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« ICH TRÄUME DAVON, MIT DEM PFERD HOHE SPRÜNGE ZU MACHEN.» Lili, 10 « ICH TRÄUMTE DAVON, REDEN ZU DÜRFEN.» Trudi, 91 Kindheit damals und heute: Urgrosseltern und ihre Urenkel erzählen. 10
Bilder TOM HALLER Wovor hatten Sie in Ihrer Kindheit Angst? Mann haben! Das war alles. Das war meine Aufklärung. Ich ver- Trudi Schwyn: Vor den Schlägen des Vaters. Wenn etwas auskam, stand nichts. Ich begriff nicht mal, warum ich es nicht verstehen sagte die Mutter: Am Abend nimmt dich der Vater dran. Und der konnte. hat uns dann zünftig verdroschen. Worüber möchtest du gern mehr wissen? Wovor hast du Angst? Lili: Über Nico. Er geht mit mir in die Klasse. Sie dürfen das ruhig Lili: Okay, wie soll ich es sagen? Ich stehe auf einen Jungen. Und schreiben, er weiss es eh schon. muss ihn fragen. Die anderen Mädchen lümmeln um mich herum An welchen Traum erinnerst du dich? und sagen: Machs! Hey! Frag ihn! Dabei habe ich eine Megaangst. Lili: Ich habe geträumt, ich bin in der Stadt, alles ist alt, wie vor Welchen Film magst du ganz besonders? hundert Jahren, und Katherine ist da, die Stadtführerin. Ich habe Lili: Die Teeniekomödie «Mädchen, Mädchen 2». eine Vogelspinne dabei … megakomischer Traum! Und ich bin Welchen Film mochten Sie als Kind? weggerannt, da bin ich erwacht. Ich habe das Licht angemacht Trudi Schwyn: Der Coop hat ab und zu im Restaurant einen Film und überall nach Spinnen gesucht. gezeigt, gratis. Das waren Landschaftsfilme ohne jede Handlung. An welchen Traum erinnern Sie sich? Ein Mann, der durch die Berge wandert mit einem Hund. Eigent- Trudi Schwyn: Ich habe traumlos geschlafen. In der Schule muss- lich nur langweilig. Aber für uns Kinder wars trotzdem aufregend. ten wir mal einen Aufsatz schreiben über einen Traum. Ich hatte Bilder, die sich bewegten! nichts. Also erfand ich irgendetwas, und der Lehrer schrieb dar- In wen hätten Sie sich als Kind für einen Tag verwandeln wollen? unter: «Etwas mager». Später, als ich Mutter war, träumte ich, vor Trudi Schwyn: In jemanden, der reist. Ich wäre gern jemand allem Angstträume. Zum Beispiel, dass ich auf einem Berg bin Trudi Schwyn wurde 1921 in Schaffhausen geboren, ihre Urenke- Lili: Zuerst wollten sie mich Mina nennen, mit der Betonung auf gewesen, der zum Beispiel eine Schifffahrt machen kann. und eins der Kinder runterfällt. lin Lili Siriwetchaphan 2003 in Zürich. Trudi Schwyns Vater war der zweiten Silbe, wie im Thailändischen. Aber sie wussten, dass In wen möchtest du dich für einen Tag verwandeln? Was war Ihnen einmal sehr peinlich? Fabrikarbeiter, ihre Mutter Hausfrau. Nach der KV-Ausbildung alle Mina sagen würden, wie man es hier sagt. So kamen sie auf Lili: In meinen Bruder. Und er müsste dann ich sein. Dann würde Trudi Schwyn: Das, was mir als Kind peinlich war, durfte ich arbeitete sie bei Orell Füssli in der Annoncenabteilung, später Lili. Das ist ein alter Name, es gibt ihn nicht mehr so häufig. er mal erleben, wie es ist, wenn man immer nachgeben muss. Ich nicht sagen. Von der Heilsarmee hatte ich eine alte Gitarre bei der Emil Frey AG. Lilis thailändischer Vater hat in Zürich Warum haben Ihre Eltern Ihren Namen ausgesucht? muss immer nachgeben, wenn wir streiten. Wenn ich er wäre, bekommen, man schickte mich zu einem Mann, der mir zeigen die Cateringfirma thaiKo gegründet, ihre Mutter arbeitet bei einer Trudi Schwyn: Ich heisse Marie-Gertrud. Gertrud war der müsste ich mal nicht nachgeben. Das wärs. sollte, wie man darauf spielt. Der Mann fasste mich an, ich wollte Marketingfirma. Lili kommt in die vierte Primarklasse in Zürich. Wunschname meines Vaters, meine Mutter fand, es müsse eine Möchtest du einmal Kinder haben? danach nicht mehr hin. Ich durfte es niemandem sagen. Hätte ich Marie her. Sie hiess selber Marie. Gertrud war damals ein ganz Lili: Ja, aber nur adoptierte. Meine Mutter sagt, Gebären ist es zu Hause erzählt, hätte man mit mir geschimpft. So war das Was siehst du auf deinem Schulweg? moderner Name. Heute muss man lachen, wenn man ihn hört. anstrengend, du verlierst viel Blut, und es tut megaweh. damals. Das war eine Peinlichkeit, über Peinliches durfte man Lili: Ich sehe nicht viel, weil ich mit dem Trotti in die Schule düse. Was konnte Ihr Vater besonders gut? Wollten Sie Kinder haben? nicht reden. Okay, ich sehe Strassen, Autos, Menschen. Ich fahre am Schul- Trudi Schwyn: Im Winter war unsere Stube eine Werkstatt, der Trudi Schwyn: Als ich aus der Schule kam, wusste ich, dass ich Was war dir einmal sehr peinlich? haus meines Bruders vorbei. Es hat Gebüsche. Vater hat gesägt, gehobelt, geschraubt. Früher rief man nicht den einmal eine Familie mit Kindern haben wollte. Lili: Vor kurzem, in einer Mensch-Umwelt-Prüfung, es war ganz Was haben Sie auf Ihrem Schulweg gesehen? Handwerker – ein Mann musste alles können. Mein Vater konnte Was, dachten Sie als Kind, würden Sie tun, wenn Sie erwachsen still im Schulzimmer, da habe ich gefurzt. Alle haben gelacht. Trudi Schwyn: Ich hatte keinen Schulweg. Zur Schule waren es gut schreinern. sind? Was würdest du gern richtig gut können? nicht mal hundert Meter. Wir lebten mitten in der Schaffhauser Was kann dein Vater besonders gut? Trudi Schwyn: Lehrerin werden! Das war mein grosser Traum. Lili: Ich träume davon, mit dem Pferd hohe Sprünge zu machen. Altstadt. Lili: Zwei Sachen. Megafein kochen. Und er kann flicken. Er flickt Das ging nicht, weil es jeden Monat dreissig Franken gekostet Was hätten Sie in Ihrer Kindheit gern richtig gut gekonnt? Wer war Ihre beste Freundin, als Sie ein Kind waren? alles, Spielsachen, Autos, auch von anderen Kindern. hätte. Und arme Leute, wie wir es waren, bekamen nur dann ein Trudi Schwyn: Reden! Ich träumte davon, reden zu dürfen. Ich Trudi Schwyn: Ein Bauernmädchen, Hedi Bolli. Sie lebt noch. Was kannst du besser als deine Eltern? Stipendium, wenn die Schülerin hochbegabt war. Ich war sehr hätte gern etwas vorgetragen, ein Gedicht gemacht. Zu Hause Wir haben immer zusammen die Hausaufgaben gemacht. Sie Lili: Reiten. gut, aber nicht hochbegabt. Dann wollte ich Köchin werden. Aber musste ich immer schweigen. Am Tisch sowieso. Kinder hatten möchte, dass ich sie einmal besuche, aber ich komme einfach Was konnten Sie besser als Ihre Eltern? es hiess: Du bist zu dünn, um die schweren Pfannen zu halten. früher nichts zu sagen. Das war normal. Ich habe erst als Erwach- nicht dazu. Trudi Schwyn: Ich hatte einen guten Kopf, konnte fehlerfrei Dann: Turnlehrerin, das ging auch nicht. Meine Mutter sagte: sene gelernt, mich mitzuteilen. Diese sprachlosen Kinder, die Hast du eine beste Freundin, Lili? schreiben. Wenn etwas geschrieben werden musste, sagten die Du wirst heiraten, du brauchst keine Ausbildung. Aber mein es damals überall gab. Manchmal treffe ich heute Leute, und die Lili: Ich habe mehrere Freundinnen, keine ist die beste. Eltern zu mir: Mach du das! Vater war ganz entschieden: Meine Mädchen lernen etwas! Heute loben dann die gute alte Zeit. Was für ein Mist. Es war nicht bes- Welches Haustier hast du? Haben Sie in Ihrer Kindheit im Haushalt mitgeholfen? würde ich mich für Innenarchitektin entscheiden, aber ich glaube, ser früher, es war schlechter. Lili: Zwei Meerschweinchen. Ich muss ausmisten, die Goodies Trudi Schwyn: Ich musste abstauben. Das hasste ich. Ich fand es ist definitiv gelaufen. Welches Schimpfwort gefiel Ihnen? muss ich selber bezahlen, das normale Futter kaufen meine Eltern. es sinnlos, ich hatte nichts gegen Staub. Aber ein Klafter Holz Was machst du, wenn du gross bist? Trudi Schwyn: Alle Schimpfwörter, die für mich neu waren, Welches Haustier hatten Sie in Ihrer Kindheit? spalten, die Hasenställe ausmisten – die groben Sachen habe ich Lili: Unterstufenlehrerin und Bäuerin, beides gleichzeitig. Ich haben mir gefallen. Rassige, zackige Schimpfwörter. Gopfer- Trudi Schwyn: Wir hatten Hasen. Die Hasen waren Nutztiere. immer gern gemacht. korrigiere gern. Kleine Kinder um mich herum und viele Tiere, tammi. Herrgottsack. Aber geflucht haben früher nur die Erwach- Man hat sie getötet und gegessen, das störte mich nicht. Es war Hilfst du im Haushalt mit? das stelle ich mir cool vor. senen. Für Kinder war das tabu, für Mädchen sowieso. Ich habe normal. Futter kauften wir nicht. Ich musste auf den Wiesen Gras Lili: Ein bisschen. Manchmal räume ich das Zimmer meines Bru- Was macht dich traurig? den Fluchern immer gern zugehört. ausreissen, damit die Hasen zu fressen hatten. ders auf. Das eigene nicht. Das eigene Zimmer aufräumen ist, als Lili: Wenn ich nachgeben muss. Gibt es ein Schimpfwort, das dir gefällt? Sind Sie noch daheim auf die Welt gekommen? würde man etwas kaputtmachen. Das begreifen die Eltern nie. Was machte Sie traurig? Lili: Idiot. Das sage ich manchmal zu meinem Bruder. Mehr liegt Trudi Schwyn: Ja. Mehr weiss ich nicht. Man sprach nicht dar- Hast du ein Geheimnis? Trudi Schwyn: Traurig machte mich, wenn ich hörte, wie die nicht drin. über. Mein Mann hat, als er in der dritten Klasse war, zu seinen Lili: Nein. Das heisst: doch. Aber ich möchte es nicht sagen. Eltern sich stritten. Wir lagen im Bett, aber gehört hat man es Wann bist du glücklich? Eltern gesagt: «Das stimmt gar nicht mit dem Storch. Die Kinder Hatten Sie als Kind ein Geheimnis? doch. Ich war traurig, weil ich dachte: Was, wenn es auseinander- Lili: Beim Reiten. wachsen im Bauch der Frau.» Da hat er links und rechts ein paar Trudi Schwyn: Ich hatte viele Geheimnisse. Ich konnte nicht alles geht? Wann waren Sie als Kind glücklich? an die Ohren gekriegt. In der dritten Klasse! Heute müssen Sie den Eltern sagen. Wir Kinder hatten oft den Bauch nicht voll. Worüber hätten Sie in Ihrer Kindheit gern mehr gewusst? Trudi Schwyn: Wenn wir Besuch hatten. Es wurde spät, ich lag mal einen Drittklässler fragen, der weiss schon fast zu viel. Schlank blieb man früher von allein. Bin dann herumgestrichen, Trudi Schwyn: Ich hätte gern mehr über Sex gewusst. Das Un- im Bett und hörte sie reden und lachen, da war ich glücklich. ! Wie war es, als du auf die Welt gekommen bist? in den Feldern, Gärten, habe Erdbeeren geklaut, Tomaten, Äpfel. wissen war gross. Ich kannte nicht einmal die Tatsachen. Als ich Lili: Ich war im Spital, man hat mich gebadet. So haben die Eltern Wir Kinder wussten immer, wo etwas reif war. Diese Räubertou- mit zwölf die Periode bekam, sagte ich nach einer Woche zur es mir erzählt. ren waren ein Abenteuer, ein richtiges Vergnügen. So was reibt Mutter: Du, ich habe Durchfall. Sie antwortete, sie müsse mich Warum haben deine Eltern deinen Namen ausgesucht? man den Eltern nicht unter die Nase. aufklären. Sie verkündete: Nun darfst du nie etwas mit einem 12 D A S M A G A Z I N 2 9/2 0 1 3 13
« ICH ESSE AM LIEBSTEN SPAGHETTI CARBONARA. ICH ESSE SIE NUR ZU HAUSE UND IN DIESEM EINEN RESTAURANT IN FINNLAND.» Ian, 7 « ES GAB GEKOCHTE KASTANIEN ODER HOLUNDERMUS MIT BUTTER. ES WURDE GEGESSEN, WAS AUF DEN TISCH KAM.» Willi, 87 Willi Fischbacher wurde 1925 in dem kleinen Weiler Ebersol im wir erst das Eis zerschlagen, ehe wir uns waschen konnten. Es war Kanton Sankt Gallen geboren, sein Urenkel Ian Fischbacher 2006 nicht geheizt im Winter, ich wohnte in einem alten Bauernhaus in Kilchberg. Willi Fischbachers Mutter starb kurz nach seiner auf der Alp. Ich habe das Zimmer für mich allein gehabt, weil die Geburt. Er wuchs allein mit seinem Vater auf, einem Alpknecht anderen alle schon aus dem Haus waren. und Tagelöhner, und wurde später Bankmetzger in diversen Hatten Sie ein Ritual vor dem Schlafengehen? Grossmetzgereien. Ians Vater ist Informatiker, die Mutter Ver- Willi Fischbacher: Im Sommer haben wir uns manchmal die Füsse kaufsberaterin Papeterie. Ian kommt nach den Sommerferien gewaschen vor dem Zubettgehen, draussen, im Brunnen vor dem in die zweite Primarklasse in Bachenbülach. Haus. Hast du ein Ritual vor dem Schlafengehen? Glaubst du an den Weihnachtsmann? Ian: Ich schaue immer fern, manchmal allein, manchmal mit Ian: Natürlich glaube ich an den Weihnachtsmann. Weil ich ihn meiner Schwester oder der Familie. Wir schauen dann Super RTL gesehen habe, als wir in Finnland waren. bis um acht, dann muss ich ins Bett. Haben Sie an den Weihnachtsmann geglaubt? Bekommst du Sackgeld? Willi Fischbacher: In der Sonntagsschule haben sie erzählt, dass Ian: Ja, einen Franken in der Woche. Wenn ich dann in die zweite es ihn gebe. Ich fragte den Pfarrer, ob er es beweisen kann. Da hat Klasse komme, bekomme ich zwei Franken in der Woche. Ich er mich geohrfeigt. gebe nie etwas davon aus, ich spare alles für ein Eishockey-Libli. Glaubten Sie an Gott? Ich will mir zehn davon kaufen. Willi Fischbacher: Damals ja. Ich habe ihn mir vorgestellt als einen Bekamen Sie Sackgeld? Geist, irgendwo da oben. Aber fromm war ich nicht, ich war schon Willi Fischbacher: Von meinem Vater gab es kein Geld. Aber an immer ein Skeptiker. einigen Sonntagnachmittagen konnte ich bei der Holzkegelbahn Glaubst du an Gott? in der Gegend Kegel aufstellen, das brachte mir zwanzig Rappen Ian: Ich glaube nicht an Gott, er ist ja gestorben, also kann er keine ein. Damit ging ich in die Bäckerei und kaufte mir eine Creme- Wünsche mehr erfüllen. schnitte. Ich habe immer alles sofort verbraucht. Was isst du am liebsten? Ihre schönsten Ferien als Kind? Ian: Spaghetti carbonara, so, wie sie mein Mami kocht. Ich esse Willi Fischbacher: Wir sind nie in die Ferien gefahren. So etwas sie immer nur zu Hause und in diesem einen Restaurant in Finn- gab es früher nicht. land. Deine bisher schönsten Ferien? Was haben Sie als Kind am liebsten gegessen? Ian: Als wir vor zwei Jahren in Dubai waren, mit der ganzen Willi Fischbacher: So etwas wie ein Lieblingsessen kannte ich Familie. Dort konnten wir mit dem Gummiboot durch die Was- nicht. Mein Vater war mit mir allein, ich bin zehn Jahre jünger als serkanäle fahren, das war total cool. die anderen fünf Geschwister, meistens kochte er. Es gab gekochte Willst du mal heiraten? Kastanien oder Holderzunge, das ist Holundermus mit Butter, Ian: Ja, sicher. Warum, weiss ich nicht. Aber ich will auch mal das habe ich direkt aus der Schüssel gegessen. Es wurde gegessen, Kinder haben. Zwei. So wie wir. was auf den Tisch kam. Wollten Sie heiraten? Was nervte Sie an Ihrem Vater? Willi Fischbacher: Davon wusste ich damals noch nichts. Auch Willi Fischbacher: Er arbeitete nicht gern, das fand ich nicht in von Mädchen nicht. Ich bin erst nach der Lehre so richtig aufge- Ordnung. wacht. Was nervt dich an deinem Vater? Was haben Sie am liebsten gelesen? Ian: Dass er mir manchmal verbietet, Videospiele zu spielen. Willi Fischbacher: Wir hatten einen Appenzeller Kalender, für Wie sieht dein Zimmer aus? jeden Tag im Jahr. Sonst hatten wir keine Bücher, und Kinder- Ian: Ich habe ein Zimmer für mich allein, im oberen Stock der bücher kannte man sowieso nicht. Wohnung. Ich habe ein Hochbett, das habe ich mir so gewünscht. Was liest du am liebsten? Ich habe zwei Schrägfenster im Dach und ein ganz grosses. Es ist Ian: Mein Lieblingsbuch ist «Globi und die Pirateninsel», das habe immer hell und warm. Das Bad muss ich aber mit der Schwester ich zusammen mit der CD geschenkt bekommen. Ich weiss aber teilen. nicht mehr, von wem. Wie sah Ihr Zimmer aus? Das beste Geburtstagsgeschenk, das du je bekommen hast? Willi Fischbacher: Ich hatte ein Bett mit Laubsäcken als Matratze, Ian: Mein Eishockey-Goal, das ist über einen Meter hoch. Das es war stockdunkel abends, wir hatten weder Strom noch fliessend steht in meinem Zimmer, so kann ich immer Hockey spielen. Wasser. Wasser gab es draussen im Brunnen, im Winter mussten Das beste Geburtstagsgeschenk, das Sie als Kind bekamen? 14 D A S M A G A Z I N 2 9/2 0 1 3 15
Willi Fischbacher: Ich habe nie eines bekommen. An Weihnach- Willi Fischbacher: Ich hatte keinen Berufswunsch, man hat ein- ten kamen meine Brüder heim, die schon ausgezogen waren, dann fach gebauert. Man hat gearbeitet, was man halt grad musste. gabs ein Fest. Sie brachten meinem Vater wohl Geld mit, aber für Dein Traumberuf? « MANCHMAL HABE ICH GEDACHT: mich blieb nichts mehr übrig. Ian: Ich will Eishockeyprofi werden, bei den Vancouver Canucks. HÄTTE ICH EINE ANDERE An welchen Ort wollten Sie als Kind reisen? Ich war schon oft in Kanada, jetzt im Sommer gehen wir wie- MUTTER, HÄTTE ICH ES BESSER. Willi Fischbacher: Ich wusste nichts vom Reisen, ich kannte nur der dahin in die Ferien. Das finde ich cool. DAS MACHTE MICH TRAURIG.» den Ort, an dem ich war. Ich sah nur auf der Landkarte in der Gehst du in die Kirche? Schule, dass es ausserhalb noch etwas gab. Unser Weiler war mir Ian: Nein, nie, auch nicht in die Sonntagsschule. Heidi, 82 genug. Gingen Sie in die Kirche? An welchen Ort auf der Welt möchtest du reisen? Willi Fischbacher: Ich ging nur, wenn ich musste. Ich bin in die Ian: Ich will nach Spanien, da war ich bisher nur einmal, und ich Sonntagsschule gegangen. Es war ein anstrengender Weg hinab war zu klein, um mich heute noch zu erinnern. Ich will in Spanien zur Kirche, zwei Stunden Fussmarsch waren das. Und als ich dann « KÜRZLICH BRACH DIE KUPPLUNG einen Fussballmatch schauen, wo Real Madrid spielt. ankam, wurde mir vom Weihrauchgeruch immer schlecht. VON EINEM LEGO-ANHÄNGER. Hast du einen besten Freund? Was sind Ihre Stärken? DAS MACHTE MICH TRAURIG.» Ian: Ich habe vier beste Freunde. Mit denen spioniere ich die Willi Fischbacher: Ich habe eigentlich alles an mir gemocht. Ich Linus, 7 Mädchen aus, wir schauen dann, was sie machen auf dem Pau- würde sagen, ich konnte gut Ski fahren. Und ich war ein mutiger senplatz oder in der Schule. Und manchmal rennen wir dann vor Bub. ihnen weg, wenn sie uns fangen wollen. Was sind deine Stärken? Hatten Sie einen besten Freund? Ian: Eishockey und Fussball. Und dass ich mutig bin. Willi Fischbacher: Ich war oft mit dem Buben des Lehrers zusam- Warst du mal traurig? men, der hatte ein Velo, darauf habe ich gelernt zu fahren, in der Ian: Ich habe einmal geweint, weil meine Schwester mich geschla- dritten Klasse. Selbst hatte ich nie eines. Wir haben auch Fische gen hat. Aber sonst bin ich nie traurig. gefangen, im Bächli, obwohl das verboten war. Waren Sie mal traurig? Wie lange war Ihr Schulweg? Willi Fischbacher: Traurig war ich nie. Ich hatte keinen Grund, Willi Fischbacher: Eine Stunde zu Fuss, im Winter sind wir den traurig zu sein. Ich habe überhaupt nichts vermisst. Und meine Weg mit den Skiern gefahren, den steilen Hang runter. Brüder kannte ich kaum, das waren Fremde, die ab und an zu Wie lange ist dein Schulweg? Besuch kamen. Ian: Acht Minuten zu Fuss. Ich habe ein Fahrrad, aber wir dürfen Welcher Ort im Haus war Ihr Lieblingsplatz? Heidi Berli lebt in Egliswil, ihr Urenkel Linus Kneubühl in ihm gedörrte Bohnen oder nähte weisse Höschen, schön muss- damit nicht zur Schule fahren, weil es zu wenig Veloplätze gibt, Willi Fischbacher: Ich war gern bei der Scheune, im Heuboden. Burgdorf. Aufgewachsen ist Heidi Berli in Kröschenbrunnen im ten die nicht sein, hat sie gesagt, nur praktisch. Er kam sie sogar das hat die Schulleitung verboten. Im Winter sass ich allein dort oben und habe Schiitli geschlagen, Emmental, ihr Vater war Zimmermann. Mit ihrem Mann hatte einmal besuchen bei uns in Kröschenbrunnen im Emmental. Was ist dein Lieblingsfach? obwohl ich nicht durfte. Das hat mich gereizt. sie einen Kleinbauernhof, er arbeitete daneben als Forstwart. Hatten Sie ein Zimmer für sich allein? Ian: Sport, weil ich mich da austoben kann. Basteln mag ich nicht, Welcher Ort in der Wohnung ist dein Lieblingsplatz? Berlis Urenkel Linus kommt nach den Sommerferien in die zweite Heidi Berli: Nie. Wir waren sechzehn Kinder, zehn Knaben und da muss man immer stundenlang dran rummachen, bis man etwas Ian: Mein Zimmer. Dort kann ich Unihockey spielen. Obwohl Klasse. Sein Vater ist typografischer Gestalter, seine Mutter, eine sechs Mädchen. Eigentlich siebzehn, das erste Mädchen starb als fertig hat. ich nicht oft allein sein will. Ich bin am liebsten bei meiner gelernte Hochbauzeichnerin, Hausfrau. Kleinkind, warum, das wusste meine Mutter nicht mehr recht. Was war Ihr Lieblingsfach? Familie. ! Sogar im Elternschlafzimmer standen zwei weitere Betten für uns Willi Fischbacher: Am liebsten mochte ich die Pause. Und sonst Wo versteckst du dich am liebsten? Kinder. Wir schliefen zu zweit oder zu dritt in einem Bett, jemand Turnen und Lesen, im Rechnen war ich nicht gut. Ich war sowieso Linus: Hinter dem grossen Busch im Garten, dort ist mein legte sich noch quer unten zu den Füssen. kein guter Schüler. Geheimversteck. Hast du ein Zimmer für dich allein? Ihr Traumberuf, damals? Wo haben Sie sich am liebsten versteckt? Linus: Ja. Meine Brüder Noel und Aamon müssen sich eines tei- Heidi Berli: Wir hatten viele Verstecke. Wir wohnten in einem len. Meines ist dafür auch das Spielzimmer, aber ich möchte das „FERIEN grossen Haus, einer ehemaligen Gerberei. Im Stall im Erdge- Spielzimmer abgeben. Es ist mühsam, wenn ich am Morgen schoss hielt der Hausmeister ein paar Kühe. Da gab es einen aufstehe und auf Lego trete oder auf einer Fahne am Boden aus- Han Hans Ruprecht (Hg.) Barb Barbara Piatti Eine schweren Schuh Einen Es lächelt lä der See Schopf, Winkel unter Treppen oder bei den drei Plumpsklos. rutsche. Auch Aamons Nuscheli im Bett habe ich nicht so gern. hatt ich gewählt hatte ISBN 3-85869-533-5 Aber mein liebstes Versteck war mein Bett. Ich gehe manchmal in Mamas und Papas Schlafzimmer spielen, BEGINNEN BEI UNS.“ ISBN 978-3-908777-87-8 Rotp Rotpunktverlag Doe Doerlemann Was haben Sie als Kind am liebsten gespielt? die Legokiste hat gäbig Platz auf ihrem Bett. Der Gotthard und der Vierwald- Sieb Siebzehn Autoren, siebzehn stät stätter See hat Autoren aus aller Heidi Berli: Bällelet auf der Hauptstrasse zwischen Bern und Hast du ein Haustier? Roland B., Filialleitung, Gesc Geschichten über Wanderungen durc das Wallis, mit Blick auf die durch e Wel Welt schon immer inspiriert. Barb Barbara Piatti lädt Sie ein, ihren Luzern, die an unserem Haus vorbeiführte. Heute wäre die zu Linus: Nein. Mama möchte Schildkröten, Papa ist dagegen. Stauffacher- Buchhandlung Vier Viertausender und den Pfynwald. Spu Spuren zu folgen. stark befahren. Oft mussten wir dem Ball hinterherspringen, wenn Hatten Sie Haustiere? er in die Ilfis, den Bach, rollte. Wir spielten auch gern Lumpen- Heidi Berli: Wir hielten Kaninchen, zum Essen. Und Katzen legis oder Fangis. Ich habe mir immer ein Bäbi gewünscht, aber hatten wir immer viele, wegen der Mäuse. Ich erinnere mich, wie erth Martin Arnold / Roland Gerthh/ David C Coulin dafür hatten wir kein Geld. So nahm ich halt ein schönes Holz- eine Katze jeweils an die Ilfis Fische fangen ging. Da sagte mein Ronald Decker / Urs Fitze weiz Naturdenkmäler der Schweiz Die sch schönsten Alpwirtschaften scheit zum Bäbele, das ich dann gebettet habe. Vater: Wir brauchen keine Katze, die fischt. Die Katze musste der Schweiz Sch 669-5 ISBN 978-3-03800-669-5 ISBN 3- 3-03800-691-2 Was spielst du am liebsten? darauf ihr Leben lassen, die Arme. erlag AT Verlag AT Verl Verlag Linus: Mit meinen kleinen Lego, den Lego Technic. Ich habe Haben Sie Ihrer Mutter im Haushalt geholfen? hlen, Wilde Schluchten, tiefe Höhlen, rnde gewaltige Gletscher, schillernde Tex Mit Texten und Bildern erzählt dieses Buch vom einfachen Leben gerade einen Helikopter und einen Bagger gebaut. Heidi Berli: Ja. Kochen, abwaschen, abtrocknen. Ich habe mich denk- Seen – die schönsten Naturdenk- auf 50 Alpwirtschaften. A Mit Wegbe- Wie heisst deine Lehrerin? oft mit meiner Schwester gestritten, weil keines der Kinder gern stellt mäler der Schweiz, vorgestellt schreib schreibungen und Übersichtskarten. mit spektakulären Bildern n und Linus: Frau Pia Rieben. abtrocknete. Einmal stellte sie die Teller, die ich abtrocknen sollte, xten. erstklassigen Texten. Wie hiess Ihre Lehrerin? nicht umgekehrt hin, so versorgte ich sie nass im Schrank. Das Heidi Berli: Frölein Joss. Anna zum Vornamen. Sie hat mit Albert gab ein Donnerwetter. Wir Älteren mussten natürlich auch die Schweitzer korrespondiert, dem Tropenarzt in Afrika. Sie schickte Kleinen hüten. www.stauffacher.ch/ferien D A S M A G A Z I N 2 9/2 0 1 3 17
Hilfst du manchmal im Haushalt? Heidi Berli: Als ich klein war, hänselten mich die Kinder meiner Linus: Ich helfe den Tisch decken oder abtrocknen. Früher habe Tante mit den Spitzen der Bohnen, die wir rüsten mussten. Sie ich auch unter dem Tisch aufgewischt, dafür erhielt ich dann pro wollten sie mir in den Mund schieben und sagten, das sei eine Mal zehn Rappen. Manchmal schickt mich Mama in den Den- Schnecke. Später rächte ich mich bei meinem Cousin, als er auf ner Milch kaufen, gibt es Fünferli zurück, darf ich die zum Dank dem Feld Pfosten einschlug. Ich schlich von hinten heran und behalten. stiess ihm eine Schnecke in den Mund, diesmal eine echte. Kocht dein Papa manchmal? Was für Streiche spielst du? Linus: Papa macht nur Fondue, das kann Mama nicht so gut. Papa Linus: Wenn ich Noel loshaben will, sage ich ihm: Dort und dort kann besser basteln als kochen. ist ein Schatz versteckt. Dann geht er ihn suchen, und ich gehe Haben Sie manchmal mit Ihrem Vater gekocht? in mein Geheimversteck. Oder ich sage ihm: Hinter dir ist eine Heidi Berli: Mein Vater schaute in der Küche nur zu, am Sonntag Blindschleiche. Aber inzwischen weiss er, dass es nicht stimmt, probierte er dann gern die Fleischsuppe. Wenn ich kochte, sagte und erschrickt nicht mehr. er: Die Mutter macht es anders. Einmal wurde ich so wütend, dass Wovor fürchtest du dich? ich ihm davonlief. Das ertrug ich nicht, er selber konnte es ja nicht Linus: Vor Schlangen, aber ich habe noch nie eine frei gesehen. besser. Er war sonst aber ein Guter. Manchmal im Traum. Was hat Sie an Ihrer Mutter geärgert? Wovor haben Sie sich gefürchtet? Heidi Berli: Eigentlich nichts. Es hat mich nur manchmal be- Heidi Berli: Vor dem Doktor, ich hatte mal das Schlüsselbein elendet, wenn ich sah, wie sie sich sorgen musste. Doch: Einmal gebrochen und konnte mich gegen den Arztbesuch nicht mehr wollte sie mich nicht in den Ausgang gehen lassen, so mit sech- sperren. Es tat furchtbar weh, als er an meiner Schulter riegelte. zehn, als ich mit der Schule fertig war. Ich versuchte es durchzu- Röntgen konnte man damals noch nicht. stieren, bis sie sagte: Geh nur – und ich sah die Tränen in ihren Was hat Sie traurig gemacht als Kind? Augen. Da ging ich nicht. Sie erzog mich damit mehr, als wenn Heidi Berli: Wenn ich das Gefühl hatte, viel entbehren zu müs- sie gchiflet hätte. Ich wollte ihr nicht wehtun. sen. Manchmal habe ich gedacht: Hätte ich eine andere Mutter, Was ärgert dich an deiner Mama? hätte ich es besser. Zum Beispiel eine Lehrerin, dann wäre ich Linus: Wenn sie am Abend sagt, ich müsse ins Bett gehen, und klüger. Das machte mich traurig. Aber ich hätte nicht wirklich ich nicht will. Komisch, dafür will ich am Morgen immer im Bett eine andere Mutter gewollt. Was meine Mutter geleistet hat, das bleiben. macht ihr bis heute keine so schnell nach. Wohin seid ihr das letzte Mal auf Schulreise gegangen? Was macht dich traurig? Linus: In den Tierpark Dählhölzli. Linus: Kürzlich brach die Kupplung von einem Lego-Anhänger, Wohin gingen Sie auf Schulreise? das machte mich traurig. Mama hat darauf gesagt, jetzt müssten Heidi Berli: Es war üblich, in der Unterschule einmal nach Bern, wir wirklich endlich ins Legoland gehen, um Ersatzteile zu kaufen. Luzern und in die Beatushöhlen zu gehen. Die schönste zwei- Hast du ein Lieblingslied? tägige Schulreise in der Oberschule war jene auf die Kleine Scheid- Linus: «Bälpmoos» von Patent Ochsner. egg, wir übernachteten auf dem Faulhorn. Hatten Sie ein Lieblingslied? Wie verbrachten Sie die Sommerferien? Heidi Berli: Wir sangen die bekannten Berner Lieder, das war Heidi Berli: Oft ging ich zu einer Tante, um auf deren Bauernhof damals noch Mode. «Dr Trueberbueb», «Roti Rösli im Garte». zu helfen. So war zu Hause eines weniger am Tisch. Ich war gern Die Frau über uns hatte ein Radio, wir hörten mit, die Decke war dort, ich bekam mehr Beachtung, sie waren nur sechs Kinder, ich nur ein Ladenboden. Manchmal klopften wir an die Decke und wurde mit Essen verwöhnt. riefen: Dreh ein wenig lauter, damit wir auch etwas hören! Ab Was machst du in den Sommerferien? und zu durften wir sie oben besuchen, etwa wenn ein Hörspiel Linus: Wir waren zweimal nacheinander in Korsika. Dieses Jahr gesendet wurde. gehen wir ins Tessin und an den Rheinfall, dort möchten wir in Wissen Sie, warum Ihre Eltern Sie Heidi tauften? einem Schloss übernachten. Heidi Berli: Meine Mutter gebar alle Kinder zu Hause, beim letz- Was möchtest du mal werden? ten ging sie ins Spital, sie war auch schon 46. Als ich zur Welt kam, Linus: Ich bin mir nicht so sicher. Tschütteler vielleicht. musste mein Vater mit dem Velo nach Trub fahren, um mich mit Was wollten Sie werden als Kind? Namen auf der Gemeindekanzlei zu melden. Auf dem Weg hielt Heidi Berli: Bäuerin. Und ich bin es geworden. er bei meiner Tante und sagte: Wir haben ein Meiteli, und es soll Was war Ihr Lieblingsgericht? Ida heissen. Da sagte meine Tante, das sei jetzt aber gar kein schö- Heidi Berli: Erbsensuppe. Aber ich mochte auch die Rösti, die es ner Name. Ob sie denn einen besseren kenne, fragte mein Vater, zum Zmorge und Znacht gab. und sie: Heidi. Er war einverstanden und meldete mich mit die- Was ist dein Lieblingsgericht? sem Namen an. Zu Hause erzählte er es dann meiner Mutter, die Linus: Lasagne. das gut annehmen konnte. Ich bin ihm ewig dankbar, dass ich Was isst du nicht gern? nicht Ida heisse. Linus: Linsen. Ich muss sie trotzdem essen. Weisst du, warum dich deine Eltern Linus tauften? Was haben Sie nicht gern gegessen? Linus: Ich glaube, Mama und Papa kannten einen Film, in dem Heidi Berli: Wenn die Mutter Apfelschnitze in die Rösti schnet- ein Linus vorkam. ! zelte, dann weinte ich beinahe. Die Mutter schöpfte dann extra vorher einen Teller nur mit Rösti für mich. Chrut und Rüebli, alles durcheinander, das hatte ich nicht gern. Was für Streiche haben Sie gespielt? 18 D A S M A G A Z I N 2 9/2 0 1 3 19
« MEIN PAPI IST STRENGER ALS DIE MAMI. ER WILL, DASS ICH WIE « MEINE MUTTER WAR STRENGER EIN RÄUBER ESSE, ALSO RICHTIG ALS MEIN VATER. ALLERDINGS HAT FLEISCH UND SO.» Maya, 7 ER MIR MANCHMAL DEN HINTERN VERSOHLT.» Juca, 93 Juca Magos wurde 1920 in Budapest geboren, Maya Luif 2006 in Wer war strenger: Ihr Vater oder Ihre Mutter? Zürich. Jucas Eltern waren beide Ärzte jüdischer Abstammung, Juca Magos: Schon die Mutter. Meinen Vater hätte man aufs Brot ihre Mutter gehörte zur ersten Generation Freud’scher Analyti- schmieren können, der war so weich und lieb. Allerdings geriet kerinnen. Nach dem Ungarnaufstand flüchtete Juca mit ihrem er sehr schnell in Rage, und dann hat er mir manchmal mit dem Mann und den drei Kindern in die Schweiz. Sie arbeitete als Teppichklopfer den Hintern versohlt. Meine Mutter dagegen war kaufmännische Angestellte und wohnt in Dübendorf. Mayas mit Worten strenger. Mutter ist Psychoanalytikerin, ihr Vater Psychologe. Nach den Wer ist bei dir strenger: der Vater oder die Mutter? Ferien kommt Maya in Zürich in die zweite Klasse. Maya: Der Papi. Er ist so streng mit dem Essen. Er weiss, dass ich Fisch nicht gern habe und Hirschfleisch, und dann will er, dass ich Wissen Sie noch, wie Ihr Kinderzimmer aussah? es trotzdem esse. Er will eben, dass ich wie ein Räuber esse, also Juca Magos: Das war in Budapest, wo ich geboren bin. Es war ein richtig Fleisch und so. grosses Zimmer in einem grossen Haus in einem Aussenquartier, Hast du mal etwas Verbotenes gemacht? wo meine Eltern, beide waren Ärzte, ein Institut für geistig zurück- Maya: Ich habe so einen kleinen Mörser, mit dem man Sachen gebliebene Kinder leiteten. Meine Mutter hatte das Institut wäh- zerstampfen kann. Einmal habe ich fast alle Sonnenblumenkerne rend des Ersten Weltkriegs gekauft, als mein Vater noch an der zerstampft, obwohl Mama gesagt hatte, ich solle nicht alle auf- Front war. Ich erinnere mich besonders an den grossen, schönen brauchen. Ich wollte eben Mehl machen. Garten des Hauses. Können Sie sich an etwas Verbotenes erinnern, das Sie als Kind Wie sieht dein Kinderzimmer aus? mal gemacht haben? Maya: Ich habe einen Schreibtisch und ein Bett. Die Wände in Juca Magos: Also gestohlen habe ich nie. Aber einmal habe ich meinem Zimmer darf man leider nicht anmalen. Deshalb habe mit einem anderen Kind im Garten hinter dem Institut Feuer ich überall Zeichnungen aufgehängt. gemacht. Wir hatten einen Klub gegründet mit dem absurden Wie heissen deine Lehrerinnen? Ziel, Feuer zu machen oder so. Auf jeden Fall war das streng ver- Maya: Frau Fahrni und Frau Peduzzi. Ich habe sie beide gern. Frau boten. Fahrni macht manchmal so Witze. Mal hat eine Freundin ihr Heft Was störte Sie am meisten an Ihren Eltern? nicht mehr gefunden, da hat Frau Fahrni sie Linda Poppenstengel Juca Magos: Da muss ich überlegen. Also nachträglich habe ich genannt, weil das Mädchen Linda heisst. festgestellt, dass meine Aufklärung viel zu wissenschaftlich war. Erinnern Sie sich an Ihre erste Lehrerin? Meine Mutter hat mir ihre anatomischen Bücher gezeigt, als ich Juca Magos: Ich ging zwölf Jahre lang in die gleiche Schule, die fünf Jahre alt war. Wo der Fötus ist und solche Sachen. Aber wie Reichsdeutsche Schule Budapest. Meine erste Lehrerin war Frau das zustande kommt, darüber hat sie geschwiegen. Das hat mich Spalek. Das war eine Altjungfer und ziemlich streng. Ich hatte aber schon gestört. Später hat sie mich gebadet, da war ich vielleicht keine Angst vor ihr. acht Jahre alt, da hat sie mir den Koitus erklärt. Da sagte ich zu Wer war Ihre beste Freundin? ihr: «Machen du und Vater auch diese Sauerei?» Juca Magos: In den ersten Schuljahren hatte ich keine beste Was stört dich am meisten an deinen Eltern? Freundin. Dann lernte ich Elisabeth Sodemann kennen. Wir Maya: Meine Mutter stresst mich manchmal. Sie sagt: Jetzt musst waren beste Freundinnen, bis zur Matura. Schliesslich verloren du das und das tun. Und kaum bin ich dran, muss ich schon das wir uns aus den Augen. Aber fünfzig Jahre später habe ich sie in Nächste tun. Ich kann aber nicht aufräumen und gleichzeitig den Genua wiedergetroffen. Wie das zustande kam, das ist eine kom- Thek packen. plizierte Geschichte. Hast du ein Haustier? Wer ist deine beste Freundin, Maya? Maya: Nein. Maya: Ich habe eigentlich keine beste Freundin, ich habe alle sehr Hatten Sie ein Haustier? gern. Juca Magos: Nein. Eine Weile lang hatte ich Kaninchen, aber die Wie sieht es aus, wenn du und deine Eltern gemeinsam essen? wurden dann alle krank. Maya: Es gibt einen Tisch in der Mitte der Küche, und ich sitze Was war Ihre Lieblingsfarbe? immer so, dass ich aus dem Fenster schauen kann. Juca Magos: Blau, eindeutig Blau. Mein Leben lang. Wie sah das damals aus, wenn die Familie am Tisch sass? Was ist deine Lieblingsfarbe? Juca Magos: Es gab einen riesengrossen Esstisch im Institut. Dort Maya: Türkis. haben alle zusammen gegessen, Patienten, Ärzte, Pflegepersonal, Was ist deine früheste Erinnerung? meine Familie. Wenn ein Patient einen epileptischen Anfall hatte Maya: Als ich dreieinhalb war, habe ich mir in den Ferien mal ein oder sonst irgendwie unnahbar war, dann war er natürlich nicht Bein gebrochen. Daran erinnere ich mich noch genau. dabei. Meine Mutter war auch nicht dabei. Sie war Psychoanalyti- Was ist Ihre früheste Kindheitserinnerung? kerin, und ihre Praxis befand sich im Stadtzentrum von Budapest. Juca Magos: Als ich etwa vier war, erinnere ich mich, hat ein vier Es lohnte sich für sie nicht, über Mittag nach Hause zu kommen. Jahre älterer Junge, der bei uns wohnte, weil er aus einer Familie D A S M A G A Z I N 2 9/2 0 1 3 21
mit Problemen stammte, mir erklärt, wie man auf ein fahrendes Was war das traurigste Erlebnis Ihrer Kindheit? Hatten Sie manchmal das Gefühl, dass andere Kinder ein besseres mich zur Schneiderin, wir wählten die Stoffe aus, ich habe viele Tram aufspringen kann. Er zeigte es mir am Geländer der äusse- Juca Magos: Das war der Tod eines Klassenkameraden. Er war oder ein schlechteres Leben haben als Sie? Kleider selbst entworfen, weil ich gut zeichnen konnte. ren Freitreppe, die an unserem Haus zum Dachboden führte. Man eine ganz besondere Figur, ein Fürst Galitzin. Das war ein rus- Juca Magos: Ich hatte das Gefühl, dass ich das beste Leben aller Was ist deinen Eltern besonders wichtig? müsse sich mit einer Hand an der Haltestange neben der Tür fest- sisches Adelsgeschlecht litauischer Abstammung. Er war ein sehr Kinder gehabt habe. Wir hatten grosse Freiheiten, den Garten. Maya: Dass es mir gut geht. Und dass ich die Leute grüsse. halten und dann so schnell wie möglich mit dem Tram mitlaufen, grosser, schöner Junge mit blonden Haaren und roten Wangen. Ich hatte die schönste Kindheit. Zum Geburtstag durfte ich ein- Wer ist bei euch lustiger: der Vater oder die Mutter? bis man aufspringen kann. Er war viel grösser als alle anderen. Eine Lungenentzündung hat mal die ganze Klasse einladen, das waren 25 Kinder. Maya: Beide sind gleich lustig. Wovor fürchteten Sie sich als Kind am meisten? ihn dahingerafft. Die ganze Klasse war an seiner Beerdigung. Bekamen Sie Taschengeld? Wer war bei Ihnen lustiger? Juca Magos: Wie alle Kinder hatte ich im Dunkeln Angst. Aber Seine Mutter wollte ins Grab springen. Ich werde das nie verges- Juca Magos: Ich habe mein Geld meist selber verdient. An den Juca Magos: Mein Vater. Er konnte wunderbare Witze erzählen, der junge Mann, den ich schon erwähnt habe, hat etwas getan, sen, ich hatte Albträume danach. Sonntagen habe ich Blumen im Garten gepflückt und Sträusse auch schmutzige. wovor ich schrecklich Angst hatte. Und zwar hat er einem Pup- Was war dein traurigstes Erlebnis? gemacht. Die hab ich den Touristen verkauft, die abends vom Welches Schimpfwort benutzten Sie als Kind häufig? penkopf die Augen ausgerissen und an deren Stelle ein kleines Maya: Als mein Onkel gestorben ist. Er hat zu viel geraucht. Das Berg heruntergekommen sind und vergessen hatten, Blumen zu Juca Magos: Scheisse. Licht montiert. Diesen Kopf mit den leuchtenden Augen hat er war traurig. pflücken. Sonntagsbesuchern habe ich eiskaltes Wasser serviert. Welches Schimpfwort benutzt du häufig? mir dann im Dunkeln vor das Gesicht gehalten, das hat mich zu Wo verbringst du deine Ferien? Bekommst du Taschengeld? Maya: Ich habe keines. Tode erschreckt. Später habe ich mich dann in ihn verliebt. Maya: Wir gehen dieses Jahr nach Italien mit dem Wohnwagen, Maya: Ich kriege zwei Franken in der Woche. Was möchtest du später arbeiten? Wovor fürchtest du dich am meisten? dann nach Ungarn. Und dann noch nach Dresden. Was kannst du besonders gut, worauf du stolz bist? Maya: Ich möchte Artistin in einem Zirkus sein oder in einem Maya: Wenn ich auf einem Schiff bin und ein starker Wind bläst Wo verbrachten Sie Ihre Ferien? Maya: Einmal war eine Freundin von mir böse zu mir, sie hat mich Museum arbeiten, dort schauen, dass alles schön aussieht. und dann das Schiff wackelt, dann habe ich Angst. Juca Magos: Ferien? Das gab es nicht. Entschuldigung, wir wohn- gehauen. Dann habe ich mit ihr geredet und es geschafft, dass sie Was war Ihr Berufswunsch? Was ist dein Lieblingsspiel nach der Schule? ten ja fast auf dem Land, da war man immer an der frischen Luft. mich nicht mehr haut. Darauf bin ich stolz. Juca Magos: Als kleines Kind wollte ich Schaffnerin werden. Das Maya: Verschiedene Spiele. Aber am liebsten übe ich nach der Ich durfte, als ich älter war, einige Male zu meiner Tante in ein Was konnten Sie als Kind besonders gut, worauf Sie stolz waren? hat mir Eindruck gemacht, dass der Schaffner Herr über das Tram Schule Klavier. Besonders Improvisieren macht mir Spass. Haus an der Donau. Aber Familienferien gab es nie. Juca Magos: War ich überhaupt stolz? Ich war auf meinen Bruder ist. Vor der Matur habe ich dann in einem Aufsatz geschrieben, Was war Ihr Lieblingsspiel nach der Schule? Was mochten Sie lieber: Lesen oder Rechnen? stolz, der war so klug, so gescheit, der hat alles gewusst. Wie Sie dass ich Ärztin werden will, damit ich bessere Chancen auf einen Juca Magos: Weil es dort auf dem Hügel so viele Kinder hatte, Juca Magos: Das habe ich mir gar nie überlegt. Aber ich glaube vielleicht wissen, wurde Miklós nach dem Ungarnaufstand hin- Studienplatz an einer guten Universität bekomme. Ich habe dann spielten wir meistens Gemeinschaftsspiele hinter dem grossen fast: Rechnen, obwohl ich schon mit vier lesen konnte. gerichtet. (Miklós Gimes, 1917–1958, war der Vater des «Magazin»- Agronomie studiert. ! Haus. Zum Beispiel Blindekuh. Oder ein Spiel, das hiess Natio- Was magst du lieber? Reporters Miklós Gimes, Anm. d. Red.) nalitäten, das war ein Ballspiel, aber es hat keinen Sinn, wenn ich Maya: Ich glaube, ich bin besser im Lesen und Schreiben als im Wissen Sie noch, was Ihren Eltern besonders wichtig war? das jetzt erkläre. Und dann sind wir oft auf die Bäume geklettert. Rechnen. Juca Magos: Ich durfte immer lesen, was ich wollte. Ich durfte Interviews: M ATH I AS NI NCK, A NNA M I L L E R , Es gab zum Beispiel einen Nussbaum, da bin ich mit einem Buch Haben die anderen Kinder ein besseres oder ein schlechteres Leben jedes Buch aus der Bibliothek meiner Eltern lesen, egal, ob es für BI RG I T S CH M I D , FI NN CA NONI CA redaktion@dasmagazin.ch raufgeklettert, habe ein Schmalzbrot mitgenommen mit Salz und als du? mein Alter passend war oder nicht. Meiner Mutter war später Der Fotograf TO M H A L L E R lebt in Zürich. Paprika und es mir dort oben gemütlich gemacht. Maya: Nein. Ich weiss das gar nicht. Kleidung wichtig, ich musste mich anständig kleiden. Sie nahm www.tomhaller.ch Gesucht – gebucht Gute Handwerker zu guten Preisen auf renovero.ch LAURA MVULA Moderne Liegetechnologie und bewährter ZAZ • SÖHNE MANNHEIMS • BUSH ELVIS COSTELLO • SKUNK ANANSIE PETER DOHERTY • MORCHEEBA Schlafkomfort: Superba Sensipur Air. 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