Digitale Plattformen in der Pflege - Cornelia Röper und Jan Schröder: contec GmbH

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NDV 12/2020                                                                                                                     IM FOKUS

Cornelia Röper und Jan Schröder:

Digitale Plattformen in der Pflege
Worauf man als Pflegeanbieter bei der Wahl der richtigen Plattform achten sollte
und wie man seine Macht als Marktgestalter nutzen kann

Digitale Pflegeplattformen helfen Pflegeanbietern, Zeit für ihre Kernarbeit zu gewinnen.
Pflegebedürftigen und Angehörigen bieten sie Orientierung. Kein Zweifel: Pflegeplatt­
formen sind gekommen, um zu bleiben. Weniger voraussehbar ist, wie sich der Platt­
form-Markt entwickeln wird. Wer sich heute für eine Plattform entscheidet, gestaltet den
Markt von morgen. Dieser Artikel blickt hinter die Kulissen, beleuchtet Investoren und ihre
Interessen und gibt Anbietern Hinweise, ihre Marktmacht gut zu nutzen.

50 Anfragen und mehr pro Tag gehören bei vielen Pflegeanbie-
tern zum Alltag. Die meisten müssten die Mitarbeitenden ei-
gentlich „abwimmeln“. Doch der soziale Auftrag will es so,                                  Cornelia Röper
dass mit fast jedem Telefonat auch eine zumindest kurze Bera-                               ist Vorständin des vediso Vereins für
tung verbunden ist. Allein hierdurch werden in der Pflegewelt                               Digitalisierung in der Sozialwirtschaft und
unzählige Ressourcen gebunden. Oftmals verantwortet die                                     Geschäftsführerin der mitunsleben GmbH.
Pflegedienstleitung, die mit Personal- und Dienstplanung be-
fasst ist, auch noch die Bearbeitung aller Anfragen. Das sind
nicht nur Telefonanrufe, sondern auch E-Mails von Angehöri-
gen oder von Krankenhäusern, aber auch Problemstellungen                                    Jan Schröder
                                                                                            ist Leiter des Geschäftsfeldes Innovation
von Kund/innen, die durch die Tür kommen.
                                                                                            und Vernetzung in der contec GmbH.

Auf der anderen Seite stehen die Klient/innen: Pflegebedürftige,
pflegende Angehörige, Menschen, die plötzlich vor einem riesi-
gen „Pflegedschungel“ stehen. Die Suche im Dickicht von Bun-
desgesetzen, Länderverordnungen, Beratungsangeboten und              formen, die nach der Registrierung direkte Buchungen mög-
Dienstleistern raubt nicht nur Kraft und Nerven, sondern vor al-     lich machen, findet sich überall. Die richtigen Filter zeigen den
lem Monate an Zeit. Angehörige berichten von langwierigen            Kund/innen, was zu ihnen passt oder was sie sich vielleicht
Prozessen, in denen sie verschiedensten Anbietern ihre gesam-        gerade wünschen. Bestätigung, Lieferung und Rechnung
te Leidensgeschichte immer wieder von vorne erzählen, um             kommen automatisch. Wer will das noch missen?
dann jeweils ein schriftliches Angebot zu erhalten. All diese Ein-
zelangebote werden dann verglichen, indem Leistungen und             Auch in der Pflegewelt sind Plattformen schon seit einigen
Kosten in selbsterstellten Tabellen gegenübergestellt werden,        Jahren zu finden. Sie heißen careship.de, pflegelotse.de oder
um das für die individuelle Situation passende Angebot zu fin-       pflege.de, um nur einige zu nennen. Doch wer steht eigentlich
den.                                                                 hinter diesen Plattformen – und mit welchen Geschäftsmodel-
                                                                     len? Wollen alle Plattformanbieter das Gleiche? Ausgehend
In anderen Branchen liegt die Notwendigkeit für ein solches          von einem allgemeinen Marktüberblick wirft dieser Artikel ei-
Vorgehen mittlerweile fern. Plattformen sind allgegenwärtig:         nen Blick hinter die Kulissen, um sich schließlich der Beant-
Amazon für den schnellen Kauf von Gütern, booking.com für            wortung der Frage zu nähern, was für Auswirkungen es auf
die einfache Hotelbuchung oder Lieferando für die direkte Lie-       den Pflegemarkt haben könnte, wenn eine dieser Plattformen
ferung der warmen Mahlzeit. Digitalisierung in Form von Platt-       eine marktbeherrschende Stellung erreicht.

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IM FOKUS                                                                                                             NDV 12/2020

1. Die Häuser sind voll, die Pflegedienste                         Vorteil 4: Informationen: Datengold und Statistiken
arbeiten auf Hochtouren. Warum nutzen                              Große Plattformbetreiber sind für ihre Kund/innen eine wert-
Pflegeanbieter trotzdem Online-Platt­                              volle Datenressource. Werden die Daten sinnvoll aufbereitet,
formen?                                                            so sind sie wahre „Goldgruben“. Statistiken zu Angebot und
                                                                   Nachfrage, Vergleiche mit Mitbewerber/innen oder eine über-
                                                                   greifende Auswertung und Aufbereitung von Feedbacks sind
Alle Vorteile guter digitaler Pflegeplattformen führen zu einem    die beste Grundlage für die Unternehmenssteuerung, -anpas-
Zeitgewinn, der Ressourcen freigibt. Dadurch kann die Qualität     sung und zukünftige Unternehmensausrichtung.
verbessert, der Betrieb ausgebaut oder die Wirtschaftlichkeit
erhöht werden. Mehr Qualität in der Kernarbeit, mehr Quanti-
tät im Angebot und mehr Wirtschaftlichkeit in der Leistungser-     Vorteil 5: Erreichbarkeit: rund um die Uhr
bringung sind die Kernversprechen. Die Vorteile zeigen sich in
verschiedenen Bereichen:                                           Die Verwaltung der meisten Pflegeanbieter hat begrenzte Öff-
                                                                   nungszeiten, die unter der Woche und zu typischen Arbeitszei-
                                                                   ten liegen. Für die Suchenden sind sie damit schwer zu nutzen.
Vorteil 1: Vorqualifizierung: die passenden                        Eine Online-Plattform kennt diese Limitierung nicht und ist
Klient/innen                                                       rund um die Uhr erreichbar. Bietet die Plattform auch digitale
                                                                   Erstberatung, entlastet dies das Personal zudem von Anfragen.
Betroffene oder ihre Angehörigen suchen oftmals verzweifelt
nach einem Platz oder wollen sich beraten lassen – auch in der
Hoffnung, weitere Empfehlungen zu bekommen. Pflegeanbie-           2. Welche Plattformtypen gibt es?
ter müssen im Normalfall 90 % dieser Anfragen ablehnen. Eine
Plattform, die Klient/innen sinnvoll vorqualifiziert, kann die     Auf dem Markt der Pflegeplattformen gibt es bisher keinen
Anzahl dieser Anfragen halbieren.                                  marktbeherrschenden Anbieter oder Plattformtypen. Vielmehr
                                                                   findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote für unter-
                                                                   schiedliche Lebenslagen und Zielgruppen. Diese lassen sich in
Vorteil 2: Belegmanagement: alles auf einem                        folgende Kategorien gliedern:
­Dashboard
                                                                   1) Vermittlungsplattformen für Pflegeangebote (inklusive
Eine gute Plattform stellt den Pflegedienstleistern einen Ar-         Pflegeratgeber),
beitsbereich oder eine Software zur Verfügung, die sie befähigt,   2) Wohnplattformen,
ihr gesamtes Belegmanagement einfach zu organisieren. Die-         3) Vermittlung von Alltagshelfer/innen für Senior/innen und
ser eigene interne Arbeitsbereich besitzt Schnittstellen zum          Pflegebedürftige,
Customer-Relationship-Management-System (CRM) und zur              4) Entlassmanagement-Plattformen,
Buchungssoftware des Betriebs. So finden Anfragen schnell zu       5) digitale „Gelbe Seiten“.
den Verantwortlichen und Kapazitäten können problemlos
und geradlinig verwaltet werden.                                   Zu den Vermittlungsplattformen für Pflegeangebote (inklusive
                                                                   Pflegeratgeber) zählen unter anderem mitpflegeleben.de, seni-
                                                                   orenportal.de, wohnen-im-alter.de und pflege.de. Sie verknüp-
Vorteil 3: Sichtbarkeit: SEO- und SEA-optimierte                   fen Pflegeinformationen mit einer Vermittlung von unter-
Internetpräsenz                                                    schiedlichen Pflegeangeboten. Bei den drei erstgenannten
                                                                   können ambulante und stationäre Pflegeangebote von Nutzer/
Pflegeanbieter, die den Anspruch oder den Auftrag haben, in        innen gesucht, gefiltert und kontaktiert werden. Pflege.de ver-
allen Lebenswelten präsent zu sein, müssen ihre Angebote           mittelt rein über eine telefonische Hotline. Gerade kleinere
auch in der digitalen Welt transparent darlegen und dort auf-      Pflegeanbieter sollten bei diesen Plattformen beachten, ob sie
findbar machen. Plattformbetreiber besitzen weitaus mehr           für gute Auffindbarkeit in Suchen extra zahlen müssen oder ob
Ressourcen, um diese Sichtbarkeit im Netz zu ermöglichen. Sie      diese im Basisprofil oder Festpreis mit inbegriffen ist.
können für die geeigneten SEO- und SEA-Maßnahmen sorgen,
die gerade kleine und mittelständische Betriebe nicht selbst       Bei den Wohnplattformen werden im Rahmen dieses Artikels
leisten könnten. Zudem können die Synergieeffekte der ver-         nur die Kombinationsplattformen aus Pflegeratgeber, Vermitt-
schiedenen Anbieter auf derselben Domain zu einer Bevorzu-         lungsplattform für Pflegeangebote und Wohnplattform aufge-
gung durch Google und Co. führen.                                  nommen, nicht aber reine Immobilienseiten. Wohnangebote

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können zu unterschiedlichen Preisen mit angeboten werden,        ▶▶ Bewertungen des Angebots durch Dritte.
beispielsweise auf den Seiten mitpflegeleben.de, senioren-
portal.de und wohnen-im-alter.de.                                Da das Spektrum vermittelter Leistungen von Haushaltshilfen
                                                                 bis zum stationären Pflegeplatz reicht, unterscheidet sich der
betreut.de und careship.de gehören zur Kategorie Vermittlung     Umfang abgefragter Daten stark. Auch technologisch gehen
von Alltagshelfer/innen. Hier geht es um die stundenweise        Anbieter sehr unterschiedliche Wege. Mitpflegeleben.de setzt
oder auch dauerhafte Vermittlung niedrigschwelliger Hilfen –     mit einer KI-gestützten digitalen Beratung auf technologische
eine Art Einstiegsangebot für hilfe- und pflegebedürftige Per-   Möglichkeiten, pflege.de und wohnen-im-alter.de setzen auf
sonen.                                                           telefonische Beratung, andere Plattformen vom Typus „Gelbe
                                                                 Seiten“ verzichten ganz auf derartige Individualisierung und
Seitens der Krankenkassen stellen AOK und vdek mit pfle-         bieten digitale Checklisten an. Wer seine Daten nicht den
ge-navigator.de und pflegelotse.de digitale „Gelbe Seiten“ zur   elekt­ronischen oder persönlichen Helfer/innen anvertrauen
Verfügung. Diese Angebote sind Such- und Nachschlagewer-         will, hat bei einigen Plattformen auch die Möglichkeit, ohne
ke, die keine weiteren Service-Elemente für Pflegeanbieter       Anmeldung im Angebot zu stöbern.
und -suchende beinhalten.
                                                                 Auch bei der Darstellung des Angebots findet sich ein breites
Zu den Entlassmanagement-Plattformen zählen pflegeplatz-         Spektrum. Zwar fehlt meist noch der digitale Rundgang, wie
manager.de und recare.com. Sie unterstützen Krankenhäuser        ihn einige digitale Immobilienmakler bieten, aber Text und
bei der Suche nach einer Anschlussbetreuung und bieten kei-      Bild gehören meist zum Standard. Neben dem Leistungsange-
nen Zugang für die Pflegebedürftigen selbst.                     bot werden in der Regel Preise, differenziert nach Pflegekate-
                                                                 gorien ausgewiesen. Bei der Darstellung von Verfügbarkeiten
                                                                 gilt es genauer hinzuschauen, ob tatsächlich aktuelle Daten
3. Wie geht es den Pflegesuchenden im                            vorgehalten werden.
heutigen Markt?                                                  Abschließend sei noch ein Blick auf die gewissermaßen natür-
                                                                 lichste und zudem im Internet gängigste Entscheidungshilfe
Die Recherche nach Informationen ist mühsam. Was steht ei-       geworfen: Empfehlungen und Erfahrungen anderer. Zur Quali-
nem zu? Welches ist das individuell richtige Angebot? Welche     tätssicherung gibt es in der Pflegebranche die MDK-Berichte
Leistungen bietet welcher Anbieter? Was müsste hinzugezahlt      sowie den neuen Pflege-TÜV – Informationen, die auch von
werden? Informationen zu diesen Fragen sind meist nur tele-      verschiedenen Plattformen bereitgestellt werden. Tatsächli-
fonisch erfragbar oder werden im Nachgang eines Gesprächs        che Nutzerbewertungen und -empfehlungen sind bisher nur
als Angebot per Brief zugestellt. Die Suche dauert im Normal-    auf mitpflegeleben.de, seniorenportal.de, werpflegtwie.de
fall mehrere Monate, unzählige Telefonate und kostet viele       (reines Nutzerbewertungsportal) und wohnen-im-alter.de zu
Nerven in der ganzen Familie. Bei der Vielzahl an zu verglei-    finden.
chenden Kriterien ist eine Plattform die naheliegende Lösung.

Im Unterschied zu einer Hotelbuchung oder anderen Nut-           4. Wer sind die Investor/innen hinter den
zungsmöglichkeiten digitaler Plattformen treffen Menschen
bei der Suche nach der geeigneten Pflegeeinrichtung eine
                                                                 Plattformen?
Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen, die nur
sehr selten oder einmalig getroffen wird. Entsprechend unsi-     Aus der Perspektive von Pflegeanbietern, die sich für eine pas-
cher sind viele Suchende, die sich das erste Mal im „Pflege­     sende Plattform entscheiden möchten, lohnt sich ein Blick auf
dschungel“ bewegen.                                              die Investor/innen hinter der Plattform und die Frage: Ist das
                                                                 Unternehmen exit-orientiert? Wird es von gemeinwohlorien-
Über vier Kategorien lässt sich gut zusammenfassen, wie          tierten Investor/innen getragen? Nach welcher Logik wird es
Plattformen die Pflegesuchenden unterstützen:                    gesteuert?

▶▶ Berücksichtigung der Lebenssituation der Pflege­              Ein exit-orientiertes Unternehmen verfolgt die Logik, mit rela-
   suchenden,                                                    tiv viel Investment in den ersten drei bis fünf Jahren möglichst
▶▶ verständliche Darstellung des Angebots unter Nutzung          viele Nutzer/innen zu gewinnen, um ab dann seine Geschäfts-
   verschiedener Medien,                                         modelle umzusetzen und eine möglichst hohe Rendite für das
▶▶ Gestaltung von Interaktionsmöglichkeiten zwischen Su-         getätigte Investment zu erwirtschaften. Gewinnmaximierung
   chenden und Pflegeanbietern,                                  ist hier das primäre Ziel.

                                                                                                                             570
IM FOKUS                                                                                                                                NDV 12/2020

Bei gemeinwohlorientierten Investor/innen sollte man hinge-             Die Tabelle1 gibt einen Überblick zu den Investor/innen großer
gen davon ausgehen können, dass der impact – also die ge-               Plattformen am Markt, sowie den jeweiligen Investortypus.
sellschaftliche Wirkung – ein mindestens gleichwertiges Un-             Der besseren Übersicht halber wurden auch die Investor/in-
ternehmensziel darstellt und gesellschaftliche Verantwortung            nen in Typen eingeteilt:
ernstgenommen wird.

1)   Privatinvestor/innen                                               1    Weitere Details wie Gesellschaftsanteile, kleine Beteiligungen etc. finden
2)   Unmittelbar oder mittelbar gemeinnützige Investor/innen                 Sie unter https://www.contec.de/eventdetails/plattformen-in-der-pflege-
3)   Beteiligungsgesellschaften und Banken                                   welt-erfahrungen-meinungen-und-ideen/ Oder nutzen Sie einfach den
4)   Verlage                                                                 QR-Code am Ende des Artikels.

Plattformtypus                 Plattformname           Gründung   Investorenkategorie          Investor/innen
Vermittlungsplattform für      heimverzeichnis.de      2012       Privatinvestor/innen         Katrin Markus, Dr. Karin Stiehr
Pflegeangebote

Vermittlungsplattform für      mitpflegeleben.de       2019       Unmittelbar oder mittelbar Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Diako Thüringen
Pflegeangebote                                                    gemeinnützige Investor/    gGmbH, Stiftung Liebenau, Verband für Digitalisie-
+ Pflegeratgeber                                                  innen aus der Branche      rung in der Sozialwirtschaft e.V., Bank für
+ Wohnplattform                                                                              Sozialwirtschaft Aktiengesellschaft, Evangelische
+ digitale Beratung                                                                          Landeskirche in Württemberg + 13 weitere

Vermittlungsplattform für      seniorenportal.de       2010       Privatinvestor/innen         3S Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft mbH +
Pflegeangebote                                                                                 2 Privatpersonen
+ Pflegeratgeber
+ Wohnplattform

Vermittlungsplattform für      wohnen-im-alter.de      2008       Verlage, Privatinvestor/     Founders Park GmbH, Anke Paulick, Dr. Joachim
Pflegeangebote                                                    innen, Beteiligungsgesell-   Bernecker, Vincentz Network GmbH & Co. KG,
+ Pflegeratgeber                                                  schaften und Banken          AdAstra Venture Consult GmbH + 16 weitere
+ Wohnplattform

Pflegeratgeber                 pflege.de               2011       Privatinvestor/innen,      Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,
+ Callcenter zur Vermittlung                                      Beteiligungsgesellschaften Holtzbrinck Digital GmbH, Kreditanstalt für
von Pflegeangeboten                                               und Banken, Verlage        Wiederaufbau, Nursia GmbH, ALSTIN Family
                                                                                             GmbH, Hanse Ventures BSJ GmbH + 4 weitere

Vermittlung von Alltagshel-    betreut.de              2007       Beteiligungsgesellschaften IAC InterActiveCorp
fer/innen für Senior/innen                                        und Banken
und Pflegebedürftige

Vermittlung von Alltagshel-    careship.de             2016       Beteiligungsgesellschaften   AA Albert Investment UG, NK Albert Investment UG,
fer/innen für Senior/innen                                        und Banken,                  Atlantic Labs III GmbH & Co. KG, Spark Capital IV,
und Pflegebedürftige                                              Verlage, Privatinvestor/     L.P., Creandum IV L.P., Ananda Impact Fund III
                                                                  innen                        GmbH & Co. KG + 9 weitere

Vermittlung von Alltagshel-    pflegix.de              2016       Beteiligungsgesellschaften AG Bochum, Thomas Wötzel, Europ Assistance
fer/innen für Senior/innen                                        und Banken, Privatinves-   Versicherungs AG
und Pflegebedürftige                                              tor/innen

Entlassmanagement-Platt-       pflegeplatzmanager.de   2018       Privatinvestor/innen,      P&P Management Schiller UG, HCM Bach UG,
form                                                              Beteiligungsgesellschaften Stiftung Thüringer Beteiligungskapital, Torsten
                                                                  und Banken                 Pfeifer + 5 weitere

Entlassmanagement-             recare.com              2017       Beteiligungsgesellschaften Greschke Holding UG, Nordic Tide AG, Brücken-
Plattform                                                         und Banken, Verlage,       köpfe Diamonds GmbH + 16 weitere
                                                                  Privatinvestor/innen

Digitale „Gelbe Seiten“        altenheime.de                      Privatinvestor/innen         Kurt Schüller

Digitale „Gelbe Seiten“        pflegelotse.de                     Krankenkassen                vdek

Digitale „Gelbe Seiten“        pflege-navigator.de                Krankenkassen                AOK

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NDV 12/2020                                                                                                            IM FOKUS

Ein breites Spektrum an Investoren­typen                           glieds­organisationen sein. Plattformen, die von Krankenkas-
                                                                   sen oder gemeinnützigen Trägern getragen werden, verzich-
Auffallend ist, wie heterogen das Investorenspektrum ist.          ten daher auf dieses Modell des Hochkaufens. pflege-navigator.
Kassen wie die AOK und der vdek schaffen über digitale „Gel-       de und pflegelotse.de sind Beispiele hierfür.
be Seiten“ Markttransparenz. Finanzinvestor/innen wie
Holtzbrinck Ventures, Atlantic Labs und Carsten Maschmeyer         Auch Pop-up-Fenster mit dem Verkauf von Treppenliften oder
über seinen Wagniskapitalgeber der ALSTIN Family GmbH              telefonischen Beratungsgesprächen wurden vor allem bei den
sind engagiert, ebenso die freie Wohlfahrt über die Johanni-       durch Privatinvestor/innen finanzierten Plattformen vorgefun-
ter-Unfallhilfe oder diverse diakonische Träger. Es finden         den. Derartige Angebote sind die logische Konsequenz, wenn
sich gemeinnützige Organisationen ebenso wie Verlage oder          das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgt wird.
internationale Investoren.
                                                                   Schließlich gibt es noch Plattformen ohne offene Liste, die
Um einen Blick in die Zukunft des Markts der Pflegeplattfor-       über telefonische Beratung Pflegeplätze vermitteln. Hier fehlt
men zu werfen, ist ein Blick auf die Investor/innen und deren      für Suchende die Transparenz, welche Anbieter wann und aus
mutmaßliche Interessen von zentraler Bedeutung. Offensicht-        welchen Gründen empfohlen werden.
lich ist, dass eine Krankenkasse mit Versorgungsauftrag ande-
re Interessen verfolgt als Finanzinvestor/innen, der/die im        Plattformen, bei denen Gemeinnutz im Vordergrund steht,
Pflegesektor eine fragmentierte und zugleich wachsende             setzen auf das Modell, Zusatzleistungen für Pflegeanbieter zu
Branche sehen, in der eine Plattform zum Gatekeeper und da-        verkaufen, beispielsweise ein Qualitätssiegel bei heimver-
mit Umsatzbringer werden kann. Auch Investor/innen mit be-         zeichnis.de oder Statistiken und ein eigenes Anfrageverwal-
stehendem Engagement in der Gesundheitsbranche werden              tungstool bei mitpflegeleben.de.
mit anderen Augen auf die benachbarte Branche Pflege
schauen als gemeinnützige Organisationen, welche längeres          Insgesamt ist die Branche der Pflegeplattformen noch jung
selbstständiges Leben im Alter bei der Gestaltung und Weiter-      und probiert verschiedene Geschäftsmodelle aus. Auch die
entwicklung ihrer Angebote vor Augen haben. Medienunter-           Bildung von Quasi-Monopolen, wie sie für reife Plattformmärk-
nehmen mögen die Beteiligung als Weg zur Marktpräsenz se-          te typisch ist, ist noch nicht zu beobachten. Jede/r neue Nut-
hen, während engagierte Einzelpersonen diese vermutlich            zer/in entscheidet also heute mit, wie der Markt von morgen
eher als finanzielles Investment betrachten.                       aussehen wird. Denn die Frage, OB sich eine kleine Anzahl an
                                                                   Plattformen durchsetzen wird, stellt sich gar nicht mehr. Die
Letztlich ist es von außen nicht möglich, in die Köpfe von In-     Frage ist nur: Welche werden dies sein?
vestor/innen hineinzuschauen. Ein Überblick, wie ihn die Ta-
belle bietet, stellt lediglich eine Einladung zur Interpretation
und zum Nachfragen dar. Wie entscheidend die Intentionen           Quo vadis, Markt der Pflegeplattformen?
sein können, wird im abschließenden Kapitel reflektiert.
                                                                   Was passiert, sobald eine der Plattformen tatsächlich markt-
So vielfältig wie die Investortypen sind auch die Geschäftsmo-     beherrschend ist, wenn also ein Großteil der Pflegedienstleis-
delle.                                                             tungen über diese Plattform vermittelt wird? Dies kann gravie-
                                                                   rende Folgen in Bezug auf Preise, Umgang mit Daten und
Die meisten Plattformen mit Privatinvestor/innen folgen typi-      benachbarte Geschäftsfelder haben und soll nachfolgend im
schen Plattform-Logiken. Sie geben den Anbietern mit den           Sinne eines Denkanstoßes skizziert werden. Dabei werden un-
größten Marketingbudgets die Möglichkeit, sich einen guten         terschiedliche Intentionen von Investor/innen berücksichtigt.
oder sogar den besten Ranking-Platz zu erkaufen. Hierzu zäh-
len beispielsweise Plattformen wie seniorenportal.de oder
wohnen-im-alter.de. Dieses Modell verschafft finanzstarken         Preisbildung und Geschäftsmodelle
Pflegeeinrichtungen einen Wettbewerbsvorteil, denn: Wann
waren Sie das letzte Mal auf Seite 5 bei der Google Suche?         Wer einen Markt beherrscht, kann Preise und Geschäftsmo-
                                                                   delle diktieren. Bezogen auf Pflegeplattformen fallen einem
Damit ist zum einen nicht gesichert, das Pflegesuchende tat-       zuerst die Preise für Anzeigenschaltungen oder Services ein,
sächlich das passendste Angebot finden. Zum anderen fehlt          welche von den Anbietern getragen werden. Einen Monopolis-
die Fairness gegenüber kleinen und kleinsten Pflegeanbie-          ten hindert man aber nur schwer daran, auch auf der anderen
tern. Für eine große Wohlfahrtsorganisation mit vielen klei-       Seite des Marktes bei Hilfesuchenden möglichst viel Umsatz
nen, rechtlich selbstständigen Anbietern kann eine solche          zu generieren: für Beratung, für Adressvermittlung etc.
Plattform eigentlich nicht die erste Empfehlung an ihre Mit­

                                                                                                                             572
IM FOKUS                                                                                                                       NDV 12/2020

Wenn derart erhöhte Preise in die Taschen privater Investor/                 Ausweitung des Monopols
innen fließen und nicht im System „Pflege“ verbleiben, belas-
tet all dies am Schluss die Versicherten. Nicht ohne Grund hat               Schon heute lässt sich beobachten, dass viele der Vermitt-
sich auch Gesundheitsminister Jens Spahn bei einer Rede wie                  lungsplattformen ihr Geschäftsmodell erweitern. Pflegehilfs-
folgt positioniert: „Bei Digitalisierung und dem Datenschutz                 mittel-Portale kommen hinzu, ebenso Arbeitgeberbewertun-
dürfen wir das Feld nicht dem Silicon Valley oder den Staats-                gen oder Personalvermittlungen. Und der Schritt für die
konzernen in China überlassen. Es ist wichtig, dass digitale                 Vermittlungsportale, mit Schnittstellen zum Abrechnungswe-
Angebote und Dienstleistungen nicht einfach nur importiert                   sen der Pflegeanbieter aufzuwarten, ist nicht weit. Die Bedeu-
und notdürftig für den deutschen Markt übersetzt werden.                     tung der unter „Datennutzung“ und „Preisbildung“ benannten
Solche Ideen und Plattformen müssen aus unserem Land he-                     Themen wächst nochmals, wenn sich Gatekeeper Schritt für
rauskommen und passgenau für deutsche Nutzer entwickelt                      Schritt am Markt in die Breite und Tiefe bewegen.
werden.“2
                                                                             Diese drei Entwicklungsrichtungen machen eines deutlich: Es
Alternativ kann bewusst eine soziale Preisbildung betrieben                  ist entscheidend, wer mit welcher Intention derartige Plattfor-
werden, welche allen Beteiligten einen bestmöglichen Service                 men betreibt. Gelingt es, Gemeinwohlorientierung mit der Ge-
zu verträglichen Preisen bietet, bestenfalls von Anbietern der               schwindigkeit und auch der finanziellen Schlagkraft, wie sie
Branche betrieben, womit dann auch sämtliche Gelder „im                      unter Plattforminvestor/innen üblich ist, zu verknüpfen? Oder
System“ bleiben.                                                             wird der Pflegesektor, wie schon manch andere Branche, von
                                                                             Investor/innen aus ganz anderen Bereichen mit vornehmlich
                                                                             finanziellen Interessen ‚überrollt‘?
Datennutzung
                                                                             Dies – so unsere Einschätzung – entscheidet sich in den nächs-
Eine Plattform, über die ein Großteil der Pflegedienstleistun-               ten Jahren. Die Übersicht zu den bestehenden Plattformen
gen vermittelt wird, verfügt über einen enormen Datenschatz                  und den dahinterstehenden Investor/innen zeigt deutlich: Vie-
zu Lebenssituation und Bedarfslagen von Pflegebedürftigen.                   le kommen nicht aus der Sozialbranche, haben jedoch zum
Entwicklungen lassen sich kleinräumig oder auch nach so-                     Teil Erfahrungen in der Disruption scheinbar unveränderlicher
zio-demografischen Kriterien dokumentieren und analysie-                     Strukturen. Mit jeder Entscheidung für eine bestimmte Platt-
ren.                                                                         form, sei es auf Anbieter- oder auf Nachfragerseite, wird die
                                                                             Zukunft ein kleines Stück mitgestaltet. Dies sollte die Sozial-
Entscheidend ist, wer Zugriff auf diese Daten bekommt: priva-                branche gemeinsam und reflektiert tun. Wir freuen uns auf
te Investor/innen, die sich die lohnendsten Quartiere sichern?               den Dialog und laden zum virtuellen Diskurs „Plattformen in
Kommunen, die diese für die Gestaltung der kommunalen Se-                    der Pflegewelt – Erfahrungen, Meinungen und Ideen?“ am 21.
niorenpolitik und Pflegeplanung nutzen? Kranken- und Pfle-                   Januar 2021, 12:00 bis 12:45 ein. Sie können sich hier anmel-
gekassen in ihrer marktgestaltenden Rolle? Oder werden die                   den:
Daten genutzt, um die Klientel der Pflege- und Hilfebedürfti-
gen gezielt mit Produktwerbung zu bespielen? Alternativ zur                  https://www.contec.de/eventdetails/plattformen-in-
Werbung lässt sich auf diesem Weg natürlich auch Begleitung                  der-pflegewelt-erfahrungen-meinungen-und-ideen/
anbieten, die Hilfe- und Pflegebedürftige in ihrem Alltag unter-             Oder scannen Sie einfach diesen Code. Wir freuen uns auf den
stützt.                                                                      Austausch mit Ihnen.

2     Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=YDFa9MyInm4 Jens Spahn
      am 22. Oktober 2019 zum Beta Launch Event der Plattform mitpflegele-
      ben.de

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