Die junge Generation wird unsere globalen Probleme lösen müssen.

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Interview | Wickramanayake

»Die junge Generation wird unsere
globalen Probleme lösen müssen.«
Interview mit Jayathma Wickramanayake, Gesandte des UN-Generalsekretärs für die
Jugend, über die Bedürfnisse der jungen Generation, ihre Herausforderungen und die
Verpflichtung der UN, die Interessen junger Menschen glaubwürdig zu vertreten.

              Patrick Rosenow: Was sind die größten Herausfor-
              derungen für die heutige junge Generation?
                 Jayathma Wickramanayake: Hier zitiere ich oft
              aus ›Eine Geschichte aus zwei Städten‹, einem Ro-
              man von Charles Dickens. Es ist die beste Zeit, ein
              junger Mensch zu sein, aber es ist auch gleichzeitig
              die schwierigste Zeit. Wir sind die größte Genera­
              tion junger Menschen, die die Welt je gesehen hat.
              Die beiden heutigen Generationen, die ›Genera­­ti­­
              on Y‹ (›Millennials‹) und die ›Generation Z‹, sind die
              am stärksten vernetzten Generationen aller Zeiten.
              Wir sind die am besten ausgebildete Generation in
              der Geschichte. Wir haben unbegrenzten Zugang
              zum Internet und zu Informationen. Aber es ist
              auch gleichzeitig die schlimmste aller Zeiten, denn
              die Jugendarbeitslosigkeit ist auf ein Rekordniveau        Jayathma Wickramanayake, Gesandte des Generalsekretärs
              gestiegen. Wir haben weltweit etwa 64 Millionen            für die Jugend. UN Photo: Eskinder Debebe
              junge Menschen, die arbeitslos sind. Und viele von
              denen, die einen Arbeitsplatz haben, sind unter­
              beschäftigt. Sogar in Europa gibt es unter den Er-       brauchen. Es mag Themen geben, bei denen Ju­gend­
              werbstätigen immer noch Menschen, die in Armut           partizipation nicht gegeben ist, aber es könnte Platt-
              leben, obwohl sie Arbeit haben. Und etwa 600 Mil-        formen geben, die wir ermöglichen. Mehr junge
              lionen junge Menschen leben in Konfliktsituatio-         Menschen könnten an Begleitveranstaltungen von
              nen oder fragilen Situationen. Selbst wenn man sich      Konferenzen teilnehmen oder sich zumindest Ge-
              die politische Partizipation ansieht, gibt es in etwa    hör verschaffen, wo es eigentlich für Jugendliche
              drei Vierteln der Mitgliedstaaten der Interparla-        schwierig ist, diese Veranstaltungen zu erreichen.
              men­­ta­rischen Union (IPU) irgendeine Form der Ge-      Das UN-Sekretariat kann kreativ sein, um diese
              setzgebung, die junge Menschen bei der Kandida-          Stimmen der Jugend einzubringen. Zwei Beispiele:
              tur für ein Amt zum Beispiel durch Alters­beschrän-      Im Hochrangigen Politischen Forum über Nach-
              kungen diskriminiert. Obwohl die Hälfte der Welt-        haltige Entwicklung (High-level Political Forum
              bevölkerung unter 30 Jahre alt ist, sind es nur zwei     on Sustainable Development – HLPF) gibt es keine
              Prozent der Parlamenta­rierinnen und Parlamenta-         Jugendreferenten, die über die Umsetzung der Zie-
              rier der Welt oder der Kongressabgeordneten.             le für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Deve-
                                                                       lopment Goals – SDGs) berichten. Aber zusammen
              Welche Veränderungen sind Ihrer Meinung nach in          mit dem Präsidenten des Wirtschafts- und Sozial-
              den Vereinten Nationen erforderlich, um die Jugend       rats (Economic and Social Council – ECOSOC)
              aktiver in politische Prozesse einzubeziehen und die     kann ich das Jugendforum des ECOSOC nutzen.
              UN für junge Menschen attraktiver zu machen?             Dort lassen wir Jugendorganisationen zu Wort
                 Bei meinem ersten Treffen mit UN-Generalse-           kommen und über die gleichen SDGs berichten,
              kretär António Guterres habe ich ihm drei Emp-           über die im HLPF gesprochen wird. Und dann
              fehlungen gegeben. Der erste Vorschlag war, dass         sammeln wir diese Ergebnisse von Jugendlichen.
              wir mehr Möglichkeiten für die Beteiligung junger        Anschließend arbeite ich mit dem Präsidenten des
              Menschen im zwischenstaatlichen Bereich der UN           ECOSOC und anderen Mitgliedstaaten zusammen,

V e r e i n t e N at i o n e n   5 / 2 0 1 8 									                                                                            195
Interview | Wickramanayake

           die die Jugendagenda unterstützen, um diese Emp-      zieren. Jugendgerechte Kommunikation wird daher
           fehlungen informell in das HLPF-Ergebnisdoku-         bei den anstehenden Reformen der Hauptabteilung
           ment aufzunehmen. Das heißt, wir sorgen trotz-        Presse und Information (Department of Public In-
           dem dafür, dass diese Stimmen der Jugend gehört       formation – DPI) berücksichtigt.
           werden, indem wir auf die eine oder andere Weise
           im HLPF darüber beraten. Natürlich wollen wir         Wie sind Sie Gesandte für die Jugend geworden?
           das noch ausbauen.                                       Ich habe mein Leben immer als eine Reise be-
              Der zweite Aspekt ist der Blick nach innen. Wir    trachtet. Und jedes Mal, wenn ich auf Probleme
           als UN sprechen viel mit den Mitgliedstaaten über     stieß, die mir am Herzen lagen, versuchte ich etwas
           die Stärkung der Eigenverantwortung junger Men-       zu ihrer Lösung beizutragen. Schon während mei-
           schen und darüber, dass sie Gehör finden müssen.      nes Studiums engagierte ich mich im nationalen
           Aber manchmal fühle ich mich wie eine Heuch­          Jugendrat, zusammen mit dem Ministerium für Ju-
           lerin, wenn ich sehe, wie wir mit den jungen Men-     gendfragen von Sri Lanka. Später arbeitete ich an
           schen in den UN umgehen. Wir haben einige sehr        der nationalen Jugendpolitik mit und unterstützte
           unfaire Praktiken. Zum Beispiel zweifelt die Öf-      anschließend die Weltkonferenz über die Jugend
           fentlichkeit die unbezahlten UN-Praktika an oder      im Jahr 2014 in Sri Lanka. So kam eines zum an-
           fragt, weshalb unsere Beraterinnen und Berater nur    deren, und weil ich im Jugendbereich tätig war,
                                                                 haben mich einige Organisationen als Kandidatin
                                                                 vorgeschlagen. Danach durchlief ich einen Aus-
»Wenn wir von einer Welt sprechen,
                                                                 wahlprozess und zusammen mit anderen jungen
in der die Führungsqualitäten einer                              Menschen aus verschiedenen Weltregionen wurde
eigenverantwortlichen jungen Gene-                               ich interviewt. Einige Tage später erhielt ich einen
ration anerkannt werden, dann                                    Anruf, dass ich für dieses Amt ausgewählt wurde.
                                                                    Es war ein großer Moment für mich, denn ich
müssen wir dieses Thema auch                                     hatte noch nie zuvor in einem internationalen Um-
in den UN aufgreifen.«                                           feld oder außerhalb meines Landes gearbeitet. Da-
                                                                 her fand ich es sehr spannend, jetzt meine Arbeit
                                                                 auf lokaler Ebene auf die globale Ebene auszuwei-
                                                                 ten, mit größeren Verantwortlichkeiten und größe-
           einen Halbjahresvertrag bekommen und dann ihre        ren Aufgaben.
           Arbeit unterbrechen oder beenden müssen. Das ist
           nicht nachhaltig. Um einen Einstiegsjob bei den       Welche Schwerpunkte haben Sie für Ihre Amtszeit
           Vereinten Nationen zu erhalten, braucht man min-      gewählt, und was haben Sie bisher erreicht?
           destens zehn bis 15 Jahre Berufserfahrung. Das           Ich habe ein Mandat, das die drei Säulen der
           hindert viele junge Menschen daran, eine Stelle bei   Vereinten Nationen – nachhaltige Entwicklung,
           den UN anzutreten, und selbst wenn sie dies tun,      Menschenrechte sowie Frieden und Sicherheit – um-
           ist ein Aufstieg für sie schwierig. Wenn wir also     fasst. Und meine Tätigkeit wurde um ein Teil­gebiet
           von einer Welt sprechen, in der die Führungsqua­      erweitert, das über das Mandat meines Vorgängers
           litäten einer eigenverantwortlichen jungen Gene­      Ahmad Alhindawi hinausgeht: die humanitäre
           ration anerkannt werden, dann müssen wir dieses       Hilfe. Mir geht es darum, auf die Si­tuation junger
           Thema auch in den UN aufgreifen. Ich freue mich       Menschen im humanitären Bereich aufmerksam zu
           sehr, dass diese Empfehlung ernst genommen wur-       machen. Deshalb haben wir für jede dieser vier
           de. Mehrere Führungskräfte von UN-Einrichtun-         Säulen einige Pläne ausgearbeitet, die ich trotz wei-
           gen haben Plattformen geschaffen, damit sich ihre     terhin stark begrenzter Ressourcen und Kapazitä-
           jüngsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter äußern      ten umsetzen möchte.
           und Lösungen für einige der wichtigen Probleme           Eine der Hauptaufgaben, die mir der General-
           anbieten können, mit denen die UN derzeit kon-        sekretär übertragen hatte, bestand darin, eine Ju-
           frontiert sind.                                       gendstrategie für die UN auszuarbeiten, das heißt
              Der dritte Aspekt ist, wie die UN mit jungen       ein Dokument zu entwickeln, das eine Vision und
           Menschen kommunizieren. Die derzeitige Art und        Orientierung sowie einige sehr praktische Schritte
           Weise ist nicht sehr jugendgerecht. Die Sprache       für das gesamte UN-System in Bezug auf die Ar-
           und die Akronyme, die wir verwenden, sind nicht       beit mit jungen Menschen und für junge Menschen
           sehr bürgernah. Wir nutzen die sozialen Medien,       enthält. Ich habe mich mit diesem aufwendigen Pro-
           um die Menschen darüber zu informieren, was wir       zess befasst und sehr eng mit dem Interinstitutio-
           tun. Aber wir nutzen sie nicht, um mit Menschen       nellen Netzwerk für Jugendentwicklung der Ver-
           in Kontakt zu treten. Wenn wir Informationen ver-     einten Nationen (Inter-Agency Network on Youth
           breiten, müssen wir mit den Menschen kommuni-         Development – IANYD) zusammengearbeitet.

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Interview | Wickramanayake

              Zusammen mit diesem interinstitutionellen Netz-
              werk haben wir mehr als 40 UN-Organisationen                                      Jayathma Wickramanayake
              in den Prozess integriert, von denen etwa 27 zur                                  Im vergangenen Jahr wurde die 27-jährige Jayathma
              Jugendstrategie konkret beigetragen haben. Darun-                                 Wickramanayake von António Guterres zur Gesandten für die
              ter sind zwei Jugendorganisationen, die ›Wichtige                                 Jugend (Envoy on Youth) berufen. Sie studierte Entwicklungs-
              Gruppe Kinder und Jugendliche‹ (Major Group for                                   wissenschaften an der Universität von Colombo und wurde im
              Children and Youth – MGCY) mit 6 000 Mitglieds­                                   Jahr 2012 die erste UN-Jugenddelegierte ihres Landes. In der
              organisationen und das Internationale Ko­ordi­na­                                 folgenden Zeit war sie Mitglied und Jugendverhandlungs­
                                                                                                führerin bei der internationalen Jugendarbeitsgruppe der
              tions­treffen der Jugendorganisationen (Internatio-
                                                                                                Weltkonferenz über die Jugend (2013–2014), Senatorin im
              nal Coordination Meeting of Youth Or­ga­ni­zations
                                                                                                sri-lankischen Jugendparlament (2013–2015) und Mitbegrün-
              – ICMYO). Wir versuchten also, so viele junge Men-
                                                                                                derin der Organisation ›Hashtag Generation‹, die sich für mehr
              schen und so viele UN-Angehörige wie möglich zu                                   politisches Engagement unter jungen Menschen, insbesonde-
              konsultieren, um eine Strategie zu entwickeln.                                    re Frauen einsetzt. Kurz vor ihrer Ernennung zur Gesandten
                 Der Generalsekretär hat die Strategie in New                                   für die Jugend war sie für die sri-lankische Regierung und
              York vorgestellt. 1 Nachdem sie so auf den Weg                                    das Parlament tätig.
              gebracht wurde, arbeite ich nun mit Partnern zu-
              sammen, um einen Umsetzungsplan zu erstellen.
              Hierbei konzentriere ich mich auf die konkrete
              Umsetzung vor Ort, in unseren UN-Länderbüros                               der Zivilgesellschaft gibt. Und ich denke, das be-
              und politischen Missionen. Der Generalsekretär                             trifft auch junge Menschen in nichtstaatlichen Or-
              gibt viele Anregungen, sowohl in Bezug auf die                             ganisationen (NGOs) sehr stark.
              Reformagenda als auch im Hinblick darauf, wie                                 Sie haben ein Recht auf sichere Räume und wir
              wir vor Ort besser mit den Menschen, insbesonde-                           müssen ihnen solche Räume bieten. Dabei geht es
              re mit jungen Menschen, zusammenarbeiten kön-                              um vier verschiedene Bestandteile: Erstens, sichere
              nen. Ich arbeite daher sehr eng mit dem Büro für                           öffentliche Räume für junge Menschen zu schaf-
              die Koordinierung der Entwicklungsaktivitäten                              fen. Viele junge Frauen und Männer werden im öf-
              (Development Operations Coordination Office –                              fentlichen Raum, wie zum Beispiel in öffentlichen
              DOCO) zusammen, um konkrete Maßnahmen auf
              Länder­ebene umzusetzen.
                 Dieser Prozess war definitiv eine der größten und                                     »Junge Menschen haben ein Recht
              anspruchsvollsten Aufgaben, an denen ich im letz-                                        auf sichere Räume und wir müssen
              ten Jahr beteiligt war, denn alle 40 verschiedenen
              UN-Organisationen haben 40 verschiedene Priori-
                                                                                                       ihnen solche Räume bieten.«
              täten. Gleichzeitig wollen wir jedoch bei den UN
              keine zu ausufernden Dokumente mehr veröffent­
              lichen. Also versuchte ich mein Möglichstes, um
              sehr fokussierte und prägnante Hilfestellungen mit                         Verkehrsmitteln, auf Spielplätzen, in der Freizeit
              einigen sehr konkreten Beispielen – wie die Schaf-                         oder sogar an Schulen und Universitäten belästigt.
              fung nationaler Jugendräte – zu entwickeln.                                Deshalb müssen wir sicherstellen, dass unsere öf-
                                                                                         fentlichen Räume sicher sind, und dass sich junge
              Anlässlich des diesjährigen Internationalen Jugend-                        Menschen in diesen Räumen gefahrlos ausdrücken
              tags haben Sie von der Notwendigkeit sicherer Hand-                        können. Zweitens ist der Raum für gesellschaftli-
              lungsräume für Jugendliche gesprochen. Können Sie                          ches Engagement wirklich wichtig, denn fast über-
              erläutern, was Sie damit meinen?                                           all auf der Welt erleben wir, wie junge Menschen
                 Jedes Jahr haben wir für den Internationalen Tag                        aktiv werden und sich engagieren. Beispielsweise
              der Jugend ein Thema mit dem Ziel, junge Men-                              gab es kürzlich die von Studierenden angeführten
              schen und ihre Bedeutung in die Öffentlichkeit zu                          Demonstrationen in Bangladesch. Junge Schulkin-
              rücken und mehr Bewusstsein und Fürsprache für                             der gingen auf die Straße und forderten bessere, si-
              das gewählte Thema zu entwickeln. In diesem Jahr                           cherere Straßen. Und in den USA gab es den ›March
              war es »sichere Handlungsräume für Jugendliche«.                           for Our Lives‹ – junge Schülerinnen und Schüler,
              Das Thema ist wichtig, da es überall auf der Welt                          die auf die Straße gingen und gegen die Waffen­
              immer weniger Handlungsräume für die Beteiligung                           gesetze protestierten. In verschiedenen Teilen der

                                 1 Youth 2030. Working with and for Young People. UN Youth Strategy, 24.9.2018, www.un.org/sustainabledevelopment/wp-content/
                                   uploads/2018/09/18-00080_UN-Youth-Strategy_Web.pdf

V e r e i n t e N at i o n e n    5 / 2 0 1 8 									                                                                                                         197
Interview | Wickramanayake

           Welt konnten wir Frauendemonstrationen (wo­             was ich gerade tue, wirklich etwas Konkretes be-
           men’s marches) beobachten. All dies sind kreative       wirkt. Aber gleichzeitig kann ich versuchen, mich
           Ausdrucksformen, mit denen junge Menschen ihre          zumindest um ein paar individuelle Fälle zu küm-
           Anliegen zivilisiert zum Ausdruck bringen und           mern und mich bemühen, diese so weit wie mög-
           sich gesellschaftlich engagieren. Gleichzeitig dür-     lich weiterzuverfolgen. Wenn ich beispielsweise
           fen Jugendliche keiner Form von Gewalt ausgesetzt       ein Treffen mit dem Jugendminister eines Staates
           sein oder wegen ihrer Teilnahme diskriminiert           habe, spreche ich anschließend mit meinen UN-
           werden. Und dann sind drittens natürlich Räume          Kolle­ginnen und Kollegen in dem Land und bitte
           wichtig, die Schutz vor physischer Gewalt bieten,       sie, mit dem Büro des Ministers Kontakt aufzuneh-
           was weltweit ein sehr wichtiges Thema ist. Alle         men und mich darüber auf dem Laufenden zu hal-
           zweiein­h alb Sekunden wird ein Mädchen unter           ten, wie die Umsetzung erfolgt. Zumindest in den
           18 Jahren verheiratet. Weibliche Genitalverstüm-        Fällen, in denen ich vor Ort eine gewisse Unterstüt-
           melung, geschlechtsspezifische Gewalt, häusliche        zung habe, versuche ich, die Entwicklung zu ver-
           Gewalt, Gewalt von Intimpartnern – das sind The-        folgen und dafür zu sorgen, dass die Lobbyarbeit
           men, die die körperliche Sicherheit junger Men-         auch Wirkung zeigt.
           schen, insbesondere junger Frauen, betreffen. Ein
                                                                   Gibt es noch eine weitere Herausforderung?
                                                                      Eine weitere Herausforderung sind die finanziel-
»Eine meiner größten Herausforderungen                             len Engpässe, mit denen wir konfrontiert sind.
ist, dass ich von New York aus arbeite.«                           Mein Büro wird komplett mit außerplanmäßigen
                                                                   Mitteln finanziert. Im Grunde genommen muss ich
                                                                   also Finanzmittel akquirieren, damit unser Büro
                                                                   existiert – für meinen Mitarbeiterstab, für alle
           vierter und letzter Bestandteil sind die digitalen      Projekte und Kampagnen und für alles, was wir
           Räume. Wir wissen, dass junge Menschen im digi-         tun. Das nimmt also etwa 50 Prozent unserer Zeit
           talen Raum sehr aktiv sind. Aber sie sind auch mit      in Anspruch und verhindert, dass wir uns auf un-
           Belästigung, Cyber-Mobbing und anderen Proble-          sere eigentliche Arbeit konzentrieren können. Aber
           men im digitalen Raum konfrontiert. Und gleich-         zum Glück gibt es einige Mitgliedstaaten, die uns
           zeitig nutzen extremistische Organisationen und         unterstützen. Ich bleibe im Gespräch mit denjeni-
           terroristische Organisationen wie der Islamische        gen, die in der Vergangenheit freiwillig Beiträge
           Staat (Da’esh – IS) digitale Plattformen, um junge      geleistet haben, und ich setze auch die Gespräche
           Menschen für ex­treme politische Bewegungen zu          mit anderen fort, um eine solche Unterstützung auf-
           gewinnen. Wie können also diese digitalen Räume         rechtzuerhalten. Dadurch wird sichergestellt, dass
           sicherer gemacht werden, und wie können wir             unsere Arbeit nachhaltig bleibt, denn ich möchte
           junge Menschen gleichzeitig dazu befähigen, diese       wirklich, dass mein Büro als Institution weiter
           Plattformen auf sichere Weise zu nutzen? Anderer-       wächst. Wenn man von einer Gesandten spricht, ist
           seits wollen wir darüber diskutieren, wie wir über      es nur eine Person, aber wenn man ein Büro oder
           Mitgliedstaaten, politische Entscheidungsträgerin-      eine Einrichtung gründet, ist es nachhaltig. Ich
           nen und -träger, Eltern und andere Akteure Hand-        kann meine Arbeit dann tatsächlich an meinen
           lungsraum schaffen, um sicherzustellen, dass sich       Nachfolger oder meine Nachfolgerin übertragen.
           junge Menschen in all diesen verschiedenen Platt-       Gleichzeitig setze ich mich bei den Mitgliedstaaten
           formen frei ausdrücken und verantwortungsvoll           dafür ein, dass meine Arbeit aus dem ordentlichen
           bewegen können.                                         UN-Haushalt finanziert wird.
                                                                      Damit dies passieren kann, muss dieser Schritt
           Vor welchen Herausforderungen stehen Sie in Ihrer       über den Fünften Ausschuss, den Verwaltungs- und
           Tätigkeit innerhalb und außerhalb der UN?               Haushaltsausschuss der Generalversammlung, be-
              Ich denke, eine meiner größten Herausforderun-       antragt werden. Dafür werbe ich.
           gen ist, dass ich von New York aus arbeite. Meine
           Arbeit ist in der Regel sehr global ausgerichtet und    An Ihrem ersten Tag als Gesandte für die Jugend ha-
           umfasst auch Interessenvertretung, Lobbyarbeit          ben Sie junge Menschen als die ›SDG-Generation‹
           und Vorträge, und ich versuche, die Aufmerksam-         bezeichnet. Was meinen Sie damit?
           keit auf die betreffenden Themen zu lenken. Für            Ich verwende diesen Begriff aus zwei Gründen.
           mich, die vor Ort in der Zivilgesellschaft gearbeitet   Erstens bezeichne ich die uns unmittelbar voran-
           und meine eigene Jugendorganisation und Jugend-         gegangene Generation als ›Generation der Mil-
           clubs geleitet hat, ist es manchmal eine Herausfor-     lenniumsentwicklungsziele‹ (Millennium Develop-
           derung, zu erfahren, wie meine Arbeit in die Praxis     ment Goals – MDGs) – zum Beispiel meine Cousins
           umgesetzt wird. Deshalb frage ich mich, ob das,         und meine älteren Freunde. Sie wuchsen mit dem

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Interview | Wickramanayake

              Wissen über die MDGs auf, hörten von den MDGs          Kofi Annan in der Zeitung sah. Damals fragte ich
              und dachten wirklich, dass Entwicklung mit den         meine Mutter, wer das sei, und sie sagte mir, er sei
              MDGs gleichzusetzen sei. Für mich aber war die         der Generalsekretär der Vereinten Nationen. Da-
              erste internationale Konferenz, an der ich je teil-    nach interessierte mich, wie sein Job aussehen
              genommen habe, der Rio+20-Gipfel im Jahr 2012.         könnte, warum er sein Leben riskierte, um das Le-
              Und es war der erste Gipfel, bei dem sich so viele     ben anderer Menschen besser zu machen. Später
              junge Menschen an der Diskussion über nachhaltige      bekam ich die Gelegenheit, ihn tatsächlich persön-
              Entwicklung beteiligten. Wir als Generation sind       lich zu treffen. Dann gab es den damaligen Außen-
              mit der Idee der Nachhaltigkeit aufgewachsen. Ich      minister Sri Lankas Lakshman Kadirgamar. Er ist
              glaube, dass viele der ›Millennials‹ und der ›Gene-    leider nach einem Terroranschlag im Jahr 2005
              ration Z‹ sehr umweltbewusst sind. Schon beim          gestorben. Kadirgamar stammte aus einer Minder-
              Kauf von Kleidung einer Modemarke nehmen wir           heit, arbeitete aber sehr gut mit Minderheits- und
              Rücksicht auf die Umwelt. Das lässt mich also          mit Mehrheitsgemeinschaften zusammen, um Lö-
              glauben, dass wir die ›Generation der SDGs‹ sind.      sungen für politischen Probleme – insbesondere im
              Zweitens: Wenn wir es mit der Beendigung von Ar-       Zusammenhang mit dem sri-lankischen Bürger-
              mut, Hunger und der Umkehr des Klimawandels            krieg – zu finden. Er glaubte an Gleichberechti-
              ernst meinen, dann ist es unsere Generation, die       gung. Er hat sowohl mich als auch die Menschen in
              die globalen Probleme lösen muss. Wenn wir das         Sri Lanka sehr inspiriert, aufgeschlos­sener zu sein,
              nicht innerhalb der nächsten 15 Jahre schaffen,        global zu denken und lokal zu handeln.
              wird es zu spät sein, insbesondere im Hinblick auf
              den Klimawandel. Wenn wir konkrete Verände-                   Aus dem Englischen von Angela Großmann
              rungen herbeiführen wollen, müssen wir in die
              heutige Generation junger Menschen investieren,
              damit sie der aktive Partner sein kann, der in den
              nächsten 40 bis 50 Jahren tatsächlich die globale
              Energiepro­duk­tion dekarbonisiert. Vor allem im
              Hinblick auf das soziale Bewusstsein, aber auch im
              Hinblick darauf, junge Menschen als Akteure zur        Das Interview wurde am 6. September 2018 telefonisch
              Verwirklichung der SDGs zu betrachten, nenne ich       geführt. Die Fragen stellte Patrick Rosenow, Leitender
              unsere Generation lieber die ›SDG-Generation‹.         Redakteur der Zeitschrift VEREINTE NATIONEN.

              Sie sind eine leidenschaftliche Leserin von Psycho-
              Thriller-Romanen. Sehen Sie manchmal Parallelen
              zu Ihrem Mandat?
                 Ich denke, dass ich vielleicht nach meiner Amts-
              zeit mein eigenes Buch schreiben werde. Das Amt
              ist wie eine Achterbahnfahrt. An manchen Tagen            English Abstract
              bin ich extrem produktiv, und an anderen Tagen
                                                                        Jayathma Wickramanayake
              denke ich: ›Was habe ich eigentlich getan, außer
                                                                        »The Young Generation Will Have to Solve Our Global
              mit Leuten zu sprechen?‹ Der Unterschied zu einem
                                                                        Problems.« pp. 195–199
              Psycho-Thriller-Roman besteht wahrscheinlich da-
              rin, dass mein Team und ich wissen, dass wir auf          Jayathma Wickramanayake, Envoy of the Secretary-General on
              das Ziel hinarbeiten, eine bessere Welt zu schaffen,      Youth, talks about the challenges of her mandate, the needs of
              auch für junge Menschen. Jeder junge Mensch soll          the young generation, and the UN’s commitment to promoting
              mein Amt als Anlaufstelle wahrnehmen, an das er           their interests. Furthermore, she refers to restrictions on youth
              sich wenden kann, wenn er das Gefühl hat, dass            participation and the concerns of future generations. Wickra-
              seine Stimme nicht gehört wird.                           manayake pledges to support the three pillars of the UN’s
                                                                        work: sustainable development, human rights, peace and
              Sie stehen mit Ihrer Biografie für Gleichberechti­-       security but as well as a fourth, namely humanitarian action
                                                                        for young people. Her aims for today’s young generation are to
              gung, Versöhnung und Partizipation junger Men-
                                                                        create safe spaces for youth participation, to reduce inequali-
              schen auf nationaler und internationaler Ebene.
                                                                        ties, to improve situations for young people in conflicts and to
              Gibt es jemanden, der Sie inspiriert hat?
                                                                        include them in the decision-making processes.
                 Ich hatte nie eine einzige Person, die ich als
              Vorbild betrachtet habe. Ich denke, es sind immer         Keywords: Jugend, Kinder/Kinderrechte, Jayathma Wickrama-
              kleine Dinge, die ich von verschiedenen Menschen          nayake, Zivilgesellschaft, civil society, Envoy of the Secretary-
              übernehme. So habe ich zum ersten Mal von den             General on Youth
              Vereinten Nationen erfahren, als ich ein Bild von

V e r e i n t e N at i o n e n   5 / 2 0 1 8 									                                                                                      199
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