Die Grenzabstände im Nachbarrecht - St. Galler Bauernverband
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Nachbarschaftsrecht 8–2017 St.Galler Bauer Welcher Grenzabstand für Lebhäge gilt, regelt das Nachbarrecht. Bild: Andreas Widmer Das Nachbarrecht im Kanton St.Gallen Teil 1/3 Die Grenzabstände im Nachbarrecht Wenn sich Nachbarn über den ten von Art. 98 ff. EG-ZGB haben in der einzuhaltenden Abstände sind abhän- Standort von Bäumen, Leb Praxis eine erhebliche Bedeutung. Die gig von der Art und der Höhe der hägen, Gräben oder Mauern Abstandsvorschriften für Pflanzen sol- Pflanzen sowie von der Nutzung der streiten, leistet das Gesetz len grundsätzlich verhindern, dass sich Grundstücke. Die Abstandsvorschrif- Abhilfe. Das Nachbarrecht ist im die Bäume und Sträucher mit ihren ten gelten für Gewächse, die der Ei- Schweizerischen Zivilgesetzbuch Ästen und Wurzeln ins Nachbargrund- gentümer selbst angepflanzt hat oder (ZGB) geregelt. Die Ausführung stück ausdehnen und ihm Nährstoffe die von selbst gewachsen sind. obliegt den Kantonen. und Feuchtigkeit entziehen. Ausser- dem sollen sie, selbst wenn die Äste Grabungen Auf den 1. Januar 2017 ist im Kanton nicht über die Grenze ragen, nicht (Art. 96 EG-ZGB) St. Gallen ein Nachtrag zum Einfüh- übermässig Schatten werfen und die Friedgräben und gemauerte Gruben rungsgesetz zum ZGB in Kraft getre- Aussicht nicht beeinträchtigen. Die dürfen bis an die Grenze reichen. Ande- ten. Verschiedene zum Teil über 100 Jahre alte gesetzliche Regelungen wurden überarbeitet und angepasst. Das ZGB gestattet in Art. 688 den Kantonen, «für Anpflanzungen je nach Art des Grundstückes und der Pflanzen bestimmte Abstände vom nachbarlichen Grundstück vorzu- schreiben». Der Kanton St. Gallen hat davon Gebrauch gemacht und im EG- ZGB die entsprechenden Vorschriften 18 erlassen. Die Grenzabstandsvorschrif- Friedgräben und gemauerte Gruben. Wassergräben und andere Gruben.
re Gruben und Wassergräben von Einfriedungspflicht (Art. 114 EG-ZGB) 8–2017 Nachbarschaftsrecht mehr als 45 Zentimeter Tiefe sind in Entlang der Grenzen von Grundstü- Pflanzen allgemein einer Entfernung anzubringen, welche cken stehen oftmals Zäune. Wo auf (Art. 98bis EG-ZGB) St.Galler Bauer wenigstens einem Drittel der Tiefe ent- aneinander grenzenden Grundstücken Das EG-ZGB regelt bei Pflanzen die spricht und mindestens 30 Zentimeter beidseitiger Weidebetrieb stattfindet, Grenzabstände: beträgt. (Der Begriff Friedgräben be- kann jeder Anstösser die Einfriedung a. sechs Meter für hochstämmige zieht sich auf kleine Gräben, welche auf Kosten beider Teile verlangen. Bäume, die nicht zu den Obst- entlang einer Grenze angelegt wer- Die Einfriedung wird auf die Grenze bäumen gehören, sowie sechs den.) gesetzt. Jeder Anstösser hat im Grund- Meter für Nuss- und Kastanien- satz eine entsprechende Strecke der bäume. Tote Einfriedungen Einfriedung zu erstellen und zu unter- b. vier Meter für hochstämmige (Art. 97bis EG-ZGB) halten. Allenfalls können besondere Obstbäume. Bei toten Einfriedungen handelt es sich Vereinbarungen zwischen den Grund- c. Die Hälfte ihrer Höhe für die übri- beispielsweise um Bretterwände, Zäu- eigentümern getroffen und auch im gen Bäume und Sträucher, jedoch höchstens sechs Meter. Die Bestimmung von Buchstabe c be- zieht sich auf Pflanzen, die sehr hoch wachsen, jedoch nicht unter die Kate- gorie der hochstämmigen Bäume fal- len (zum Beispiel Zypressen oder an- dere, deren Äste weit unten am Stamm zu wachsen beginnen). Gegenüber Rebland betragen die Ab- stände nach dieser Bestimmung das Anderthalbfache. Tote Einfriedung kleiner als 1,80 m Höhe. Tote Einfriedung über 1,80 m Höhe. Wird eine Pflanze künstlich unter 1,80 Meter gehalten, gilt ein Grenzabstand ne, tote Häge oder Mauern. Diese dür- Grundbuch eingetragen werden. Sind von einem Meter. Kann ein Baum aber fen eine Höhe von 1,80 Meter aufwei- Grundstücke mit Weidebetrieb durch auch durch eine fachgerechte Behand- sen und an der Grenze errichtet werden. Fuss- oder Güterwege voneinander lung nicht klein gehalten werden, Einfriedungen, die eine Höhe von 1,80 getrennt, so sieht das Gesetz ohne ohne dass er verstümmelt wird, so gilt Meter überschreiten, müssen einen besondere Vereinbarung keine Ein- der Grenzabstand von einem Meter Abstand von 50 Zentimetern plus die friedungspflicht vor. nicht. Mehrhöhe gegenüber der Grenze auf- Der Gemeinderat kann verfügen, dass weisen. Zudem sind sie baubewilli- Einfriedungen, welche die Ausübung gungspflichtig. des Skisports erschweren, durch die Das Nachbarrecht Das Maximum des Grenzabstandes Besitzer vorübergehend weggenom- Das Nachbarrecht ist im Schweizeri- beträgt bei licht- oder luftdurchlässi- men werden müssen. schen Zivilgesetzbuch (ZGB) gere- gen Einfriedungen höchstens zwei Die Kosten für das Wegnehmen und gelt. Die Kantone können ihrerseits Meter. Bei massiven Einfriedungen Wiederaufstellen trägt in diesen Fäl- die Ausführung und weitere Details liegt er bei maximal drei Meter. len die politische Gemeinde. in eigenen Einführungsgesetzen zum Zivilgesetzbuch (EG-ZGB) re- geln. Auf den 1. Januar 2017 ist ein Nachtrag zum Einführungsgesetz zum ZGB des Kantons St. Gallen in Kraft getreten. Verschiedene zum Teil über 100 Jah- re alte gesetzliche Regelungen wur- den überarbeitet und angepasst. In einer dreiteiligen Serie informiert der St. Galler Bauer über die wich- tigsten Bestimmungen im Nachbar- recht. red. Hochstämmige Bäume und Pflanzen. Übrige Bäume und Sträucher. 19
Zum Begriff «hochstämmig» Nachbarschaftsrecht 8–2017 Das Gesetz verwendet den unbestimm- ten Rechtsbegriff «hochstämmig». Er St.Galler Bauer ist nicht mit dem Begriff «hochwach- send» gleichzusetzen. Vielmehr werden als hochstämmig fachtechnisch Bäume bezeichnet, die bis auf mindestens 1,70 Meter Höhe einen ausgeprägten Stamm haben. Zu den Hochstämmen zählen etwa Waldbäume wie ausge- wachsene Tannen, Lärchen, Föhren, Buchen, Eichen, Eschen, Pappeln, Ul- Bei toten Einfriedungen handelt es sich beispielsweise um Bretterwände oder Mauern. Bis men und auch die Palmen, ferner die zu einer Höhe von 1,80 Meter dürfen diese auf die Grenze gesetzt werden. Bild: zVg. Fruchtbäume wie Nuss-, Kastanien-, Apfel-, Birn- und Kirschbäume. Die Fra- fen nicht höher als drei Meter sein. eines Lebhages auch noch ein toter ge, ob ein Baum als «hochstämmig» Lebhäge dürfen mit ihren Ästen bis an Hag (Drahtgeflecht) erstellt wurde, be- anzusehen ist, entscheidet sich aber die Grenze reichen. Die Äste dürfen die freit nicht von der Einhaltung der für nicht nur nach seiner Art und Gattung. Grenzlinie dabei aber nicht überragen. Lebhäge geltenden Vorschriften. Leb- Auch die Behandlung durch den Grund- Ist diesseits der Grenze eine Strasse häge müssen alljährlich auf das gesetz- eigentümer oder Pächter ist kategorien- oder ein Weg, gelten in Bezug auf den liche Mass zurückgeschnitten werden. bestimmend. Es kommt also nicht dar- Abstand die Regelungen des kantona- Der durch die Abstandsvorschrift ge- auf an, wie hoch ein Baum von Natur len Strassengesetzes oder weiterge- schützte Nachbar kann den Rück- aus wird und welche Gestalt er an- hende kommunale Regelungen. Der schnitt zu jeder Jahreszeit verlangen. nimmt, sondern bei der Einordnung ei- Umstand, dass vor der Anpflanzung Bianca Lenz/Andreas Widmer, sgbv. nes Baumes ist sein gesamtes Erschei- nungsbild, das unter anderem von der Stammhöhe, der Gesamthöhe und der Baumkrone geprägt wird, zu berück- sichtigen. Lebhäge (Art. 98ter EG-ZGB) Für Lebhäge (Grünhecken) gilt ein Grenzabstand von 50 Zentimeter. Ist ein Lebhag höher als 1,80 Meter, be- trägt der Grenzabstand 50 Zentimeter zuzüglich die Mehrhöhe. Lebhäge dür- Lebhäge mit weniger als 1,80 m Höhe. Lebhäge grösser als 1,80 m Höhe. 20 Hochstammbäume müssen vier Meter Grenzabstand aufweisen. Die Äste dürfen die Grenze nicht überragen. Bild: awi.
Nachbarschaftsrecht 9–2017 St.Galler Bauer Das Strassengesetz schreibt ebenfalls vor, dass Pflanzen nicht in den Lichtraum der Strasse ragen dürfen. Bild: zVg Das Nachbarrecht im Kanton St. Gallen Teil 2/3 Regelungen bei Wald und Strassen Die Abstandsregelungen von stände geregelt. Gemäss Art. 02 Abs. 1c Gemessen wird ab Strassengrenze und Bäumen, Einfriedungen und gilt es jedoch zu beachten, dass jede wo diese nicht vorhanden ist, ab Stras Pflanzen entlang der Strassen Gemeinde grössere Abstände festlegen senrand. Für Bäume und Wälder gilt und im Strassenraum sind nicht kann. Legt eine Gemeinde die Abstän- die Messweise ab Stockgrenze. im ZGB geregelt, sondern im de im kommunalen Baureglement sel- Keine Abstände gelten für Bäume, wel- kantonalen Strassengesetz. ber fest, sind diese anzuwenden. che der Gestaltung des Strassenraums Das Strassengesetz schreibt ebenfalls dienen. Für eine Pflanzung ist jedoch die Daher unterstehen Verletzungen im vor, dass Pflanzen nicht in den Licht- Bewilligung jener Behörde notwendig, Strassenabstand dem öffentlichen raum der Strasse ragen dürfen. Als welche die Hoheit über die Strasse hat. Recht. Ebenso unterliegen beispiels- Strassenraum ist definiert: weise Stützmauern und Böschungen – 4,50 Meter Höhe über Strassen, die Abstände zum Wald auch den öffentlich-rechtlichen Ab- für den Fahrverkehr bestimmt sind. Der Begriff des Waldes richtet sich standsvorschriften. – 2,50 Meter Höhe für Verkehrsflä- nach den Grundsätzen des Waldgeset- Im Artikel 104 des Strassengesetzes des chen, die nicht für den Fahrverkehr zes. Ist unklar, ob Wald im Sinne dieser Kantons St. Gallens sind die Mindestab- bestimmt sind. Bestimmung vorliegt, so muss zu- nächst ein Waldfeststellungsverfahren Abstände zur Strasse Kantonsstrassen Gemeindestrassen von den Verwaltungsbehörden durch- 1. + 2. Klasse geführt werden. Bäume 2.5 m 2.5 m Für neu angepflanzte Wälder gilt grund Wälder 5m 5m sätzlich der Grenzabstand von sechs Metern gemäss Art. 98bis Abs. 1 Buch- Lebhäge / Zierbäume / Sträucher < 1.80 m 0.60 m 0.60 m stabe a EG-ZGB. Die Bäume aneinan- Lebhäge / Zierbäume / Sträucher > 1.80 m 0.60 m + Mehrhöhe 0.60 m + Mehrhöhe dergrenzender Waldgrundstücke haben Einfriedungen 0.45 m – 1.20 m 0.09 m 0.09 m selbstverständlich keine Grenzabstände 34 Einfriedungen > 1.20 m 0.09 m + Mehrhöhe 0.09 m + Mehrhöhe einzuhalten.
Eine andere Regelung gilt für bestehen- TELEX 9–2017 Nachbarschaftsrecht de Wälder. Art. 98quater EG-ZGB sieht vor, dass wieder aufgeforsteter Wald gleich St.Galler Bauer nahe wie der bisherige Wald an die Luzerner Kälbermäster gründen Grenze gesetzt werden darf, wenn die kantonalen Verband. Kürzlich fand Wiederaufforstung innert fünf Jahren in Schüpfheim LU die Gründungsver- seit dem Kahlschlag vorgenommen sammlung des Luzerner Kälbermäs- wird. Gegenüber einem alten Wald- ter‐Verbands statt. Die momentan grundstück kann also die Einhaltung fünf bestehenden Untersektionen der neuen Abstandsvorschriften nicht Escholzmatt‐Marbach, Wolhusen, verlangt werden. Hingegen darf bei ei- Willisau, Luthern und Schüpfheim‐ nem bestehenden Waldgrundstück, das Messweise Abstand. Flühli‐Sörenberg‐Bramboden‐Hasle noch einige Meter eines baumfreien wurden aufgelöst. Grund für die Waldrandes umfasst, dieser baumfreie Gründung eines Verbands seien ins- Grenzstreifen nicht neu mit Bäumen besondere schwindende Mitglieder- bepflanzt werden, wenn dadurch der zahlen gewesen, heisst es in einer festgesetzte Grenzabstand von sechs Mitteilung. Der Schweizer Kälbermäs- Metern verletzt wird. ter‐Verband (SKMV) setzte sich bis anhin aus den Sektionen Appenzell, Messweise der Abstände und Höhe St. Gallen, Graubünden, Bern, Luzern, (Art. 98quinquies EG-ZGB) Ob‐ und Nidwalden und Uri sowie der Das EG-ZGB regelt die Messweise von IG Kalbfleisch zusammen und zählt Pflanzen und Einfriedungen zur Grenz- aktuell rund 1000 Mitglieder. lid. linie. Messweise Höhe. a. Der Grenzabstand bemisst sich bei Direktzahlungen wieder auf Einfriedungen ab ihrem grenznächs- festgestellt werden kann, der bewil- Vorjahresniveau. Der Bundesrat ten Punkt in waagrechter Linie bis zur ligte Geländeverlauf. hat die Budgetbeschlüsse des Parla- Grenze. ments umgesetzt und die Versor- b. Der Grenzabstand bemisst sich bei Die Abstände werden stets möglichst gungssicherheitsbeiträge auf Vorjah- Pflanzen ab ihrer Mitte an der Erd- nahe der Erdoberfläche gemessen, es resniveau angehoben. Der Bundesrat oberfläche in waagrechter Linie bis spielt keine Rolle, in welche Richtung hatte die Beiträge senken wollen, zur Grenze. sich der Stamm neigt. das Parlament hatte das allerdings c. Bei der Bemessung der Höhe von korrigiert. Deshalb wird der Basisbei- Pflanzen und Einfriedungen gilt als Verjährung und Rechtsfolgen trag der Versorgungssicherheitsbei- massgebendes Terrain der natürli- (Art. 98sexies EG-ZGB) träge um 40 auf 900 Franken pro che oder, wenn dieser nicht mehr Verletzungen von Grenzabständen und Hektare und der Basisbeitrag für Höhenbeschränkungen können jeder- Grünflächen, die als Biodiversitäts- zeit geltend gemacht werden und ver- förderflächen genutzt werden, um Das Nachbarrecht jähren nicht. 20 auf 450 Franken pro Hektare er- Das Nachbarrecht ist im Schweize Das EG-ZGB enthält keine Bestimmun- höht. lid. rischen Zivilgesetzbuch (ZGB) gere- gen über die Rechtsfolgen der Verlet- gelt. Die Kantone können ihrerseits zung von Abstandsvorschriften. Daher Spanien exportiert Obst und die Ausführung und weitere Details finden die allgemeinen Bestimmungen Gemüse für über 12 Milliarden. in eigenen Einführungsgesetzen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches Spanien hat 2016 Obst und Gemüse zum Zivilgesetzbuch (EG-ZGB) re- Anwendung. Bei der Verletzung von im Wert von 12,486 Milliarden Euro geln. Auf den 1. Januar 2017 ist ein Abstandsvorschriften kommt meistens exportiert. Das sind fünf Prozent Nachtrag zum Einführungsgesetz die Beseitigungsklage nach Art. 679 mehr als im Vorjahr. Die Gemüse- zum ZGB des Kantons St. Gallen in ZGB zum Zuge. Hat die Klage Erfolg, so Exporte summierten sich auf 5,206 Kraft getreten. Verschiedene, zum wird der Beklagte verpflichtet, die Milliarden Euro. Die Menge stieg um Teil über 100 Jahre alte gesetzliche Pflanze innert einer bestimmten Frist 2,4 Prozent auf 5,2 Millionen Ton- Regelungen wurden überarbeitet (von etwa 30 Tagen) zurückzuschnei- nen. Beim Obst belief sich der Ex- und angepasst. In einer dreiteiligen den oder ganz zu beseitigen. Klagen portwert auf 7,279 Milliarden Euro. Serie informiert der «St. Galler Bau- können nicht nur Grundeigentümer, Das sind drei Prozent mehr als 2015. er» über die wichtigsten Bestim- sondern auch persönliche Berechtigte, Dies obwohl die ausgeführte Menge mung im Nachbarrecht. red. etwa ein Pächter oder Mieter. um fünf Prozent gesunken ist. lid. Bianca Lenz/Andreas Widmer, sgbv. 35
10–2017 Nachbarschaftsrecht St.Galler Bauer In einem solchen Fall kann der Grundeigentümer des Wieslandes auf dem Kapprecht beharren. Bild: Andreas Widmer Das Nachbarrecht im Kanton St. Gallen Teil 3/3 Das Laub auf Nachbars Boden Wie weit darf der Bauer beim das Tret- und Ausstreckrecht. Mit ZGB). Das Gesetz unterscheidet Pflügen des Ackers auf das Tretrecht ist gemeint, dass beim beim Betretungsrecht zwischen anstossende Grundstück fahren? Pflügen eines Ackers mit der Hälfte Bauten und Anlagen einerseits so- Welche Voraussetzungen müssen des Fahrzeuges auf dem anstossen- wie Einfriedungen und Pflanzen erfüllt werden, wenn das den Grundstück gefahren werden andererseits. nachbarliche Grundstück darf. Das Ausstreckrecht gestattet betreten oder befahren werden dem Berechtigten, an der Stirnseite Bei Bauten und Anlagen muss? Und was passiert mit den seines Ackers mit dem Fahrzeug bis Ein nachbarliches Grundstück kann Früchten und Nüssen, die aufs vier Meter auf das anstossende grundsätzlich betreten und benutzt nachbarliche Grundstück fallen? Grundstück zu fahren und zu wen- werden, soweit die Inanspruchnah- den.Das Recht kann nicht ausgeübt me für Erstellung, Änderungen und In Zusammenhang mit Nachbar- werden, wenn das anstossende Unterhalt von Bauten, Anlagen, schaft tauchen immer wieder viele Grundstück bepflanzt oder mit ho- Ausrüstungen und Ausstattungen Fragen auf und sind oft der Grund hem Gras bewachsen ist. Zudem ist erforderlich ist und auf andere Weise für Streit. Lässt sich dieser nicht der Besitzer des Grundstückes min- die Erstellung, Änderung oder der mit einem Gespräch lösen, kommt destens zwei Tage vor dem Pflügen Unterhalt nicht oder nur mit unver- das Gesetz zum Zug. zu benachrichtigen. Ein allfällig hältnismässigen Kosten möglich wä- entstehender Schaden ist ihm zu ren. Wer das nachbarliche Grund- Tret- und Ausstreckrecht ersetzen. stück in Anspruch nehmen möchte, (Art. 110 EG-ZGB) muss folgende Punkte beachten: Wer Boden als Ackerland bewirt- Inanspruchnahme eines nachbarli- a. Zustimmung des betroffenen schaftet, hat von Gesetzes wegen chen Grundstücks (Art. 112 bis EG- Nachbarn oder richterliche Er- 25
mächtigung zur Inanspruchnah- gewachsene Früchte durch einen dem Fall empfehlenswert, die Nachbarschaftsrecht 10–2017 me ist erforderlich. Sturm auf den Boden des Nach- Schriftform zu wählen. b. Die Inanspruchnahme wird mög- barn geworfen werden könnten. Reagiert der Nachbar nicht inner- St.Galler Bauer lichst schonend ausgeübt. Hier hat der Eigentümer das Abho- halb der gesetzten Frist und sind c. Dem Betroffenen muss der Scha- lungsrecht. auch alle übrigen Voraussetzungen den und der Nutzungsausfall gegeben, kann die Kappung vorge- entschädigt werden. Der betrof- Kapprecht (Art. 687 ZGB) nommen werden. Dabei ist sorgfäl- fene Nachbar kann zudem eine In Art. 687 Abs. 1 ZGB steht: «Über- tig vorzugehen. Es darf allerhöchs- Sicherheitsleistung verlangen. ragende Äste und eindringende tens bis zur Grundstücksgrenze Wurzeln kann der Nachbar, wenn zurückgeschnitten und die Pflanze Bei Einfriedungen und Pflanzen sie sein Eigentum schädigen und darf nicht weiter beschädigt wer- Ein nachbarliches Grundstück kann auf seine Beschwerde hin nicht den. Wer den Überhang in Aus- betreten und vorübergehend be- binnen angemessener Frist besei- übung des Kapprechts abschnei- nutzt werden, soweit die Inan- tigt werden, kappen und für sich det, darf die abgetrennten Äste spruchnahme zur Errichtung oder behalten.» behalten. Auf dieses Aneignungs- Ausbesserung von Einfriedungen Diese Gesetzesvorschrift gibt dem recht kann aber auch verzichtet sowie zur Pflege der Pflanzen erfor- Nachbarn das Recht, gegen über- werden. Man kann die Äste auch derlich ist. Auch in diesen Fällen ist ragende Äste und eindringende auf das Grundstück des Nachbarn der Grundeigentümer bzw. Nach- Wurzeln aus dem angrenzenden zurückwerfen. bar vorgängig zu benachrichtigen, Garten vorzugehen, ohne dass ein die Nutzung des Bodens schonend amtlicher Richter hinzugezogen Überhängende Bäume durchzuführen und sind allfällige und ein Gerichtsfall ausgestanden Das Eigentum an Grund und Boden Kosten, die durch die Inanspruch- werden muss. Allerdings hat der erstreckt sich gemäss Art. 667 ZGB nahme entstehen, zu vergüten. Nachbar überragende Äste, die kei- nach oben und unten auf den ne erhebliche Schädigung seines Luftraum und das Erdreich, soweit Anries (Art. 687 ZGB) Eigentums nach sich ziehen, zu für die Ausübung des Eigentums ein Unter dem Begriff Anries wird das dulden, und zwar ungeachtet des- Interesse besteht. Das bedeutet Recht bezeichnet, welches ein sen, ob er sich auf das Kapprecht grundsätzlich, dass der Luftraum Grundeigentümer ausübt, wenn gemäss Art. 687 Abs. 1 ZGB oder des benachbarten Grundstücks Bäume oder Sträucher des Nach- auf die Beseitigungsklage gemäss nicht beansprucht werden kann. barn auf sein Grundstück überra- Art. 641 Abs. 2 ZGB stützt. Überhängende Bäume ragen aber gen und er die Früchte erntet. Dies Wer das Kapprecht in Anspruch in das Grundstück des Nachbarn. setzt voraus, dass der Grundeigen- nehmen will, muss sich zuerst beim Im rechtlichen Sinn überhängend tümer auf das Kapprecht verzich- Nachbarn beschweren und ihm ist, wenn der Wurzelstock sich ganz tet und das Überragen der Äste eine angemessene Frist zur Beseiti- im Grundstück des Eigentümers be- duldet. Nicht nur der Grundeigen- gung gewähren. An sich können findet, der Stamm selbst aber zum tümer hat das Recht auf Anries, Beschwerde und Fristansetzung Teil in das benachbarte Grundstück sondern auch der Pächter. Der formfrei erfolgen, also auch münd- ragt. In diesem Fall wird die Grenz- Baum eigentümer muss bei der lich. Da dies im Streitfall nachge- linie durchschnitten. Das kann auch Ausübung des Anries nicht be- wiesen werden muss, ist es in je- innerhalb des Waldes gegenüber nachrichtigt werden. Das Recht auf Anries besteht jedoch nur auf bebautem oder privatem überbau- Das Nachbarrecht als Dossier tem Grundstück. In der Landwirt- Das Nachbarrecht ist im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) gere- schaftszone gilt dieses Recht gelt. Die Kantone können ihrerseits die Ausführung und weitere Details nicht. in eigenen Einführungsgesetzen zum Zivilgesetzbuch (EG-ZGB) regeln. Das Recht auf Anries gilt für alle Auf den 1. Januar 2017 ist ein Nachtrag zum Einführungsgesetz zum fruchttragenden Bäume und Sträu- ZGB des Kantons St. Gallen in Kraft getreten. Verschiedene, zum Teil cher wie auch für Edelkastanien, über 100 Jahre alte gesetzliche Regelungen wurden überarbeitet und Nussbäume oder Haselsträucher. angepasst. Der St. Galler Bauernverband stellt das Dossier ab Montag, Zu beachten ist, dass in der Zeit 13. März, unter www.bauern-sg.ch zum Herunterladen bereit. red. 26 der Ernte auf eigenem Boden
einem anderen Wald vorkommen einträchtigung der Aussicht ande- chen Nutzfläche ist es Praxis, dass 10–2017 Nachbarschaftsrecht oder am Waldrand gegenüber einer rerseits. Verboten sind insbesonde- eine gewisse Beeinträchtigung des landwirtschaftlichen Nutzfläche. re alle schädlichen Immissionen Ertrages geduldet werden muss. St.Galler Bauer Rechtlich ist beim Überhang zu un- oder nach Ortsgebrauch nicht ge- Ein Gerichtsentscheid eines kantona- terscheiden, ob der Baum schräg rechtfertigten Einwirkungen durch len Obergerichtes hielt fest: «Wer in gewachsen oder durch ein Natur Rauch oder Russ, lästige Dünste, einem Wohn- und Gartenquartier mit ereignis (Sturm oder Schneedruck) Lärm oder Erschütterungen. Baumbeständen wohnt, muss zur schräg gestellt wurde. Keine klare Regelung lässt sich im Ge- Kenntnis nehmen, dass der Wind Ist der Baum schräg gewachsen setz zum Thema der herabfallenden Blätter, Nadeln, Samen, Tannenzap- und ragt ein Teil des Stamms über Blätter und Äste finden, obwohl gera- fen und dürre Äste über die Grund- die Grenzlinie in das Grundstück de dies immer wieder Ursprung von stücksgrenze weht. Selbst ein erheb- des Nachbarn hinein, kann dieser nachbarschaftlichen Streitigkeiten ist. licher Blätter- und Ästewurf stellt bei die Entfernung des Baumes verlan- Verschiedene Gerichte haben sich mit lockeren Einfamilienhaussiedlungen gen. Allenfalls muss ein allfälliger dieser Frage auseinandergesetzt. keine übermässige Immission dar. Erlös entsprechend den Wertantei- Nach der Rechtsprechung sind solche Da solche Immissionen nicht als len des Holzes geteilt werden. Eine Immissionen grosszügig zu dulden. übermässig gelten und zu dulden Kappung ist hier nicht möglich. Ob eine Immission nicht geduldet sind, muss der Baumeigentümer Ist der Baum durch Natureinfluss werden kann, hängt von der Beurtei- auch nicht für die Kosten der Beseiti- plötzlich überhängend geworden, lung der Erheblichkeit ab. Ortsge- gung der zugewehten Blätter und kann der ursprüngliche Eigentü- mer ihn fällen und das Holz für sich behalten. Der Nachbar erhält kein Eigentum am überhängenden Teil. Sofern die Schrägstellung des Bau- mes im Winter oder während der Vegetationsruhe eintritt, ist dieser sofort zu fällen und abzuführen. Ist eine sofortige Fällung nicht zumut- bar, muss der Nachbar dem Eigen- tümer eine Frist bis zum nächsten Winter einräumen. Ein längeres Überhängen braucht er sich nicht gefallen zu lassen, er kann die Fäl- Laubfall wird nur sehr selten als Immission gewertet. Bild: zVg. lung des Baumes verlangen. Wenn dem Nachbarn durch die spätere brauch, die Lage, die Beschaffenheit Äste oder für die Reinigungskosten Fällung Schaden entsteht, ist die- und vor allem die Nutzungsweise sind von Dachrinnen und Abflussrohren ser zu vergüten. zu berücksichtigen. So müssen zum aufkommen. Pflanzen, welche den Beispiel Schattenwurf und Laubfall kantonalen Abstandsvorschriften Nachbarschaftliche Immissionen sehr stark ausfallen, um geltend ge- entsprechen, von denen aus aber Nach Art. 684 ZGB ist jedermann in macht werden zu können. Unterschie- regelmässig grosse Mengen von Ausübung seines Eigentums, etwa de in der Beurteilung können sich Blättern und Ästen aufs Nachbar- beim Betrieb eines Gewerbes auf auch ergeben, wenn die fraglichen grundstück geweht werden, verur- seinem Grundstück, verpflichtet, Äste «nur» auf einen Rasenplatz hin- sachen somit grundsätzlich keine sich aller übermässigen oder schä- überragen. Das ist von viel geringerer übermässigen Immissionen. Wenn digenden Immissionen auf das Ei- Bedeutung, als wenn sie über eine überhaupt, dann werden solche Ein- gentum des Nachbarn zu enthalten. Hauszufahrt wachsen und diese mit wirkungen von der Gerichtspraxis Bei Immissionen wird unterschie- Laub-, Blüten- oder Nadelfall regel- nur in Ausnahmefällen als übermäs- den zwischen materiellen Immissio- mässig verschmutzen. Dabei kommt sig betrachtet, denn die kantonalen nen wie zum Beispiel Staub, Rauch, es auf den Schaden an, der für den Abstandsvorschriften sind Ausdruck Russ, Dünste und Laub einerseits Nachbarn entsteht. Entlang der des Ortsgebrauchs und daher sind und negativen Immissionen wie Waldränder und gegenüber der die Immissionen zu dulden.» Schattenwurf, Lichtentzug und Be- angrenzenden landwirtschaftli- Bianca Lenz/Andreas Widmer, sgbv. 27
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