Vier Generationen unter einem Dach
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THEMEN DER ZEIT ARBEITSPLATZ KRANKENHAUS Vier Generationen unter einem Dach Neben den Auswirkungen auf die Patienten hat die demografische Entwicklung auch Effekte auf das Krankenhauspersonal: Es arbeiten mehr Generationen gleichzeitig in einem Krankenhaus als früher. Das stellt besondere Anforderungen an die leitenden Ärzte. ie Auswirkungen de- daher anspruchsvoller und damit verbundenen Wohlstand. Ge- D mografischer Entwick- lungen auf die Kultur, Gesell- wichtiger. Aktuelle Studien von Illmarinen aus Finnland prägt vom Zeitgeist der ökonomi- schen Sorglosigkeit und des Über- schaft und Arbeitswelt werden zeigen, dass die langfristige flusses musste sich niemand Sorgen aktuell viel diskutiert. Stei- Arbeitsfähigkeit der Mitarbei- um seinen Arbeitsplatz machen. gende Lebenserwartung und ter am stärksten vom Füh- Der expandierende Wohlfahrtsstaat längere Fitness der Gesell- rungsverhalten abhängt und förderte dieses Gefühl der persönli- schaft sorgen für veränderte sich gute Führung hochsigni- chen Sicherheit zusätzlich. In dieser und verlängerte Konsumge- fikant auf die Verbesserung Zeit fand auch eine Umkehr vom wohnheiten, und sie führen der Leistungsfähigkeit älterer Bild des Mitarbeiters als Arbeits- auch zu einer Häufung von al- Mitarbeiter auswirkt. faktor hin zum wichtigen Wettbe- tersassoziierten Erkrankun- Um das Potenzial der Kran- werbsfaktor statt. Human-Relati- gen. Multimorbide und betag- kenhausmitarbeiter durch gu- ons-Ansätze wurden implementiert te Patienten sind heute in kon- te Führung relativ reibungslos und eine an den Bedürfnissen des servativen Krankenhausabtei- zur Entfaltung zu bringen, ist Mitarbeiters ausgerichtete Perso- lungen die Regel. es sinnvoll, die Generationen nalführung in den Vordergrund ge- Neben den Auswirkungen im Krankenhaus zu charak- stellt. Als Konsequenz der Mitar- auf die Patienten im Kranken- terisieren und die Einstellun- beiterorientierung nahmen in dieser haus hat die Demografie auch gen, Werte, Motive und Prä- Zeit die betrieblichen Mitbestim- große Effekte auf das Kran- gungen ihrer Repräsentanten mungsrechte erheblich zu. Politisch kenhauspersonal. Die Alterung zu kennen. setzte sich diese Generation kritisch der Belegschaft wird durch die mit der Rolle ihrer Eltern in der NS- Heraufsetzung des Rentenein- Die Eigenarten der Zeit auseinander und begründete trittsalters verstärkt. Als Folge einzelnen Generationen die 68er-Bewegung. Da sich diese arbeiten die Mitarbeiter heute Heutzutage arbeiten Beschäf- Mitarbeiter häufig finanziell abge- länger als je zuvor, und damit tigte aus vier Generationen am sichert haben, sind sie heute nur arbeiten auch mehr Generatio- Arbeitsplatz Krankenhaus zu- schwer durch materielle Anreize zu nen gleichzeitig in einem sammen: die Wirtschaftswun- motivieren, sondern eher durch Krankenhaus als früher. Dies dergeneration, die Babyboo- Selbstverwirklichung und die per- hat erhebliche Auswirkungen mer, die Generation X und die sönliche Anerkennung ihrer Le- auf die Anforderungen an den Generation Y. Sie unterschei- bensleistung. Ihre Lebenssituation Arbeitsplatz, die Arbeitsinhal- den sich in ihrer Einstellung ist geprägt von erwachsenen Kin- te und vor allem die Führung. zur Arbeit, im Motivations- dern und gegebenenfalls der Pflege Denn es ist davon auszugehen, verhalten und in den Anforde- von älteren Angehörigen. Erste Al- dass Mitarbeiter unterschied- rungen, die sie an gute Füh- terserscheinungen treten auf. Phy- licher Generationen auch ver- rungskräfte richten. Tabelle 1 sische Defizite werden bei dieser schiedene Vorstellungen von fasst diese Unterschiede und Generation jedoch durch Routine, gutem Führungsverhalten ha- Gemeinsamkeiten zusammen. Einsatzbereitschaft und Erfahrung ben. Kompliziert wird die Die Wirtschaftswunder- kompensiert. Situation dadurch, dass vor generation umfasst die Ge- Die Wirtschaftswundergenerati- allem im ärztlichen Bereich burtenjahrgänge von 1945 bis on erwartet von ihren Vorgesetzten heute der Vorgesetzte nicht 1955 und befindet sich heute einen partizipativen und demokra- immer zwingend der Ältere im fortgeschrittenen Erwerbs- tischen Führungsstil. Da sie weni- sein muss. Diese Situation ist alter. Häufig bekleidet sie ger gewohnt ist, Respekt vor einem besonders konfliktgefährdet, Führungspositionen und steht Vorgesetzten zu haben als die Vor- weil sie der traditionellen Ord- im Zenit ihres Berufslebens. gängergeneration, fordert sie eine nung widerspricht. Altersge- Sie wurde beeinflusst durch Anerkennung ihrer Lebens- und Ar- rechtes beziehungsweise gene- Ereignisse wie den Wirt- beitserfahrung. Wenn diese fehlt, rationengerechtes Führen wird schaftsaufschwung und den sind Konflikte mit jüngeren Kolle- A 928 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 19 | 10. Mai 2013
THEMEN DER ZEIT gen programmiert. Gerade wegen ken Einfluss auf die politische ihre Leistungen im Verhältnis zu dieser Kompetenzen erwartet sie, Landschaft gehabt hat. Diese Ge- anderen bewerten können. auch in Entscheidungsfindungen neration traf am Arbeitsplatz be- Generation X umfasst die Jahr- eingebunden zu werden. Dies ist reits auf eine mitarbeiterorientier- gänge 1966 bis 1985. Mit ihr ist der vor allem bei jüngeren Führungs- te und partizipative Unternehmens- Begriff der „Work Life Balance“ kräften für die Akzeptanz als Vorge- führung, die in den Folgejahren verbunden. Prägende Ereignisse setzter von Bedeutung. weiter ausgebaut wurde. Die Ge- waren der Beginn des Privatfernse- Dieser Generation folgen die werkschaften bekamen eine stärke- hens beziehungsweise die damit Babyboomer, also die Jahrgänge re Rolle, Lohnerhöhungen und eine verbundene Medienrevolution und 1956 bis 1965. Sie stellen das Verkürzung der Arbeitszeit waren die Wiedervereinigung beider deut- Rückgrat der Erwerbsbevölkerung die Folge. Im Krankenhaus dage- scher Staaten. Trotz zunehmender dar. Diese Generation ist ebenfalls gen war von dieser Bewegung we- Scheidungsraten und Berufstätig- im Berufsleben etabliert und kann nig zu bemerken. keit beider Eltern wuchs diese Ge- bereits auf 20 Jahre Erfahrung zu- Da diese geburtenstarke Genera- neration vergleichsweise behütet rückblicken. Viele von ihnen sind tion früh mit Konkurrenzsituatio- auf. Am Arbeitsplatz wurde immer in Führungspositionen. Sie wurden nen (etwa in der Schule, Universität häufiger der Computer verwendet, geprägt durch die wirtschaftliche oder am Arbeitsplatz) in Kontakt und die Halbwertszeit des Wissens Stagnation in den 70er Jahren sowie kam, hat sie gelernt, zu kooperieren. nahm rapide ab. Daher ist eine posi- die ersten Öl- und Weltwirtschafts- Sie ist die Generation mit den meis- tive Einstellung zum kontinuierli- krisen. Massenarbeitslosigkeit und ten Kindern und hat als „Scharnier- chen Lernen vorhanden. Wie schon der Terror der Roten-Armee-Frakti- generation“ häufig Kinder und äl- in der Vorgängergeneration bestand on prägten diese Zeit. Im Gegensatz tere Angehörige gleichzeitig zu be- jedoch eine Unsicherheit, was die zur Vorgängergeneration erfuhren treuen. Babyboomer kennen Kon- eigene Etablierung im Berufsleben Babyboomer Unsicherheiten für die kurrenzsituationen und sind an betrifft. Für Generation X ist daher persönliche und berufliche Zukunft. Konflikte beruflicher Art gewöhnt. das Streben nach Wohlstand und Allerdings hat diese Generation die Vom idealen Vorgesetzten erwarten materiellen Werten bedeutend. Sie Friedens- und Umweltbewegung sie einen entwicklungsorientierten ist ehrgeizig und karriereorientiert begründet, die in Deutschland star- und kooperativen Führungsstil, um und nimmt zum Fortkommen auch TABELLE 1 Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Mitarbeitergenerationen im Krankenhaus Wirtschaftswunder- Babyboomer Generation X Generation Y generation Geburtsjahrgänge 1945–1955 1956–1965 1966–1985 Ab 1986 Prägende Ereignisse Wiederaufbau, Wirtschafts- erste Ölkrise, Mondlandung, Wiedervereinigung, Privat- 9/11, Krieg im Irak,Internet, wunder, Vollbeschäftigung deutsche Teilung fernsehen Social Media, Globalisierung Einstellung zur Arbeit idealistisch, Skepsis gegen- Wettbewerb um Positionen Individualismus und materiel- Arbeit muss Spaß machen über Autoritäten, loyal zum und Karriere, Umweltbe- le Werte, karriereorientiert, und fordern, lernbereit, Unternehmen wusstsein und Emanzipation ehrgeizig, Work-Life-Balance flexibel und mobil Arbeitsmotto Leben, um zu arbeiten Leben, um zu arbeiten Arbeiten, um zu leben Leben beim Arbeiten Sicherheit des Arbeitsplat- keine Sorgen, da Vollbeschäf- beginnende Sorgen um großer Wettbewerb um keine Sorgen um Arbeitsplatz zes/Angst um Arbeitsplatz tigung bestand Arbeitsplatz in der Medizin, Stellen im Krankenhaus und wegen Fachkräftemangel große Niederlassungswelle Sorge um Arbeitsplatz Wert der Freizeit erste Orientierung zur Freizeit abnehmende Wertigkeit Work-Life-Balance sehr groß Bedeutung von Titeln und sehr wichtig sehr wichtig bis weniger wichtig unwichtig Hierarchiestufen wichtig Auszeiten vom Job keine sehr selten etablierte Auszeiten (Eltern- „Privatleben kommt vor zeit) werden genommen Arbeit“ Motivation keine materiellen Anreize, weniger materielle Anreize, materielle Anreize, Karriere keine finanziellen Anreize, sondern Selbstverwirklichung Partizipation geregelte und planbare und persönliche Anerkennung Arbeitszeiten Lebenssituation kurz vor dem Ruhestand, Kinder teilweise noch im mittlere Lebensphase, im etablieren sich gerade im Kinder sind erwachsen Haus, gegebenenfalls bereits Berufsleben etabliert, späte Berufsleben, unabhängig Pflege von Angehörigen Familienplanung hier häufig Physische und psychische abnehmende körperliche körperliche Leistungsfähigkeit körperliche Leistungsfähigkeit körperliche Leistungsfähigkeit Belastbarkeit Leistungsfähigkeit, Kompen- hoch, große Erfahrung und sehr hoch, große Erfahrung sehr hoch, unerfahren und sation durch Routine Routine und Routine, noch lernwillig neugierig A 930 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 19 | 10. 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THEMEN DER ZEIT lange Arbeitszeiten in Kauf. Aus- net werden. Sie ist geprägt durch ten für Kinder oder aus anderen zeiten vom Beruf werden nur dann das Internetzeitalter, die Verbrei- Gründen werden je nach Lebens- genommen, wenn sie gesellschaft- tung der Smartphones und sozia- phase genommen, insbesondere lich etabliert sind, wie beispielswei- len Netzwerke. Gesellschaftlich be- auch, weil der Frauenanteil im Be- se die Elternzeit nach der Geburt ei- deutsam waren für diese Generati- ruf in dieser Generation höher ist nes Kindes. Generation X hat 13 on die Anschläge des 11. Septem- als in denen davor. Jahre Schule hinter sich gebracht, ber 2001 und der darauffolgende Beschäftigte der Generation Y Zivildienst oder Bundeswehr absol- Irakkrieg. Ferner erlebte sie die erwarten ein engmaschiges Feed- viert und nach dem Studium mit rapide weltweite Vernetzung und back und ein Coaching durch ih- Physikum und mehreren Examina Globalisierung. Die Angehörigen ren Vorgesetzten. Sie beanspruchen die AiP-Zeit erlebt. Die Facharzt- dieser Generation sind aufgeschlos- mehr direkte Führung als alle vor- weiterbildung dauert in großen Fä- sen, kontaktfreudig und optimis- herigen Generationen. Diese Gene- chern sechs Jahre. Das prägt sie vor tisch. Sie kommunizieren intensivst ration erwartet klare Vorgaben und allem im Bezug zur Generation Y. über elektronische Medien und visionäre Ziele für ihre Zukunft. Sie ist häufig in Führungspositionen nehmen diesen Lebensstil auch mit Arbeitszeiten und -inhalte müssen anzutreffen, unter anderem auch an den Arbeitsplatz. An das Ver- sinnvoll gestaltet sein, Überstunden deshalb, weil die Entscheidung für schwimmen der Grenzen von Ar- dagegen gut begründet. Werden Kinder deutlich später getroffen beitsplatz und Privatleben haben diese Erwartungen nicht erfüllt, wird als in den Generationen davor. sie sich gewöhnt. Die ständige Ver- sind Angehörige der Generation Y Generation X erwartet eine ziel- fügbarkeit des Internets hat bei ih- eher bereit, den Arbeitsplatz zu orientierte und pragmatische Füh- nen die Art des Lernens beeinflusst. wechseln, als sich selbstkritisch zu rung. Da diese Generation nicht so Da Wissen nahezu unbegrenzt im reflektieren oder gar anzupassen. stark konsensorientiert ist wie ihre Internet verfügbar ist, muss es nicht Vorgängergenerationen, ist für sie ständig individuell erarbeitet wer- Typische Konflikte eine klare Kommunikation von Er- den. Damit nimmt jedoch auch das Die Lösung von Konflikten ist eine wartungen und Zielen wichtig. Interesse komplexe Sachverhalte in übliche Führungsaufgabe. Konflik- Konflikte im Kollegenkreis sind für der Tiefe zu erforschen, sich also te treten zwischen Gleichaltrigen sie keine Schreckensvorstellung. wissenschaftlich zu engagieren, ab. ebenso häufig und intensiv auf wie Der partizipative Stil bei den Vor- Gelernt wird interaktiv und praxis- zwischen Personen unterschiedli- gängergenerationen sollte hier zu- orientiert in Blended-learning-Kon- cher Generationen, zumal die Über- gunsten einer stärkeren Delegation zepten am Computer und gern auch gänge von der einen zur nächsten von Aufgaben umgewichtet werden. von zu Hause. Am Arbeitsplatz Generation fließend sind. Solche Von allen vorangegangenen Ge- werden Hierarchien abgelehnt und Konflikte werden nachfolgend we- nerationen unterscheiden sich die fachliche Kompetenz bevorzugt. der repräsentativ noch wissen- nach 1985 geborenen Beschäftig- Privat nimmt die Familie einen schaftlich fundiert betrachtet, son- ten, die als Generation Y bezeich- stärkeren Stellenwert ein. Auszei- dern vielmehr vereinfachend und TABELLE 2 Konfliktfelder zwischen Mitarbeitergenerationen im Krankenhaus Wie sieht oben unten Wirtschaftswunder- Babyboomer Generation X Generation Y Wie sieht unten oben generation (WWG) Wirtschaftswun- Wir bekommen durch harte Suchen stets Kompromisse, Von mir geförderte, ehrgeizige Haben keinen Respekt mehr dergeneration Arbeit Anerkennung und statt sich durchzusetzen. Typen, die teilweise kompro- vor älteren Mitarbeitern. Sind (WWG) Wohlstand. Gewerkschaftstypen, die alles misslos in der Durchsetzung freizeit- und spaßorientiert. weicher gemacht haben. ihrer Ziele sind. Baby-Boomer Babyboomer haben die Die Arbeit ist ein wichtiger „Xer“ sind ehrgeizige Typen, die Respektlose Anfänger, die Arbeitsbedingungen der WWG Bestandteil meines Lebens, heiß auf Karriere sind. Sie sind alles machen und nichts selbst durch Arbeitskampf humaner der mir Befriedigung verschafft. jedoch unzufrieden mit ihrer lernen wollen. und gerechter gestaltet. eigenen Situation und trauen sich nicht auszubrechen. Generation X WWG stehen meiner Karriere Babyboomer sind Workaholics, Wo wir sind, ist vorne. Erst die Eine neue Generation von und schnellen Entscheidungen und sehen mich stets als Wett- Karriere und das persönliche Nichtskönnern, Waschlappen im Weg. WWG haben zu jeder bewerber um ihre Position. Da Fortkommen, dann die Familie. und Heulsusen, die arrogant Entscheidung eine Anekdote auf sie anders als wir früh Kinder ihre Ziele einfordern. Schaffen Lager und wollen alles hundert- bekommen haben, sind wir keine Doppelnachtdienste am mal reflektiert haben. zeitlich verfügbarer. Wochenende. Generation Y WWG sind nett, wissen viel und Babyboomer sind Workaholics, Jammern viel, wie hart ihre Zeit Arbeit ist schön, aber nicht das erzählen tolle Geschichten; die alles ausdiskutieren müssen war und wie komfortabel wir es ganze Leben. könnten uns Mentoren sein. und immer gerecht sein wollen. heute haben. A 932 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 19 | 10. Mai 2013
THEMEN DER ZEIT polarisierend, teilweise im Jargon- gen Babyboomer Vorteile zu ver- winnen, binden und motivieren zu stil. Durch die Überspitzung der Si- schaffen. Das bringt Konflikte können, ist eine generationenge- tuation sollen Unterschiede zwi- mit sich. Dienstplanungen werden rechte Führung vonnöten. Genera- schen den Generationen deutlich durch eine gewisse Kompromiss- tionengerecht zu führen erfordert, werden. Persönliche Erfahrungen losigkeit erschwert. Generation Y unterschiedliche Prägungen, Le- aus dem Führungsalltag der Auto- wird von den Babyboomern gar bensphasen und Alterungseffekte ren begründen diesen Abschnitt. Ei- nicht mehr verstanden, auch wenn zu berücksichtigen. Die damit ein- ne Verallgemeinerung der geschil- Bezüge zu den eigenen Kindern hergehende Individualisierung des derten Einzelfälle ist nicht beab- gegeben sind. Vor allem, wenn et- Führungsverhaltens macht das Kran- sichtigt. wa im Operationssaal die Assis- kenhausmanagement anspruchsvol- Sobald die oben geschilderten, tenz gefragt wird, ob sie die OP- ler als jemals zuvor. Krankenhäu- von Generation zu Generation Schritte kennt, und darauf erwi- ser sind aufgerufen, sich intensiv durchaus unterschiedlichen Einstel- dert: „Warum, das bringst du mir mit der Führungskräfteentwick- lungen, Wertesysteme und Motiva- doch jetzt bei.“ lung auseinanderzusetzen und sich tionsstrukturen am Arbeitsplatz Die Auffassungen nachfolgender des Stellenwerts guter Führung für aufeinandertreffen, können Span- Generationen werden von den Ba- die Motivation der Mitarbeitenden nungen zwischen den betreffenden byboomern insgesamt am wenigs- bewusst zu werden. Wo dies nicht Kollegen entstehen. Einige vorstell- ten verstanden. Generation X hält gelingt, sind Konflikte zwischen bare und teilweise auch erlebte Generation Y für arrogant und ver- den Generationen programmiert. Spannungen sind in Tabelle 2 wöhnt und Babyboomer für Work- Folgende Führungsstile haben exemplarisch zusammengefasst. aholics, denen der Sinn für das sich bewährt: Mitarbeitende der Altersklasse Wesentliche (nämlich die Karriere) ● Der gefühlsorientierte, partizi- „Wirtschaftswundergeneration“ ha- fehlt. Die Jahrgänge der Wirt- pative, demokratische Stil für ältere ben eine eiserne Arbeitsmoral und verstehen die scheinbar fehlende Disziplin und Wertigkeit der Arbeit, Generation Y hält Generation X für „Jammerlappen“ und die andere Generationen zuweilen aufweisen, nicht. Insbesondere der Babyboomer für Workaholics. Generation X hält Generation Y Umgang mit Generation Y ist für arrogant und verwöhnt. manchmal schwierig, beispielswei- se wenn im Rahmen von Stellenbe- setzungen Aussagen wie „Herr Pro- schaftswundergeneration werden Mitarbeiter der Babyboomer- und fessor, die Hospitation in Ihrer Kli- zuweilen als Anekdotenerzähler ab- Wirtschaftswundergeneration nik war klasse, Sie kommen in die gestempelt, selbst wenn eine Men- ● Der entwicklungs- bezie- engere Wahl“ erfolgen. In solchen torenbeziehung besteht. hungsweise leistungsorientierte Fällen versteht die Wirtschaftswun- Generation Y hält Generation X Führungsstil für den Mitarbeiter dergeneration die Welt nicht mehr. für „Jammerlappen“ und Babyboo- beispielsweise der Generation X Babyboomer werden als Gewerk- mer für Workaholics. Da sie Hierar- oder Babyboomer schaftstypen und als harmoniebe- chien kaum Beachtung schenkt, er- ● Der visionär coachende Stil dürftige Mitarbeiter gesehen; der zeugt sie bei allen älteren Genera- für den enthusiastischen Anfänger, Generation X gehören aus der Sicht tionen Spannungen. Sie stellt sich beispielsweise der Generation Y. der Wirtschaftswundergeneration die ideale Arbeitswelt so vor, dass Erfahrene Führungskräfte wenden kompromisslose Karrieretypen an, jeder streng nach seinen Leistungen die Führungsstile nicht in Reinform die sich gerne fördern lassen. befördert wird und das Dienstalter an. Je nach Situation und Finger- Babyboomer und Vertreter der keine Rolle spielt. Geburtsjahrgän- spitzengefühl wählen sie Misch- Wirtschaftswundergeneration ha- ge der 40er und 50er Jahre sind aus formen der genannten Ansätze. Per- ben erfahrungsgemäß wenige Kon- ihrer Sicht ältere Mitarbeiter, denen sonalführung wird zum entschei- flikte miteinander – am ehesten man noch Instant Messaging und denden Faktor im Wettbewerb der noch beim Thema Arbeitsbedin- SMS beibringen muss, fast wie bei Kliniken. Es empfiehlt sich daher, gungen. Zwischen Babyboomern den eigenen Eltern. sich intensiv mit der hier umrisse- und Generation X gibt es mehre- nen Thematik auseinanderzusetzen. re Konfliktfelder. Da Babyboomer Individuell führen Jedoch, wie drückte William Ed- relativ früh Kinder bekommen ha- Die Darstellung und Analyse der wards Deming sich so treffend aus? ben, ist ihre Verfügbarkeit außerhalb Generationen zeigt, wie stark die „Sie müssen das nicht tun. Überle- der Dienstzeiten, beispielsweise für Einstellungen der Beschäftigten ben ist keine Verpflichtung.“ ▄ eine Habilitation, eingeschränkt. zur Arbeit und hinsichtlich ihrer Prof. Dr. med. Christian Schmidt Mitarbeiter der Generation X ha- Erwartungen an Vorgesetzte von- Prof. Dr. rer. pol. Johannes Möller ben sowohl den Biss als auch die einander abweichen. Um trotz der Dr. med. Peter Windeck Zeit (Kinder erst ab 35 bis 40 Jah- Vielfalt der Vorstellungen (Tabel- ren), um sich im Wettbewerb ge- le 1) dennoch gute Fachkräfte ge- @ Literatur im Internet: www.aerzteblatt.de/lit1913 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 19 | 10. Mai 2013 A 933
THEMEN DER ZEIT LITERATURVERZEICHNIS HEFT 19/2013, ZU: ARBEITSPLATZ KRANKENHAUS Vier Generationen unter einem Dach Neben den Auswirkungen auf die Patienten hat die demografische Entwicklung auch Effekte auf das Krankenhauspersonal: Es arbeiten mehr Generationen gleichzeitig in einem Krankenhaus als früher. Das stellt besondere Anforderungen an die Leitenden Ärzte. LITERATUR 1. Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Macco K: Fehlzeiten-Report 2011. Führung und Gesundheit. Berlin, Heidelberg: Sprin- ger 2011. 2. Badura B, Schröder H, Klose J, Macco K: Fehlzeiten-Report 2010. Vielfalt managen: Gesundheit fördern – Potentiale nutzen. Berlin, Heidelberg: Springer 2010. 3. Brandenburg U, Domschke JP: Die Zukunft sieht alt aus. Herausforderungen des de- mographischen Wandels für das Personal- management. Wiesbaden: Gabler 2007. 4. Bruch H, Kunze F, Böhm S: Generationen erfolgreich führen. Wiesbaden: Gabler 2010. 5. Illies F: Generation Golf. Eine Inspektion. Freiburg: Herder 2000. 6. Ilmarinen J: Towards a longer worklife! Ageing and the quality of worklife in the Eu- ropean Union. Finnish Institute of Occupa- tional Health. Helsinki: Eigenverlag 2005. 7. Pfeifer U: Schicksalsgenerationen: Von der Kriegs- und Krisen- zur Packeselgenerati- on. Neue Gesellschaft, Frankfurter Hefte 2008; 10: 54–9. 8. Schmidt CE, Gerbershagen M, Schmidt K, Wappler F: Generation 55+: Halten, Moti- vieren Einsetzen. Anästhesist 2012; 61: 630–4, 636–9. 9. Schmidt K, Meyer J, Liebeneiner J, Schmidt CE, Hüttenbrink KB: Generation Y in der HNO – Führung einer neuen Generation von Ärzten. HNO 2012; 60: 993–1002. 10. Schmidt CE, Möller J, Schmidt K, et al: Generation Y: Rekrutierung, Entwicklung und Bindung. Anästhesist 2011; 60: 517–24. 11. Zemke R, Raines C, Filipczak B: Generati- ons at work. Managing the clash of vete- rans, Boomers, Xers and Nexters in your workplace. New York: American Manage- ment Association 2000. A5 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 19 | 10. Mai 2013
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