Übungen im Familienrecht: Fallsammlung Übung Nr. 1: Prof. Dr. iur. Andrea Büchler Kindesunterhalt

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Übungen im Familienrecht                                                      FS 2020

Übungen im Familienrecht: Fallsammlung
Übung Nr. 1:
Prof. Dr. iur. Andrea Büchler

Kindesunterhalt
Fall 1
Nina (36) und Bruno (35) heirateten im Jahr 2010. Nina arbeitete zunächst in einem
Pensum von 60 % in ihrem erlernten Beruf als Bankkauffrau und erzielte ein monatli-
ches Nettoeinkommen von rund Fr. 4'200.–. Bruno arbeitete stets vollzeitig im Aus-
sendienst für eine Versicherungsunternehmung. Neben einem monatlichen Fixlohn
von Fr. 5'500.– erzielte er einen Provisionslohn auf den von ihm vermittelten Ge-
schäftsabschlüssen. Im Mehrjahresdurchschnitt beliefen sich die Provisionszahlun-
gen auf rund Fr. 4'000.– pro Monat. Im Juli 2010 wird den Eheleuten die Tochter Sa-
rah geboren. Nina hatte ihre frühere Stelle bereits vor der Geburt gekündigt und
kümmerte sich zunächst um die Kinderbetreuung. Im Sommer 2015 möchte sie wie-
der einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Bei ihrem früheren Arbeitgeber könnte sie
auch wieder anfangen zu arbeiten, er offeriert ihr eine Tätigkeit zu einem 80 %-
Pensum. Nina ist das zu viel, weshalb sie das Angebot dankend ablehnt. In den
nächsten beiden Jahren arbeitet Nina jeweils während einigen Monaten an jeweils
zwei Tagen pro Woche als Aushilfe in einer Kleiderboutique. Einzelne Bemühungen,
wieder als Bankkauffrau in einem Teilzeitpensum von 60 % arbeiten zu können, blei-
ben erfolglos. Im Sommer 2018 trennen sich Nina und Bruno.

Heute wollen sich Nina und Bruno scheiden lassen. Über den Scheidungspunkt und
einige Nebenfolgen sind sich die beiden einig. Insbesondere sind sich Nina und
Bruno über das gemeinsame Sorgerecht und darüber einig, dass die Tochter bei der
Mutter wohnen und jedes zweite Wochenende beim Vater verbringen soll. Nicht ge-
einigt haben sich die Eheleute betreffend die Unterhaltsfolgen der Scheidung. Auf-
grund der eingereichten Unterlagen errechnet das Gericht Kinderkosten von ca.
Fr. 2'000.– pro Monat. Das monatliche Existenzminimum von Nina beläuft sich auf
Fr. 3'200.– und dasjenige von Bruno auf Fr. 3'500.–. Schliesslich beziehen die Eltern
Kinderzulagen von insgesamt Fr. 200.–.

    1. Welche Kinderunterhaltsbeiträge sind geschuldet?

    2. Variante: Nina hat vom akuten Lehrermangel gehört und deshalb beschlos-
       sen, sich als Quereinsteigerin zur Primarlehrerin ausbilden zu lassen. Sie wird
       im Herbst 2020 mit der dreijährigen Ausbildung beginnen, wobei sie an zwei
       Tagen in der Woche den Unterricht besuchen und zusätzlich zu 50 % als Pri-
       marlehrerin arbeiten wird. Ändert sich etwas an den geschuldeten Kinderun-
       terhaltsbeiträgen?
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Fall 2
Fiona (37) und Marco (40) sind seit 11 Jahren verheiratet und haben eine 6-jährige
Tochter Anina. Sie leben seit zwei Jahren getrennt. Fiona ist nicht erwerbstätig und
widmet sich zu 100 % der Kinderbetreuung. Bei einem Pensum von 100 % würde sie
als Sachbearbeiterin Fr. 5‘000.– erwerben. Marco verdient Fr. 8‘000.– und hat ein
Existenzminimum von Fr. 3‘000.–. Fiona hat einen Grundbedarf von Fr. 1‘300.–, be-
zahlt Fr. 2‘100.– Miete und leistet Krankenkassenprämien von monatlich Fr. 300.–.
Anina hat einen Grundbedarf von Fr. 400.–, ihr Wohnkostenanteil beträgt Fr. 700.–
und ihre Krankenkassenprämien betragen Fr. 100.–. Marco hat Anspruch auf Kinder-
zulagen im Umfang von Fr. 200.–. Während der Ehe haben Fiona und Marco jeweils
das gesamte Einkommen für den Familienunterhalt verwendet.

    1. Berechnen Sie sowohl den Bar- als auch den Betreuungsunterhalt. Beachten
       Sie dabei die bundesgerichtliche Rechtsprechung.

    2. Ändert sich bezüglich des Bar- und Betreuungsunterhalts etwas, wenn Fiona
       eine Arbeitsstelle im Umfang von 50 % antritt und dabei Fr. 3'000.– verdient?
       Die Kosten für die Fremdbetreuung betragen monatlich Fr. 800.–.

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Die elterliche Sorge und Obhut

Fall 1
Philipp und Francesca waren von 2006 bis 2019 miteinander verheiratet. Sie sind die
Eltern der heute zwölfjährigen Martina. Im Zuge des Scheidungsverfahrens einigten
sich Philipp und Francesca darauf, beim zuständigen Gericht die gemeinsame elterli-
che Sorge für Martina zu beantragen. Diese wurde den Eltern mit Urteil vom 6. Feb-
ruar 2020 zugesprochen. Während der Ehe lebten Philipp und Francesca in einer
Wohnung in Zürich Altstetten. Bereits Ende 2017 zog Philipp aus der Familienwoh-
nung aus. Um in der Nähe von Martina zu bleiben, entschied er sich, eine Wohnung
im selben Quartier zu mieten. Seit dem Auszug von Philipp wohnt Martina jeweils von
Mittwoch bis Sonntagabend bei Francesca. Den Rest der Woche verbringt sie bei
Philipp. Martina hat in beiden Wohnungen ein eigenes, voll eingerichtetes Kinder-
zimmer. Damit sie nicht jede Woche ihre Kleider packen muss, verfügt sie insbeson-
dere an beiden Wohnorten über ausreichend Kleidung.

Francesca arbeitet als Journalistin für eine Zeitung und hat ein Arbeitspensum von
50 %. Vor kurzem wurde aufgrund ihrer jüngsten Publikationen eine Zeitung aus Bo-
logna (Italien) auf sie aufmerksam und unterbreitete ihr sogleich ein gut bezahltes
Arbeitsangebot im Umfang von 50–70 %. Francesca ist an diesem Angebot sehr inte-
ressiert. Obwohl Francesca nur zur Hälfte Italienerin ist und nur bis zum 10. Lebens-
jahr in Italien gelebt hat, reizt es sie derzeit sehr, in ihr Heimatland zurückzukehren.
Dies nicht zuletzt deshalb, weil auch ihre Eltern nach Bologna zurückgezogen sind
und auch ihr Bruder dort lebt. Martinas pensionierte Grosseltern freuen sich bereits
darauf, möglichst viel Zeit mit Martina zu verbringen.

Martina spricht selbst kaum Italienisch, verbringt allerdings zusammen mit Francesca
jeweils zwei Wochen ihrer Schulferien in Bologna. Als Francesca Martina mit der
Idee eines Umzuges erstmals konfrontierte, reagierte Letztere eher zurückhaltend
und etwas verängstigt. Francesca vermochte Martina aber inzwischen zumindest ein
Stück weit zu beruhigen. Insbesondere leuchtet Martina ein, dass sie wegen dem
Übertritt in die Sekundarschule ohnehin bald die Klasse wechseln muss.

Philipp ist von einem allfälligen Wegzug seiner Tochter gar nicht begeistert. Er arbei-
te nur 60 %, um möglichst viel Zeit mit seiner Tochter verbringen zu können. Vor al-
lem wolle er auch Teil von Martinas Alltag sein und diese nicht nur in den Ferien se-
hen. Sodann ist er auch um die Ausbildung von Martina besorgt. So verfüge die
Schweiz über ein besseres öffentliches Schulsystem als Italien. Eine italienische Pri-
vatschule könne man sich nicht leisten. Schliesslich seien seine Eltern bereit, sich
um Martina zu kümmern, wenn er aus beruflichen Gründen verhindert sei.

    1. Wie ist die Rechtslage?

    2. Würde sich an Ihrer Antwort etwas ändern, wenn Francesca ein Arbeitsange-
       bot aus Chur (Graubünden) erhalten hätte und mit Martina dorthin zie-
       hen wollte?

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Fall 2
Martin (37) und Fabienne (36) sind die verheirateten Eltern des heute 11-jährigen
Nino, der die 5. Klasse der Primarschule besucht. Im Sommer 2018 trennen sich die
Eltern, wohnen jedoch weiterhin in Gehdistanz voneinander in Zürich. Fabienne ar-
beitet an vier Tagen in der Woche, Martin ist seit geraumer Zeit auf Stellensuche.
Seit der Trennung wohnt Nino jede Woche von Mittwochabend bis Samstagmittag
bei seinem Vater und in der übrigen Zeit bei der Mutter.

Bei seinem Vater geniesst Nino einiges mehr an Freiheiten als bei der mehr auf Ein-
haltung von Regeln und Ordnung bedachten Mutter. Auf dem grossen Flachbild-
schirm von Martin spielt Nino teilweise die halbe Nacht lang sein Lieblingsspiel
«Fortnite: Battle Royale». Wenn Nino über die vereinbarten Zeiten hinaus beim Vater
bleibt, schreibt ihm Fabienne in ihrem Ärger schon einmal SMS-Nachrichten der Art,
er sei nun lange genug beim Vater gewesen und solle gefälligst nach Hause kom-
men. Darauf angesprochen meint Martin zu Nino, dass die Mutter eigentlich gar nicht
wolle, dass er nach Hause komme. Sie würde sowieso lieber arbeiten, als nach ihm
zu schauen. Ein klärendes Gespräch der Eltern endet in einem bösen Streit. Die Auf-
forderung, Nino zur Einhaltung der vereinbarten Betreuungsregelung zu motivieren,
quittiert Martin mit den Worten, der «Kleine» solle das entscheiden, er werde ihm
dabei nicht dreinreden. Martin und Fabienne geraten in der Folge ausser sich, be-
schimpfen und beleidigen sich gegenseitig, was Nino bis in sein Zimmer hört.

Im Scheidungsverfahren wird Nino zu einer Anhörung eingeladen. Nino beteiligte
sich nicht aktiv am Gespräch, scheint aber dennoch präsent zu sein. Ab und zu zei-
gen sich humorvolle Gesichtsbewegungen oder hochemotionale Reaktionen, die sich
etwa im Ausdruck «Er liebe Mami und Papi» äussern. Gemäss einer von der Schei-
dungsrichterin bei der Lehrperson von Nino eingeholten Auskunft verhält sich der
Sohn in der Schule auffällig und sei «ausserordentlich schwierig». Mit beiden Eltern
stehe sie im regelmässigen Austausch und diese seien sehr bemüht um die schuli-
schen Belange ihres Kindes. In einem ihr zugestellten Polizeirapport muss die Schei-
dungsrichterin wenig später lesen, dass Nino von der Polizei am Bahnhof in Baden
aufgegriffen wurde, nachdem er weder in der Schule noch zu Hause aufgetaucht ist.

         Wie könnte die elterliche Obhut für den Sohn Nino geregelt werden?

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Übung Nr. 2:
Dr. iur. Barbara Haidmayer

Begründung und Wirkungen der Ehe

Fall 1

Die fünfundzwanzigjährige Nina und ihr achtundzwanzigjähriger Freund Martin leben
bereits seit mehreren Jahren glücklich zusammen. Sie führen erfolgreich einen Bau-
ernhof. Als Nina schwanger wird, beschliessen sie, sich einen lange gehegten
Wunsch zu erfüllen und zu heiraten. Am 15. November 2018 schliessen sie in Abwe-
senheit ihrer Familien die Ehe. Als Ninas Familie davon erfährt, ist sie entsetzt. Sie
macht sich grosse Sorgen, da Nina geistig stark beeinträchtigt ist (was für Aussen-
stehende nicht auf den ersten Blick erkennbar ist). Ärztliche Untersuchungen im Ja-
nuar 2019 ergeben, dass Nina die intellektuellen Fähigkeiten einer Sechsjährigen
habe.
Hat Ninas Mutter eine Möglichkeit, gegen die Eheschliessung vorzugehen?

Variante: Wie oben, nur ist Nina nicht generell geistig beeinträchtigt. Sie war aber im
Zeitpunkt der Eheschliessung volltrunken, was sie gut zu verbergen vermochte.
Wie hat Ninas Mutter vorzugehen?

Fall 2

Laura und Simon sind verheiratet. Nach einigen Ehejahren lässt Simon eine Ge-
schlechtsumwandlung durchführen und sich entsprechend im Personenstandsregis-
ter eintragen. Die beiden leben weiterhin glücklich zusammen. Eines Tages schickt
Franz seiner Mieterin Laura ein Kündigungsschreiben bezüglich ihrer Wohnung, die
sie gemeinsam mit Simon(e) bewohnt. Laura möchte keinesfalls ausziehen und lässt
ihre rechtlichen Möglichkeiten prüfen. Wie ist die Rechtslage?

Fall 3

Sara war seit fünf Jahren mit ihrem zwanzig Jahre älteren Freund James, einem
Amerikaner, zusammen. Als James arbeitslos wurde und seine Aufenthaltsbewilli-
gung nicht verlängern lassen konnte, heirateten die beiden. Zwei Jahre später leben
sie zwar noch in ihrer gemeinsamen Wohnung, jedoch mehr „nebeneinander her“ als
zusammen. Sara beginnt sodann eine aussereheliche Liebesbeziehung mit Alexand-
er und wohnt hauptsächlich in dessen Wohnung. Als die zuständige Behörde von
diesen Umständen erfährt, möchte sie gegen die Ehe vorgehen.
Wie ist die Rechtslage?

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Fall 4

Herr Huber, Bürger von Bern, und Frau Müller, Bürgerin von Zürich, möchten heira-
ten. Frau Müller hiess vor ihrer ersten Ehe Schmied. Nach der Scheidung von ihrem
ersten Mann behielt sie dessen Namen. Nun diskutieren die Brautleute die Namens-
frage.

a) Die beiden entscheiden sich gegen einen gemeinsamen Namen. Sie möchten,
dass ihre künftigen Kinder heissen wie die Mutter. Wie werden die Personen heis-
sen? Was ist in diesem Fall zu tun? Welche Bürgerrechte haben die Ehegatten und
künftige Kinder?

Zwei Jahre nach der Hochzeit bekommen die beiden ein Kind. Inzwischen bereuen
sie die Namenswahl für ihr Kind und möchten seinen Namen kurz vor seinem ersten
Geburtstag ändern. Werden sie dabei erfolgreich sein?

b) Die beiden möchten denselben Namen tragen. Wie können sie dies erreichen?
Welche Namen können sie wählen? Wie würden aus dieser Ehe stammende Kinder
heissen?

c) Frau Müller möchte heissen wie ihr Mann und ihr Kind, aber ihren Namen nicht
aufgeben. Auch Herr Huber möchte seinen Namen behalten. Gibt es eine Möglich-
keit, beide zufrieden zu stellen?

Fall 5

Manuela und ihr Mann Felix wohnen in Zürich. Manuela ist berufstätig, Felix führt den
Haushalt. Da Manuela im Moment für einige Zeit beruflich in London weilt, übernimmt
Felix gewisse Erledigungen. Die beiden sind sich einig, einen bestimmten, preiswer-
ten Esstisch für ihr Wochenendhäuschen besorgen zu wollen. Der stets nobel geklei-
dete Felix sucht zu diesem Zweck Möbelhändler Thomas auf, der das Ehepaar schon
lange kennt. Felix kann den Esstisch nicht finden, bestellt dafür aber einen antiken
Schrank um 20.000 CHF. Auf dem Heimweg kommt er zufällig an Christophs Her-
renmodengeschäft vorbei und bestellt dort einen hochwertigen Wintermantel.
Als der Schrank zwei Wochen später geliefert wird, ist nur Manuela zu Hause.
Thomas verlangt von ihr die Zahlung des Kaufpreises. Manuela aber ist schockiert
über Felix’ Bestellung und weigert sich, den Schrank entgegenzunehmen und die
Rechnung zu bezahlen, zumal Felix nach dem Auffliegen seiner Affäre mit Anna zu
dieser gezogen ist. Als Thomas sich an Felix wendet, möchte auch dieser „mit der
Sache nichts mehr zu tun haben“. Auch Christoph erhält von Manuela und Felix die-
selbe Antwort, als er von ihnen die Bezahlung der Rechnung begehrt.
Wie ist die Rechtslage?

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Fall 6

Rosa und ihr Ehemann Oliver wohnen seit zehn Jahren in Rosas Haus in Bremgar-
ten. Ein paar Wochen im Jahr verbringt das Ehepaar in Olivers kleinem Appartement
in Schaffhausen. Da Rosa um ihr Hab und Gut besorgt war, vereinbarten die beiden
am Beginn ihrer Ehe schriftlich, dass Rosa mit allen in ihrem Eigentum stehenden
Dingen tun und lassen dürfe, was sie wolle.
Als die beiden eines Tages heftig streiten, verlässt Oliver wutentbrannt das Haus und
sucht bei seiner Schwester Unterschlupf. Rosa, die inzwischen genug vom Landle-
ben hat, beschliesst kurzerhand, das Haus an ihren Freund Jonas zu verkaufen. Sie
versichert Jonas glaubhaft, dass auch ihr Mann mit dieser Entscheidung einverstan-
den ist und zeigt ihm die Vereinbarung. Als Oliver von Rosas „Aktion“ erfährt, ist er
entsetzt, hat er doch gerade sein Appartement in Schaffhausen vermietet.
Welche rechtlichen Möglichkeiten hat Oliver?

Variante: Rosa und Oliver sind nicht verheiratet.

Fall 7

Marie überlegt, ihrem Freund einen Heiratsantrag zu machen. Enthusiastisch erzählt
sie ihrer Freundin Emma von der Idee. Diese reagiert verhalten. Sie zeigt sich be-
sorgt, dass Marie im Fall einer Eheschliessung für ihren Partner finanziell voll auf-
kommen müsste. Dieser pflegt, obwohl er keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, einen
aufwendigen Lebensstil. Sie bittet Sie diesbezüglich um Rechtsauskunft.

Zusatzfrage: Emma möchte sodann wissen, ob die beiden im Fall einer Eheschlies-
sung vereinbaren könnten, ihre Vermögenssphären völlig separat zu halten.

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Übung Nr. 3:
Prof. Dr. iur. Walter Boente

Persönlicher Verkehr und Kindesschutz

1. Carla (7)

Vater und Mutter von Carla (7) sind unverheiratet und hatten Ende 2013 nur kurze
Zeit zusammengelebt.

Carla wohnt von ihrem Vater getrennt mit ihrer Mutter in einer Dreizimmerwohnung in
der Stadt. Der Vater bezahlt regelmässig Unterhalt für Mutter und Kind. Carla be-
sucht die Unterstufe der Primarschule (zweite Klasse). In der Schule fällt auf, dass
Carla in letzter Zeit immer dieselben, ungewaschenen Kleider trägt, dass sie unge-
pflegt ist und kein Znüni mehr dabeihat. Die Mutter wirkt ebenfalls ungepflegt, wenn
sie Carla abholt. Sie verweigert Gespräche und macht teilweise einen verwirrten Ein-
druck. Seit einigen Wochen ist Carla auch nicht mehr auf dem Spielplatz anzutreffen.

Auf Nachfrage beim Vater erklärt dieser, die Mutter von Carla lasse ihn nicht mehr in
die Wohnung, wenn er zu seinen Besuchen das Kind abhole oder nach Hause brin-
ge. Die Fensterläden seien immer geschlossen und Carlas Mutter wirke auf ihn ver-
stört. Auch vermutet der Vater, dass sich die Mutter einer Sekte zugewandt habe.
Wie weiter?

2. Reto (12) und Sabrina (4) – Ausgangsfall

2006 ziehen die Eltern in eine gemeinsame Wohnung. Im Jahr 2008 wird Reto gebo-
ren. Es kommt zu ersten Problemen in der elterlichen Beziehung. Sabrina wird 2016
geboren. Der Vater hat Reto und Sabrina anerkannt. Gegenüber dem Zivilstandsamt
haben beide Eltern erklärt, dass sie bereit sind, gemeinsam die Verantwortung für die
Kinder zu übernehmen und sich über die Obhut und den persönlichen Verkehr sowie
über den Unterhaltsbeitrag für die Kinder verständigt haben.

Seit 2017 verschärfen sich die Beziehungsprobleme zwischen den Eltern. Der Vater
zieht von zuhause aus. Im März 2017 regelt die Kindesschutzbehörde Obhut und
persönlichen Verkehr neu, mit mütterlicher Obhut und väterlichem Besuchsrecht.
2018 „trötzlet“ Reto und will den Vater nur noch widerwillig besuchen, wird aber von
der Mutter zu den Besuchen angehalten. 2019, nach den Frühlingsferien beim Vater,
weigert sich Reto allerdings, zur Mutter zurückzukehren. Die Kindesschutzbehörde
passt die Regelung den Verhältnissen an, teilt die Obhut über Reto dem Vater zu
und organisiert das Besuchsrecht so, dass jedes zweite Wochenende Reto bei der
Mutter bzw. Sabrina beim Vater ist, womit die Geschwister jedes Wochenende ent-
weder bei Vater oder Mutter zusammen sind. Reto weigert sich indes seit einigen
Monaten, seine Mutter zu besuchen, während Sabrina jedes zweite Wochenende
beim Vater verbringt und dann auch mit Reto zusammen ist. Die Mutter versucht
zwar kontinuierlich, mit Reto Kontakt zu haben und ihn zu Besuchen zu animieren –
indes erfolglos. Sie wendet sich Anfang 2020 an die Kindesschutzbehörde. Was un-
ternimmt die Kindesschutzbehörde?

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3. Reto (12) und Sabrina (4) – Variante

Peter und Karin sind verheiratet. Die Regelungen wurden im Rahmen eines Ehe-
schutzverfahrens getroffen. Karin möchte, dass Peter das Besuchsrecht im Hinblick
auf Sabrina entzogen wird. Er habe Sabrina in ihrer Intimsphäre verletzt, wasche sie
im Intimbereich und habe auch nackt mit ihr gebadet. Wie weiter?

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Übung Nr. 4:
RA Dr. iur. Linus Cantieni

Eheschutz

Ausgangsfall:

Claudia und Bruno sind seit 20 Jahren verheiratet. Sie haben zwei gemeinsame Kin-
der. Adrian ist 19 Jahre alt und hat vor kurzem seine Lehre als Schreiner abge-
schlossen. Sophie ist 12 Jahre alt und hat soeben die Aufnahmeprüfung für das
Gymnasium bestanden. Die Familie lebt in der Wohnung, welche Claudia im Jahr
2005 aus dem Nachlass ihrer Eltern zu Eigentum erhalten hat.

Claudia arbeitet als Versicherungskauffrau mit einem Pensum von 80 % und verdient
rund CHF 8'000 im Monat. Bruno arbeitet als Treuhänder und verdient monatlich
rund CHF 10'000. Bruno ist zu 100% angestellt. Zweimal wöchentlich arbeitet er von
zu Hause aus; jeweils montags und dienstags. Bruno übernimmt an diesen Tagen
die Betreuung von Sophie ausserhalb der Schulzeit und bereitet jeweils das Mittag-
essen vor. An diesen Tagen erledigt er auch einen Teil der Hausarbeiten. Claudia
sorgt sich jeweils freitags darum. An den restlichen Wochentagen verbringt Sophie
viel Zeit bei den Eltern von Bruno, welche in der Nähe wohnen. Adrian ist sehr selb-
ständig und plant, bald mit seiner Freundin zusammenzuziehen.

Seit einiger Zeit hat sich das Verhältnis zwischen Claudia und ihren Schwiegereltern
verschlechtert. Claudia ist der Meinung, dass Sophie bei ihnen zu viel Zeit am Handy
verbringt, statt Hausaufgaben zu machen. Nachdem sich die Noten von Sophie im
letzten Halbjahr deutlich verschlechtert haben, beschliesst Claudia, dass Sophie nur
noch am Wochenende zu ihren Grosseltern darf. Bruno ist damit gar nicht einver-
standen. Es kommt vermehrt zu Streitereien unter den Ehegatten. Als Claudia So-
phie den Kontakt zu den Grosseltern ganz verbietet, eskaliert der Streit schliesslich.
Im Streit verlässt Claudia die Familienwohnung und zieht vorübergehend zu einer
guten Freundin. Adrian hat genug von den Streitereien und zieht endgültig aus.

Bruno plant nun, sein Arbeitspensum auf 50% zu reduzieren und sich künftig haupt-
sächlich um Sophie zu sorgen. Dafür möchte er aber auch mit Sophie in der Famili-
enwohnung bleiben. Claudia ist an sich damit einverstanden, dass Bruno die Betreu-
ung von Sophie übernimmt. Nicht damit einverstanden ist sie aber, aus der Wohnung
ausziehen, da sie diese als Eigengut in die Ehe eingebracht hat. Zudem sind sich
Bruno und Claudia völlig uneinig, wie häufig sich Mutter und Tochter sehen sollen.
Auch ist Claudia nicht bereit, Bruno Geld für den Lebensunterhalt zu bezahlen. Eine
einvernehmliche Lösung ist nicht möglich.

Frage 1:        Welche Angelegenheiten müssen im Eheschutzverfahren geregelt wer-
                den?
Frage 2:        Welche Anträge stellen Sie als Anwalt/Anwältin von Bruno beim Ge-
                richt?

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Variante 1:

Das Gericht weist die eheliche Wohnung Bruno zu, regelt das Besuchsrecht und ver-
pflichtet Claudia, für Bruno und Sophie CHF 1'500 Unterhalt zu bezahlen. Claudia
setzt die Trennung von Bruno und die Distanz zu Sophie immer mehr zu. Dies wirkt
sich auf ihre Arbeit aus. Sie reduziert ihr Pensum auf 50% und sucht sich Hilfe bei
einem Psychologen. Sie ist nicht mehr in der Lage, nebst ihren eigenen Kosten noch
die monatlichen Unterhaltsbeiträge zu bezahlen.

Frage 3:        Zu welchem Vorgehen raten Sie Claudia?

Variante 2:

Claudia hat vermehrt Mühe, ihre eigenen Kosten zu decken. Zudem möchte sie wie-
der mehr Zeit mit Sophie verbringen. Ihr Verhalten von damals tut ihr leid. Sie
wünscht sich eine Versöhnung mit Bruno. Bruno hingegen sieht eigentlich keine ge-
meinsame Zukunft mehr mit Claudia. Trotzdem geht er auf die Bitten von Claudia ein
und lässt sie in die Familienwohnung zurückkehren, bis sie sich wieder stabilisiert.

Frage 4:        Claudia und Bruno erkundigen sich bei Ihnen, wie die gerichtlichen Re-
                gelungen nun zu handhaben sind. Welche Auskunft geben Sie den bei-
                den?

Scheidungs- und Trennungsgründe

Ausgangsfall gemäss oben «Der Eheschutz»

Zehn Monate nach Claudia’s Rückkehr in die Familienwohnung realisieren die Ehe-
gatten, dass ihre Beziehung definitiv zu Ende ist. Sie beschliessen vor allem den
Kindern zu liebe, möglichst friedlich auseinanderzugehen. Sie können sich aber nicht
darüber einigen, wer in der Familienwohnung bleibt. Claudia ist nach wie vor der
Meinung, dass Bruno ausziehen müsse, da es ihre Wohnung sei.

Frage 5:        Welcher Scheidungsgrund kommt in diesem Fall zur Anwendung?
Frage 6:        Welche Angelegenheiten müssen geregelt werden?
Frage 7:        Wie gestaltet sich das Verfahren?

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Variante 1:

Bruno erklärt Claudia schon nach wenigen Monaten nach ihrem Einzug, dass er sich
von ihr trennen will, und zwar endgültig. Claudia akzeptiert dies zunächst und zieht
aus. Nach einigen Wochen quält sie jedoch vermehrt der Gedanke, dass Bruno eine
neue Frau kennengelernt haben könnte. Sie fragt deshalb Sophie bei jeder Gelegen-
heit darüber aus, ob ihr Vater andere Frauen mit nach Hause bringe. Nachdem So-
phie ihrer Mutter eines Tages erzählt, dass sie mit ihrem Vater und einer ihr unbe-
kannten, aber netten Frau in einem Fast-Food-Restaurant essen waren und diese
ihren Vater zum Abschied umarmt hat, wird Claudia sehr wütend. Jede Übergabe
von Sophie artet nun in einem Streit zwischen Bruno und Claudia aus. Claudia
schreibt Bruno zudem täglich Textnachrichten, in welchen sie in groben Worten ihren
Unmut über dessen vermeintlich neue Freundin äussert. Bruno hält das nicht mehr
aus und will sich so rasch wie möglich scheiden lassen.

Frage 8:        Kann sich Bruno von Claudia scheiden lassen? Wie schätzen Sie seine
                Chancen ein?
Frage 9:        Wie gestaltet sich das Verfahren?

Variante 2:

Trotz ihrem Auszug aus der Familienwohnung gibt Claudia die Hoffnung auf eine
gemeinsame Zukunft mit Bruno nicht auf. Ein halbes Jahr nach dem Auszug bittet sie
Bruno um eine Aussprache. Bruno erklärt ihr, dass er keine gemeinsame Zukunft
mehr sieht und sich von ihr scheiden lassen will. Für Claudia kommt das jetzt nicht in
Frage.

Frage 10:       Kann sich Bruno von Claudia scheiden lassen?

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Übung Nr. 5:
Prof. Dr. iur. Jonas Schweighauser

Scheidungskonvention und Verfahrensrechte der Kinder

Guido M. geboren am 5.3.1977 und Isabelle M. geb. am 4.7.1982 haben am
15.8.2005 geheiratet.

Sie leben seit dem 1.6.2016 getrennt. Sie haben zwei gemeinsame Kinder: Nina,
geb. am 17.3.2008 und den kleinen Theo, geb. am 15.3.2013. Guido Muster hat eine
Tochter aus erster Ehe, Sandra, die am 20.4.1995 geboren ist und in Zürich Jus stu-
diert.

Die beiden gemeinsamen Kinder leben bei der Mutter, werden aber jeden Freitag-
nachmittag und jeden Mittwochabend auf Donnerstagmorgen vom Vater betreut, der
die Kinder auch an jedem 2. Wochenende und während vier Schulferienwochen pro
Jahr betreut. Die Ehegatten wollen die Kinder weiterhin in dieser Form betreuen. Isa-
belle M. ist es wichtig, dass Guido M. auch künftig Verantwortung bezüglich der Kin-
der übernimmt.

Guido M. arbeitet als selbständiger Versicherungsagent für eine grosse Versicherung
mit einem 90 % Pensum. Er verdient jährlich netto 150’000 inkl. Kinderzulagen (CHF
200 bzw. 250 pro Kind) oder CHF 12'500 p.M. Isabelle M. hat eine Banklehre abge-
schlossen und sich seit der Geburt der Kinder um diese und den Haushalt geküm-
mert. Sie arbeitet seit Beginn dieses Jahres 50 % auf dem Sekretariat der Primar-
schule und verdient netto CHF 27'500 p.a. oder 2'291 p.m.

Guido M verfügt heute über ein Freizügigkeitsguthaben von CHF 540'000, das wäh-
rend der Ehe bis zur Einreichung der Scheidungsvereinbarung angespart worden ist;
bei der Trennung belief sich das Guthaben auf CHF 480’000; Isabelle M. über ein
solches von CHF 32'200, wovon CHF 20'600 vorehelich geäufnet worden ist. Guido
M. bezahlt monatlich insgesamt Beiträge von CHF 1'200 in seine Pensionskasse ein;
Isabelle M. Beiträge von CHF 300.
Zudem verfügt Guido M. über ein gesperrtes Guthaben der Säule 3a mit einem Saldo
von CHF 110'000 wovon CHF 90'000 während der Ehe angespart wurden.

Die Ehegatten verfügen über kein zu teilendes liquides Vermögen.

Guido M. bezahlt derzeit – herrührend aus einer selber ausgefertigten Trennungs-
vereinbarung von 2018 - an den Unterhalt der Ehefrau und der Kinder monatliche
Unterhaltszahlungen von CHF 7’000, wovon je CHF 1'500 inkl. Kinderzulagen für die
Kinder und CHF 4'000 für die Ehefrau bestimmt sind. Die Ehegatten sind sich – vor-
behältlich Ihrer Einwände - eigentlich einig, dass dieser Unterhaltsbeitrag (Höhe)
auch nach der Scheidung weiterbezahlt werden soll. Unklar ist ihnen wie lange dies
geschehen soll und zudem, ob das neue Kindeunterhaltsrecht Verschiebungen be-
züglich den Unterhaltsberechtigten nötig macht.

Daneben bezahlt Guido derzeit an den Unterhalt von Sandra monatliche Unterhalts-
zahlungen von CHF 1'500.

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Der Bedarf (die Kosten) von Isabelle M. und der beiden Kinder beläuft sich derzeit
monatlich auf CHF 7'300. Der Bedarf von Guido M. inkl. Unterhaltszahlungen an
Sandra beläuft sich auf CHF 5'500.

Fragen

1.1 Guido M. und Isabelle M. kommen gemeinsam zu Ihnen, damit Sie mit ihnen ei-
    nen Entwurf einer Scheidungskonvention aufsetzen können. Zudem wollen sie
    Informationen über das eigentliche Scheidungsverfahren.

    Varianten:

1.2 Variante: Die Ehegatten können sich auf keine Scheidungskonvention einigen.
    Hauptstreitpunkt ist dabei die Betreuungsregelung, über welche sich die Eltern
    nicht einigen können.
    Die Gerichtspräsidentin unternimmt nichts. Nina erfährt von der Schulkollegin
    Simone, dass auch Kinder in Scheidungsverfahren ihrer Eltern eigene Rechtsver-
    tretungen erhalten können. Die Freundin gibt ihr die Adresse von Dr. K, der Si-
    mone in der Scheidung ihrer Eltern geholfen hat. Nina wendet sich an Dr. K. und
    bittet diesen um Hilfe. Geht das?

1.3 Variante: Nina schreibt der Gerichtspräsidentin einen Brief in welchem sie dar-
    legt, dass sie den Streit der Eltern nicht nachvollziehen kann. Die Gerichtspräsi-
    dentin überlegt sich, die Tochter ins Verfahren miteinzubeziehen. Was hat sie
    dabei zu beachten?

Hilfsmittel: ZGB und ZPO

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Übung Nr. 6:
Prof. Dr. iur. Margot Michel

Adoption

Fall 1

Diana war gerade ein Jahr alt geworden, als sich ihre Eltern scheiden liessen. Das
Gericht übertrug die elterliche Sorge Dianas Vater, bei dem sie fortan aufwuchs. Dia-
nas Mutter übte das ihr zugesprochene Besuchsrecht nicht aus und pflegte auch an-
derweitig keinen Kontakt zu ihrer Tochter. Sie zog nach der Scheidung in ihr Heimat-
land zurück.

Schon kurz nach der Scheidung hat Dianas Vater erneut geheiratet. Die mittlerweile
12 Jahre alte Diana hatte zu ihrer 20 Jahre älteren Stiefmutter von Anfang an ein in-
niges und freundschaftliches Verhältnis. Dianas Stiefmutter möchte die Beziehung zu
ihr nun auch rechtlich absichern und stellt daher mit Einverständnis von Dianas Vater
ein Gesuch um Bewilligung der Adoption. Auch Diana selbst freut sich sehr darüber;
sie wünscht sich schon lange, von ihrer Stiefmutter adoptiert zu werden und endlich
«auch eine richtige Mutter zu haben».

Allerdings weigert sich Dianas leibliche Mutter, der Adoption zuzustimmen. Im Rah-
men des Adoptionsverfahrens kommt es auch zu einem ersten Kontakt zwischen
Diana und ihrer leiblichen Mutter, der allerdings durch die grossen Sprachschwierig-
keiten – Dianas leibliche Mutter ist der deutschen Sprache nicht mächtig – erheblich
erschwert wird. Ein eigentlicher Austausch ist nicht möglich. Diana zeigt im Übrigen
auch kein Interesse daran, ihre leibliche Mutter näher kennenzulernen, denn diese,
so sagt sie, habe sich bisher ja auch nicht um sie gekümmert.

    a) Diana wohnt mit ihrem Vater und der Stiefmutter in der Stadt Zürich. Wo muss
       das Adoptionsgesuch gestellt werden? Wie läuft das Adoptionsverfahren ab?

    b) Prüfen Sie die materiellen Voraussetzungen der Adoption.

    c) Welchen Stellenwert hat die Meinung von Diana zur Adoption? Muss sie ins
       Adoptionsverfahren einbezogen werden und wenn ja, auf welche Weise?

    d) Wie und in welcher Form muss die leibliche Mutter von Diana ins Adoptions-
       verfahren einbezogen werden? Welche Wirkung hat ihre Weigerung, der
       Adoption zuzustimmen?

    e) Nehmen Sie an, der zuständigen Behörde ist der Aufenthaltsort von Dianas
       Mutter nicht bekannt. Dianas Vater wüsste ihn zwar, gibt sich aber gegenüber
       der Behörde unwissend, da er bereits vermutet, seine Exfrau würde der Adop-
       tion nicht zustimmen. Die zuständige Behörde sieht von der Zustimmung der
       leiblichen Mutter ab und spricht die Adoption aus. Steht Dianas leiblicher Mut-
       ter gegen die Adoption ein Rechtsmittel offen, wenn sie später davon erfährt?
       Wenn ja, welches?
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Fall 2

Sara steht kurz vor ihrem 18. Geburtstag. Sie wohnt seit ihrem 10. Lebensjahr bei
ihren Pflegeeltern Tom und Anna. Tom (40 Jahre alt) und Anna (38 Jahre alt) haben
damals Sara zu sich in Pflege aufgenommen, weil sich die leiblichen Eltern wegen
einer Suchterkrankung nicht mehr um sie kümmern konnten. Sara hat mit ihren Pfle-
geeltern ein sehr gutes Verhältnis: Für sie sind Tom und Anna sowie deren zwei Kin-
der wie Eltern bzw. Geschwister. Daher kam von allen Seiten seit Saras 15. Geburts-
tag der Wunsch auf, sie zu adoptieren, damit sie auch rechtlich zur Familie gehört.
Jegliche Adoptionsbemühungen blieben erfolglos, denn Saras Eltern verweigerten
die Zustimmung zu einer Adoption und würden auch in Zukunft einer solchen niemals
zustimmen.

    a) Kann sich die volljährige Sara überhaupt noch adoptieren lassen? Falls ja, wie
       wirkt sich die fehlende Zustimmung der Eltern auf die Zulässigkeit der Adopti-
       on aus?

    b) Variante: Sara ist 20 Jahre alt und wohnt seit ihrem 17. Geburtstag bei Tom
       (72 Jahre alt) und Anna (70 Jahre alt). Sara möchte sich gerne von Tom und
       Anna adoptieren lassen. Sie befürchtet nun aber, dass das hohe Alter der bei-
       den einer Adoption im Wege stehen könnte. Wie beurteilen Sie das Alter von
       Tom und Anna in Bezug auf eine Adoption von Sara?

Fall 3 (Zusatzfall)

Sara (21 Jahre alt) wohnt seit ihrem 19. Lebensjahr bei der Familie von Tom und An-
na. Sara leidet an Multiple Sklerose (MS) und ist zunehmend auf fremde Hilfe ange-
wiesen. Seit zwei Jahren pflegen und unterstützen Tom und Anna (beide 48 Jahre
alt) die kranke Sara. Für Tom und Anna ist Sara ein vollwertiges Familienmitglied
geworden, daher ist es ihr Herzenswunsch, dies auch durch ihre rechtliche Bezie-
hung zu Sara auszudrücken. Sara möchte gerne von Tom und Anna adoptiert wer-
den.

    a) Können Tom und Anna die kranke Sara adoptieren?

    b) Sara ist seit zwei Wochen im Krankenhaus, da sich ihr Zustand akut ver-
       schlechtert hat. Gemäss den Ärzten wird Sara vermutlich in Zukunft professio-
       nelle Pflege in einer spezialisierten Einrichtung benötigen. Ist eine Adoption
       trotzdem möglich?

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Fall 4 (Zusatzfall)

Sara (jetzt 24 Jahre alt) hat bei einem schweren Autounfall ihre leiblichen Eltern ver-
loren, als sie 19 Jahre alt war. Tom (73 Jahre alt), ein guter Freund von Saras Eltern,
hat sich seit dem Tod ihrer Eltern intensiv um Sara gekümmert. Sara ist auch bei
Tom in ein grosses Haus eingezogen. Sie lebt nun seit fünf Jahren bei ihm. Tom und
Sara haben ein sehr enges Verhältnis, man kann sagen, dass die beiden eine Toch-
ter/Vater Beziehung aufgebaut haben. Zudem wird Sara auch von Toms Verwandt-
schaft als vollwertiges Familienmitglied angesehen.
Tom möchte nun «seine Tochter» adoptieren und Sara möchte gerne auch rechtlich
zu Toms Familie gehören. Sara möchte aber im Gedenken an ihre Eltern unbedingt
ihren Nachnamen behalten.

    a) Kann sich Sara von Tom adoptieren lassen? Falls ja, darf Sara ihren Nach-
       namen behalten?

Eingetragene Partnerschaft

Fall 1

Lena und Iris leben seit mehreren Jahren in einer eingetragenen Partnerschaft. Aus
einer früheren Ehe mit dem amerikanischen Bildhauer Ronny hat Lena zwei Kinder,
den 9-jährigen Jonas und die 7-jährige Leonie. Ronny und Lena haben sich bereits
kurz nach der Geburt von Leonie getrennt und Ronny ist nach der Scheidung zurück
nach Kalifornien gezogen. Iris und Lena leben mit den Kindern einem geräumigen
Haus, das Iris von ihren Eltern geerbt hat. Die beiden Partnerinnen haben vereinbart,
dass sich Lena zuhause um die Kinder, das Haus und den Garten sowie die zwei
Hunde der Familie kümmert und Iris einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit nachgeht. Das
Arrangement klappt eigentlich gut, allerdings gibt es immer wieder Auseinanderset-
zungen wegen der Finanzen, denn die Mittel der Familie sind ziemlich begrenzt. Der
Vater der beiden Kinder verdient offenbar praktisch nichts und leistet keinen Unter-
halt und Iris verdient nicht so viel, dass sie davon komfortabel eine vierköpfige Fami-
lie ernähren kann.

Zu einem Eklat führt schliesslich die Bestellung eines CHF 1'200.00 teuren Mixers
durch Lena. Iris fühlt sich überhaupt nicht ernstgenommen – während sie versuche,
für den Unterhalt der Familie aufzukommen und das Geld aufzubringen, das eigent-
lich der Vater der Kinder zahlen müsste, gebe Lena das Geld mit vollen Händen für
völlig unnötige Dinge aus. Auch Lena fühlt sich unverstanden: schliesslich brauche
sie den Mixer, um für die Familie zu kochen, was auch Iris zugute käme, die schliess-
lich eine gesunde Ernährung ebenfalls schätze. Und überhaupt pflege sie Haus und
Garten und erledige alle anfallenden organisatorischen und haushälterischen Dinge,
was Iris stark entlaste.

                                                                                     17
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    a) Wie beurteilen Sie die Vereinbarung der beiden Partnerinnen vor dem Hinter-
       grund des Leitbildes, welches das Partnerschaftsgesetz durchzieht? Verglei-
       chen Sie das Konzept mit den Regelungen der Ehe.

    b) Muss Iris eigentlich für den finanziellen Unterhalt der beiden Kinder von Lena
       aufkommen?

    c) Wie ist der Kauf des Mixers zu beurteilen? Wer haftet für den Kaufpreis?

Fall 2

Die Streitereien in der Beziehung von Iris und Lena beginnen sich zu häufen.
Schliesslich erwägen die beiden eine zeitweilige Trennung. In dieser Zeit lernt Lena
die lebensfrohe Goldschmiedin Raffaela kennen, in die sie sich sogleich verliebt. Nun
soll es mit der Trennung schnell gehen. Iris allerdings will nichts überstürzen. Sie ist
der Meinung, es würde vorderhand genügen, in verschiedenen Wohnungen zu le-
ben.

    a) Kann Lena die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft auch gegen den
       Willen von Iris erwirken? Wie muss sie vorgehen? Wie läuft das Verfahren ab
       und wer ist zuständig, die eingetragene Partnerschaft aufzulösen?

    b) Welche vermögensrechtlichen Folgen hat die Auflösung der eingetragenen
       Partnerschaft? Hat Lena gegenüber Iris einen Anspruch auf Unterhalt? Muss
       sie mit den Kindern die ehemalige Familienwohnung verlassen?

    c) Welche Rechte und Pflichten hat Iris gegenüber den Kindern Leonie und Jo-
       nas nach der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft?

Fall 3

Iris und Lena konnten ihre Auseinandersetzungen um die finanziellen Bedürfnisse
der Familie beenden, indem sie sich ein Budget aufgestellt haben, an das sich nun
beide – mehr oder weniger – halten. Das hat die Situation sehr entspannt. Allerdings
beschäftigt nun etwas anderes die Familie: Nachdem der Vater von Jonas und Leo-
nie, Ronny, schon seit Jahren keinen Unterhalt mehr gezahlt hat, hat er nun auch
den Kontakt zu den Kindern vollständig eingestellt. Während früher ab und zu, zu-
mindest zu Geburtstagen oder Feiertagen, ein kurzer Kontakt zustande kam, ist dies
nun seit zwei Jahren völlig eingeschlafen. Ronny begründet dies damit, dass ihn die
beiden Frauen aus ihrer neuen Familie sowieso ausschliessen würden und er sich
nun eine neue Familie in Kalifornien aufgebaut hätte. Die Kinder hätten zudem über-
haupt kein Interesse an ihm gezeigt und ihn beispielsweise nie von sich aus angeru-
fen.

                                                                                     18
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    a) Kann Iris die beiden Kinder Leonie und Jonas adoptieren? Wenn ja, was ist
       hierbei zu beachten?

    b) Iris wünscht sich ein Baby. Da sie aufgrund einer früheren Tumorerkrankung
       keine eigenen Kinder mehr bekommen kann und für Lena eine weitere
       Schwangerschaft altershalber nicht mehr in Frage kommt, denken die beiden
       Frauen über eine Adoption nach. Ist dies möglich und wenn ja, unter welchen
       Voraussetzungen? Wie sieht die Situation aus, wenn Iris und Lena nicht in
       eingetragener Partnerschaft leben, sondern Lena auf dem Papier noch immer
       mit Ronny verheiratet ist?

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Übung Nr. 7:
RAin lic. iur. Christine Arndt, Fachanwältin SAV Familienrecht und
Mediatorin

Nachehelicher Unterhalt, Vorsorgeausgleich

Sachverhalt

Ben (42 Jahre) und Lia (42 Jahre) haben sich während des Jura Studiums an der
Universität Zürich kennengelernt. Als Lia schwanger wurde, haben sie kurz vor der
Geburt des ersten Kindes geheiratet. Das war im Jahr 2004.

Ben und Lia haben das Studium erfolgreich abgeschlossen. Nach dem Studium hat
Ben die Anwaltsprüfung absolviert und ist seit vier Jahren Partner in einer renom-
mierten Wirtschaftskanzlei in Zürich. Lia hat nach dem Studium in einem 50% Pen-
sum bei einer Grossbank gearbeitet. Als Ben und Lia vor vier Jahren nochmals Eltern
wurden, hat Lia aufgehört zu arbeiten. Ben und Lia haben eine Liegenschaft in Küs-
nacht ZH gekauft und Lia hat sich seither um die Kinderbetreuung und den Haushalt
gekümmert.

Lia verdiente bei ihrer Anstellung in der Bank CHF 60'000 pro Jahr. Das Einkommen
von Ben betrug bis vor vier Jahren CHF 350'000 pro Jahr; seither beträgt es CHF
800'000 pro Jahr. Die Familie hatte früher nichts gespart und konnte, seit Ben Part-
ner wurde, jährlich rund CHF 200'000 auf die Seite legen.

Vor zwei Jahren hat sich Ben von Lia getrennt; er ist aus der ehelichen Liegenschaft
ausgezogen. Betreffend Kinderbelange verstehen sich Ben und Lia bestens. Die
Kinder sind jedes zweite Wochenende und eine Nacht unter der Woche sowie wäh-
rend vier Wochen Ferien pro Jahr bei Ben. Betreffend Finanzen haben Ben und Lia
jedoch sehr unterschiedliche Vorstellungen. Ben ist der Meinung, Lia könne ihren
gebührenden Unterhalt selber decken. Lia vertritt demgegenüber die Auffassung,
Ben habe – wie seit der Trennung – auch in Zukunft für sie aufzukommen.

Lia hat inzwischen einen neuen Partner, mit welchem sie gerne zusammenziehen
möchte. Sie erachtet es deshalb als angezeigt, jetzt die Scheidung anzugehen.

Wie ist die Rechtslage?

                                                                                  20
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Ben hatte bei Heirat ein Guthaben seiner beruflichen Vorsorge von CHF 15'000. Lia
verfügte über kein voreheliches Guthaben. Vor vier Jahren liess sich Ben für den
Kauf der Liegenschaft in Küsnacht ZH CHF 150'000 aus seiner Pensionskasse aus-
zahlen. Lia hat CHF 30'000 aus ihrer 3. Säule bezogen und in die Liegenschaft in-
vestiert. Die aktuellen Guthaben von Ben und Lia betragen CHF 450'000 bzw. CHF
200'000, wobei Ben vor fünf Jahren noch einen Einkauf von CHF 50'000 tätigte (das
Geld stammte aus einer Schenkung seiner Eltern).

Wie ist die Rechtslage?

Fallvariation

Die Familie hat einen hohen Lebensstandard genossen und konnte in den beiden
letzten Jahren vor der Trennung jeweils CHF 100‘000 pro Jahr sparen.

Wie ist die Rechtslage?

Fallerweiterung

Fünf Jahre nach dem Scheidungsurteil wird Ben’s Gesellschaftervertrag aufgrund
einer grossen Umstrukturierung in der Wirtschaftskanzlei gekündigt. Er macht sich
als Anwalt selbständig. Sein Einkommen beträgt noch CHF 250'000 pro Jahr.

Wie ist die Rechtslage?

                                                                               21
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