Digitale Plattformen in der Pflege - Cornelia Röper und Jan Schröder: contec GmbH
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NDV 12/2020 IM FOKUS Cornelia Röper und Jan Schröder: Digitale Plattformen in der Pflege Worauf man als Pflegeanbieter bei der Wahl der richtigen Plattform achten sollte und wie man seine Macht als Marktgestalter nutzen kann Digitale Pflegeplattformen helfen Pflegeanbietern, Zeit für ihre Kernarbeit zu gewinnen. Pflegebedürftigen und Angehörigen bieten sie Orientierung. Kein Zweifel: Pflegeplatt formen sind gekommen, um zu bleiben. Weniger voraussehbar ist, wie sich der Platt form-Markt entwickeln wird. Wer sich heute für eine Plattform entscheidet, gestaltet den Markt von morgen. Dieser Artikel blickt hinter die Kulissen, beleuchtet Investoren und ihre Interessen und gibt Anbietern Hinweise, ihre Marktmacht gut zu nutzen. 50 Anfragen und mehr pro Tag gehören bei vielen Pflegeanbie- tern zum Alltag. Die meisten müssten die Mitarbeitenden ei- gentlich „abwimmeln“. Doch der soziale Auftrag will es so, Cornelia Röper dass mit fast jedem Telefonat auch eine zumindest kurze Bera- ist Vorständin des vediso Vereins für tung verbunden ist. Allein hierdurch werden in der Pflegewelt Digitalisierung in der Sozialwirtschaft und unzählige Ressourcen gebunden. Oftmals verantwortet die Geschäftsführerin der mitunsleben GmbH. Pflegedienstleitung, die mit Personal- und Dienstplanung be- fasst ist, auch noch die Bearbeitung aller Anfragen. Das sind nicht nur Telefonanrufe, sondern auch E-Mails von Angehöri- gen oder von Krankenhäusern, aber auch Problemstellungen Jan Schröder ist Leiter des Geschäftsfeldes Innovation von Kund/innen, die durch die Tür kommen. und Vernetzung in der contec GmbH. Auf der anderen Seite stehen die Klient/innen: Pflegebedürftige, pflegende Angehörige, Menschen, die plötzlich vor einem riesi- gen „Pflegedschungel“ stehen. Die Suche im Dickicht von Bun- desgesetzen, Länderverordnungen, Beratungsangeboten und formen, die nach der Registrierung direkte Buchungen mög- Dienstleistern raubt nicht nur Kraft und Nerven, sondern vor al- lich machen, findet sich überall. Die richtigen Filter zeigen den lem Monate an Zeit. Angehörige berichten von langwierigen Kund/innen, was zu ihnen passt oder was sie sich vielleicht Prozessen, in denen sie verschiedensten Anbietern ihre gesam- gerade wünschen. Bestätigung, Lieferung und Rechnung te Leidensgeschichte immer wieder von vorne erzählen, um kommen automatisch. Wer will das noch missen? dann jeweils ein schriftliches Angebot zu erhalten. All diese Ein- zelangebote werden dann verglichen, indem Leistungen und Auch in der Pflegewelt sind Plattformen schon seit einigen Kosten in selbsterstellten Tabellen gegenübergestellt werden, Jahren zu finden. Sie heißen careship.de, pflegelotse.de oder um das für die individuelle Situation passende Angebot zu fin- pflege.de, um nur einige zu nennen. Doch wer steht eigentlich den. hinter diesen Plattformen – und mit welchen Geschäftsmodel- len? Wollen alle Plattformanbieter das Gleiche? Ausgehend In anderen Branchen liegt die Notwendigkeit für ein solches von einem allgemeinen Marktüberblick wirft dieser Artikel ei- Vorgehen mittlerweile fern. Plattformen sind allgegenwärtig: nen Blick hinter die Kulissen, um sich schließlich der Beant- Amazon für den schnellen Kauf von Gütern, booking.com für wortung der Frage zu nähern, was für Auswirkungen es auf die einfache Hotelbuchung oder Lieferando für die direkte Lie- den Pflegemarkt haben könnte, wenn eine dieser Plattformen ferung der warmen Mahlzeit. Digitalisierung in Form von Platt- eine marktbeherrschende Stellung erreicht. 568
IM FOKUS NDV 12/2020 1. Die Häuser sind voll, die Pflegedienste Vorteil 4: Informationen: Datengold und Statistiken arbeiten auf Hochtouren. Warum nutzen Große Plattformbetreiber sind für ihre Kund/innen eine wert- Pflegeanbieter trotzdem Online-Platt volle Datenressource. Werden die Daten sinnvoll aufbereitet, formen? so sind sie wahre „Goldgruben“. Statistiken zu Angebot und Nachfrage, Vergleiche mit Mitbewerber/innen oder eine über- greifende Auswertung und Aufbereitung von Feedbacks sind Alle Vorteile guter digitaler Pflegeplattformen führen zu einem die beste Grundlage für die Unternehmenssteuerung, -anpas- Zeitgewinn, der Ressourcen freigibt. Dadurch kann die Qualität sung und zukünftige Unternehmensausrichtung. verbessert, der Betrieb ausgebaut oder die Wirtschaftlichkeit erhöht werden. Mehr Qualität in der Kernarbeit, mehr Quanti- tät im Angebot und mehr Wirtschaftlichkeit in der Leistungser- Vorteil 5: Erreichbarkeit: rund um die Uhr bringung sind die Kernversprechen. Die Vorteile zeigen sich in verschiedenen Bereichen: Die Verwaltung der meisten Pflegeanbieter hat begrenzte Öff- nungszeiten, die unter der Woche und zu typischen Arbeitszei- ten liegen. Für die Suchenden sind sie damit schwer zu nutzen. Vorteil 1: Vorqualifizierung: die passenden Eine Online-Plattform kennt diese Limitierung nicht und ist Klient/innen rund um die Uhr erreichbar. Bietet die Plattform auch digitale Erstberatung, entlastet dies das Personal zudem von Anfragen. Betroffene oder ihre Angehörigen suchen oftmals verzweifelt nach einem Platz oder wollen sich beraten lassen – auch in der Hoffnung, weitere Empfehlungen zu bekommen. Pflegeanbie- 2. Welche Plattformtypen gibt es? ter müssen im Normalfall 90 % dieser Anfragen ablehnen. Eine Plattform, die Klient/innen sinnvoll vorqualifiziert, kann die Auf dem Markt der Pflegeplattformen gibt es bisher keinen Anzahl dieser Anfragen halbieren. marktbeherrschenden Anbieter oder Plattformtypen. Vielmehr findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote für unter- schiedliche Lebenslagen und Zielgruppen. Diese lassen sich in Vorteil 2: Belegmanagement: alles auf einem folgende Kategorien gliedern: Dashboard 1) Vermittlungsplattformen für Pflegeangebote (inklusive Eine gute Plattform stellt den Pflegedienstleistern einen Ar- Pflegeratgeber), beitsbereich oder eine Software zur Verfügung, die sie befähigt, 2) Wohnplattformen, ihr gesamtes Belegmanagement einfach zu organisieren. Die- 3) Vermittlung von Alltagshelfer/innen für Senior/innen und ser eigene interne Arbeitsbereich besitzt Schnittstellen zum Pflegebedürftige, Customer-Relationship-Management-System (CRM) und zur 4) Entlassmanagement-Plattformen, Buchungssoftware des Betriebs. So finden Anfragen schnell zu 5) digitale „Gelbe Seiten“. den Verantwortlichen und Kapazitäten können problemlos und geradlinig verwaltet werden. Zu den Vermittlungsplattformen für Pflegeangebote (inklusive Pflegeratgeber) zählen unter anderem mitpflegeleben.de, seni- orenportal.de, wohnen-im-alter.de und pflege.de. Sie verknüp- Vorteil 3: Sichtbarkeit: SEO- und SEA-optimierte fen Pflegeinformationen mit einer Vermittlung von unter- Internetpräsenz schiedlichen Pflegeangeboten. Bei den drei erstgenannten können ambulante und stationäre Pflegeangebote von Nutzer/ Pflegeanbieter, die den Anspruch oder den Auftrag haben, in innen gesucht, gefiltert und kontaktiert werden. Pflege.de ver- allen Lebenswelten präsent zu sein, müssen ihre Angebote mittelt rein über eine telefonische Hotline. Gerade kleinere auch in der digitalen Welt transparent darlegen und dort auf- Pflegeanbieter sollten bei diesen Plattformen beachten, ob sie findbar machen. Plattformbetreiber besitzen weitaus mehr für gute Auffindbarkeit in Suchen extra zahlen müssen oder ob Ressourcen, um diese Sichtbarkeit im Netz zu ermöglichen. Sie diese im Basisprofil oder Festpreis mit inbegriffen ist. können für die geeigneten SEO- und SEA-Maßnahmen sorgen, die gerade kleine und mittelständische Betriebe nicht selbst Bei den Wohnplattformen werden im Rahmen dieses Artikels leisten könnten. Zudem können die Synergieeffekte der ver- nur die Kombinationsplattformen aus Pflegeratgeber, Vermitt- schiedenen Anbieter auf derselben Domain zu einer Bevorzu- lungsplattform für Pflegeangebote und Wohnplattform aufge- gung durch Google und Co. führen. nommen, nicht aber reine Immobilienseiten. Wohnangebote 569
NDV 12/2020 IM FOKUS können zu unterschiedlichen Preisen mit angeboten werden, ▶▶ Bewertungen des Angebots durch Dritte. beispielsweise auf den Seiten mitpflegeleben.de, senioren- portal.de und wohnen-im-alter.de. Da das Spektrum vermittelter Leistungen von Haushaltshilfen bis zum stationären Pflegeplatz reicht, unterscheidet sich der betreut.de und careship.de gehören zur Kategorie Vermittlung Umfang abgefragter Daten stark. Auch technologisch gehen von Alltagshelfer/innen. Hier geht es um die stundenweise Anbieter sehr unterschiedliche Wege. Mitpflegeleben.de setzt oder auch dauerhafte Vermittlung niedrigschwelliger Hilfen – mit einer KI-gestützten digitalen Beratung auf technologische eine Art Einstiegsangebot für hilfe- und pflegebedürftige Per- Möglichkeiten, pflege.de und wohnen-im-alter.de setzen auf sonen. telefonische Beratung, andere Plattformen vom Typus „Gelbe Seiten“ verzichten ganz auf derartige Individualisierung und Seitens der Krankenkassen stellen AOK und vdek mit pfle- bieten digitale Checklisten an. Wer seine Daten nicht den ge-navigator.de und pflegelotse.de digitale „Gelbe Seiten“ zur elektronischen oder persönlichen Helfer/innen anvertrauen Verfügung. Diese Angebote sind Such- und Nachschlagewer- will, hat bei einigen Plattformen auch die Möglichkeit, ohne ke, die keine weiteren Service-Elemente für Pflegeanbieter Anmeldung im Angebot zu stöbern. und -suchende beinhalten. Auch bei der Darstellung des Angebots findet sich ein breites Zu den Entlassmanagement-Plattformen zählen pflegeplatz- Spektrum. Zwar fehlt meist noch der digitale Rundgang, wie manager.de und recare.com. Sie unterstützen Krankenhäuser ihn einige digitale Immobilienmakler bieten, aber Text und bei der Suche nach einer Anschlussbetreuung und bieten kei- Bild gehören meist zum Standard. Neben dem Leistungsange- nen Zugang für die Pflegebedürftigen selbst. bot werden in der Regel Preise, differenziert nach Pflegekate- gorien ausgewiesen. Bei der Darstellung von Verfügbarkeiten gilt es genauer hinzuschauen, ob tatsächlich aktuelle Daten 3. Wie geht es den Pflegesuchenden im vorgehalten werden. heutigen Markt? Abschließend sei noch ein Blick auf die gewissermaßen natür- lichste und zudem im Internet gängigste Entscheidungshilfe Die Recherche nach Informationen ist mühsam. Was steht ei- geworfen: Empfehlungen und Erfahrungen anderer. Zur Quali- nem zu? Welches ist das individuell richtige Angebot? Welche tätssicherung gibt es in der Pflegebranche die MDK-Berichte Leistungen bietet welcher Anbieter? Was müsste hinzugezahlt sowie den neuen Pflege-TÜV – Informationen, die auch von werden? Informationen zu diesen Fragen sind meist nur tele- verschiedenen Plattformen bereitgestellt werden. Tatsächli- fonisch erfragbar oder werden im Nachgang eines Gesprächs che Nutzerbewertungen und -empfehlungen sind bisher nur als Angebot per Brief zugestellt. Die Suche dauert im Normal- auf mitpflegeleben.de, seniorenportal.de, werpflegtwie.de fall mehrere Monate, unzählige Telefonate und kostet viele (reines Nutzerbewertungsportal) und wohnen-im-alter.de zu Nerven in der ganzen Familie. Bei der Vielzahl an zu verglei- finden. chenden Kriterien ist eine Plattform die naheliegende Lösung. Im Unterschied zu einer Hotelbuchung oder anderen Nut- 4. Wer sind die Investor/innen hinter den zungsmöglichkeiten digitaler Plattformen treffen Menschen bei der Suche nach der geeigneten Pflegeeinrichtung eine Plattformen? Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen, die nur sehr selten oder einmalig getroffen wird. Entsprechend unsi- Aus der Perspektive von Pflegeanbietern, die sich für eine pas- cher sind viele Suchende, die sich das erste Mal im „Pflege sende Plattform entscheiden möchten, lohnt sich ein Blick auf dschungel“ bewegen. die Investor/innen hinter der Plattform und die Frage: Ist das Unternehmen exit-orientiert? Wird es von gemeinwohlorien- Über vier Kategorien lässt sich gut zusammenfassen, wie tierten Investor/innen getragen? Nach welcher Logik wird es Plattformen die Pflegesuchenden unterstützen: gesteuert? ▶▶ Berücksichtigung der Lebenssituation der Pflege Ein exit-orientiertes Unternehmen verfolgt die Logik, mit rela- suchenden, tiv viel Investment in den ersten drei bis fünf Jahren möglichst ▶▶ verständliche Darstellung des Angebots unter Nutzung viele Nutzer/innen zu gewinnen, um ab dann seine Geschäfts- verschiedener Medien, modelle umzusetzen und eine möglichst hohe Rendite für das ▶▶ Gestaltung von Interaktionsmöglichkeiten zwischen Su- getätigte Investment zu erwirtschaften. Gewinnmaximierung chenden und Pflegeanbietern, ist hier das primäre Ziel. 570
IM FOKUS NDV 12/2020 Bei gemeinwohlorientierten Investor/innen sollte man hinge- Die Tabelle1 gibt einen Überblick zu den Investor/innen großer gen davon ausgehen können, dass der impact – also die ge- Plattformen am Markt, sowie den jeweiligen Investortypus. sellschaftliche Wirkung – ein mindestens gleichwertiges Un- Der besseren Übersicht halber wurden auch die Investor/in- ternehmensziel darstellt und gesellschaftliche Verantwortung nen in Typen eingeteilt: ernstgenommen wird. 1) Privatinvestor/innen 1 Weitere Details wie Gesellschaftsanteile, kleine Beteiligungen etc. finden 2) Unmittelbar oder mittelbar gemeinnützige Investor/innen Sie unter https://www.contec.de/eventdetails/plattformen-in-der-pflege- 3) Beteiligungsgesellschaften und Banken welt-erfahrungen-meinungen-und-ideen/ Oder nutzen Sie einfach den 4) Verlage QR-Code am Ende des Artikels. Plattformtypus Plattformname Gründung Investorenkategorie Investor/innen Vermittlungsplattform für heimverzeichnis.de 2012 Privatinvestor/innen Katrin Markus, Dr. Karin Stiehr Pflegeangebote Vermittlungsplattform für mitpflegeleben.de 2019 Unmittelbar oder mittelbar Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Diako Thüringen Pflegeangebote gemeinnützige Investor/ gGmbH, Stiftung Liebenau, Verband für Digitalisie- + Pflegeratgeber innen aus der Branche rung in der Sozialwirtschaft e.V., Bank für + Wohnplattform Sozialwirtschaft Aktiengesellschaft, Evangelische + digitale Beratung Landeskirche in Württemberg + 13 weitere Vermittlungsplattform für seniorenportal.de 2010 Privatinvestor/innen 3S Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft mbH + Pflegeangebote 2 Privatpersonen + Pflegeratgeber + Wohnplattform Vermittlungsplattform für wohnen-im-alter.de 2008 Verlage, Privatinvestor/ Founders Park GmbH, Anke Paulick, Dr. Joachim Pflegeangebote innen, Beteiligungsgesell- Bernecker, Vincentz Network GmbH & Co. KG, + Pflegeratgeber schaften und Banken AdAstra Venture Consult GmbH + 16 weitere + Wohnplattform Pflegeratgeber pflege.de 2011 Privatinvestor/innen, Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, + Callcenter zur Vermittlung Beteiligungsgesellschaften Holtzbrinck Digital GmbH, Kreditanstalt für von Pflegeangeboten und Banken, Verlage Wiederaufbau, Nursia GmbH, ALSTIN Family GmbH, Hanse Ventures BSJ GmbH + 4 weitere Vermittlung von Alltagshel- betreut.de 2007 Beteiligungsgesellschaften IAC InterActiveCorp fer/innen für Senior/innen und Banken und Pflegebedürftige Vermittlung von Alltagshel- careship.de 2016 Beteiligungsgesellschaften AA Albert Investment UG, NK Albert Investment UG, fer/innen für Senior/innen und Banken, Atlantic Labs III GmbH & Co. KG, Spark Capital IV, und Pflegebedürftige Verlage, Privatinvestor/ L.P., Creandum IV L.P., Ananda Impact Fund III innen GmbH & Co. KG + 9 weitere Vermittlung von Alltagshel- pflegix.de 2016 Beteiligungsgesellschaften AG Bochum, Thomas Wötzel, Europ Assistance fer/innen für Senior/innen und Banken, Privatinves- Versicherungs AG und Pflegebedürftige tor/innen Entlassmanagement-Platt- pflegeplatzmanager.de 2018 Privatinvestor/innen, P&P Management Schiller UG, HCM Bach UG, form Beteiligungsgesellschaften Stiftung Thüringer Beteiligungskapital, Torsten und Banken Pfeifer + 5 weitere Entlassmanagement- recare.com 2017 Beteiligungsgesellschaften Greschke Holding UG, Nordic Tide AG, Brücken- Plattform und Banken, Verlage, köpfe Diamonds GmbH + 16 weitere Privatinvestor/innen Digitale „Gelbe Seiten“ altenheime.de Privatinvestor/innen Kurt Schüller Digitale „Gelbe Seiten“ pflegelotse.de Krankenkassen vdek Digitale „Gelbe Seiten“ pflege-navigator.de Krankenkassen AOK 571
NDV 12/2020 IM FOKUS Ein breites Spektrum an Investorentypen gliedsorganisationen sein. Plattformen, die von Krankenkas- sen oder gemeinnützigen Trägern getragen werden, verzich- Auffallend ist, wie heterogen das Investorenspektrum ist. ten daher auf dieses Modell des Hochkaufens. pflege-navigator. Kassen wie die AOK und der vdek schaffen über digitale „Gel- de und pflegelotse.de sind Beispiele hierfür. be Seiten“ Markttransparenz. Finanzinvestor/innen wie Holtzbrinck Ventures, Atlantic Labs und Carsten Maschmeyer Auch Pop-up-Fenster mit dem Verkauf von Treppenliften oder über seinen Wagniskapitalgeber der ALSTIN Family GmbH telefonischen Beratungsgesprächen wurden vor allem bei den sind engagiert, ebenso die freie Wohlfahrt über die Johanni- durch Privatinvestor/innen finanzierten Plattformen vorgefun- ter-Unfallhilfe oder diverse diakonische Träger. Es finden den. Derartige Angebote sind die logische Konsequenz, wenn sich gemeinnützige Organisationen ebenso wie Verlage oder das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgt wird. internationale Investoren. Schließlich gibt es noch Plattformen ohne offene Liste, die Um einen Blick in die Zukunft des Markts der Pflegeplattfor- über telefonische Beratung Pflegeplätze vermitteln. Hier fehlt men zu werfen, ist ein Blick auf die Investor/innen und deren für Suchende die Transparenz, welche Anbieter wann und aus mutmaßliche Interessen von zentraler Bedeutung. Offensicht- welchen Gründen empfohlen werden. lich ist, dass eine Krankenkasse mit Versorgungsauftrag ande- re Interessen verfolgt als Finanzinvestor/innen, der/die im Plattformen, bei denen Gemeinnutz im Vordergrund steht, Pflegesektor eine fragmentierte und zugleich wachsende setzen auf das Modell, Zusatzleistungen für Pflegeanbieter zu Branche sehen, in der eine Plattform zum Gatekeeper und da- verkaufen, beispielsweise ein Qualitätssiegel bei heimver- mit Umsatzbringer werden kann. Auch Investor/innen mit be- zeichnis.de oder Statistiken und ein eigenes Anfrageverwal- stehendem Engagement in der Gesundheitsbranche werden tungstool bei mitpflegeleben.de. mit anderen Augen auf die benachbarte Branche Pflege schauen als gemeinnützige Organisationen, welche längeres Insgesamt ist die Branche der Pflegeplattformen noch jung selbstständiges Leben im Alter bei der Gestaltung und Weiter- und probiert verschiedene Geschäftsmodelle aus. Auch die entwicklung ihrer Angebote vor Augen haben. Medienunter- Bildung von Quasi-Monopolen, wie sie für reife Plattformmärk- nehmen mögen die Beteiligung als Weg zur Marktpräsenz se- te typisch ist, ist noch nicht zu beobachten. Jede/r neue Nut- hen, während engagierte Einzelpersonen diese vermutlich zer/in entscheidet also heute mit, wie der Markt von morgen eher als finanzielles Investment betrachten. aussehen wird. Denn die Frage, OB sich eine kleine Anzahl an Plattformen durchsetzen wird, stellt sich gar nicht mehr. Die Letztlich ist es von außen nicht möglich, in die Köpfe von In- Frage ist nur: Welche werden dies sein? vestor/innen hineinzuschauen. Ein Überblick, wie ihn die Ta- belle bietet, stellt lediglich eine Einladung zur Interpretation und zum Nachfragen dar. Wie entscheidend die Intentionen Quo vadis, Markt der Pflegeplattformen? sein können, wird im abschließenden Kapitel reflektiert. Was passiert, sobald eine der Plattformen tatsächlich markt- So vielfältig wie die Investortypen sind auch die Geschäftsmo- beherrschend ist, wenn also ein Großteil der Pflegedienstleis- delle. tungen über diese Plattform vermittelt wird? Dies kann gravie- rende Folgen in Bezug auf Preise, Umgang mit Daten und Die meisten Plattformen mit Privatinvestor/innen folgen typi- benachbarte Geschäftsfelder haben und soll nachfolgend im schen Plattform-Logiken. Sie geben den Anbietern mit den Sinne eines Denkanstoßes skizziert werden. Dabei werden un- größten Marketingbudgets die Möglichkeit, sich einen guten terschiedliche Intentionen von Investor/innen berücksichtigt. oder sogar den besten Ranking-Platz zu erkaufen. Hierzu zäh- len beispielsweise Plattformen wie seniorenportal.de oder wohnen-im-alter.de. Dieses Modell verschafft finanzstarken Preisbildung und Geschäftsmodelle Pflegeeinrichtungen einen Wettbewerbsvorteil, denn: Wann waren Sie das letzte Mal auf Seite 5 bei der Google Suche? Wer einen Markt beherrscht, kann Preise und Geschäftsmo- delle diktieren. Bezogen auf Pflegeplattformen fallen einem Damit ist zum einen nicht gesichert, das Pflegesuchende tat- zuerst die Preise für Anzeigenschaltungen oder Services ein, sächlich das passendste Angebot finden. Zum anderen fehlt welche von den Anbietern getragen werden. Einen Monopolis- die Fairness gegenüber kleinen und kleinsten Pflegeanbie- ten hindert man aber nur schwer daran, auch auf der anderen tern. Für eine große Wohlfahrtsorganisation mit vielen klei- Seite des Marktes bei Hilfesuchenden möglichst viel Umsatz nen, rechtlich selbstständigen Anbietern kann eine solche zu generieren: für Beratung, für Adressvermittlung etc. Plattform eigentlich nicht die erste Empfehlung an ihre Mit 572
IM FOKUS NDV 12/2020 Wenn derart erhöhte Preise in die Taschen privater Investor/ Ausweitung des Monopols innen fließen und nicht im System „Pflege“ verbleiben, belas- tet all dies am Schluss die Versicherten. Nicht ohne Grund hat Schon heute lässt sich beobachten, dass viele der Vermitt- sich auch Gesundheitsminister Jens Spahn bei einer Rede wie lungsplattformen ihr Geschäftsmodell erweitern. Pflegehilfs- folgt positioniert: „Bei Digitalisierung und dem Datenschutz mittel-Portale kommen hinzu, ebenso Arbeitgeberbewertun- dürfen wir das Feld nicht dem Silicon Valley oder den Staats- gen oder Personalvermittlungen. Und der Schritt für die konzernen in China überlassen. Es ist wichtig, dass digitale Vermittlungsportale, mit Schnittstellen zum Abrechnungswe- Angebote und Dienstleistungen nicht einfach nur importiert sen der Pflegeanbieter aufzuwarten, ist nicht weit. Die Bedeu- und notdürftig für den deutschen Markt übersetzt werden. tung der unter „Datennutzung“ und „Preisbildung“ benannten Solche Ideen und Plattformen müssen aus unserem Land he- Themen wächst nochmals, wenn sich Gatekeeper Schritt für rauskommen und passgenau für deutsche Nutzer entwickelt Schritt am Markt in die Breite und Tiefe bewegen. werden.“2 Diese drei Entwicklungsrichtungen machen eines deutlich: Es Alternativ kann bewusst eine soziale Preisbildung betrieben ist entscheidend, wer mit welcher Intention derartige Plattfor- werden, welche allen Beteiligten einen bestmöglichen Service men betreibt. Gelingt es, Gemeinwohlorientierung mit der Ge- zu verträglichen Preisen bietet, bestenfalls von Anbietern der schwindigkeit und auch der finanziellen Schlagkraft, wie sie Branche betrieben, womit dann auch sämtliche Gelder „im unter Plattforminvestor/innen üblich ist, zu verknüpfen? Oder System“ bleiben. wird der Pflegesektor, wie schon manch andere Branche, von Investor/innen aus ganz anderen Bereichen mit vornehmlich finanziellen Interessen ‚überrollt‘? Datennutzung Dies – so unsere Einschätzung – entscheidet sich in den nächs- Eine Plattform, über die ein Großteil der Pflegedienstleistun- ten Jahren. Die Übersicht zu den bestehenden Plattformen gen vermittelt wird, verfügt über einen enormen Datenschatz und den dahinterstehenden Investor/innen zeigt deutlich: Vie- zu Lebenssituation und Bedarfslagen von Pflegebedürftigen. le kommen nicht aus der Sozialbranche, haben jedoch zum Entwicklungen lassen sich kleinräumig oder auch nach so- Teil Erfahrungen in der Disruption scheinbar unveränderlicher zio-demografischen Kriterien dokumentieren und analysie- Strukturen. Mit jeder Entscheidung für eine bestimmte Platt- ren. form, sei es auf Anbieter- oder auf Nachfragerseite, wird die Zukunft ein kleines Stück mitgestaltet. Dies sollte die Sozial- Entscheidend ist, wer Zugriff auf diese Daten bekommt: priva- branche gemeinsam und reflektiert tun. Wir freuen uns auf te Investor/innen, die sich die lohnendsten Quartiere sichern? den Dialog und laden zum virtuellen Diskurs „Plattformen in Kommunen, die diese für die Gestaltung der kommunalen Se- der Pflegewelt – Erfahrungen, Meinungen und Ideen?“ am 21. niorenpolitik und Pflegeplanung nutzen? Kranken- und Pfle- Januar 2021, 12:00 bis 12:45 ein. Sie können sich hier anmel- gekassen in ihrer marktgestaltenden Rolle? Oder werden die den: Daten genutzt, um die Klientel der Pflege- und Hilfebedürfti- gen gezielt mit Produktwerbung zu bespielen? Alternativ zur https://www.contec.de/eventdetails/plattformen-in- Werbung lässt sich auf diesem Weg natürlich auch Begleitung der-pflegewelt-erfahrungen-meinungen-und-ideen/ anbieten, die Hilfe- und Pflegebedürftige in ihrem Alltag unter- Oder scannen Sie einfach diesen Code. Wir freuen uns auf den stützt. Austausch mit Ihnen. 2 Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=YDFa9MyInm4 Jens Spahn am 22. Oktober 2019 zum Beta Launch Event der Plattform mitpflegele- ben.de 573
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