DEPRESSIONEN: Verstehen - Erkennen - Behandeln
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HANDOUT zu „DEPRESSIONEN: Verstehen – Erkennen – Behandeln“ Die unterschiedlichen Gesichter einer Volkskrankheit und die modernen Möglichkeiten ihrer Behandlung auf Basis der Logotherapie und Existenzanalyse Vortrag von Harald Mori, MSc Die Depression ist eine affektive Störung, also eine schwere Veränderung der Stimmungs- lage, welche unter anderem mit Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen, Schuldgefühlen und Stimmungsschwankungen einhergeht. Diese Stimmungsschwankungen zeichnen sich meist durch ein sehr negatives Wahrnehmen der Mitmenschen und der Umgebung aus und sind oft -mit Versagensängsten, Sinnlosigkeitsgefühlen und mit Selbstwertverlust verbunden. Die Depression ist die am häufigsten auftretende psychische Erkrankung! Weltweit erleiden ca. 16 – 20 % aller Menschen mindestens eine depressive Episode während ihres Lebens. Depression kann somit auch als die „Volkskrankheit“ der Gegenwart bezeichnet werden und ihr Auftreten wird in Zukunft noch häufiger erwartet. Verstehen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen um eine Depression erkennen zu können – auch Laien sind in der Lage eindeutige Vorzeichen zu erkennen – und den an Depressionen leidenden Menschen einer Behandlung zuzuführen. Diese kann medizinisch und / oder psychotherapeutisch erfolgen. Die von Viktor E. Frankl begründete Logotherapie und Existenzanalyse ist eine sehr geeignete Psychotherapieform, die als unterstützende Behandlung erfolgt bzw. in spezifischer Weise in einem ganzheitlichen Ansatz Linderung und oft Heilung ermöglichen kann. Immer mehr Menschen, vor allem in hoch industrialisierten Lebensbereichen finden sich einmal oder öfter im Leben in einer tiefen seelischen Krise. Diese Krise kann sich durch einfache Symptome, wie Niedergeschlagenheit, Schwermütigkeit und Abgeschlagenheit äußern. In schwereren Fällen kommen einige Symptome hinzu, in körperlicher, psychologischer und geistiger Hinsicht. Es ist wichtig, zwischen der Depression als Krankheit (früher „endogene Depression“ genannt) und Gemütsveränderungen oder Stimmungsschwankungen zu unterscheiden, deren Ursachen auch in existentiellen Lebenskrisen liegen können. Diese Gemütsveränderungen hat Viktor Frankl „noogene Neurosen“ genannt, welche aus einem „existentiellen Vakuum“ entspringen können. Z. B. bei Selbstfindungskrisen wie in Pubertät, Alter oder in Partnerschaftskrisen und ähnlichem). Die noogene Neurose nach Frankl ist keine Depression im heutigen Sinne, kann jedoch in ungünstigen Verläufen zu einer Depression führen. VIKTOR FRANKL ZENTRUM WIEN | Mariannengasse 1/15 | 1090 Wien +43.699 10 96 10 68 | office@franklzentrum.org | www.franklzentrum.org
Schicksalsschläge wie der Verlust von Angehörigen, Erkrankungen oder Unfällen, bei Mobbing, Arbeitslosigkeit, können reaktive Depressionen (heute Anpassungsstörungen) auslösen. Die Existenzanalyse und Logotherapie haben im Falle der „noogenen Neurosen“ spezifische Mittel, den Menschen mittels Sinnfahndung und Biografiearbeit aus der Krise zu führen. Bei Ausformung der existentiellen Not zur Depression ist die Logotherapie als supportive Psychotherapie zu verstehen, die begleitenden Charakter bekommt, den Patienten stützt und stärkt und erst bei Abklingen der depressiven Phase (mit oder ohne Medikation) mit der eigentlichen Sinnfindungsarbeit beginnt. Dabei wird versucht, den Rest an verbliebener Freiheit innerhalb einer kritischen Lage sichtbar zu machen und aus den vorhandenen Möglichkeiten Wirklichkeiten entstehen zu lassen, die zur Stärkung der Autonomie des depressiven Menschen dienen. Viktor E. Frankl schreibt dazu treffend in seinem Lehrbuch „Theorie und Therapie der Neurosen“ (TTN): „Nehmen wir als Beispiel die endogene Depression vor! Wie wir andernorts nachzuweisen versuchten, wird bei ihr die dem Menschen so eigentümliche Spannung zwischen Sein und Sollen in überhöhtem Maße erlebt und erfahren. Was der Patient in seinem Sein seinem Sollen schuldig bleibt, nimmt er unter die vergrößernde, verzerrende Lupe seiner endogenen Depression. Der Abstand zwischen Sein und Sollen wird erlebt und erfahren, als ob er ein Abgrund wäre. Aber an sich ist die Spannung zwischen Sein und Sollen – die Daseinsspannung, wie wir sie auch nennen – an sich ist der Abstand des Seins vom Sollen unaufhebbar und unabdingbar: solange der Mensch bei Bewusstsein ist, bleibt sein Sein seinem Sollen etwas schuldig.“ In der von Viktor Frankl so benannten „Geistigen Dimension“, die nicht erkranken kann wird im Rahmen der Logotherapie eine Ressource aktiviert, in kleinen Schritten, die auf behutsam sinnzentrierte Weise versucht, diesen geistigen Freiraum im Rahmen einer Depression zu einer Einstellungsänderung und zum Gewinn neuer Kräfte zu nützen. Viktor E. Frankl dazu in seinem oben zitierten Buch: „In diesem Raume nun entdeckt sie etwas und erweckt sie etwas. Was sie entdeckt, ist eine unversehrte und unversehrbare Menschlichkeit, ihrer auch noch hinter aller neurotischen Zerrüttung und psychotischen Verrückung ansichtig zu werden, will uns die Existenzanalyse lehren.“ Generelle Symptome die man am depressiven Menschen wahrnehmen kann sind unter anderem: Eine ins negative Empfinden verschobene Gemütslage, Konzentrationsstörungen, negative Gedanken, immer wieder aufkommendes Grübeln, Selbstzweifel, selbst zerstörerische Gedanken (ich bin nichts wert, ich werde von niemandem gebraucht oder gemocht, mir ist alles zuviel, ich weiß gar nicht wieso ich noch weitermachen soll, eigentlich wäre es besser, es würde mich gar nicht geben, ich werde nie so glücklich sein wie andere Menschen und vieles mehr). Diese Stimmungstiefs und die negativen Gedankeninhalte können in schweren Fällen zu Selbstmordgedanken bzw. zur Planung des Suizids führen und bei entsprechender Disposition zur Ausführung eines Selbstmordversuches. 2 VIKTOR FRANKL ZENTRUM WIEN | Mariannengasse 1/15 | 1090 Wien +43.699 10 96 10 68 | office@franklzentrum.org | www.franklzentrum.org
Depressive Menschen fühlen sich erschöpft, ausgebrannt, sind ungewöhnlich müde. Der Appetit kann drastisch gesteigert oder reduziert sein, das Gewicht in beide Richtungen extrem schwanken. Ein deutliches Zeichen der Depression ist das sogenannte „Morgentief“, das heißt, die PatientInnen fühlen sich am Morgen bis in die Mittagszeit hin besonders niedergeschlagen und teilweise nicht imstande, auch nur einfach Tätigkeiten des täglichen Lebens auszuführen (z.B. Frühstück zubereiten, Körperpflege durchführen, aus dem Bett kommen, berufliche Tätigkeiten ausführen u.a.). Am späten Nachmittag und am Abend hingegen können depressive Menschen durchaus beachtliche Leistungen erbringen und sich wieder „gesund“ fühlen. Um die Diagnose „Depression“ stellen zu können, müssen mehrere Symptome vorhanden sein und vor allem in einer Kontinuität von mindestens 2 Wochen am Stück oder mehr. Hie und da ein schlechtes Lebensgefühl zu haben, einige Tage keine Freude am Leben zu haben und dann am Wochenende wieder aufzublühen ist noch keine klassische Depression. Es ist signifikant, dass den depressiven Menschen jede Menge Schuldgefühle plagen, die meistens jeder realistischen Grundlage entbehren und dennoch in massiver Heftigkeit auftreten können. Die subjektive Wahrnehmung des Depressiven über sich selbst und über die Umwelt ist getrübt und verschleiert und spielt dem Depressiven eine schlechte, belastende Welt vor, in der der Kranke selbst für sich keinen Lebenswert mehr sieht. In der depressiven Phase empfindet der Depressive sein Lebens als wertlos und sinnlos, im Einzelnen oder in seiner gesamten Existenz. Es kommt zu einer subjektiven Einengung und zum Gefühl, dass es am Ende des Tunnels kein Licht gibt. Depressionen werden in leichte, mittelgradige und schwere Depressionen unterteilt (in USA in minor und major depression). Leichte und mittelgradige Depressionen sind psychotherapeutisch gut behandelbar, wobei bei mittelgradigen die ärztliche Konsultation wichtig ist und oft die medikamentöse Unterstützung erforderlich ist. Schwere Depressionen sind seltener und nur unter ärztlicher Aufsicht behandelbar. Dabei ist der Einsatz von Medikamenten (Antidepressiva und andere) sowie meistens ein stationärer Spitalsaufenthalt unverzichtbar. Depression ist eine Krankheit, wie z.B. hoher Blutdruck oder Diabetes. Es kommt dabei zu einer Störung im Neurotransmitterhaushalt, also im System der sogenannten Botenstoffe im Gehirn (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin). Depressionen können einfach auftauchen, haben aber meistens eine Ursache. Chronischer Stress, Überlastung, hohes Verantwortungsgefühl und geringes Selbstwertgefühl können aufgrund von massiven Verdrängungen zu Depressionen führen. Rein körperliche Erkrankungen der Nebennierenrinde, der Schilddrüse aber auch hoher Blutdruck und Stoffwechselstörungen können Depressionen verursachen. 3 VIKTOR FRANKL ZENTRUM WIEN | Mariannengasse 1/15 | 1090 Wien +43.699 10 96 10 68 | office@franklzentrum.org | www.franklzentrum.org
Eine Auswahl möglicher Depressionstypen: • Unipolare , Bipolare Depression • Lichtmangeldepression • Männliche Depression • Schwangerschaftsdepression • Jugendliche – bzw. Altersdepression Depressionen treten im Rahmen von Krebstherapien auf, nach Geburten (Baby Blues), bei Alkoholabhängigkeit und Drogenabhängigkeit, bei massiven Regelbeschwerden der Frau, hormonellen Störungen, im Wechsel der Frau und in gewisser Form auch beim Manne. Die Krankheit Depression ist den Gefühlen der Trauer, der Sinnlosigkeit, des Unglücklichseins gegenüberzustellen. Trauer oder Sinnlosigkeitsgefühle sind keine Krankheiten sondern Ausdruck menschlichen Daseins. Existentielle Fragen über Sinn und Wert des eigenen Lebens können den Menschen verzweifeln lassen. Dies muss nicht zu einer Depression führen, kann aber bei Menschen mit einer gewissen Disposition, z.B. einer genetischen Veranlagung in eine Depression umschlagen. Auch der Verlust des familiären Zusammenhalts, Isolation und Vereinsamung ist ein Auslöser für Depressionen, auf der körperlichen Eben wie auch in der geistigen Dimension – hier als Gefühl der Sinnlosigkeit. Therapeutische Möglichkeiten liegen in der ärztlichen Betreuung, in der Gabe von Medikamenten, sofern nötig und in einer guten, begleitenden Psychotherapie. In der Psychotherapie wird Verständnis für die Krankheit entwickelt, und eine Änderung des Lebensstils angestrebt. Die Frage des Selbstbildes wird therapeutisch behandelt und die Psychotherapie versucht den Patienten wieder in das Gebiet seiner Autonomie zu führen. Dazu wird behutsam an der Identität und an einer authentischen Lebensweise gearbeitet – allerdings erst dann, wenn es zu einer Linderung der Symptome durch Änderung der Einstellung, durch Medikation, durch Akzeptanz der Depression als einer Phase der Krankheit gekommen ist. Psychotherapie kann und darf hier nur äußerst behutsam und in kleinen Schritten vorgehen. Die Existenzanalyse und Logotherapie (EALT) ist eine besonders geeignete Therapieform, da nach einer erfolgreichen somatischen Behandlung am Selbstwert des Menschen und an der Sinnfrage gearbeitet werden kann. Wichtig ist es hierbei am Anfang der Therapie den Aufgabencharakter des Lebens wirklich nur auf die kleinen, immer noch machbaren Dinge des täglichen Lebens zu beschränken und sich nicht auf große Lebensfragen und philosophische Diskussionen einzulassen. 4 VIKTOR FRANKL ZENTRUM WIEN | Mariannengasse 1/15 | 1090 Wien +43.699 10 96 10 68 | office@franklzentrum.org | www.franklzentrum.org
Völlig falsch ist es, Depressive aufzufordern, „sich doch zusammenzureißen“! Viktor Frankl zeichnete eine supportive, also unterstützende und begleitende Therapieform vor. Der Psychotherapeut wirkt als Lotse durch die Felsen der depressiven Brandung hindurch. Im existenzanalytischen Verständnis wird darum gerungen, das Leben während der Phase der Erkrankung akzeptieren zu können und darin immer noch einen Sinn zu finden – was hier nichts anderes bedeutet als einfach nicht zuviel über das Leben nachzudenken und eine gewissen Zufriedenheit mit den momentanen Möglichkeiten zu erlangen. Wenn es im Laufe einiger Wochen zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins des Patienten kommt, kann weiter an der Einstellung zur momentanen Lage und zu persönlichen Lebensfragen therapeutisch gearbeitet werden. Immer öfter treten Personen des öffentlichen Interesses, Prominente, SportlerInnen, PolitikerInnen, KünstlerInnen an die Öffentlichkeit und beschreiben ihr Leben in Phasen der Depression. Damit gelingt es zunehmend eine Akzeptanz zu finden, dass die Depression eben eine Krankheit und keine egoistische Laune eines Menschen ist. Depressive Menschen würden ihre Krankheit sofort mit einer anderen tauschen. Die Depression wirkt im Stillen und hat in der Gesellschaft keinen Stellenwert, wie z.B. ein dramatischer Sportunfall. Nach Viktor Frankl kann das Geistige im Menschen nicht erkranken, ist auch in der Depression immer noch ein Rest von Freiheit vorhanden, nämlich indem der Kranke die Depression „eben als solche hinnimmt“ und therapeutische Möglichkeiten ausschöpft. Die Änderung des Lebensstils, die Änderung der Einstellung z.B. gegenüber Personen, die belastend sind, oft im familiären Umfeld bewirkt meist eine spürbare Besserung. Die Erfassung der eigenen Identität, der eigenen Werthaftigkeit, in und trotz der Depression ist eine wesentliche therapeutische Vorgehensweise. Das „eigene, eigentliche“ Leben wieder in die Hand zu nehmen und sich vor den „Vampiren“, also jenen Menschen oder Organisationen der persönlichen Gegenwart zu schützen welche Zeit und Energie rauben - bewirkt die Zunahme von positiver Energie und ermöglicht die eigene Lebensmotivation wieder zu stärken, oder oft zum ersten Mal überhaupt zu entdecken. Harald Mori, MSc Ausbildung als Psychotherapeut, u.a. bei Viktor E. Frankl persönlich, seit 1991 in freier Praxis tätig seit 1991- Spezialgebiet: Psychoonkologie. Internationale Vortrags – und Seminartätigkeit. Lehrtherapeut. 5 VIKTOR FRANKL ZENTRUM WIEN | Mariannengasse 1/15 | 1090 Wien +43.699 10 96 10 68 | office@franklzentrum.org | www.franklzentrum.org
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