Das philosophische Café - Philosophisch - Theologische Dialoge - lauf-evangelisch.de

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Das philosophische Café
Philosophisch – Theologische Dialoge
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Das philosophische Café
• Was kann ich? (              s. Arbeitspaper)

• Bei Descartes steht das „Ich“ der raum-zeitlichen „Außenwelt“ in einem rein
  theoretischen Verhältnis gegenüber. Die „res cogitans“ ist ein Sein eigener Art,
  das nicht nur Bewusstsein von sich selbst, sondern auch Vorstellungen von der
  „Außenwelt“, „res extensa“ hat. Nur der gütige Gott garantiert, dass die Vorstel-
  lungen des „Ich“ die „Außenwelt“ zutreffend repräsentieren. Auch der dem „Ich
  assoziierte „Leib“ gehört zur „Außenwelt“.

• In den sog. „egologischen“ Philosophien von Descartes bis Husserl existiert die
  Außenwelt nur insoweit, wie ein Bewusstsein sie wahrnimmt oder als seine Vor-
  stellungen in Gedanken hat . Die Außenwelt ist – was ihre Gewissheit anbetrifft –
  stets zweitrangig, ein Epiphänomen des selbst-gewissen „Ich“.
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• Husserl selbst hat in seiner Spätphilosophie die mit dem egologischen Ansatz ver-
  bundenen Probleme der Geltung der Außenwelt, insbesondere der Geltung des
  Anderen als Teil dieser Welt in den 1931 erschienen „Cartesianischen Meditatio-
  nen“, insbesondere in der fünften Meditation, aufgegriffen. Wir werden uns das
  nächste Mal damit ausführlicher befassen.

• Der Husserl-Schüler Martin Heidegger hat – wie bereits dargelegt – in dem 1927
  erschienenen Werk „Sein und Zeit“ eine sog. „Fundamentalontologie“ entwi-
  ckelt, die das „Ich“ als „Dasein“ ursprünglich als „In-der-Welt-Sein“ begreift. Das
  „Ich“ findet sich nicht in einer kontrapunktischen Position gegenüber „Welt“, son-
  dern ist in diese ursprünglich mit dieser da bzw. in sie und auf sie eingelassen. Um
  dieses ursprüngliche Verhältnis begrifflich zu verdeutlichen, spricht Heidegger bei
  der Bestimmung des „Da-Seins“ von „Existenzialien“, die an die Stelle der „Trans-
  zendentalien“ der Metaphysik treten.
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• Da es nach Heidegger dem - noch subjektphilosophisch verstandenen - „Dasein“
  um sein Sein selbst geht, ist eine weitere Grundstruktur des „Daseins“, eine wei-
  tere „Existenzialie“ die „Sorge“. Der Mensch steht in einem sorgenden und ver-
  sorgenden Verhältnis zu und in der Welt. Sein Weltbezug ist herstellender und
  handelnder Natur. An die Stelle des theoretischen „Ich“ tritt das tätige „Selbst“.

• Hannah Arendt, Schülerin von Martin Heidegger und Karl Jaspers, hat dies in
  ihrem zuerst in den USA 1958 unter dem Titel „The Human Condition“ erschienen
  philosophischen Hauptwerk (1960 von ihr selbst in Deutsche übersetzt als „Vita
  activa oder vom tätigen Leben“) zu einer Philosophie des ursprünglich herstelle-
  den und – insbesondere politisch – handelnden Menschen weiterentwickelt. Her-
  stellen und Handeln sind nicht nur Notwendigkeiten des biologischen Mangel-
  wesens Mensch, sie sind untrennbar mit dem Wesen des Menschen verbunden.
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• „Arbeiten, Herstellen und Handeln: Sie sind Grundtätigkeiten, weil jede von ihnen
  einer der Grundbedingungen entspricht, unter denen dem Geschlecht der Men-
  schen das Leben auf Erden gegeben ist“ (Hannah Arendt, „Vita activa oder vom
  tätigen Leben“, München 2001, S. 23; im Folgenden „VA“)

• Hannah Arendts entwickelt eine weitsichtige Kulturkritik, die aufzeigt, dass die
  vormals höchste Form der „Vita activa“, das Handeln und die Kommunikation
  über Gott und die Welt, in der Neuzeit zunehmend von der „Arbeit“, der nach-
  denkende Mensch vom „homo faber“ (lat. arbeitender Mensch) verdrängt wurde.

• „Homo faber“, der Macher, der Hersteller, der in der Weltbearbeitung seine Be-
  stimmung findet, wird aber letztlich vom „animal laborans“, dem Menschen als
  „arbeitendem Tier“ abgelöst.
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• In der Moderne wird – so Arendt – Arbeit nur noch als technischer Prozess, als
  Mittel zum Zweck aufgefasst, in der sich der Mensch selbst nicht mehr als Zweck
  wiederfindet. Für Hannah Arendt führen – wie schon für Karl Marx - die moder-
  nen Produktionsweisen zu einer Entfremdung des Menschen von sich selbst.

• Handeln und Kommunikation werden in unserem Leben zu zweitrangigen Tätig-
  keiten, die von „homo faber“ zunehmend in die „Freizeit“ abgedrängt werden.
  Der herstellend und sich selbst dabei schöpferisch erfahrende „homo faber“ wird
  aber selbst zunehmend vom „animal laborans“ abgelöst, das unter den hoch ar-
  beitsteiligen und fremdorganisierten technischen Prozessen von sich als Mensch,
  der ein Handelnder und Sprechender ist, immer mehr entfremdet wird.
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• Hintergrund der Kritik des Verfalls der „Vita activa“ in modernen Produktionspro-
  zessen ist das Verständnis Hannah Arendts vom Menschen als eines Wesens, das
  „im Besitz der Fähigkeit ist, anzufangen“ (dieselbe, VA, S. 242). Er gleicht darin
  Gott als biblischem Schöpfer der Welt.

• „Mit der Erschaffung des Menschen erschien das Prinzip des Anfangs, das bei der
  Schöpfung der Welt noch gleichsam in der Hand Gottes und damit außerhalb der
  Welt verbleib, in der Welt selbst und wird ihr immanent bleiben, solange es
  Menschen gibt“ (aaO)

• Nach Hannah Arendt ist „der Mensch zum Handeln im Sinne des Neuanfangens
  begabt“ (aaO, 243). Wir wollen uns diese Fähigkeit kurz ansehen.
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• Bereits in der Antike wird dabei zwischen „Handeln“ (alt-gr. „praxis“) und Herstel-
  len (alt-gr. „poiesis“) unterschieden.

• „Herstellen“ bedeutet den Umgang mit dem Materiellen, den Sachen und Ge-
  genständen der Erfahrungswelt, und erfordert ein Wissen um die Mittel zur Er-
  reichung eines bestimmten gegenständlichen oder sachlichen Ergebnisses, eines
  „Werks“, : dafür erforderlich ist Kunstfertigkeit und Geschicklichkeit (alt-gr.
  „techne“       Technik ).
• Das Herstellen-Können führt nach Hannah Arendt dazu, dass der Mensch die
  Bedingungen seiner Existenz weitgehend selbst schafft:
• „Die Welt, in der die Vita activa sich bewegt, besteht im Wesentlichen aus Dingen, die Gebilde
  von Menschenhand sind; und diese Dinge, die ohne den Menschen nie entstanden wären, sind
  wiederum Bedingung menschlicher Existenz“ (dieselbe, aaO, S. 26)
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• In der Kunst und in der Technik offenbart sich der Mensch als Schöpfer seiner
  selbst: es handelt sich um „autopoiesis“ (= Selbsterzeugung), die weit über die
  biologische Reproduktion hinausgeht. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das
  nicht nur seine Umwelt und damit seine Lebensbedingungen gestalten und ver-
  ändern kann, sondern darüber hinaus auch sich selbst durch Kultur und Erzie-
  hung.

• „Handeln“ bedeutet dagegen eine um ihrer selbst willen ausgeführte Tätigkeit
  und erfordert ein Wissen um und die Wahl der im Handeln verwirklichten Zwe-
  cke: erforderlich dafür sind Klugheit (alt-gr. „phronesis“) und Vernunft. Während
  die Technik stets die zur Erreichung eines bestimmten, vorgegebenen Zwecks
  erforderlichen Mittel zum Gegenstand hat, beziehen sich Klugheit und Vernunft
  auf die Wahl von Lebensweisen und deren Grundsätze. Die Technik folgt den
  Notwendigkeiten der Physis (Natur, Physik), die Klugheit und die Vernunft den
  Möglichkeiten der freien Entscheidung.
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• „Das Handeln ist die einzige Tätigkeit der Vita activa die sich ohne Vermittlung
  von Material, Materie und den Dingen direkt zwischen Menschen abspielt. Die
  Grundbedingung, die ihr entspricht, ist das Faktum der Pluralität, nämlich die
  Tatsache, dass nicht nur ein Mensch, sondern viele Menschen auf der Erde leben
  und die Welt bevölkern“ (Hannah Arendt, aaO, S. 24).

• Innerhalb von Kommunikation und Interaktion als Tätigkeiten „in der Welt“ sind
  wir immer schon so auf andere Menschen bezogen, dass ohne deren Kommuni-
  kations- und Interaktionsfähigkeit auch „meine Handlung“ nicht möglich wäre.
  Der mir insoweit gleichartige Andere ist die notwendige Voraussetzung dieser
  Tätigkeiten, die zu der grundlegenden „ human condition“ unseres Menschseins
  zählen.
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• In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff der „Freiheit“ von zentraler Be-
  deutung. (     s. Arbeitspaper)

• Das Freiheitsproblem ist daher zwar unmittelbar mit unsere leibliche Bewegungs-
  freiheit und deren Beschränkung durch physische und psychische Beschränkun-
  gen verbunden, letztlich aber bezogen auf eine Einschränkung oder Aufhebung
  unseres Willens zur Handlung in bzw. Gestaltung der uns als leiblichen Organis-
  mus umgebenden Erfahrungswelt.

• Zu beachten ist, dass die Art und Weise, wie wir Freiheit verstehen, immer auch
  unser Verhältnis zum Anderen bestimmt. Je egozentrierter der Freiheitsbegriff ist
  desto mehr erscheint „der Andere“ als Beschränkung „meiner Freiheit“.
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• Aber kann „Ich“ wirklich gestalten und handeln? Wie ist das in einer – nach natur-
  wissenschaftlicher Ansicht – durchgängig kausalgesetzlich bestimmten Erfah-
  rungswelt überhaupt möglich?

• Kant nennt es das Problem der „Kausalität aus Freiheit“: ist es möglich, eine
  Kausalreihe durch eigenen Entschluss „von selbst“ anzufangen?

• Die Fragestellung wird in der Philosophie auch so formuliert: Kann, und wenn ja
  wie, „mein Wille“ ursächlich für Ereignisse in der Erfahrungswelt sein bzw. als
  seelisch geistiges Moment auf die Dingwelt einwirken?

• Die Beantwortung dieser Frage setzt die Klärung des Begriffs „Wille“ voraus.
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• Was will ich? (            s. Arbeitspaper)

• Wenn es etwas gibt, was untrennbar mit meinem „Ich“ verbunden zu sein
  scheint, dann ist es „mein Wille“.

• Mag mein „Ich“ auch nur mit Hilfe allgemeiner Begriffe bestimmbar zu sein, mag
  meine Individualität immer wieder in Gefahr sein, in meiner Exemplarität aufzu-
  gehen, das was „Ich will“ verweist doch wohl nur auf mich.

• Mein „Wille“ ist nie exemplarisch – so wie ich z.B. Frau oder Mann bin -, sondern
  ist, selbst wenn das Gewollte auch von vielen anderen gewollt wird, immer Aus-
  druck meiner Individualität – er bleibt immer auf mich als Person bezogen, ist
  Grundlage meiner persönlichen Verantwortlichkeit.
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• Der „Wille“ ist ein Vermögen, dass mit dem (Selbst-) Bewusstsein gleichursprüng-
  lich mitgegeben ist. So wie mein Bewusstsein nicht von mir und ich nicht von ihm
  getrennt werden kann, so auch nicht von „meinem Willen“.

• Während das Bewusstsein uns in ein distanziert erkennendes Verhältnis zur
  „Außenwelt“ bringt, bringt uns der Wille in ein übergreifend gestaltendes bzw. zu
  einem handelnden „In-der-Welt-sein“, wie Heidegger sagt.

• Bereits primitive Lebensformen, die auf „Ernährung“, d.h. auf die Aufnahme von
  Umwelt in ihren Körper zur Energiegewinnung angewiesen sind, weisen gerich-
  tete Bewegungen auf, die ein Verhalten zu ihrer Umwelt darstellen. Nur wenige
  Organismen sind ortsfest, die meisten sind auf Nahrungssuche und oder Jagd
  angewiesen. Sie sind dadurch in einer ursprünglichen Weise „über sich hinaus“.
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• Den biologischen Antrieb dazu nennen wir „Begehren“ oder „Begierde“.

• Biologische Lebensformen, wie auch der Mensch, sind im Rahmen ihrer Bedürf-
  nisbefriedigung intentional ( = ausgerichtet) und selektiv (=auswählend) auf ihre
  Umwelt bezogen: sie müssen dasjenige in der Umwelt auswählen und suchen,
  was sie zum Ausgleich ihrer Mangelsituation bedürfen: z.B. bei Durst Wasser, bei
  Hunger Nahrung, bei Kälte Schutz von Witterung und Kleidung, aber auch Schutz
  vor Fressfeinden, Flucht etc..

• Unser Weltbezug als biologische Lebensform Mensch ist daher ursprünglich ge-
  richtet und interessenbestimmt. Dieses „Begehrungsvermögen“ ist die Grund-
  lage dessen, was in der Philosophie unter den Begriffen „Willkür“ und „Wille“
  diskutiert wird. (Zur Unterscheidung beider Begriffe: s.u.)
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• Was unterscheidet nun aber „Willkür“ und „Wille“ von instinktgesteuertem
  Verhalten? (      s. Arbeitspaper)

• Die Unterschiede sind wohl eher fließend als diskret. Es mag rein instinktgesteu-
  ertes Verhalten geben, wie z.B. das der Bienen im Bienenstock. Aber bereits beim
  Nestbau der Vögel fließen Instinktanlage (Bedürfnis nach Nestbau) mit bereits
  einfachen individuellen Entscheidungen (welcher Baum, welches Nistmaterial) in
  das Verhalten ein.

• „Wille“ und „Willkür“ beim Menschen setzen dagegen stets die Fähigkeit zu sog.
  „freiwilligem“ Handeln voraus.
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• Handlungstheoretisch setzt die „freiwillige“ Handlung zweierlei voraus:

• - das Erkennen von Handlungsmöglichkeiten und –alternativen, im Bereich der
  Ethik und des Rechts auch verbindlicher Handlungsregeln: juristisch spricht man
  hier von „Einsichtsfähigkeit“ (= epistemische Komponente: Was wusste der
  Handelnde?)

• - die Wahl einer der gegebenen Alternativen und deren Umsetzung im „Ent-
  schluss zu“: juristisch nennt man dieses Vermögen die „Steuerungsfähigkeit“ (=
  voluntative Komponente: Was wollte der Handelnde?)

• Nur wenn beides gegeben ist, ist einer Person eine Handlung „zurechenbar“
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• Bereits Aristoteles hat in der „Nikomachischen Ethik“ (NE) dazu handlungstheo-
  retische Überlegungen angestellt:
• „ Da unfreiwillig ist, was aus Zwang oder Unwissenheit geschieht, so möchte frei-
  willig sein, dessen Prinzip in dem Handelnden ist und zwar so, dass er auch die
  Umstände der einzelnen Handlung kennt. “ (ders. NE, III Buch, Kapitel 3)

• Alles was nicht aus physischem (oder psychischem) Zwang (Verlust der Steue-
  rungsfähigkeit) oder Unwissenheit (mangelnde Einsicht(sfähigkeit); epistemischer
  Mangel) geschieht, ist daher nach Aristoteles „freiwillig“.

• Von der „Freiwilligkeit“ unterscheidet Aristoteles aber dasjenige, was er „Willens-
  wahl“, „prohairesis“, nennt (ders. NE, III Buch, Kapitel 4)
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• Aristoteles unterscheidet damit aber nicht nur das Freiwillige von dem, was er
  „prohairesis“, „Willenswahl nennt, er unterscheidet damit auch die Freiheit des
  von der Leine gelassenen Hundes, von der Freiheit des überlegt handelnden ver-
  antwortlichen Menschen.

• Bei Kant findet sich diese Unterscheidung unter den Begriffen „Willkür“ und
  „Wille“ wieder.

• Willkürliche Handlungen sind insofern „frei“, als sie von äußeren Zwängen unab-
  hängige bewusste Reaktionen auf Umweltreize und Bedürfnisse darstellen. Wie
  „Kinder und andere Sinnenwesen“ realisiert der Mensch auch in den nach ihren
  Gründen und Konsequenzen unbedachten Handlungen seine „Freiheit“, aber nur
  in einem negativen Sinn.
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• Die Freiheit der Willkür ist insofern „negativ“ als sie sich nur als Unabhängigkeit
  von begreifen lässt. Die inhaltliche Bestimmung der Handlung kann dagegen zu-
  fällig oder gesteuert von Bedürfnissen und Begierden (Trieben, Süchten etc.) sein.

• Der Wille steht für Kant dagegen für einen positiven Freiheitsbegriff. Der mit ei-
  nem freien Willen ausgestattete Mensch kann sein Handlungen als freie Entschei-
  dung im Hinblick auf seine Handlungsgrundsätze- und zwecke begründen. Er ist in
  der Lage und bereit, seine Handlungen in einem ethischen und juridischen Dis-
  kurs zu rechtfertigen. Er übernimmt „Verantwortung“.

• „Ver-Antwortung“ bedeutet Antwort geben zu können auf die Frage nach den
  Gründen und Zwecken der eigenen Handlung und in einen Diskurs des Rechtferti-
  gens der eigenen Handlung einzutreten.
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• Wille als Selbstaufforderung (         s. Arbeitspaper)

• In der neueren Handlungstheorie wird im Gefolge von Wittgenstein vorgeschla-
  gen, den „Willen“ als „Selbstaufforderung“ zu beschreiben.

• Handlungen sind nach Wittgenstein in der Erfahrungswelt realisierte Absichten
  eines Menschen: „ Denk, wir drückten die Absichten eines Menschen immer so
  aus, indem wir sagen: Er sagte gleichsam zu sich selbst, ´Ich will´ - Das ist das Bild.
  Und nun will ich wissen: Wie verwendet man den Ausdruck ´ Etwas gleichsam zu
  sich selbst sagen´? Denn er bedeutet nicht ´ Etwas zu sich selbst sagen´.“
  (derselbe, Philosophische Untersuchungen I, Aph. 658)
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• Wittgenstein weist auf den metaphorischen Charakter dieser Redeweise hin,
  ohne diesen jedoch weiter aufzuklären.

• Der Philosoph und Handlungstheoretiker C. Fr. Gethmann hat vorgeschlagen,
  „Handeln“ als „Befolgen-einer-Aufforderung“ zu verstehen. Das Verständnis
  dafür, was es heißt, aufgefordert zu werden und einer Aufforderung zu folgen
  zählt Gethmann dabei zu den kommunikativen Apriori des Menschen (C.Fr.
  Gethmann, Protologik, Frankfurt am Main, 1979, S.73). Dies bedeutet, dass es
  nicht „gelernt“ werden kann, sondern bereits bei der ersten sozialisatorischen
  Interaktion zwischen Kleinkind und Bezugsperson auf beiden Seiten vorhanden
  sein muss.

• Ohne diese unhintergehbare, jeder Erfahrung vorausgehenden Fähigkeit wäre
  keine Kommunikation oder Interaktion zwischen Menschen möglich.
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• Hierauf gründet auch unsere Fähigkeit für unsere Handlungen Gründe und Ab-
  sichten anzugeben. Sowohl in der alltäglichen Lebenswelt als auch im ethischen
  oder juridischen Diskurs können wir darauf bauen, dass der Andere versteht, was
  ich meine, weil auch er Handlungsaufforderungen und die dahinter stehenden
  ausgesprochenen oder stillschweigenden Gründe verstehen kann.

• Das Modell der Handlung als Selbstaufforderungen eignet sich gut zur Darstellung
  und Erklärung dessen, was mit den Begriffen „Verantwortung“, „Gewissen“ und
  „Pflicht“ gemeint ist bzw. im Zusammenhang mit diesen Begriffen in Frage steht:
  Was soll ich tun (s. dazu unten).
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• Das Problem von Wille und Determinismus (            s. Arbeitspaper)

• Es lässt sich – vor allem aus Sicht der sog. Naturwissenschaften – aber auch die
  Frage stellen, ob die bezeichnete Willensfreiheit nicht eine Illusion ist. Schließlich
  lebt der Mensch in einer durch sog. Naturgesetze und physikalischen Verursach-
  ungen bestimmten Welt. Alles, was geschieht, ist daher scheinbar vollständig
  physikalisch determiniert.

• Neben dem naturwissenschaftlichen Determinismus gibt es seit der Antike außer-
  dem den theologisch-philosophischen Determinismus, der den Kosmos durch
  gängig durch das Wirken Gottes bestimmt sieht.
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• Was soll ich? (            s. Arbeitspaper)

• Die Frage, was ich inhaltlich tun oder unterlassen soll, wird in der Philosophie in
  der Ethik behandelt. Im Arbeitspaper finden Sie einen kurzen Überblick über die
  wichtigsten Ansätze dazu. Dabei soll es hier sein Bewenden haben.

• Wir wollen untersuchen wie die Fragestellung „Was soll ich?“ als solche zu ver-
  stehen ist. Wonach wird hier gefragt? Was hat es mit Begriffen wie Pflicht, Schuld
  und Gewissen auf sich?
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• So wie mit dem Bewusstsein, das „Selbstbewusstsein“, das Bewusstsein von der
  Gestaltbarkeit und Veränderbarkeit der Umwelt mitgegeben sind, scheint auch
  das, was wir mit den Begriffen Pflicht, Schuld, Gewissen und Verantwortung
  bezeichnen, a priori mitgegeben zu sein.

• Ist dies aber so? Erwerben wir das Bewusstsein von bzw. das Verständnis für
  Pflicht, Schuld, Gewissen und Verantwortung nicht erst im Laufe unserer Ein-
  übung in die menschliche Gemeinschaft, ist es nicht Teil dessen, was wir mit dem
  Begriff „Sozialisation“ bezeichnen?

• Steht der nicht – wie Nietzsche meint – eigentlich „jenseits von Gut und Böse“?
  Sind moralische Begriffe nicht nur Werkzeuge zur Domestizierung der „Bestie
  Mensch“?
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• Nietzsches „Bestie Mensch“, die durch die menschliche Kultur, durch Ethik und
  Recht gezähmt wurde, und die es im „Übermensch“ freizusetzen gilt, stellt mehr
  ein unhistorisches Modell dar, denn eine genetische Beschreibung.

• Die ethischen Ansätze lassen sich nach dem Ursprung der Regelgeltung in „sen-
  sualistischen Ethiken“ und rationalistische Ethiken“ einteilen. ( s. Arbeits-
  paper)

• In sog. „sensualistischen Ethiken“ oder „Gefühlsethiken“ wird das Vermögen des
  „sensus moralis“ bzw. des „moral sense“ als Grundlage ethischer Urteile angese-
  hen. Dagegen gehen „rationalistische Ethiken“ oder „Vernunftethiken“ davon aus,
  dass ethische Urteile den Schlusspunkt eines streng argumentativen Diskurses
  gleichermaßen vernunftbegabter menschlicher Wesen darstellen.
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• Es sollen hier wiederum nicht die verschiedenen ethischen Ansätze in der Philo-
  sophie vorgestellt, sondern die Struktur und die Grundlage der Verpflichtung
  bzw. Verpflichtbarkeit des handelnden Menschen dargestellt werden.

• So ursprünglich, wie der Mensch Aufforderungen durch andere Menschen ver-
  steht, scheint er auch ein Verständnis für moralische, d.h. seine Handlungsgrund-
  sätze oder –zwecke betreffende, Verpflichtungen zu haben.

• Ethnologische und anthropologische Untersuchungen zeigen, dass mit der Ent-
  stehung fester sozialer Verbände auch ein Verständnis für das Erlaubte und Ver-
  botene, für Recht und Unrecht nachweisbar ist . Ethische und rechtliche Katego-
  rien finden sich bereits in archaischen Gesellschaften (zur Lektüre empfohlen:
  Uwe Wesel, Frühformen des Rechts in vorstaatlichen Gesellschaften, Frankfurt
  am Main 1985)
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• Woher kommt aber diese Kraft, Menschen zu Handlungen verpflichten zu
  können?

• Denken wir noch einmal an die Beschreibung von Handlungen als Selbstaufforde-
  rungen zurück und deren Genese aus sozialisatorisch eingeübten Fremdaufforde-
  rungen. Danach geht jeder Handlung gewissermaßen ein „innerer Dialog“ voraus,
  in dem alle Aspekte der geplanten Handlung geprüft und abgewogen werden, be-
  vor die Entscheidung zur Handlung in deren raumzeitlicher Realisierung fällt.

• Der „innere Dialog“ kann dabei manchmal sogar besonders wahrgenommen
  werden: nämlich dann, wenn sich die „Stimme des Gewissens“ regt.
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• Das „Gewissen“ als persönliche moralische Instanz findet sich nicht nur in der
  jüdisch-christlichen Tradition, sondern bereits bei der unsere Kultur ebenso
  prägenden griechischen und römischen Antike.

• Im Altgriechischen heißt Gewissen „syneidesis“, im Lateinischen „conscientia“.
  Viel stärker als z.B. im Christentum kommt dabei der Aspekt eines Kollektiven
  Bewusstseins zum Ausdruck. „Syneidesis“ setzt sich aus der Vorsilbe „syn“ =
  „zusammen“ und „eidos“ = „Bild“ aber auch „Begriff“, „Idee“, „Vorstellung“
  zusammen. „Conscientia“ besteht aus der Vorsilbe „con“ = „zusammen“ und
  „scientia“ = „Kenntnis“, „Einsicht“, „Wissen“.

• In beiden Fällen bedeutet „Gewissen“, das Bewusstsein von der eigenen Verant-
  wortung gegenüber der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft und deren ethischen und
  juridischen Grundlagen. Es gründet auf gemeinschaftlich geteiltes „Mit-Wissen“.
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• „Ein-Gewissen-haben“ bedeutet daher, um die moralische und rechtliche Qualität
  einer Handlung zu wissen und die dahinterstehenden Normen und Gebote als für
  sich grundsätzlich verbindlich anzuerkennen.

• Das Gewissen ist damit nicht handlungsleitend, sondern handlungsbeurteilend.
  Es ist Korrektiv, nicht Impuls der Handlung. Seit dem Humanismus und der „Auf-
  klärung“ wird das Gewissen als Instanz der Selbstbeurteilung des Handelnden
  verstanden.
• Auch Heidegger sieht im Gewissen die entscheidende Instanz, die es dem
  Menschen ermöglicht, aus der Uneigentlichkeit des „Man“ herauszutreten und
  sich selbst seiner unvertretbaren Existenz und der damit verbundenen alleinigen
  Selbstverantwortlichkeit gewahr zu werden. Der „Ruf des Gewissens“ zeigt dem
  Menschen, dass letztlich nur er selbst für das, was er tut, und dessen Konsequen-
  zen verantwortlich ist.
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• „Der Ruf  bricht das überhörende Hinhören des Daseins auf
  das Man, wenn er, seinem Rufcharakter entsprechend, ein Hören weckt“
  (Heidegger, Sein und Zeit, § 55). Das Dasein ruft im Gewissen sich selbst.

• „Dem angerufenen Selbst wird nicht zu-gerufen, sondern es ist aufgerufen zu ihm
  selbst, d.h. zu seinem eigensten Seinkönnen“ (aaO, § 56; kursiv Heidegger).

• Das Gewissen individualisiert nach Heidegger das Selbst aus der Unverantwort-
  lichkeit des „Man“ in die radikale Eigenverantwortung des Menschen in seinem
  Dasein. Das Dasein des Menschen als ein Sein, dem es um das Verstehen seiner
  Selbst geht, findet im Gewissen und der radikalen Zeitlichkeit (Bewusstsein der
  Gewissheit des eigenen Todes) seinen nicht weiter hintergehbaren Ausdruck.
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• Auch die „Stimme des Gewissens“ bzw. der „Ruf des Gewissens“ lässt sich am
  Modell der Handlung als „Selbstaufforderung“ plausibel machen.

• Es sind dieselben Strukturen die das Verständnis eines ethischen und rechtlichen
  Sollens und die Beurteilung von Handlungen durch das Gewissen begründen. In
  beiden Fällen weiß sich der Handelnde zur Rechtfertigung seiner Handlung vor
  einem Anderen (dem eigenen Gewissen, der Gemeinschaft moralisch, d.h. an
  allgemeinen Grundsätzen orientierten Gemeinschaft bzw. der Rechtsgemein-
  schaft oder vor Gott) verpflichtet.

• Das Bewusstsein des Verpflichtet-Seins ist Folge der Grundlage einer jeden Hand-
  lung, die vor dem Hintergrund des Modells von Fremd- oder Selbstaufforderung
  verständlich ist.
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