Corona-Pandemie - Kaufpreisklauseln in M&A-Verträgen
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Corona-Pandemie – Kaufpreisklauseln in M&A-Verträgen 2. April 2020 Die aktuelle COVID-19-Krise lastet schwer auf den globalisierten Märkten, und zahlreiche Unternehmen trifft die Krise hart, sei es, dass sie von einer staatlich verordneten Schließung betroffen sind, dass die Nachfrage für ihre Produkte oder Dienstleistungen eingebrochen ist oder der Geschäftsbetrieb durch sonstige Ereignisse, wie die Unterbrechung von Lieferketten oder den Ausfall von Arbeitnehmern, nicht mehr reibungslos fortgeführt werden kann. Zugleich bleiben laufende Kosten für die Unternehmen regelmäßig mindestens konstant. Ist das betroffene Unternehmen Zielgesellschaft im Rahmen einer Transaktion, stellt sich für Käufer und Verkäufer die Frage, welche Auswirkungen sich aus der COVID-19-Krise für den Transaktionskaufpreis ergeben. Dabei ist es insbesondere von Bedeutung, im welchem Stadium sich die Transaktion befindet, nämlich (i) vor Signing, (ii) zwischen Signing und Closing oder (iii) nach Closing. Take aways Bei "locked box"-Klauseln trägt der Käufer das Risiko sich verschlechternder Umstände, d.h. er trägt die Gefahr einer Überzahlung des "equity value" (Eigenkapitalwert) zum eigentlichen Vollzugstag. Bei "closing accounts" trägt der Verkäufer das Risiko sich verschlechternder Umstände, d.h. ihm droht die Erosion des Kaufpreises über die Kaufpreisanpassung auf Basis der Stichtagsbilanz. Ist eine Transaktion noch nicht abgeschlossen, werden locked box-Klauseln kaum mehr akzeptabel für Käufer sein, da ein Abstellen auf den letzten Bilanzstichtag die Corona- Pandemie regelmäßig unberücksichtigt ließe und in vielen Fällen zu einer Überbezahlung des equity value führen würde. Daher dürfte künftig wieder vermehrt auf closing accounts zurückgegriffen werden. Zudem werden Verkäufer flankierend verstärkt auf "earn-out"-Klauseln setzen, um an der möglichen Wertaufholung der Zielgesellschaft post COVID-19 partizipieren zu können. Befindet sich eine Transaktion aktuell im Stadium zwischen Signing und Closing sind die Parteien grundsätzlich an die Kaufpreisklausel gebunden. Sofern die negativen Entwicklung der Corona-Pandemie noch nicht im Vertrag berücksichtigt werden konnten, rücken daher
Corona-Pandemie – Kaufpreisklauseln in M&A-Verträgen 2 ggf. vertragliche (z.B. MAC-Klauseln) bzw. gesetzliche Anpassungsmechanismen (z.B. § 313 BGB) für die Parteien in den Vordergrund. Käufer werden zudem zwischen Signing und Closing engmaschig überwachen, ob Garantien und Covenants verletzt werden. Je größer der Wertverfall der Zielgesellschaft aufgrund der Corona-Pandemie bis Closing ausfällt, desto streitanfälliger dürfte eine Transaktion sein. In diesen Fällen sollten die Parteien ungeachtet formalrechtlicher Rechtspositionen erwägen, ob es im beiderseitigen Interesse liegt, den Vertrag bzw. die Kaufpreisklausel anzupassen, um zu einer sachgerechten Risikoallokation zu gelangen. Wurde eine Transaktion vor der Corona-Pandemie bereits vollzogen, kommt eine Vertrags- bzw. Kaufpreisanpassung nicht in Betracht, da mit Closing das Risiko sich verschlechternder Umstände auf den Käufer übergegangen ist. Vor Signing Befindet sich die Transaktion im Stadium vor Signing, können die Parteien noch flexibel auf die COVID-19-Krise reagieren und an die neue Situation angepasste Regelungen in den Kaufvertrag aufnehmen. Ob der Risikosphäre des Verkäufers oder des Käufers dabei mehr Gewicht beigemessen wird, ist eine Frage des Verhandlungsgewichts der jeweiligen Partei. Eine spannende Frage in diesem Zusammenhang ist, ob künftig eine Wende von einem bislang äußerst verkäuferfreundlichen hin zu einem eher käuferfreundlichen Markt zu beobachten sein wird, was sich dann auch entsprechend in der Kautelarpraxis widerspiegeln würde. Ob die Käufer- oder die Verkäuferseite das Risiko sich verändernder Umstände im Hinblick auf den Kaufpreis trägt, hängt in erster Linie davon ab, welcher Kaufpreismechanismus vereinbart wird und ob die geänderten Umstände eher zu einem höheren oder einem niedrigeren equity value führen. Locked Box Der Kaufpreisberechnung nach einem locked box-Konzept und der aufgrund von closing accounts liegt die gleiche Kaufpreisformel für die Ermittlung des equity value zugrunde. Ansatzpunkt sind lediglich unterschiedliche Bilanzstichtage: Im Falle eines locked box-Konzepts wird für Zwecke der Kaufpreisberechnung auf einen historischen Bilanzstichtag, üblicherweise den Bilanzstichtag des vorangegangenen Geschäftsjahres, als "effective date" abgestellt. Der Käufer wird damit wirtschaftlich so gestellt als hätte er das Unternehmen nicht bei Closing, sondern zum historischen Bilanzstichtag erworben. Die Geschäfte werden ab diesem Zeitpunkt auf Rechnung des Käufers geführt, der Chance und Risiko wirtschaftlicher Veränderungen nach dem Stichtag trägt. Um die Werthaltigkeit des Unternehmens zwischen Bilanzstichtag und Closing gegen Abflüsse außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs abzusichern, wird die locked-box durch ein sog. "non-leakage"-Regime flankiert. Vorbehaltlich der non-leakage-Regelungen fallen daher negative Veränderungen der Zielgesellschaft im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Closing in die Risikosphäre des Käufers. Entwickelt sich die Zielgesellschaft positiv, profitiert der Käufer spiegelbildlich. Closing Accounts Haben Käufer und Verkäufer sich hingegen auf eine Kaufpreisermittlung auf den Vollzugstag geeinigt (closing accounts-Konzept), wird der Kaufpreis anhand eines Stichtagsabschlusses taggenau auf den Vollzugstag ermittelt. Der Käufer erwirbt die Zielgesellschaft somit zu dem – auf Basis der Kaufpreisformel berechneten – tagesaktuellen Wert bei Closing. Bei Closing gezahlt wird zunächst ein auf Basis einer historischen Bilanz oder Planbilanz geschätzter Kaufpreis, der
Corona-Pandemie – Kaufpreisklauseln in M&A-Verträgen 3 nach Closing dann auf Basis der Stichtagsbilanz auf den Vollzugstag adjustiert wird. Gefahrübergang und Anteilserwerb fallen somit am Tag des Closings als effective date zusammen. Negative Veränderungen der kaufpreisrelevanten Bilanzpositionen zwischen Signing und Closing fallen bei diesem Ansatz in die Risikosphäre des Verkäufers. Entwickeln sich die kaufpreisrelevanten Bilanzpositionen bis Closing hingegen positiv, profitiert der Verkäufer spiegelbildlich. Was ändert sich durch Corona? Unterm Strich lässt sich daher festhalten, dass negative Veränderungen der Zielgesellschaft bis Closing im Falle eines locked box-Konzepts in die Risikosphäre des Käufers fallen, wohingegen sie im Falle eines closing accounts-Konzepts in die Risikosphäre des Verkäufers fallen. Aufgrund der Corona-Pandemie dürften sich die kaufpreisrelevanten Bilanzpositionen der meisten Unternehmen seit Januar 2020 tendenziell negativ entwickelt haben. Cash-Positionen und Forderungen dürften abgesunken sein, wohingegen Verbindlichkeiten bestehen bleiben bzw. weiterhin auflaufen werden. Aus Käufersicht dürfte ein locked box-Konzept in dieser Situation inakzeptabel sein, da der letzte Jahresabschluss der Zielgesellschaft die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie typischerweise noch nicht widerspiegeln wird. Der Käufer würde mit einem locked box-Konzept faktisch sehenden Auges in eine überhöhte Kaufpreiszahlung laufen, was auch mit den Sorgfaltspflichten der Geschäftsleiter des Käufers nicht vereinbar sein dürfte. Im aktuellen Marktumfeld dürfte daher zu erwarten sein, dass deutlich weniger locked box- Kaufpreisklauseln vereinbart werden. Aus Sicht des Verkäufers führt dies freilich zu einem deutlich niedrigeren Kaufpreis, der zudem zwischen Signing und Closing noch weiter zu erodieren droht. Für den Verkäufer stellt sich daher die Frage, wie er die ggf. nur vorübergehende Wertschwankung der Zielgesellschaft abfedern kann. Sofern nicht die Transaktion als solche aufgeschoben werden soll, dürften insoweit earn-out-Klauseln an Bedeutung gewinnen, da diese den Verkäufer an der Wertaufholung der Zielgesellschaft partizipieren lassen. Zwischen Signing und Closing Befindet sich die Transaktion aktuell im Stadium zwischen Signing und Closing und wurde das Kaufpreisregime noch ungeachtet der COVID-19-Krise vereinbart, wird für die Parteien die Frage virulent, ob und wie der Kaufpreis angepasst wird und auf welche Art und Weise auf die neue Situation aufgrund der COVID-19-Krise reagiert werden kann. Die oben beschriebenen grundsätzlichen Risikoabgrenzungen beanspruchen auch für bereits vereinbarte Transaktionen Geltung: Bei locked box-Klauseln trägt der Käufer das Risiko sich verschlechternder Umstände, bei closing accounts-Klauseln der Verkäufer. Die Parteien sind dabei an die von ihnen privatautonom vereinbarte Regelungen und die in ihnen zum Ausdruck kommende Risikoallokation gebunden, sofern nicht der Vertrag selbst die Möglichkeit von Anpassungen oder eines Rücktritts im Falle geänderter Umstände (z.B. eine MAC-Klausel – vgl. unseren diesbezüglichen Beitrag hier) vorsieht oder die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB in Betracht kommt. Der Handlungsspielraum der Parteien, von dem vereinbarten Kaufpreisregime abzuweichen, ist daher begrenzt. Jedoch wird eine Transaktion umso streitanfälliger sein, je größer die Diskrepanz zwischen der Erwartung der Parteien und dem Kaufpreis ist, zumal auch die Gefahr für Covenant- und Garantieverletzungen in der aktuellen Situation steigen dürfte. Vor diesem Hintergrund ist zu erwägen, ob – insbesondere bei großen Wertverlusten – die Parteien nicht einvernehmlich über eine sach- und einzelfallgerechte Vertragsanpassung und Risikoteilung verhandeln sollten, insbesondere, wenn für Zwecke der Kaufpreisfindung auf eine historische – und mithin aktuell nicht mehr valide – Zahlenbasis abgestellt wurde. Andernfalls dürften langwierige Streitverfahren nicht auszuschließen sein.
Corona-Pandemie – Kaufpreisklauseln in M&A-Verträgen 4 Nach Closing Nach Vollzug der Transaktion kommt unabhängig von der Art des Kaufpreisregimes eine Anpassung des Kaufpreises (nach oben oder nach unten) nicht mehr in Betracht. Spätestens mit Vollzug ist die Gefahr sich verändernder Umstände vollständig auf den Käufer übergegangen. Dass sich die wirtschaftliche Situation der Zielgesellschaft nach Closing verschlechtert, ist daher das alleinige wirtschaftliche Risiko des Käufers, und hat – sofern nicht Garantie- bzw. Covenant- Verletzungen im Raum stehen, für den Verkäufer keine Relevanz. Kontakt Dr. Nikolas Zirngibl Dr. Tobias Kahnert, M.Jur. (Oxford), Gesellschaftsrecht/M&A, Venture Capital LL.B. Partner, München Gesellschaftsrecht/M&A, Venture Capital T +49 89 29012131 Counsel, München nikolas.zirngibl@hoganlovells.com T +49 89 29012131 tobias.kahnert@hoganlovells.com Martin Schunke Gesellschaftsrecht/M&A, Venture Capital Associate, München T +49 89 29012131 martin.schunke@hoganlovells.com www.hoganlovells.com "Hogan Lovells" oder die "Sozietät" ist eine internationale Anwaltssozietät, zu der Hogan Lovells International LLP und Hogan Lovells US LLP und ihnen nahestehende Gesellschaften gehören. Die Bezeichnung "Partner" beschreibt einen Partner oder ein Mitglied von Hogan Lovells International LLP, Hogan Lovells US LLP oder einer der ihnen nahestehenden Gesellschaften oder einen Mitarbeiter oder Berater mit entsprechender Stellung. Einzelne Personen, die als Partner bezeichnet werden, aber nicht Mitglieder von Hogan Lovells International LLP sind, verfügen nicht über eine Qualifikation, die der von Mitgliedern entspricht. Weitere Informationen über Hogan Lovells, die Partner und deren Qualifikationen, finden Sie unter www.hoganlovells.com. Sofern Fallstudien dargestellt sind, garantieren die dort erzielten Ergebnisse nicht einen ähnlichen Ausgang für andere Mandanten. Anwaltswerbung. Abbildungen von Personen zeigen aktuelle oder ehemalige Anwälte und Mitarbeiter von Hogan Lovells oder Models, die nicht mit der Sozietät in Verbindung stehen. © Hogan Lovells 2020. Alle Rechte vorbehalten.
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