls zu bejahen war.76 Bereits in der Rs Pokrzeptowicz-Meyer stellte der
Gerichtshof fest: Nach gesamter Betrachtung des dementsprechenden Abkommens
zwischen Polen und der EU im Vergleich mit dem damaligen EG-Vertrag ergibt sich,
dass Art 37 Abs 1 erster Gedankenstrich des genannten Abkommens zwar keinen
Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit für polnische Staatsbürger in der Union
darstellt, jedoch summa summarum dieselbe rechtliche Bedeutung wie Art 45 Abs 2
AEUV haben soll. Aus diesem genannten Grund entfaltet Art 37 Abs 1 des Abkommens
EG—Polen für polnische Staatsangehörige, welche rechtmäßig in der Union beschäftigt
sind,       das      grundsätzlich      selbe      Diskriminierungsverbot         bzgl     etwaiger
Arbeitsbedingungen, wie Art 45 Abs 2 AEUV für Unionsbürger. Somit lassen sich, weil
Art 37 Abs 1 erster Gedankenstrich des Abkommens Gemeinschaft—Polen und Art 38
Abs 1 erster Gedankenstrich Abkommen Gemeinschaft—Slowakei im Sinne ident sind,
die Ausführungen bzgl der Auslegung der Arbeitnehmerfreizügigkeit bzgl der
Anwendbarkeit auf Regeln von sportlichen Verbänden in der Rs Bosman bzw
Walrave/Koch auf die Rs Kolpak übertragen. In conclusio ist Art 38 Abs 1 erster
Gedankenstrich des Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Slowakischen
Republik auf Regelungen von Sportverbänden jedenfalls anwendbar, so eben auch auf
die SpO des DHB, da jene Verbandsvorschriften die Voraussetzungen für die
unselbstständige Ausübung des professionellen Handballsportes in Deutschland
regelt.77 Als weitere Begründung neben der Übertragung der Überlegungen aus der Rs

73
     Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 25 ff).
74
     Art 38 Abs 1 Assoziierungsabkommen EG-Slowakei.
75
     Vgl Holzer/Reissner, Zur arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht in EU-Assoziationsabkommen,
     DRdA 2003, 479.
76
     Vgl Holzer/Reissner, Zur arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht in EU-Assoziationsabkommen,
     DRdA 2003, 477.
77
     Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 34 ff).
                                                                                                  20
Bosman kann die Ähnlichkeit des Wortlauts der Regelung des Art 38 des Abkommens
zu Art 12 EG herangezogen werden; dies wurde auch in der Lehre vertreten. Nach Art
12 EG sollen Diskriminierungen jeglicher Art jedenfalls bei Privatrechtssubjekten mit
Monopolstellung verboten sein, sofern diese Regeln kollektiver Art für entscheidende
Lebensbereiche erlassen können; dies wäre bei Sportverbänden wohl ebenfalls zu
bejahen, sofern sie in concreto auf Bedingungen am Arbeitsmarkt eingreifen.78

Der wesentlichste Punkt in Bezug auf die Beurteilung der Konformität bzgl der
Anwendung des § 15 der SpO des DHB auf den Profisportler Kolpak liegt in der
Beurteilung des Regelunggehalts des Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich des
Abkommens zwischen der EU und der Slowakischen Republik. Primär ist hier auf die
unstreitige Geltung des Diskriminierungsverbots des Artikels 38 bloß für Arbeitnehmer,
welche der Slowakischen Republik angehörig sind, mit rechtmäßiger Beschäftigung in
einem der EU-Mitgliedstaaten hinzuweisen, wobei das Diskriminierungsverbot nur im
Hinblick auf Arbeitsbedingungen, Entlohnung und Entlassung gilt. Der Zugang zum
Arbeitsmarkt findet demnach keine Berücksichtigung; dies stellt grundsätzlich einen
bedeutenden Unterschied zur Arbeitnehmerfreizügigkeit des EG-Vertrages bzw zur
AEUV dar.79 In casu ist Herr Kolpak bereits rechtmäßig in Deutschland, also innerhalb
der Union, beschäftigt; er übt aufgrund eines Vertrages gegen Entgelt als Torwart in
der      2.Bundesliga      unselbstständig       seine    beruflich    Tätigkeit    aus,    besitzt   eine
Aufenthaltsgenehmigung und es bedarf nach einschlägigem deutschen Recht keiner
Arbeitserlaubnis;80 jene beiden Genehmigungen sind zumeist bzgl der rechtmäßigen
Beschäftigung in einem Mitgliedstaat nach nationalem Recht der entscheidende
Punkt;81 somit liegen hinsichtlich der rechtmäßigen Beschäftigung und nach
dementsprechenden Zugang zum Arbeitsmarkt der Union des Herrn Kolpak als
slowakischer Staatsbürger keine Zweifel bzgl dessen vor. Entscheidend ist nun der
Inhalt des § 15 Abs 1 SpO; nämlich dass jene Bestimmung eine Arbeitsbedingung iSd
Art 38 Abs 1 Abkommen Gemeinschaft—Slowakei betrifft; dies ist im Wesentlichen mit
der Rs Bosman zu begründen, wonach eine solche Ausländerklausel , wie § 15 SpO,
im Grunde genommen nicht die Anstellung zur jeweiligen Tätigkeit bzw Position
ausgestaltet, sondern eben im Kern das wesentliche Ziel der Profisportler einschränkt,

78
     Vgl Holzer/Reissner, Zur arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht in EU-Assoziationsabkommen,
     DRdA 2003, 479 f.
79
     Vgl Summerer, Sport und Europarecht, in Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg), Praxishandbuch Sport-
      recht4 (2020), Rz 82.
80
     Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 43).
81
     Vgl Holzke, Die Gleichstellung drittstaatsangehöriger Berufssportler nach der „Kolpak“-Entscheidung des
      Europäischen Gerichtshofs, SpuRt 2004, 6.
                                                                                                        21
nämlich        die   Ausübung       bzw     Aufstellung     bei    einem     offiziellen    Pokal-    oder
Meisterschaftswettbewerb an sich. Somit behandelt § 15 Abs 1 SpO in jedem Fall eine
Arbeitsbedingung iSd Art 38 des genannten Assoziierungsabkommens. Rechtliche
Wirkung zeigt die Regelung des DHB allerdings nur auf bereits in Deutschland
rechtmäßig beschäftigte slowakische Staatsangehörige, die am Profihandballsport sich
zu beteiligen beabsichtigen.82

Art 38 Abs 1 erster Gedankenstrich Abkommen Gemeinschaft—Slowakei bzw genauer
dem aus dem Artikel resultierenden Diskriminierungsverbot wird in casu mit Sicherheit
durch § 15 Abs 1 SpO lit b iVm Abs 2 leg cit widersprochen, da durch jene Regelung
des Sportverbandes Herr Kolpak oder auch jede andere Person, als rechtmäßig in der
Union beschäftigter Slowake, gegenüber Profispielern aus anderen Unionsstaaten oder
EWR-Staaten schlechter gestellt wurde; er könnte aufgrund der Regelung nur unter
Erfüllung der Voraussetzungen der Spielordnung seiner sportlichen und beruflichen
Tätigkeit nachgehen; dies schränkt ihn wesentlich ein an offiziellen Liga- oder
Pokalwettbewerben teilzunehmen und es liegt daher durch § 15 Abs 1 SpO lit b iVm
Abs 2 leg cit eine verbotene Diskriminierung vor.83 Als Begründung führt der
Gerichtshof im Kern die Entscheidung aus dem Urteil Bosman heran, wonach das
Diskriminierungsverbot des Art 45 Abs 2 AEUV eine Regelung von Sportverbänden
unzulässig macht, sofern diese nur eine begrenzte Anzahl an Profispielern aus anderen
Mitgliedstaaten als des Staates des Vereines in offiziellen Wettbewerben zulässt.                        84

Jene Begründung lässt sich im Grunde genommen vollständig auf Art 38 Abs 1 erster
Gedankenstrich Abkommen Gemeinschaft—Slowakei übertragen, wodurch eben im
Unionsgebiet rechtmäßig beschäftigte Staatsangehörige der Slowakischen Republik
nicht       schlechter      gestellt    werden      dürfen,       in   Bezug     auf    die    geltenden
Arbeitsbedingungen, im Vergleich zu Staatsangehörigen aus Mitgliedstaaten oder
EWR-Staaten.85 Eine etwaige Rechtfertigung, die der DHB durch den Verweis auf rein
sportliche Gründe, wie den Schutz der Ausbildung von deutschen Nachwuchsspielern
und der Förderung der Nationalmannschaft, für die Erlassung des §15 SpO
hervorbrachte, käme nicht in Betracht, was eigentlich wieder durch einen Verweis auf
die Rs Bosman begründet wurde. Danach gelten Ausländerklauseln, wie § 15 SpO
ebenfalls, genau für den Vereinssport und beschränken daher den Schwerpunkt der

82
     Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 43 ff).
83
     Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 51).
84
     Vgl Holzke, Die Gleichstellung drittstaatsangehöriger Berufssportler nach der „Kolpak“-Entscheidung des
      Europäischen Gerichtshofs, SpuRt 2004, 1.
85
     Vgl EuGH 08.05.2003 Rs C-438/00, Kolpak, ECLI:EU:C:2003:255 (Rz 49).
                                                                                                        22
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