DER EINFLUSS VON THERAPIEERFAHRUNG AUF BEHANDLUNGSERWARTUNG UND SCHMERZBEWERTUNG - VORGELEGT VON CHARLOTTE MARIE ENGELBRECHT - DUEPUBLICO
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Der Einfluss von Therapieerfahrung auf
Behandlungserwartung und
Schmerzbewertung
Vorgelegt von
Charlotte Marie EngelbrechtMedizinische Fakultät
der
Universität Duisburg-Essen
Klinik für Neurologie
Der Einfluss von Therapieerfahrung auf
Behandlungserwartung und
Schmerzbewertung
Inaugural–Dissertation
zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin
Durch die Medizinische Fakultät
der Universität Duisburg-Essen
Vorgelegt von
Charlotte Marie Engelbrecht
2018Diese Dissertation wird über DuEPublico, dem Dokumenten- und Publikationsserver der
Universität Duisburg-Essen, zur Verfügung gestellt und liegt auch als Print-Version vor.
DOI: 10.17185/duepublico/70038
URN: urn:nbn:de:hbz:464-20190510-082204-0
Alle Rechte vorbehalten.
Dekan: Herr Univ.-Prof. Dr. med. J.Buer
1. Gutachter: Frau Univ.-Prof. Dr. med. U. Bingel
2. Gutachter: Herr Prof. Dr. med. G. J. Dobos
Tag der mündlichen Prüfung: 05. Februar 2019
2In Zusammenhang mit der Dissertation entstandene Publikationen:
Die hier im Rahmen meiner Promotion vorgelegten Datensätze (von 63 Probanden) sind
Teil der folgenden Publikation, die am 07.06.2017 in Science Translational Medicine
veröffentlicht wurde:
„The effects of treatment failure generalize across different routes of drug administration“;
Matthias Zunhammer, Markus Ploner, Charlotte Engelbrecht, Johanna Bock, Simon S.
Kessner, Ulrike Bingel; Science Translational Medicine, Vol. 9, Issue 393, eaal2999
(Zunhammer et al., 2017)
3Inhaltsverzeichnis
In Zusammenhang mit der Dissertation entstandene Publikationen: ................................. 3
Einleitung: Placebo .................................................................................................................. 5
Die Rolle des Patienten ........................................................................................................ 7
Aspekt Konditionierung ........................................................................................................ 8
Aspekt Erwartung ................................................................................................................. 9
Ziele der Studie ...................................................................................................................... 10
Fragen und Hypothesen ..................................................................................................... 11
Begriffsdefinition (im Kontext dieser Studie) ..................................................................... 13
Methoden .............................................................................................................................. 15
Probanden/Rekrutierung/Ethik .......................................................................................... 15
Studiendesign ..................................................................................................................... 17
Experimentelle Prozedur .................................................................................................... 18
Statistische Datenauswertung ........................................................................................... 25
Resultate ................................................................................................................................ 27
Probandendaten ................................................................................................................ 27
Schmerzbewertung: Auswertung der Konditionierung, Tage 1 und 2 ............................... 28
Schmerzbewertung: Auswertung der Testung, Tag 3 ........................................................ 32
Hypothesenprüfung ........................................................................................................... 36
Erwartungen: Auswertung der Konditionierung, Tage 1 und 2.......................................... 37
Erwartungen: Auswertung der Testung, Tag 3 ................................................................... 39
Hypothesenprüfung ........................................................................................................... 41
Diskussion............................................................................................................................... 43
Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................................................................... 43
Interpretation ..................................................................................................................... 44
Einordnung in den Literaturkontext ................................................................................... 45
Limitationen ....................................................................................................................... 48
Schlussfolgerungen ............................................................................................................ 49
Ausblick .............................................................................................................................. 50
Zusammenfassung ................................................................................................................. 52
Literaturverzeichnis ............................................................................................................... 53
Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ 56
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ 56
Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................... 56
Anhang ............................................................................................................................... 57
Danksagung ............................................................................................................................ 77
Lebenslauf .............................................................................................................................. 78
4Einleitung: Placebo
Aus klinischen und experimentellen Beobachtungen zeigt sich, dass ein Behandlungserfolg
oder -misserfolg nicht ausschließlich mit der spezifischen Wirkung der therapeutischen
Intervention (pharmakologischen Wirkung etc.) zusammenhängt, sondern wesentlich auch
von weiteren unspezifischen Faktoren beeinflusst wird (Finniss et al., 2010a). Die Annahme,
dass der Placeboeffekt einfach nur eine Reaktion auf eine inerte Substanz sei, die keine
pharmakologische Wirkung aufweist, wird ergänzt: Bei der Placeboantwort handelt es sich
um die individuelle neurobiologische und psychophysiologische Reaktion auf verschiedene
behandlungsspezifische Kontextfaktoren (de Craen et al., 1999; Price et al., 2008). Man
betrachtet den Placeboeffekt demnach auch ergänzend zu der rein pharmakologischen
Wirkung (Finniss et al., 2010a; Weimer et al., 2011). Im Gegensatz zur „echten“
Placeboantwort beruht der in Studien beobachtbare Placeboeffekt darüber hinaus auch
auf anderen Ursachen, so z.B.: statistischen Phänomenen wie der Regression zur Mitte,
Verzerrungen, aber auch Spontanremissionen, dem natürlichen Krankheitsverlauf und
Placeboantworten (Breidert and Hofbauer, 2009).
Obwohl bislang noch kein umfassendes Modell der Wirkungsmechanismen existiert, das
den Placeboeffekt hinreichend erklärt, hat der Placeboeffekt nachgewiesenermaßen eine
somatische bzw. (neuro-)biologische Basis und rückt somit wegen seiner therapeutischen
Relevanz mehr und mehr in den Mittelpunkt der derzeitigen Forschung
(Bundesärztekammer, 2010; Schedlowski et al., 2015; Weimer et al., 2011). In der Literatur
finden sich verschiedene Ansätze den Placebo-Effekt näher zu beschreiben bzw. das
Phänomen einzugrenzen. Insgesamt geht die Betrachtung weg von dem ursprünglich
negativen Ruf und der Vorstellung eines Scheinmedikaments hin zu einem in jeder Therapie
relevanten Effekt.
Um das Phänomen näher zu beschreiben und die Wirkung nachzuvollziehen, beziehen sich
Studien auf:
• den Placeboeffekt beeinflussende Faktoren (siehe unten),
• neurobiologische Hinweise (z.B. Neurotransmitter, wie Dopamin und
endogene Opioide) (Benedetti et al., 2003; Levine et al., 1978; Schedlowski
et al., 2015) und
5• Krankheitsbilder mit einer hohen Placeboresponderrate (z.B. Schmerz,
Depression, Parkinson) (Rief et al., 2009).
Wichtige Faktoren, die in Studien beschrieben werden, sind:
• der Patient: z.B. Erwartung und Erfahrung, Persönlichkeit, Bedürfnisse,
Psychologischer Status (Finniss et al., 2010; Price et al., 2008)
• die Einstellung des Arztes: z.B. Empathie, Professionalität (Benedetti, 2013)
• die Arzt-Patienten-Beziehung (Benedetti, 2013) und
• Soziale Faktoren/Setting (Ted J Kaptchuk et al., 2008).
Diese Studie fokussiert auf die Rolle des Patienten und geht der Frage nach, wie sich die
vorangegangene Therapieerfahrung (in unserem Falle: lokale Schmerzreduktion) auf die
Behandlungserwartung auswirkt und welche Relevanz diese Vorerfahrung für das Outcome
einer zweiten Therapie hat. Untersucht wird auch, ob sich dieser Übertragungs-Effekt
bezüglich der Erwartung und der Schmerzreizbewertung verändert, wenn die
Darreichungsform bei der zweiten Therapie verändert wird.
6Die Rolle des Patienten
In Bezug auf den Patienten werden derzeit im Wesentlichen zwei -sich keineswegs
ausschließende- Erklärungsansätze diskutiert: der assoziative (lerntheoretische) und der
mentalistische (kognitivistische). Die Faktoren, die dabei eine zentrale Rolle spielen sind
Konditionierung und Erwartung (Benedetti et al., 2003; Schedlowski et al., 2015).
Darüber hinaus, können Patienteneigenschaften beschrieben werden, die einen positiven
Einfluss auf den Behandlungseffekt haben: Lernfähigkeit, Gedächtnisleistung, Motivation,
Affinität für Belohnungsmechanismen, Offenheit, Extrovertiertheit, weibliches Geschlecht
(Benedetti, 2013; Finniss et al., 2010; Price et al., 2008). Sowie Eigenschaften mit einem
negativen Einfluss: Angst und Depression (Kessner et al., 2014). Diese Eigenschaften sind
hier der Vollständigkeit halber erwähnt und bleiben in unserer Studie unberücksichtigt.
Die beiden Ansätze (assoziativer und mentalistischer Ansatz) ergänzen und überschneiden
sich. Für das Verständnis und die klinische Umsetzung ist es von großer Bedeutung diese
Mechanismen und ihre Interaktion näher zu verstehen. Im Folgenden werden beide Effekte
näher erläutert.
7Aspekt Konditionierung
Gemäß des assoziativen Ansatzes ist die Placeboantwort das Resultat einer meist
unbewussten Lernerfahrung. Assoziative Lernvorgänge stellen eine Grundvoraussetzung
für Placeboeffekte dar und beeinflussen unausweichlich jede pharmakologische Therapie.
Das Prinzip der klassischen Konditionierung besteht darin, dass ein zunächst
unkonditionierter Stimulus eine physiologische Reaktion auslöst. Im Kontext einer
Behandlung, kann ein unkonditionierter Stimulus z.B. die Darreichungsform, der
Behandlungskontext oder der Behandelnde selbst sein. Die physiologische Reaktion ist z.B.
eine Schmerzlinderung. Durch die Kopplung bzw. wiederholte Verbindung des Stimulus
(z.B. Darreichungsform) mit einer Reaktion (z.B. Schmerzreduktion) wird dieser
ursprünglich „neutrale Stimulus“ zu einem konditionierten Stimulus und kann also
eigenständig eine physiologische Reaktion auslösen. So löst z.B. die gleiche
Darreichungsform unabhängig von dem Wirkstoff eine Schmerzreduktion aus (Doering and
Rief, 2012).
Wenngleich der durch Lernen bedingte Placeboeffekt unbewusst (d.h. ohne Wissen des
Patienten) zustande kommt, ist er doch an die Wahrnehmung bzw. Interpretation durch
den Patienten gebunden. Studien belegen, dass für das Lernen aus der Vergangenheit
neben der eigenen Erfahrung (Colloca and Benedetti, 2006; Kessner S et al., 2013) auch die
soziale Beobachtung (Colloca and Benedetti, 2009; Egorova et al., 2015) Voraussetzung
sein kann. Das Prinzip der Konditionierung dient bei unbewussten physiologischen
Antworten wie Hormonsekretion, Immunantwort und der respiratorischen Funktion als
gängiges Erklärungsmodell (Benedetti et al., 2003; Price et al., 2008).
8Aspekt Erwartung
Nach dem mentalistischen bzw. kognitivistischen Ansatz beruht der Placeboeffekt auf
Erwartungen. Patienten, die eine Behandlung bekommen, haben eine bestimmte
Erwartung an diese und beeinflussen damit das Outcome. Die Erwartung kann verbal
induziert werden, durch vorangegangene Erfahrungen beeinflusst und durch den
psychosozialen Kontext bestimmt sein.
Die Behandlungserwartung als die Erwartung bezüglich des Behandlungserfolgs hängt von
vielen Faktoren ab: Neben der grundsätzlichen Einstellung zu einer bestimmten
Behandlungsmethode und der Heilbarkeit einer Krankheit ist auch die Haltung gegenüber
den Behandelnden von großer Bedeutung. Hierbei spielen die vorangegangene Erfahrung
und der psychosoziale Kontext der Intervention eine prägende und wichtige Rolle (Ted J.
Kaptchuk et al., 2008).
Die Einstellung zur Behandlungsmethode wird unter anderem beeinflusst durch die Art der
Darreichungsform und den Eigenschaften des Medikamentes wie Größe, Farbe, Preis und
Geschmack (Waber et al., 2008).
Aus Studien geht hervor, dass die erwartungsinduzierte Placeboantwort zum Beispiel bei
der Schmerzantwort und bei Parkinson eine Rolle spielt (Benedetti et al., 2003; Price et al.,
2008). Darüber hinaus, fällt die Placeboanalgesie höher aus, wenn
Erwartungsmechanismen mit einer Konditionierungsprozedur kombiniert werden
(Amanzio and Benedetti, 1999). Umgekehrt hebt die verbale Aufklärung den positiven
Analgesieeffekt nach einer effektiven Konditionierungsprozedur auf (Montgomery and
Kirsch, 1997).
9Ziele der Studie
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Erwartungs- und Lernvorgänge die Effektivität
und Verträglichkeit von aktiven pharmakologischen und anderen medizinischen
Behandlungen beeinflussen und somit erheblich zum Therapieerfolg beitragen (Enck et al.,
2013). Aus einer Studie geht hervor, dass die verbal induzierte Erwartung eine wichtige
Wirkung auf die therapeutisch genutzte Opiatwirkung hat. So konnte gezeigt werden, dass
eine verbal induzierte positive Behandlungserwartung die Remifentanilwirkung als
hochpotentes Opioid mehr als verdoppelte, wohingegen eine Negativerwartung die
Wirkung fast komplett aufhob (Bingel et al., 2011).
Für die Implementierung und Nutzung der Placeboeffekte im klinischen Alltag ist es wichtig,
die einzelnen Faktoren zu kennen und sie auf den Patienten und die individuelle Situation
anwenden zu können, das heißt das Outcome einer Behandlung durch die Placeboeffekte
gezielt positiv zu beeinflussen.
In einer Vorstudie konnte gezeigt werden, dass die Vorerfahrung mit einer medizinischen
Behandlung nicht nur das Wieder-Ansprechen auf diese Therapie in der Zukunft
beeinflusst, sondern auch das Ansprechen auf andere, folgende medizinische
Behandlungen (Kessner et al., 2014; Kessner S et al., 2013): Probanden mit einer
experimentell induzierten negativen Erfahrung mit Placebo 1 zeigten eine signifikant
geringere Antwort auf die Analgesie mit Placebo 2. Umgekehrt bewerteten die Probanden
mit einer positiven Vorerfahrung die Schmerzreize unter dem zweiten neuen Placebo 2 als
weniger schmerzhaft.
Um den Placeboeffekt im klinischen Alltag in Zukunft gezielter nutzen zu können, ist es von
großer Bedeutung diese Übertragungseffekte von Behandlungserfahrungen näher zu
erforschen und zu verstehen, in wie weit sie die zukünftigen Therapien beeinflussen.
Das Ziel der Studie ist es, die Übertragungseffekte („Carry-Over-Effekt“) einer
Behandlungserfahrung auf eine folgende Behandlung zu erforschen.
In dieser Studie haben wir mit einer Konditionierungs-Prozedur (experimenteller Schmerz
gekoppelt mit einer Placebo-Behandlung 1 über zwei Tage eine positive oder negative
Behandlungserfahrung induziert (Faktor 1: Behandlungserfahrung). An Tag drei haben wir
mit einer neuen Placebo-Behandlung 2 die Carry-Over-Effekte ausgewertet und
10untersucht, ob die negative oder positive Behandlungserfahrung einen Einfluss auf die
Schmerzbewertung und Behandlungserwartung der Folgebehandlung hat. Darüber hinaus
wurde untersucht, ob ein Wechsel der Darreichungsform (von Pflaster auf Tablette) als
Kontextfaktor (Faktor 2: Wechsel der Darreichungsform) einen Unterschied in der
Behandlungserwartung und Schmerzbewertung der zweiten Behandlung bewirkt.
Outcome für die Bewertung des Carry-Over-Effektes ist zum einen die
Schmerzwahrnehmung der behandelten Behandlungsstelle im Vergleich zur
unbehandelten Kontroll-Stelle (Hypothesen 1-3) und zum anderen die Erwartung bzgl. des
Behandlungserfolges (Hypothese 4) an Tag drei.
Untersucht wurden also:
• der Einfluss der Vorerfahrung (positiv/ negativ) auf den Carry-Over-Effekt
(Schmerzwahrnehmung und Behandlungserwartung) und
• der Einfluss eines Darreichungswechsels (Pflaster auf Tablette) auf den Carry-Over-
Effekt (Schmerzwahrnehmung und Behandlungserwartung).
Fragen und Hypothesen
1. Inwieweit ist die Behandlungserfahrung (positiv vs. negativ) aus der
vorangegangenen Behandlung für das Outcome (Schmerzwahrnehmung) einer
neuen Therapie relevant („Carry-Over“-Effekt)?
a. H0 (Null-Hypothese): Die vorangegangene Behandlungserfahrung hat
keinen Einfluss auf das Outcome der nächsten Behandlung.
Negative Behandlungserfahrung = Positive Behandlungserfahrung
b. H1a (H1a-Hypothese): Eine negative Behandlungserfahrung hat einen
negativen Einfluss auf das Outcome der nächsten Behandlung.
Negative Behandlungserfahrung < Positive Behandlungserfahrung
c. H1b (H1b-Hypothese): Eine negative Behandlungserfahrung hat einen
positiven Einfluss auf das Outcome der nächsten Behandlung.
Negative Behandlungserfahrung > Positive Behandlungserfahrung
2. Inwieweit ist ein Wechsel der Darreichungsform (von Pflaster auf Tablette) relevant
für das Outcome der nächsten Behandlung?
a. H0 (Null-Hypothese): Der Wechsel der Darreichungsform hat keinen
Einfluss auf das Outcome von Therapie 2.
11Gleiche Darreichungsform = Wechsel der Darreichungsform
b. H1a (H1a-Hypothese): Ein Wechsel hat einen positiven Einfluss auf das
Outcome der nächsten Behandlung.
Andere Darreichungsform > Wechsel der Darreichungsform
c. H1b (H1b-Hypothese): Ein Wechsel hat einen negativen Einfluss auf das
Outcome der nächsten Behandlung.
Andere Darreichungsform < Wechsel der Darreichungsform
3. Inwieweit interagieren der Effekt der Behandlungserfahrung (positiv vs. negativ)
und der Effekt des Wechsels der Darreichungsform (hier von Pflaster auf Tablette)
in Bezug auf das Outcome der nächsten Behandlung?
a. H0 (Null-Hypothese): Es gibt keine Interaktion zwischen dem Effekt des
Wechsels der Darreichungsform und dem Effekt der
Behandlungserfahrung.
Wechsel der Darreichungsform - Behandlungserfahrung
b. H1a (H1a-Hypothese): Der Effekt des Wechsels der Darreichungsform
interagiert unterstützend auf den Effekt der Behandlungserfahrung.
Wechsel der Darreichungsform à Behandlungserfahrung
c. H1b (H1b-Hypothese): Der Effekt des Wechsels der Darreichungsform
interagiert durchbrechend/auslöschend auf den Effekt der
Behandlungserfahrung.
Wechsel der Darreichungsform --| Behandlungserfahrung
4. Analoge Testung der oben genannten Hypothesen (1-3) für die zweite Outcome-
Variable Erwartung an Tag 3:
a. Welchen Einfluss hat die Behandlungserfahrung auf die Erwartung?
b. Welchen Einfluss hat der Wechsel der Darreichungsform auf die
Erwartung?
c. Gibt es eine Interaktion zwischen beiden Effekten in Bezug auf die
Erwartung?
12Begriffsdefinition (im Kontext dieser Studie)
Vor den folgenden Kapiteln „Methoden“, „Resultate“ und „Diskussion“ werden die in
diesem Zusammenhang spezifisch genutzten Begriffe erläutert, die bisher noch nicht
eingeführt sind.
VAS
VAS bedeutet „Visuelle Analog Skala“ und diente im Rahmen der Studie zur individuellen
Bewertung der Hitzeschmerzreize: von 0 gar kein Schmerz bis 100 unerträglicher Schmerz.
Die Bewertung wurde durch die Versuchsleiterin begleitet und über eine Skala auf dem
Bildschirm bewertet und abgefragt.
Kalibrierung
Als Kalibrierung wird die Individualisierung der Stimulationstemperatur im Experiment
bezeichnet.
Die Kalibrierung wurde an Tag 1 und 3 durchgeführt. Die individuellen Temperaturen, die
einer VAS 20, VAS 50 und VAS 80 entsprachen wurden mittels nicht-linearer Regression
(Polynom 2. Ordnung) interpoliert.
Konditionierung
Verglichen mit der Kontrollstelle wurde entweder eine oder keine verdeckte
Hitzereduktion vorgenommen, um eine positive oder negative „Behandlungserfahrung“ zu
imitieren (Exp+/Exp-).
Behandlung
Die Placebo-Behandlung dieser Studie bestand aus einem Pflaster oder Tablette in
Kombination mit individuell eingestellten (=kalibrierten) und verdeckt beeinflussten
Temperaturen. In der Studie wurden keine echten Medikamente gegeben.
Erwartung
Im Kontext dieser Studie wird in der Regel die Erwartung bezüglich des Behandlungserfolgs
gemeint.
13Carry-Over-Effekt/Übertragungseffekt
Als Übertragungseffekt wird der Zusammenhang zwischen Behandlungsvorerfahrung und
Behandlungserwartung bzw. Schmerzbewertung der Folgebehandlung beschrieben. Also,
in wie weit eine Behandlungserfahrung eine Folgebehandlung in Hinblick auf
Behandlungserwartung und Schmerzbewertung beeinflusst.
Ich schreibe in der Wir-Form und meine damit die Arbeitsgruppe Bingel.
14Methoden
Probanden/Rekrutierung/Ethik
Ethikkommission
Die Studie wurde entsprechend der Erklärung von Helsinki durchgeführt und durch die
lokale Ethikkommission der Universität Duisburg-Essen geprüft (Registrierungsnummer 13-
5598-BO). Von allen Probanden wurde das informierte, freiwillige Einverständnis zur
Studienteilnahme in schriftlicher Form eingeholt.
Probanden
Für die Studie wurden 73 männliche und weibliche Probanden rekrutiert. Alle Probanden
wurden an der nicht dominanten Unterarminnenseite (Händigkeit) getestet.
Die Rekrutierung fand über schriftliche Aushänge im Universitätsklinikum Essen und der
Universität Essen/Duisburg und per Mailaufruf über einen bereits bestehenden
Probandenverteiler statt. Die Probanden erhielten eine Aufwandsentschädigung in Höhe
von 80€.
Am ersten Studientag wurden die Ausschlusskriterien abgefragt und dokumentiert:
• schwerwiegende, chronische Erkrankung, regelmäßige Medikamenteneinnahme
(außer orale Kontrazeptiva bei Frauen)
• Schmerzmedikamenteneinnahme in den letzten 14 Tagen
• Schwangerschaft
• Alkoholkonsum vor und an den Versuchstagen
• Cannabiskonsum innerhalb der letzten 4 Wochen
• Konsum anderer illegaler Drogen (in den letzten 6 Monaten)
• Teilnahme an anderen klinischen Studien in den letzten 3 Monaten
• neurologische Erkrankung oder Verletzung an Gehirn oder Wirbelsäule
• Schmerzerkrankung/Schmerzleiden
• aktuell negatives Gesundheitsempfinden
Darüber hinaus wurde der durchschnittliche Alkoholkonsum, bekannte
Allergien/Intoleranzen und bei den Frauen der aktuelle Zyklusstand dokumentiert.
Den Probanden wurden folgende Informationen zu der Studie gegeben:
15„Ziel: Erforschung der individuellen Schmerzwahrnehmung sowie der
Wirkung von zwei bewährten schmerzlindernden Medikamenten. Es
handelt sich NICHT um eine Medikamentenstudie mit neuen
Medikamenten, sondern die Erforschung der individuell sehr
unterschiedlichen Wirksamkeit bereits gut erforschter Medikamente. Dies
soll uns helfen, interindividuelle Unterschiede bei der
Schmerzwahrnehmung und -regulation besser zu verstehen. Zudem hoffen
wir, aus diesem verbesserten Verständnis in Zukunft
Behandlungsstrategien insbesondere bei chronischen
Schmerzerkrankungen ableiten zu können
Wirkstoffe: Es werden zwei Medikamente als Pflaster oder Tablette
verabreicht. Beide Schmerzmittel werden im klinischen und häuslichen
Alltag häufig verwendet und haben ein sehr günstiges
Nebenwirkungsprofil. Um die Erwartungs- und Erfahrungseffekte zu
minimieren, werden die Handelsnamen nicht genannt.“
16Studiendesign
Gesunde Versuchsteilnehmer („Probanden“) wurden mit Hilfe einer fortlaufend
nummerierten Liste entsprechend des 2x2 faktoriellen Designs in vier Gruppen unterteilt.
Die Randomisierung von Probandennummern und Gruppenzugehörigkeit wurde vor dem
Versuchsbeginn per Zufallsverfahren (RAND-Funktion in Excel 2010) ausgelost (Mélard,
2014).
An den Konditionierungstagen 1 und 2 wurden die Probanden in zwei Gruppen unterteilt:
eine Gruppe mit positiven und eine Gruppe mit negativen Behandlungserfahrungen
(positive/negative Experience, Exp+/-).
Die zwei Gruppen wurden für den 3. Testtag weiter unterteilt in jeweils eine Untergruppe
mit und eine Untergruppe ohne Behandlungswechsel (maintain/change Route of
Administration, RoA-/+).
Abbildung 1: Studiendesign
VAS-Visuelle Analog Skala: Hitzereizintensität
Der Versuch fand an drei aufeinander folgenden Tagen mit einer Dauer von je 1-1½ Stunden pro
Untersuchungstag statt. An Tag 1 und 2 simulierten wir mit manipuliert niedrigen oder hohen
Hitzeschmerzreizen einen entweder positiven oder negativen Schmerzbehandlungseffekt mit
Placebo-Pflaster 1. Während der Testphase an Tag 3 wurde die Schmerzbewertung einer zweiten
Placebo-Behandlung getestet, die entweder als anderes Pflaster oder als sublinguale Tablette
verabreicht wurde (ohne und mit Wechsel der Darreichungsform).
17Experimentelle Prozedur
Ablauf der drei Tage
Tag 1-Konditionierung
1. Aufklärung und Einwilligungserklärung, Probandendaten
2. Einschluss-/Ausschlusskriterien
3. Bestimmung der Hitze-/Schmerzschwelle, 10 Min
4. Erklärung der Bewertungsskala (Visuellen Analog Skala, VAS 100), 5 Min
5. Individualisierung der Stimulationstemperatur, 20 Min
6. Konditionierung der Kontrollstelle, VAS 80, 15 Min
7. Pflaster mit Placebo 1 auftragen, (online Fragebogen 1) –„Einwirkzeit“ 10 Min
8. Positive/negative Konditionierung Wirkstelle VAS 20/ VAS 80, 15 Min
Tag 2 -Konditionierung
1. Ausschluss-Fragen
2. Konditionierung Kontrollstelle VAS 80, 15 Min
3. Pflaster mit Placebo 1 auftragen, (online Fragebogen 2) –„Einwirkzeit“ 10 Min
4. Positive/negative Konditionierung Wirkstelle VAS 20/ VAS 80, 15 Min
Tag 3-Testung
1. Ausschluss-Fragen
2. Individualisierung der Stimulationstemperatur, 20 Min
3. Testung Kontrollstelle, VAS 80, 15 Min
Als entweder Pflaster (kein Wechsel der Darreichungsform/RoA-)
4. Pflaster mit Placebo 2 auftragen, (online Fragebogen 3) -„Einwirkzeit“ 10 Min
5. Testung Wirkstelle, VAS 50, 15 Min
Oder Tablette (Wechsel der Darreichungsform/RoA+)
4. Tablette mit Placebo 2 geben, (online Fragebogen) -„Einwirkzeit“ 10 Min
5. Testung Wirkstelle, VAS 50, 15 Min
18Konditionierungsphase (Tage 1 und 2)
An Tag 1 wurden die Probanden zunächst über den Versuch und das Prozedere aufgeklärt.
Es wurden die Geräte und Verfahren vorgestellt, der Ablauf besprochen und alle relevanten
Informationen zu der Studie gegeben. Darüber hinaus wurden die Probandendaten
aufgenommen, die Ein- und Ausschlusskriterien überprüft und die Einwilligung zur Studie
schriftlich eingeholt. Medikamenteneinnahme, Alkoholkonsum und aktuelles Befinden
wurde an Tag 2 und 3 wiederholt zu Anfang abgefragt. Die Informationen und Instruktionen
wurden von der Versuchsleiterin abgelesen, um eine Vergleichbarkeit der Studie zu
ermöglichen. Es gab keinen Raumwechsel und keinen Versuchsleiterwechsel, sodass an
allen drei Tagen und bei allen Probanden möglichst gleiche/vergleichbare Bedingungen
herrschten. Die erfragten Daten wurden in einem Erhebungsbogen festgehalten (siehe
Anhang „CRF –Case Report Form“).
Im zweiten Schritt wurden verschiedene Vortests durchgeführt: Am ersten Tag wurden die
Hitze- und Schmerzschwelle bei jedem Probanden geprüft und dokumentiert (siehe
Methoden: „Quantitative Sensorische Testung “). So wurde bei allen Probanden
sichergestellt, dass ein normales Hitzeempfinden und Schmerzschwelle an dem zu
testenden Arm besteht. Mit einem Edukationsprogramm wurde die Bewertungsskala
(Visuelle Analog-Skala, VAS 100) erläutert (siehe „Edukation“).
Mit einem Verfahren zur Individualisierung der Stimulationstemperatur an Tag 1 wurden
die individuellen Temperaturen ermittelt, die einem individuellen VAS-Rating von 20 und
80 entsprechen (siehe Methoden: „Individualisierung der Stimulationstemperatur,
Kalibrierung“). Darüber hinaus dienten die verschiedenen Tests dazu, den Probanden
Ablauf, Equipment etc. näher zu bringen bevor der eigentliche Versuch begann.
Für die Konditionierung testeten wir zunächst die Kontrollseite mit der individuell
äquivalenten VAS 80 und umrandeten diese Stelle rot auf dem Unterarm. Die Probanden
erhielten 15 Reize.
Im nächsten Schritt trug die Versuchsleiterin das Placebo-Pflaster mit „Wirkstoff 1“ auf und
umrandete den Pflasterbereich grün. Es wurde dazu gesagt, dass der „Wirkstoff“ eine
19Mindesteinwirkzeit von 10 Minuten habe und keine Nebenwirkungen zu erwarten seien
(siehe oben und im Anhang „Anweisungen“). Während der 10 Minuten Einwirkzeit füllten
die Probanden den ersten bzw. zweiten Fragebogen aus (siehe Methoden: „Fragebögen“).
Vor der Pflaster-Konditionierung wurde die Erwartung abgefragt. Nach den 15 Reizen
wurde die Bewertung abgefragt (jeweils: 0=keine bis 5=maximale Schmerzreduktion).
Die Probanden wurden randomisiert in zwei Gruppen aufgeteilt:
In der einen Gruppe ("positive Behandlungserfahrung") wurde durch eine verdeckte
Reduktion der Hitzestimulation (auf eine individuell angepasste VAS 20) auf der
behandelten Körperstelle im Gegensatz zur Kontrollstelle (VAS 80) eine positive
Behandlungserfahrung („starke Schmerzlinderung“) induziert.
In der anderen Gruppe wurde durch eine verdeckte Temperaturbeeinflussung eine
„negative Behandlungserfahrung“ induziert, indem die Hitzeschmerzstimulation auf eine
individuelle VAS 80 angepasst wurde („keine Schmerzlinderung“) im Vergleich zu der an
eine VAS 80 angepassten Temperatur der Kontrollstelle.
Mit der Programmierung (siehe unten „Individualisierung der Stimulationstemperatur, sog.
Kalibrierung“) passten sich die Temperaturen während der Konditionierungstage
individuell an und entsprachen einer äquivalenten VAS 80 auf der Kontrollstelle und einer
VAS 80 („negative Konditionierung mit Placebo 1“) bzw. VAS 20 („positive Konditionierung
mit Placebo 1“).
Um die negative bzw. positive Konditionierungswirkung zu verstärken wurde dieses
Prozedere an Versuchstag 2 identisch wiederholt.
20Testphase (Tag 3)
Zu Anfang ermittelten wir erneut die aktuellen Temperaturen äquivalent zu einer
individuellen VAS 80 und VAS 50 (siehe Methoden: „Individualisierung der
Stimulationstemperatur, Kalibrierung“). Mit den neu ermittelten und individuell
angepassten Temperaturen testeten wir, wie auch an den Tagen 1 und 2, zuerst die
Kontrollseite (15 Hitzereize mit einer individuell angepassten VAS 80).
Anschließend erhielten alle Probanden ein neues Placebo-Medikament. Sie erhielten
„Wirkstoff 2“ entweder als Pflaster (gleiche Darreichungsform: topisch-topisch; RoA-) oder
als Tablette (Wechsel der Darreichungsform: topisch-oral; RoA+).
Den Probanden wurde erklärt, dass „Wirkstoff 2“ ein ebenfalls gut erforschtes
Schmerzmedikament sei und im Gegensatz zu „Wirkstoff 1“ ein anderes Wirkprofil habe
und somit an anderen Stellen im Körper ansetze (siehe Anhang „Anweisungen“). Das
Pflaster sah anders aus, damit es sich auch optisch klar von dem Pflaster an den
Konditionierungstagen 1 und 2 unterschied (siehe Methoden: „Wirkstoffe“). Die Tablette
wurde als sublinguale Tablette vorgestellt, wodurch sich auch die kurze Einwirkzeit von
zehn Minuten erkläre (siehe Methoden: „Wirkstoffe“). Während der zehn Minuten
„Mindesteinwirkzeit“ erhielten die Probanden den dritten Fragebogen.
Vor der Pflaster- bzw. Tablettengabe wurden wieder die Erwartung und zum Schluss die
Bewertung abgefragt (jeweils: 0=keine bis 5=maximale Schmerzreduktion).
Das Prozedere änderte sich also nicht im Vergleich zu den Tagen 1 und 2.
Die jeweils 15 applizierten Stimulus-Intensitäten auf der Stelle mit „Wirkstoff 2“ waren
somit bei den vier Probandengruppen (Exp-/RoA-; Exp-/RoA+; Exp+/RoA-; Exp+/RoA+,
siehe „Abbildung 1“) identisch: individuell angepasste und einer VAS 50 äquivalente
Hitzereize auf der Wirkstelle mit „Wirkstoff 2“ als Pflaster oder Tablette im Vergleich zu
VAS 80 auf der Kontrollstelle. Am dritten Tag passte sich die Temperatur nicht mehr an,
sondern errechnete sich aus der am dritten Tag wiederholten Kalibrierung und blieb
konstant (Kalibrierung an Tag 1 und 3, siehe Methoden „Kalibrierung“).
21Lokalisation der Behandlung
Alle Probanden wurden an der nicht dominanten Unterarminnenseite getestet (Abbildung
2). In einer balancierten Randomisierung wurde sichergestellt, dass die Kontroll- und
Wirkstellen innerhalb der vier Gruppen ausgeglichen verteilt waren. Kontroll- und Testseite
lagen immer nebeneinander und an Tag 2 ober- bzw. unterhalb der Stelle von Tag 1 und 3,
damit Kontroll- bzw. Wirkstelle nicht zwei Tage hintereinander auf der gleichen Stelle
lagen; Kontroll- und Wirkstelle wechselten dabei (siehe Abbildung 2 und Anhang
„Randomisierungs-Liste“).
Mit Absicht (s.u.) wurde die Reihenfolge der Testung von Kontroll- und Wirkstelle nicht
randomisiert. An Tag 3 testeten wir bei der Hälfte der Probanden „Wirkstoff 2“ als Tablette.
Um die Kontrollstelle „ohne Tablettenwirkung“ zu testen, war hier also die Reihenfolge,
Kontrollstelle zuerst, vorgegeben. Damit sich die Tage und die Gruppen untereinander im
Ablauf nicht unterschieden, testeten wir also immer die Kontrollstelle zuerst.
Abbildung 2: Wirkstellen 1-4 am Unterarm und Ausschnitt der Randomisierungs-Liste
Verwendete Placebo-Wirkstoffe
Für die Konditionierungstage 1 und 2
Placebopflaster: 3x5 cm, weiß, ca. 2 mm dicke Filzbeschichtung, klebend
Für den Testtag 3
Placebopflaster: 3x5 cm großes Pflaster, durchsichtig, Plastik, klebend
Placebotablette: 7mm, weiße Laktose-Monohydrat-Tablette („P-Tabletten“,
Winthrop Arzneimittel GmbH, Frankfurt, als Sublinguale Tablette vorgestellt)
22Quantitative Sensorische Testung
Zur Überprüfung des individuellen Hitzeempfindens und der Schmerzschwelle
verwendeten wir an Tag 1 ein etabliertes somatosensorisches Testverfahren: Quantitative
Sensorische Testung nach den Regeln des Deutschen Forschungsverbundes
Neuropathischer Schmerz (Rolke et al., 2006). In dem Verfahren untersuchten wir, ab wann
Temperaturveränderungen wahrgenommen werden, und darüber prüften wir, ab wann
die Hitzereize als schmerzhaft empfunden werden. Beide Tests wiederholten wir zusätzlich
zu einem Probereiz dreimal.
Für die Definition von „schmerzhaft“ verwendeten wir die Beschreibung: „Brennen“,
„Stechen“, „Bohren“ oder „Ziehen“. Wir haben hinzugefügt, dass es um den Moment geht,
„in dem die Temperatur als am geringsten schmerzhaft“ empfunden wird (siehe Anhang
„Anweisungen“).
Hitzestimulation allgemein
Für die Hitzereize verwendeten wir eine 30x30 mm große ATS-Thermode (Keramikplatte,
Pathway System, Medoc; Ramat Yishai, Israel). Jede Hitzestimulation/Schmerzreiz bestand
aus drei Phasen: Antizipation, Schmerz, Rating. Nach einer variablen Antizipations-Phase
(3-7 Sekunden) stieg die Temperatur schnell (10°C/s) auf ein bestimmtes Temperatur-
Niveau (=Schmerzreiz) an und blieb für 15 Sekunden konstant. Im Anschluss sank die
Temperatur schnell (10°/s) auf die Ausgangstemperatur (35°C) zurück und nach 3-7
Sekunden erschien die bekannte Bewertungsskala (VAS) für 10 Sekunden. Zwischen den
Reizen lagen jeweils 20 Sekunden (inter-trial-interval; ITI). Für den Probanden auf einem
Bildschirm sichtbar war ein Kreuz „+“, das sich nach wenigen Sekunden in zwei Striche „- -
“ verwandelte und signalisierte, dass die Temperatur gleich ansteigen würde. Mit dem
Erscheinen des zweiten Kreuzes „+“ stieg die Temperatur mit leichter Verzögerung
(Antizipationsphase) auf das Hitzeschmerz-Niveau an.
Wir haben die Probanden auf zwei Anpassungsprozesse der Haut in Bezug auf wiederholte
Hitzeschmerzreize aufmerksam gemacht:
23„Sie werden bemerken, dass manche Reize sich über die 15 Sekunden
gefühlt abschwächen und manche sich gefühlt verstärken. Das passiert
aufgrund ganz normaler Anpassungsprozesse in der Haut. Versuchen Sie
den vorangegangenen Reiz immer als Ganzes zu bewerten.
Sie werden außerdem bemerken, dass sich das Hitzeempfinden nach
wiederholter Reizung verändert. Dies ist ganz normal und für uns
interessant. Versuchen Sie nicht das veränderte Empfinden über die Zeit
"herauszurechnen". Bewerten Sie also jeden Reiz für sich, d.h. so wie er
sich insgesamt angefühlt hat.“
Bewertungsskala
In einem Edukationsprogramm haben wir den Probanden die Bewertungsskala (Visuelle
Analog Skala, VAS 100) gezeigt und näher erläutert. (Endpunkte: links= „nicht
schmerzhaft“, rechts= „unerträglich schmerzhaft“). Es wurde noch einmal „unerträglich“
als „so schmerzhaft definiert, dass der Proband es im Rahmen dieses Versuches nicht
ertragen möchte“. (Außerdem wurde noch einmal der Unterschied zwischen „heiß“ und
„schmerzhaft“ erklärt). Im Anschluss an die Erklärung wurden zum besseren Verständnis
vier „Probereize“ als Trockenübung ohne Temperatur gezeigt und vom Probanden auf der
Skala bewertet und von der Versuchsleiterin evtl. korrigiert.
Individualisierung der Stimulationstemperatur (sog. Kalibrierung)
Die Kalibrierung wurde an Tag 1 und 3 durchgeführt. Das Verfahren diente dazu, die
individuellen Temperaturen zu ermitteln, die einer individuellen VAS 20, VAS 50 und VAS
80 entsprechen. Die Temperaturen wurden mittels nicht-linearer Regression (Polynom 2.
Ordnung) interpoliert. Zu dem Verfahren bekamen die Probanden folgende Information:
„Im folgenden Versuch werden wir nun den Temperaturbereich
herausfinden in dem Sie Temperaturen als schmerzhaft, aber nicht
unerträglich wahrnehmen. Dazu werden 15 Reize mit unterschiedlichen
Intensitäten gegeben, die Sie anschließend bewerten sollen.“ (siehe
Anhang „Anweisungen“)
24An Tag 1 gaben wir zwei Probereize (44°C und 46.1°C), um das Prozedere zu erklären und verständlich zu machen. Anschließend bekamen die Probanden 16 randomisierte Reize zu je 15 Sekunden zwischen 44.0 und 47.5°C. Nach den ersten acht Reizen wurden erneut acht Reize präsentiert. Die Reizstärken wurden dabei nach einem automatisierten Verfahren so gewählt, dass der Temperaturbereich bei sehr empfindlichen (44.6-46.4°C) und empfindlichen (45.1-46.9°C) Probanden niedriger waren. Bei normalen (45.5-47.4°C) Probanden wurden die Temperaturstufen im bisher gemessenen Bereich genauer aufgelöst. Bei unempfindlichen (46.1-47.8°C) und sehr unempfindlichen Probanden (46.6-48.3°C) wurden die Temperaturen entsprechend höher eingestellt. Die Anzahl der Bewertungen nahe 100 (>90) nach den ersten acht Stimulationen war Maßgeblich für die Einstufung als unempfindlich (2) bis sehr unempfindlich (3). Das höchste maximale Rating war Maßgeblich für die Einstufung als normal (>=80), unempfindlich (>=50) und sehr unempfindlich (48,5°C oder
Interaktion auf die Schmerzbewertung einen Einfluss haben, haben wir eine ANOVA erstellt. Für die Testung der vierten Hypothese und die Frage, welchen Effekt für das Outcome die Variable „Erwartung“ hat, sind wir gleichermaßen vorgegangen. Mit einem Alpha-Fehlerniveau von 5% (p
Resultate
Probandendaten
Ausschluss
Von den 73 Probanden mussten wir zehn von der Studie ausschließen, sodass wir
insgesamt 63 Datensätze auswerten konnten. Ausschlussgründe:
4 wegen abnormer Schmerzschwelle (in der Kalibrierung)
3 wegen Krankheit nach dem ersten Tag
2 wegen einer ausschließenden Vorerkrankung (Aufklärung)
1 wegen Eingabefehlern der Versuchsleiterin
Verteilung (Gruppen)
Zur Darstellung der Gruppen siehe Methoden, Abbildung 1.
Gruppe 1 2 3 4 n alle % alle
Erfahrung (Exp)
positiv positiv negativ negativ - -
Wechsel der
Ja Nein Ja Nein - -
Darreichungsform (RoA)
Exp+/RoA+ Exp+/RoA- Exp-/RoA+ Exp-/RoA-
Benennung - -
(=PTbl) (=PPfl) (=NTbl) (=NPfl)
Anzahl 16 16 16 15 63
% 25,4% 25,4% 25,4% 23,8% 100%
Davon Männer 10 9 5 9 33 -
% 62,5% 56,3% 31,3% 60% - 52,4%
Alter (MW±Range) 26 (19-36) 26 (19-35) 25 (19-36) 26 (19-36) 26 (20-33) -
Tabelle 1: Gruppen-Eigenschaften
Die Probanden verteilten sich gleichmäßig auf die vier Gruppen (16; 16; 16; 15). In Prozent
angegeben, wie sich Männer in den Gruppen verteilten. Darüber hinaus ist das Alter der Probanden
in den vier Gruppen angegeben.
27Schmerzbewertung: Auswertung der Konditionierung, Tage 1 und 2
An Tag 1 und 2 simulierten wir entweder einen positiven oder einen negativen Schmerzbehandlungseffekt.
(Kombination aus einer Pflasterbehandlung mit einer Konditionierungsprozedur: manipulierte hohe oder
niedrige Hitzeschmerzreize)
GRAPHEN 1a-c: Ratings an den Konditionierungstagen
Legende Graphen 1a-c:
Schmerzratings, Kontrollstelle
100 Schmerz-Ratings an Tag 1 und 2,
Positiv (Exp+)
Zielwert Negativ (Exp-) (MW±SEM), angegeben als VAS
VAS-rating
60 (=Visuelle Analog Skala)
40 Gruppen: Positiv/Negativ (Exp+/Exp-):
20
manipuliert niedrige/hohe
0
Tag 1 Tag 2 Hitzeschmerzreize auf die
Behandlungsstelle.
Graph 1a, VAS-Ratings der Kontroll-Stelle
Schmerzratings, Placebostelle
100
Positiv (Exp+)
Zielwert (Exp-) Negativ (Exp-)
VAS-rating
60
40
Zielwert (Exp+)
0
Tag 1 Tag 2
Graph 1b, VAS-Ratings der Behandlungsstelle
Schmerzratings, Differenzen
80
VAS-rating, Kontroll-Placebo
Positiv (Exp+)
Zielwert (Exp+) Negativ (Exp-)
40
20
Zielwert (Exp-)
-20
Tag 1 Tag 2
Graph 1c, Differenzen der VAS-Ratings
Abbildung 3: Graphen 1a-c, Ratings an den Konditionierungstagen
28GRAPHEN 2a-c: Temperaturen an den Konditionierungstagen
Legende Graphen 2a-c:
Temperaturen, Kontrollstelle
50 Temperaturen an Tag 1 und 2,
Positiv (Exp+)
(MW±SEM), angegeben in °C
Temperaturen (°C)
48 Negativ (Exp-)
46 Gruppen: Positiv/Negativ (Exp+/Exp-):
44
manipuliert niedrige/hohe
42
Hitzeschmerzreize auf die
40
Tag 1 Tag 2 Behandlungsstelle
Graph 2a, Temperaturen (°C) der Kontroll-Stelle
Temperaturen, Placebostelle
50
Positiv (Exp+)
Temperaturen (°C)
48 Negativ (Exp-)
46
44
42
40
Tag 1 Tag 2
Graph 2b, Temperaturen (°C) der Behandlungsstelle
Temperaturen, Differenzen
Temperaturen (°C), Kontroll-Placebo
3
Positiv (Exp+)
2
Negativ (Exp-)
1
0
-1
Tag 1 Tag 2
Graph 2c, Differenzen Temperaturen (°C)
Abbildung 4: Graphen 2a-c, Temperaturen an den Konditionierungstagen
Exp+ Exp+ Exp+ Exp- Exp- Exp-
Kontrollstelle Behandlungs- Differenz Kontrollstelle Behandlungs- Differenz
Stelle Stelle
Zielwert 80 20 60 80 80 0
Ratings (VAS) 78,23 (±0,94) 17,93 (±1,33) 60,28 (±1,67) 77,61 (±1,2) 76,98 (±1,25) 0,64 (±0,89)
Min-Max 9,1-52,1 56,5-88,7
Temp. (°C) 47,09 (±0,12) 45,34 (±0,12) 1,75 (±0,74) 47,09 (±0,12) 47,18 (±0,12) -0,09 (±0,04)
Tabelle 2: Mittelwerte(±SEM) der Ratings und Temperaturen, Konditionierungstage 1 und 2
29Erläuterungen der Daten
Wie in den Graphen 1a-c und 2a-c und in der Tabelle 2 zu sehen ist, wurde in der positiv
konditionierten Gruppe (Zielwert: VAS 20) die Behandlungsstelle mit durchschnittlich
45,34°C stimuliert, was im Durchschnitt zu Schmerz-Ratings von 17,93 führte (Min-Max-
Spanne der VAS-Ratings: 9,1-52,1; Graph 1b). In der negativ konditionierten Gruppe
(Zielwert: VAS 80) wurde die Behandlungsstelle durchschnittlich mit 47,18°C stimuliert und
in Folge mit 76,98 bewertet (Min-Max-Spanne der VAS-Ratings: 56,5-88,7; Graph 1b).
Im Vergleich haben wir mit durchschnittlich 47,09°C auf der Kontrollstelle in beiden
Gruppen (Zielwert: VAS 80) eine Bewertung von 78,23 (Exp+) und 76,98 (Exp-) erreicht.
Für die weitere Auswertung werden wir die Differenz zwischen Kontroll- und
Behandlungsstelle der VAS-Ratings verwenden. Die Erwartungs-Werte in der negativ
konditionierten Gruppe sind somit VAS 80 – VAS 80 = VAS 0 und in der positiv
konditionierten Gruppe VAS 80 – VAS 20 = VAS 60.
>VAS 0 bzw. >VAS 60 bedeutet demnach eine vergleichsweise geringere
Schmerzbewertung der Behandlungsstelle und damit eine stärkere Konditionierung in der
positiven bzw. geringere Konditionierung in der negativen Gruppe.
Mean Exp+ Mean Exp- Differenz SE t ratio df P value
Tag 1 59,49 0,11 59,38 1,85 32,14 60Insgesamt fanden sich in beiden Gruppen an den Konditionierungstagen wenige Ausreißer
(hier definiert als eine Abweichung von ±10 VAS). In beiden Gruppen (Exp+/-) gab es an
beiden Tagen elf Probanden, die die Kontrollstelle mit VAS 90 (Min-Max-Spanne der VAS-Rating der Kontrollstelle: 57,4-87,7; Graph
1a). In der negativ konditionierten Gruppe haben acht Probanden die Hitzereize mit VAS 90.
In der positiv konditionierten Gruppe haben zwei Probanden die Behandlungsstelle mit
VAS 30 bewertet und wurden somit schwächer konditioniert.
31Schmerzbewertung: Auswertung der Testung, Tag 3
An Tag 3 wurde der Behandlungs-Effekt von einem zweiten Placebo-Medikament getestet, das entweder
ebenfalls als Pflaster (optisch unterschiedlich) oder als Tablette verabreicht wurde (=mit oder ohne Wechsel
der Darreichungsform). Alle Probanden erhielten die gleiche Temperatur (VAS 50 auf der Wirkstelle und VAS
80 auf der Kontrollstelle)
GRAPHEN 3a-c: Ratings an Tag 3
Legende Graphen 3a-c:
Schmerzratings, Kontrollstelle
100 Schmerz-Ratings an Tag 3, (MW±SEM),
Positiv (Exp+)
mit Wechsel (RoA+)
Zielwert angegeben mit VAS (=visuelle Analog
Positiv (Exp+)
VAS-rating
ohne Wechsel (RoA-)
60 Skala)
Negativ (Exp-)
40 mit Wechsel (RoA+)
Gruppen: Positiv/Negativ (Exp+/Exp-):
Negativ (Exp-)
20 ohne Wechsel (RoA-) manipuliert niedrige/hohe
0
Tag 3 Hitzeschmerzreize auf die
Behandlungsstelle
Graph 3a, VAS-Rating der Kontroll-Stelle
Mit/ohne Wechsel der
Schmerzratings, Placebostelle
Darreichungsform (RoA+/-): Placebo-
100
Positiv (Exp+)
mit Wechsel Wirkstoff 2 als Tablette oder wie
80 (RoA+)
Positiv (Exp+)
gewohnt als Pflaster
VAS-rating
60 ohne Wechsel (RoA-)
Zielwert
Negativ (Exp-)
40 mit Wechsel (RoA+)
Negativ (Exp-)
20 ohne Wechsel (RoA-)
0
Tag 3
Graph 3b, VAS-Rating der Behandlungsstelle
Schmerzratings, Differenzen
VAS-rating, Kontroll-Placebo
80
Positiv (Exp+)
mit Wechsel (RoA+)
60
Positiv (Exp+)
40 ohne Wechsel (RoA-)
Zielwert Negativ (Exp-)
20 (mit Wechsel RoA+)
Negativ (Exp-)
0 ohne Wechsel (RoA-)
-20
Tag 3
Graph 3c, Differenzen VAS-Rating
Abbildung 5: Graphen 3a-c, Ratings an Tag 3
32GRAPHEN, 4a-c: Temperaturen an Tag 3
Legende Graphen 4a-c:
Temperaturen, Kontrollstelle
Temperaturen, Kontrollstelle
50
50 Temperaturen an Tag 3, (MW±SEM),
Positiv
Positiv (Exp+)
(Exp+)
48 mit Wechsel (RoA+) angegeben in °C
VAS-rating(°C)
48 Negativ (Exp-)
Positiv (Exp+)
Temperaturen
46
46 ohen Wechsel (RoA-) Gruppen: Positiv/Negativ (Exp+/Exp-):
Negativ (Exp-)
44
44 mit Wechsel (RoA+) manipuliert niedrige/hohe Hitzeschmerzreize
Negativ (Exp-)
42 ohne Wechsel (RoA-) auf die Behandlungsstelle
40
Tag 1 Tag 3 Tag 2
Graph 4a, Temperaturen der Kontroll-Stelle Mit/ohne Wechsel der Darreichungsform
(RoA+/-): Placebo-Wirkstoff 2 als Tablette
Temperaturen, Kontrollstelle
Temperaturen, Placebostelle
50
50
oder wie gewohnt als Pflaster
Positiv(Exp+)
Positiv (Exp+)
mit Wechsel (RoA+)
48
VAS-rating(°C)
48 Negativ (Exp-)
Positiv (Exp+)
Temperaturen
46 ohne Wechsel (RoA-)
46
Negativ (Exp-)
44
44 mit Wechsel (RoA+)
Negativ (Exp-)
42
42 ohne Wechsel (RoA-)
40
40
Tag 1 Tag 3 Tag 2
Graph 4b, Temperaturen der Behandlungsstelle
Temperaturen, Differenzen
(°C), Kontroll-Placebo
Temperaturen, Differenzen
3
3 Positiv (Exp+)
Positiv
Negativ (Exp+)
(Exp-)
2 mit Wechsel (RoA+)
2
Positiv (Exp+)
VAS-rating
1 ohne Wechsel (RoA-)
1 Negativ (Exp-)
mit Wechsel (RoA+)
Temperaturen
0
0 Negativ (Exp-)
ohne Wechsel (RoA-)
-1
-1 Tag 1 Tag 2
Tag 3
Graph 4c, Differenzen Temperaturen
Abbildung 6: Graphen 4a-c, Temperaturen an Tag 3
33Exp+ Exp+ Exp- Exp-
RoA+ Kontrollstelle Behandlungs- Differenz Kontrollstelle Behandlungs- Differenz
Stelle Stelle
Standard 80 50 30 80 50 30
Ratings(VAS) 80,76(±3,07) 49,51(±6,00) 31,25(±4,98) 73,71(±2,77) 46,09(±2,52) 27,13(±3,2)
Temp. (°C) 47,12(±0,19) 46,44(±0,22) 0,68(±0,06) 47,38(±0,11) 46,71(±0,13) 0,67(±0,04)
Tabelle 4: Mittelwerte(±SEM), Testtag, mit Wechsel der Darreichungsform (RoA+)
Exp+ Exp+ Exp- Exp-
Kontrollstelle Behandlungs- Differenz Kontrollstelle Behandlungs- Differenz
Stelle Stelle
Standard 80 50 30 80 50 30
Ratings(VAS) 76,94(±2,80) 57,27(±5,04) 19,67(±4,53) 80,47(±2,5) 50,69(±5,86) 29,77(±5,12)
Temp. (°C) 47,34(±0,15) 46,70(±0,15) 0,64(±0,07) 47,35(±0,10) 46,60(±0,11) 0,75(±0,5)
Tabelle 5: Mittelwerte(±SEM), Testtag, ohne Wechsel der Darreichungsform (RoA-)
Erläuterungen zu den Testergebnissen
Überblick: Am dritten Tag haben wir die zwei Gruppen weiter unterteilt in eine Gruppe mit
und eine Gruppe ohne Wechsel der Darreichungsform (siehe Methoden, Abbildung 1). Alle
vier Gruppen erhielten eine individuell äquivalente VAS 80 auf die Kontrollstelle und eine
VAS 50 auf die Behandlungsstelle (siehe für die Schmerz-Ratings Graphen 3a-c und für die
applizierten Temperaturen Graphen 4a-c).
Eine Differenz >30 (=VAS 80 – VAS 50) bedeutet eine größere Spanne zwischen Kontroll-
und Behandlungsstelle und somit niedrigere Bewertung des Placebopflasters/-tablette
(besserer Behandlungseffekt) und/oder eine höhere Bewertung der Kontrollstelle.
Eine DifferenzZu den Ergebnissen: Wie in den Tabellen 4 und 5 zu sehen ist, ist die Differenz (zwischen
Kontroll- und Behandlungsstelle) bei allen Gruppen nahe der 30. Bei der positiv
konditionierten Gruppe mit einem Wechsel der Darreichungsform (Exp+/RoA+) ist die
Differenz am größten und liegt bei 31,25 (höchster Behandlungseffekt). Bei der positiv
konditionierten Gruppe ohne Wechsel der Darreichungsform (Exp+/RoA-) dagegen ist die
Differenz am niedrigsten und liegt bei 19,67 (geringster Behandlungseffekt).
Zusammengefasst sind die Behandlungseffekte, also die Differenz der Schmerz-Ratings, wie
in Graph 3c bzw. Tabelle 4 und 5 beschrieben:
Exp+/RoA+ > Exp-/RoA- > Exp-/RoA+ > Exp+/RoA-
In der reinen Bewertung der Behandlungsstelle lag die negativ konditionierte Gruppe mit
Wechsel der Darreichungsform (Exp-/RoA+) am niedrigsten, bewertete diese also als am
wenigsten schmerzhaft (VAS 46,09). Auffällig in dieser Gruppe ist allerdings, dass auch die
Kontrollstelle verhältnismäßig niedrig bewertet wurde (VAS 73,71) und somit die Differenz
bei 27,13 und somit nahe dem Durchschnitt aller vier Differenzen (Mittelwert aller vier
Differenzen: 26,96) liegt. In der Bewertung der Behandlungsstelle lag die positiv
konditionierte Gruppe ohne Wechsel der Darreichungsform (Exp+/RoA-) am höchsten, also
bewertete das Placebo-Pflaster am schmerzhaftesten (VAS 57,27). Der SEM lag wischen
±2,5 und 6,0 und in der Tendenz bei der Behandlungsstelle höher als bei der Kontrollstelle.
Die Temperaturen lagen bei der Kontrollstelle zwischen 47,12 und 47,38°C und bei der
Behandlungsstelle zwischen 46,44 und 46,71°C. Die Differenz der Temperatur liegt
zwischen 0,64 und 0,75. Der SEM liegt zwischen ±0,10 und 0,22.
35Hypothesenprüfung
MS SS F (DFn, DFd) P-Wert % Varianz
Faktor Behandlungserfahrung (Exp+/-) 141 141 F (1, 59) = 0,44 ,510 0,70
Faktor Wechsel der Darreichungsform (RoA+/-) 314 314 F (1, 59) = 0,98 ,325 1,56
Interaktion 797 797 F (1, 59) = 2,49 ,119 3,96
Residual 320 18856 59
Total
Tabelle 6: two-way ANOVA, Schmerz-Ratings Differenzen Tag 3 (Graph 3c)
Die Auswertung der Differenzen der VAS-Ratings an Tag 3 (Graph 3c) zwischen den vier
Gruppen:
Aus der ANOVA in Tabelle 6 geht hervor, dass der Faktor Wechsel der Darreichungsform
(RoA) 1,56% Einfluss auf die Varianz des Ergebnisses zeigt und der Faktor
Behandlungserfahrung (Exp) 0,70%. Der P-Wert liegt für den Faktor Wechsel der
Darreichungsform bei p=,325 und für den Faktor Behandlungserfahrung bei p=,510 und ist
damit >,05 und in beiden Fällen nicht signifikant.
Bei der statistischen Auswertung der Interaktion wird deutlich, dass sie mit 3,96% etwas
mehr Varianz aufzeigt als durch die einzelnen Haupteffekte der einzelnen Faktoren zu
erklären ist (0,70+1,56=2,26). Mit einem P-Wert von p=,119 ist die Interaktion aber
ebenfalls >,05 und damit als nicht signifikant zu betrachten.
Unter der Annahme, dass es keine Gruppenunterschiede gibt, sind Ergebnisse, die
mindestens so extrem sind wie die Beobachteten, mit einer Wahrscheinlichkeit von 12%
(Interaktion), 33% (RoA) und 51% (Exp) zu erwarten. Wir können deswegen nicht
ausschließen, dass die beobachteten Gruppenunterschiede zufällig entstanden sind.
Mit diesen Daten können wir die ersten drei Hypothesen nicht bestätigen und müssen
somit die H0-Hypothese annehmen. Demnach können wir keine statistisch belastbaren
Belege für Haupt- oder Interaktions-Effekte von Behandlungserfahrung und dem Wechsel
der Darreichungsform auf das Outcome der nächsten Behandlung finden.
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